Montag, 31. August 2009

Birgit Cerha: Gadafi: Vom „Schurken“ zum „Staatsmann“

Libyens Revolutionsführer erwies sich in vier Jahrzehnten als politischer Überlebenskünstler ersten Ranges und zugleich als eigenwilliger Wüstentyrann.

Emsig säuberte eine Armee von Arbeitern Straßen und Plätze von allerlei Unrat. Unzählige neu gepflanzte Palmen schmücken die Uferpromenade Tripolis. Libyen ist bereit für das größte Fest aller Zeiten, bei dem der dienstälteste Herrscher der arabischen Welt, ja des gesamten afrikanischen Kontinents ab heute, Dienstag, jenes schicksalhaften Tages vor vier Jahrzehnten gedenkt, als er, ein 27-jähriger Hauptmann, eine neue Ära in diesem Wüstenstaat am Mittelmeer begann. Am Dienstag, dem 1. September 1969 gelang es einer Gruppe von Offizieren unter Leitung von Muammar Gadafi König Idris I. unblutig vom Thron zu stürzen. Sechs Tage lang feiert Libyen dieses Jubiläum mit Banketts, Paraden, Son et Lumieres in spektakulären römischen Ruinen und Konzerten. Die ganze Welt ist geladen, um die Wandlung des einstigen Terrorpatrons zum international anerkannten, ja gar umworbenen Staatsmann zu besiegeln.

Doch eine fatale außenpolitische Fehlkalkulation trübt Gadafis so triumphal erdachtes Freudenfest. Westliche, aber auch russische Führer geben ihm nicht die Ehre. Gadafis Umarmung des in Libyen in der Vorwoche als Helden willkommen geheißenen Abdel Basset al-Megrahi hat in westlichen Regierungsstuben neue schwere Zweifel an der echten Wandlungsfähigkeit und Zuverlässigkeit dieses einst als gefährlichsten „Feind des Westens“, von US-Präsident Reagan in den 80er Jahren gar als „tollwütigen Hund“ beschimpften Wüstensohnes geweckt. Intern war Gadafi durch die Freilassung des sterbenskranken libyschen Agenten aus humanitären Gründen ein wichtiger Coup geglückt. Viele Libyer halten Megrahi für unschuldig und für ein politisches Opfer. Megrahi war 2001 wegen des Terroranschlags auf eine Maschine der US-Fluggesellschaft PanAm über dem schottischen Ort Lockerbie zu lebenslanger Haft verurteilt worden, die er in einem schottischen Gefängnis abzusitzen begann. Er ist der einzige, der für diese Tat zur Rechenschaft gezogen wurde und an seiner Schuld hatte es stets Zweifel gegeben. Libyen hatte 2003 formell die Schuld für den Tod der 270 Menschen übernommen und Entschädigungszahlungen für die Hinterbliebenen zugestimmt, später jedoch zu verstehen gegeben, man hätte sich dazu nur entschieden, um ein Ende von UN-Sanktionen zu erreichen.

Die Freilassung Megrahis dient Gadafi, der sich stets zu einem stolzen Anti-Imperialismus bekannt hatte, dazu, seinem Volk zu beweisen, dass er keine Marionette der Amerikaner und Briten sei. Die heftige internationale Kritik an seiner Haltung in dieser Affäre aber hatte der Libyer offenbar nicht einkalkuliert.

Selbst sein neugewonnener italienischer Freund, Premier Berlusconi, mit dem Gadafi vor einem Jahr einen Freundschaftspakt geschlossen hatte, will den Feiern fern bleiben, wiewohl er Sonntag den Grundstein für ein mehr als 2000 km langes Autobahnprojekt, das Tunesien über Libyen mit Ägypten verbindet, gelegt hatte. Dennoch hat sich der jahrzehntelang als Pariah geächtete Beduinensohn einen wichtigen Platz auf der Weltbühne gesichert, läßt sich als „König Afrikas“ feiern, spielt den Gastgeber für einen Sondergipfel der Afrikanischen Union, wird im September vor der UNO-Generalversammlung sprechen, deren diesjährigen Vorsitz sein einstiger Außenminister und UN-Delegetationschef Ali Treki übernimmt.

Doch was hat der Westen von einer – ökonomisch vielversprechenden – Partnerschaft mit diesem politischen Überlebenskünstler ersten Ranges zu erwarten? Es war schierer Pragmatismus, die Erkenntnis gewesen, dass Libyen nicht länger auf westliche Investitionen und westliches Know-how verzichten könne, die Gadafi 2003 zu einer radikalen Kehrtwende, der Aufgabe seines Massenvernichtungs-Programms, der Unterstützung radikaler Gruppierungen aus aller Welt, zu Entschädigungszahlungen für Terroropfer und zur Zusammenarbeit im Anti-Terrorkampf mit den USA bewogen hatte.

Gerne auf der internationalen Bühne als Clown und Exzentriker abgetan, hat sich Gadafi längst als brillanter politischer Akteur erwiesen, für den die eigene Machterhaltung an allerhöchster Stelle steht. Doch er beglückte sein Volk nicht mit seinem „Massenstaat“ und einer angeblichen direkten Demokratie, in der er offiziell kein Amt ausübt. Doch als selbsternannter „Bruder-Führer“ ist er in Wahrheit ein Autokrat, der seit Jahrzehnten politische Gegner brutal verfolgt, weder Opposition, noch die geringste Kritik an seiner Politik gestattet und das Volk ungeachtet des gigantischen Ölreichtums in Armut und Unterentwicklung hält. Libyen mit seinen 6,5 Millionen Einwohnern exportiert fast so viel Öl wie Saudi-Arabien, doch die Infrastruktur gleicht jener eines armen Entwicklungslandes, niedriges Bildungsniveau, geringe Löhne machen den Menschen zu schaffen, während Herrscher ein gigantisches Vermögen – manche sprechen v9on 250 Mrd. Dollar, andere von vier Mal so viel – für spektakuläre Prestigeprojekte, Waffen und Zahlungen an „Freunde“ vergeudete und enorme Summen im Sumpf der Korruption versinken.

Das alles soll nun anders werden, verspricht der 67-Jährige immer wieder. Doch Reformen gehen äußerst schleppend voran. Doch die Ankunft westlicher Firmen, der Beginn zahlreicher Bauprojekte weckt unter dem seit vier Jahrzehnten betrogenen Volk neue Hoffnung, dass es endlich ein wenig Anteil am Reichtum des Landes gewinnen könnte.

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Mittwoch, 19. August 2009

IFAMO in der Furche

Kirkuk: Test für die Zukunft des Iraks
Ein Hinweis auf das Buch "Kirkuk - Test für Iraks Stabilität" in der Zeitung "Die Furche" vom 6. August 2009



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Birgit Cerha: Geschwächter Khamenei gründet eigene „Schutz-Miliz“

Rivalisierende Sicherheitskräfte drohen das Chaos in der „Islamischen Republik“ noch weiter zu verschärfen

Schwer angeschlagen durch die Aufgabe seiner neutralen Position als „Höchster Geistlicher Führer“ der „Islamischen Republik“ im Zusammenhang mit den umstrittenen Präsidentschaftswahlen im Juni, gründete Ayatollah Khamenei nun eine eigene Miliz. Ihr Name, „Haydaryan“, ist Programm.. Er leitet sich ab von dem arabischen Wort „Haydar“ (Löwe) und stellt damit wohl ganz bewusst die Assoziation zu dem von den Schiiten so hoch verehrten Ali her, der diesen Spitznamen getragen hatte. Ali, Vetter und Schwiegersohn Mohammeds, wird von der schiitischen Glaubensrichtung des Islams als der legitime Nachfolger des Propheten angesehen. Ebenso – wohl Khameneis Botschaft – sei an seiner Legitimität als Nachfolger von Revolutionsführer Khomeini nicht zu rütteln.

Die Gründung einer neuen Sicherheitsorganisation, die direkt und wohl ausschließlich im Dienste Khameneis steht, besitzt im gegenwärtigen höchst angespannten politischen Klima außerordentliche Bedeutung. Sie illustriert deutlich – und überraschend – das Gefühl enormer Schwäche, das Khamenei nun plagen muss, da er sich offen und gegen massiven Widerstand auf die Seite Präsident Ahmadinedschads gestellt und seine Entschlossenheit bewiesen hat, diese Haltung auch mit brutaler Gewalt und schärfster Repression zu verteidigen und durchzusetzen. Immerhin besitzt Khamenei doch laut Verfassung ohnedies außerordentliche Machtfunktionen, insbesondere im Sicherheitsbereich. Er ist Oberkommandierender der regulären Streitkräfte, genannt „Artesch“ und besitzt die Autorität, die Führer aller Organe innerhalb der Polizei, der paramilitärischen Organisationen (der millionenstarken Bassidsch), der Revolutionsgarden und des Geheimdienstes zu ernennen.

Nur wenig ist vorerst über „Haydaryan“ bekannt. Wichtigstes Kriterium für die Wahl seiner Mitglieder ist die bedingungslose Loyalität zur Person Khameneis, der diese nach dem Vorbild der Bassidsch aufgebaute Miliz ausschließlich zu dienen hat. Einige der „Haydaryan“s wurden aus dem Khamenei treu ergebenen Kern der Bassidsch rekrutiert.

Während der schweren Unruhen der vergangenen Wochen hatten sich deutliche Risse in der Loyalität der Revolutionsgarden, der Polizei und sogar der traditionell als fanatisch geltenden Bassidsch gezeigt. Wiewohl die Revolutionsgarden, die stärkste militärische Kraft im Land, bisher nach außen hin keinerlei Zweifel an ihrer Treue zur Islamischen Republik und deren Führer aufkommen ließen, wurden in den vergangenen Wochen einige Kommandanten abgesetzt und halten sich hartnäckig Gerüchte über wachsendes Unbehagen in führenden Reihen der Garden angesichts der brutalen Niederschlagungen von unbewaffneten Demonstrationen. Eine ähnliche Stimmung hat offenbar auch die Bassidsch erfasst. Diese paramilitärischen Einheiten galten bisher stets als bedingungslos treu zum System und dessen Führer Khamenei. Viele dieser freiwilligen Milizionäre wurden schon im Alter von zwölf oder gar noch jünger rekrutiert und massiver Gehirnwäsche unterzogen. Andere, meist völlig ungebildet, schlossen sich den Bassidsch aus sozialer Not an, bereit, für Geld auch Mitbürger bedingungslos zu quälen und genossen dabei unverhoffte Machtgefühle. Sie waren seit Jahren besonders für die Niederschlagung von Unruhen trainiert worden.

Doch nach Aussagen von Ex-Bassidschis haben die dramatischen Ereignisse der vergangenen Wochen auch unter zumindest einigen dieser fanatischen Milizionäre tiefes Unbehagen und Enttäuschung über das System ausgelöst, wiewohl freilich andere eifrig in Gefängnissen unschuldige Demonstranten folterten. Doch, so betont der iranische Analyst Alireza Nourizadeh, „diese Bassidsch sind Teil der Nation und man kann nicht erwarten, dass sie weiterhin loyal zu den Behörden stehen, wenn sie erkennen, dass die (demonstrierenden) Menschen in den Straßen ihre Nachbarn sind oder deren Kinder..“ So wächst die Ungewissheit, ob diese Sicherheitskräfte bei einer weiteren Verschärfung der Lage sich nicht doch Khameneis Befehlen widersetzen. Schon während der vergangenen Unruhen musste der „Führer“ Zuflucht zu militanten Arabern der libanesischen Hisbollah oder der palästinensischen Hamas suchen, die, in Dankbarkeit für jahrelange Unterstützung Teherans, tatkräftig halfen, die Demonstrationen zu zerschlagen.

„Haydaryan“ soll aber auch helfen, Khameneis Position, wenn nötig gewaltsam, abzustützen, denn Rufe und Appelle nach Absetzung des Führers mehren sich selbst aus den Kreisen angesehener Geistlicher in den Theologenzentren Qom, Isfahan und Maschhad. Welche Stellung „Haydaryan“ in der Hierarchie der zahlreichen miteinander konkurrierenden Sicherheitskräfte einnimmt, ist vorerst noch unklar. Fest steht jedoch, dass ihre Gründung das Chaos in diesem von schweren internen Machtkämpfen zerrissenen Land drastisch verstärkt und enorme Gefahren birgt. Ein entscheidender Faktor beim Sturz des Schahs 1979 bildeten Massendesertionen in den Streitkräften. Deshalb hatten diverse führende Persönlichkeiten der „Islamischen Republik“ seit Jahren ihre eigenen loyalen Kader aufgebaut, damit sich die Geschichte nicht wiederhole. Doch in den dramatischen Turbulenzen, die den Iran nun erfasst haben, ist selbst die Loyalität dieser Ultra-Loyalen zweifelhaft geworden. Khamenei, daran besteht nun kein Zweifel, ist entschlossen, seine Politik und seine Macht selbst mit härtester Brutalität zu verteidigen.

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Dienstag, 18. August 2009

Birgit Cerha: Mubaraks katastrophales Erbe

Während US-Präsident Obama die Beziehungen zu dem wichtigsten Verbündeten in der arabischen Welt zu stärken sucht, droht Ägypten das Chaos
Eine triumphale Rückkehr zu fester, unverrückbarer strategischer Partnerschaft nach fünf Jahren der Abkühlung und schwerer Spannungen sollte die Visite des 81-jährigen Präsidenten Ägyptens im Weißen Haus in Washington werden. Doch Hosni Mubarak musste alles daran setzen, seine eigene altersbedingte physische Schwäche und die explosive politische Misere in seinem Heimatland zu vertuschen. Immerhin hat sein Regime seit dem Friedensschluss mit Israel 1979 aus Washington die stattliche Summe von 50 Mrd. Dollar in Empfang genommen. Damit baute die Supermacht das volksreichste arabische Land zu seiner wichtigsten strategischen Säule im Mittleren Osten auf. Diese Säule erlitt unter der Demokratisierungskampagne von Obamas Vorgänger Bush tiefe Sprünge, die Obama und Mubarak nun zu kitten versuchen, um gemeinsam effizienter in der Region Politik zu betreiben.

Doch die Säule steht auf schwankendem Boden. Das Alter hat Mubarak noch passiver gemacht. Wirtschaft und Politik stagnieren seit Jahren. Ägypten hat entscheidend an Einfluss verloren. Vor allem aber: Unter der Oberfläche brodelt so gewaltig, dass so manche prominente Ägypter, wie der Journalist Abdulhalim Qandil, das Regime Mubarak bereits am Rande des Zusammenbruchs sehen.

Die Wirtschaft kämpft mit gravierenden strukturellen Problemen. Die Arbeitslosigkeit liegt nach Schätzungen bei mehr als 20 Prozent, hohe Unterbeschäftigung verschärft die sozialen Probleme. Auf der Korruptionsliste von „Transparency International“ reiht sich Ägypten unter 180 Staaten auf den 115. Platz. „Korruption“, so die Organisation, hat alle Aspekte der Gesellschaft infiltriert“. Das sehen auch nach einer jüngsten Befragung 75 Prozent der Ägypter so und sie machen dafür vor allem die unter Mubaraks Sohn und Reisebegleiter Gamal verstärkten Kontakte zwischen dem Regime und der Geschäftswelt verantwortlich.

Andere statistische Zahlen entlarven ein erschreckendes Bild: Das Schul- und Universitätssystem bringt keine effizienten Experten hervor. Fast ein Drittel der Bevölkerung sind Analphabeten. Die Kluft zwischen Arm und Reich weitet sich stetig: Weniger als 20 Prozent der Ägypter besitzen 80 Prozent des Reichtums, während 44 Prozent mit weniger als umgerechnet zwei Dollar im Tag auskommen müssen. Weder die von Gamal Mubarak eingeleiteten Wirtschaftsreformen, noch die 28-jährige Politik des Präsidenten konnten die gravierenden Probleme, wie Arbeitslosigkeit, Inflation, Wohnungsmangel, Lebensmittelkrisen einer Lösung auch nur näher bringen.

Der sprichwörtliche Langmut der Ägypter aber hat nach Jahrzehnten sozialer Hoffnungslosigkeit ihre Grenzen erreicht. Im Vorjahr kam es zu blutigen Brotunruhen und allein im Juli gingen 16.500 Arbeiter im ganzen Land in 35 verschiedenen Aktionen in Streik – eine völlig neue Entwicklung am Nil, wo die Zivilgesellschaft mit aller Kraft unterdrückt wird.

Soziale Unruhen und politischen Dissens versuchte das Regime seit Jahrzehnten durch den Einsatz der Sicherheitskräfte, die heute schon fast zwei Millionen umfassen, zu ersticken. Die Scharen der politischen Gefangenen werden seit etwa zwei Jahren auch von Bloggern verstärkt, die es wagten, Kritik an Repression, Korruption über das Internet zu verbreiten. Ägypten unter Hosni Mubarak gleicht heute einem Polizeistaat vom Schlage Tunesiens oder Syriens. Laizistische Opposition ist zur Bedeutungslosigkeit zerschlagen, der wachsenden Stärke Moslembrüder aber kann der Repressionsapparat des Regimes nichts anhaben.

Doch der gigantische Sicherheitsapparat kann die Stabilität des Regimes nicht mehr lange sichern. Denn was, wenn die Ära Hosni Mubarak zu Ende geht? In seiner steten Angst vor politischen Rivalen hatte Mubarak weder je einen Vizepräsidenten bestellt, noch einen Nachfolger aufgebaut. Nun hofft er offensichtlich auf seinen Sohn Gamal, den er nach Washington mitnahm, wohl um ihm dem höchsten Mann im Weißen Haus zu präsentieren. Doch gegen Gamal gibt es heftigen Widerstand in Ägypten. Noch hat Mubarak nicht klargestellt, ob er bei den Präsidentschaftswahlen 2011 wieder zu kandidieren gedenkt. Zum Ende dieser Amtszeit wäre er dann fast 90 und die politische Stagnation würde die soziale und politische Bombe stetig schärfen. Extremismus gewinnt an Boden. Ein politisches Vakuum könnte all zu leicht radikale anti-amerikanische und anti-westliche Kräfte an die Macht spülen und die gesamte geostrategische Politik der Amerikaner und des Westens in der Region völlig untergraben.

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Mittwoch, 12. August 2009

Birgit Cerha: Öl und Gas vergehen, doch das Wissen bleibt

Mit einer Jahrhundertstrategie will Katars Herrscherpaar das winzige Gasreich zu einem Modellstaat für die gesamte Region entwickeln

„Wenn eines Tages Öl und Gas in unserem Boden erschöpft sind, werden wir nicht wieder auf unsere Kamele steigen“, scherzte Emir Hamad bin Khalifa jüngst bei einem Besuch in den USA. Deshalb hat der 57-jährige Herrscher Katars eine Jahrhundertstrategie entworfen, die den Ministaat im Persischen Golf zu einem Modell erheben soll für die gesamte Region. Die Ansätze sind viel versprechend. Um sie weiter auszubauen haben sich der Emir und sein engstes Beraterteam auf die Suche nach lukrativen Industriebeteiligungen begeben, in die sie wenigstens einen Teil ihres überschüssigen Kapitals aus den Öl- und Gasexporterträgen fließen lassen können. Angesehene Marken, Zukunfts- und Umwelttechnologie und Know-how genießen bei den Einkäufen höchste Priorität. Eine Milliardeninvestition bei Porsche soll nun einen Höhepunkt dieser ehrgeizigen Vorsorge für die Zukunft bilden.

Emir Hamad liebt Porsche, und das tut auch seine schöne Frau Mozah Bint Nasser al Missned. In ihrem stattlicher Familien-Fuhrpark stehen gleich mehrere Exemplare der schwäbischen Sportwagen. Die Scheichin, so wissen Eingeweihte, soll treibende Kraft des Einstiegs in diesen prestigeträchtigen Autoproduzenten sein, den Katar von einem Teil der offiziell etwa zehn Mrd. Euro Schulden befreien und damit zu einem Großaktionär aufsteigen will.
Wiewohl ausgebildet an der britischen Militärakademie Sandhurst, entwickelte sich der Herrscher dieses kleinen, erzkonservativen Reiches weit mehr zum Diplomaten und Unternehmer, denn zu einem Militär. Und er ist ein begeisterter Sportfan, der der mit großem persönlichen Einsatz die Leichtathletik in seinem Reich aufbaute und förderte, so dass einer der heimischen Sportler gar eine olympische Medaille errang.

Gemeinsam mit seiner „First Lady“ hat Hamad Katar auf die politische und ökonomische Landkarte gesetzt. Das Emirat und Hamed, so scheint es, mischen heute überall mit und Mussa gilt als die wichtigste treibende Kraft – und dies gar nicht nur im Hintergrund. Ganz offiziell ist ist die heute 50-Jährige seine wichtigste Beraterin. „Ihre Hoheit ist das Beste, was Katar je geschah“, umreißt ein junger Student eine im Emirat weit verbreitete Überzeugung. „Sie inspiriert uns total. Seit sie (an der Seite ihres Manne) an die Macht kam, hat sich Katar um hundert Prozent gewandelt“. Die Scheichin pflegt solches Lob bescheiden abzuwehren. Vielmehr sei es der Emir, der sie inspiriere. „Ich lebe an seiner Seite und kenne seine Sorgen, seine Hoffnungen und seine Träume für sein Volk.“ Und gemeinsam seien sie überzeugt, dass man die Zukunft nach einem Plan entschieden gestalten müsse und nichts dem Zufall überlassen dürfe. Und dies tut das Herrscherpaar tatsächlich gemeinsam.

Sie war erst 18, als die bildhübsche Tochter des bürgerlichen Nasser Abdullah Al-Missned und Soziologiestudentin 1977 die Aufmerksamkeit des damaligen Kronprinzen auf sich zog. Hamad ließ sie nicht mehr gehen. Er nahm sie zu seiner zweiten Frau und eine dritte folgte ihr. Doch Mussa ist seine Liebste. Sie schenkte ihm sieben seiner 27 Kinder. Sie unterstützte ihn in der turbulenten Zeit, als er 1995 seinen gerade in der Schweiz weilenden Vater stürzte, weil dieser Katars Entwicklung dramatisch gehemmt hatte. Seither hat das königliche Paar gemeinsam die Wirtschaft und Politik des Landes modernisiert und den Weg in eine prosperierende Zukunft geöffnet.

In der Region zählt Hamed, trotz der Winzigkeit seines Reiches heute zu den führenden Herrschern. Er pflegt gute Beziehungen zum Iran wie zu Israel, beherbergt das Hauptquartier der US-Truppen im Mittleren Osten, spielt den Gastgeber für unzählige politische Konferenzen, die Welthandelsrunde, die Arabische Liga, den Golfkooperationsrat, die Opec, engagiert sich als Vermittler in regionalen Konflikten, sei es zwischen den Palästinensern der Hamas und Fatah oder den zerstrittenen Libanesen. Sein politisches Engagement treibt manchmal allerdings auch seltsame Blüten. So veranstaltete Katar im März 2003 eine Sitzung der Islamischen Konferenz-Organisation, die die US-Invasion des Iraks gerade zu dem Zeitpunkt verhindern sollte, als vom US-Militärstützpunkt in Katar die ersten Kampfflugzeuge Richtung Norden aufstiegen. Dem Emir liegt enorm viel an guten Beziehungen zu den USA, und um diese zu stärken lädt er häufig israelische Führer nach Katar ein.

Die kluge, weltoffene Mozah stürzte zunächst die erzkonservativen Kataren in einen Schock, als sie erstmals unverschleiert in der Öffentlichkeit eine Rede hielt. Doch bald gewöhnten sich die Bürger an die für die Region so ungewöhnlichen öffentlichen Auftritte der schönen First Lady an der Seite ihres Mannes. Doch dies war erst der Anfang. Unterdessen engagiert sie sich in vielen Bereichen des Landes, von öffentlichem Transport für ausländische Arbeitskräfte, über die ersten Frauenhäuser, Gotteshäuser für Nicht-Muslime und viele soziale Fragen. Das Hauptinteresse dieser hart arbeitenden, energischen und zielbewussten Scheichin, die heute auf der Forbes-Liste der mächtigsten Frauen der Welt den 79. Platz einnimmt, aber gilt der politischen Reform und Entwicklung in ihrem Land und insbesondere dem Bildungswesen. Auf ihren Einsatz geht die Einführung des Frauenwahlrechts zurück, eine Seltenheit in den erzkonservativen Golfstaaten. Sie leitet die „Qatar Foundation“, die das kleine Land zu einem Hochschul- und Forschungszentrum machen will und bereits sechs amerikanische Spitzenuniversitäten auf einem Campus nahe der Hauptstadt Doha angezogen hat. Die von internationalen Stararchitekten hochgezogenen Universitätsgebäude, in die Katar im vergangenen Jahrzehnt rund eine Milliarde Dollar investiert hatte, lassen die unter dem Spardruck leidenden europäischen Akademiker vor Neid erblassen. „Öl und Gas“, so Mozahs Wahlspruch, „werden irgendwann zu Ende gehen. Das Wissen bleibt.“ Qatar soll sich vom Energielieferanten zum Bildungsstandort für die gesamte Region wandeln.

Solche Vision freilich quälen erzkonservative Islamisten-Führer in der Region gleich den schlimmsten Alpträumen. Nicht nur sitzen US-Militärs auf Stützpunkten in Katar, sie dringen auch in die Klassenräume der islamischen Heimatländer ein.

„Keine Angst vor Freiheit“, lautet das Motto der Scheichin, das benachbarten erzkonservativen Herrschern das Gruseln über den Rücken jagt. Bildung der Bürger sei die wichtigste Waffe gegen Extremismus und Terrorismus, betont Mozah immer wieder. Und sie tut viel, um das kritische Denken ihrer Bürger zu fördern. So gründete sie etwa nach dem Vorbild der politischen Debatten der britischen „Oxford Union“ die „Doha Debates“, zu denen allmonatlich vor allem junge Kataren und interessierte Bürger aus der ganzen Region geladen werden. Bei den von BBC geleitete Diskussionen ist kein Thema Tabu. „Wir glauben“, erklärt Mozah, „durch die Ermutigung des kritischen Denkens und Förderung von Wissen schaffen wir vielseitige Menschen und werden damit die Gesellschaft Katars aufbauen und entwickeln können.“

Durch eine kluge Investitionspolitik will das Herrscherpaar seinem kleinen Völkchen eine würdevolle Zukunft in Wohlstand sichern. Und diesem Ziel soll auch die Beteiligung bei Porsche dienen.


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Info-Kasten


Zwergstaat mit gigantischem Reichtum

Halb so groß wie Hessen, wurde Katar einst als der „langweiligste Flecken der Erde“ verspottet. Wiewohl schon zur Steinzeit besiedelt, ist diese schmale ovale Halbinsel heute eines der trockensten Gebiete der Welt, unfruchtbar, verödet, noch unwirtlicher als die anderen arabischen Wüstenstaaten. Salzsümpfe und Wüstenstreifen trennen Katar von der Arabischen Halbinsel. Bis in die 50er Jahre des 20. Jahrhunderts lebten die weitgehend ungebildeten Bewohner primär vom Perlenhandel und hausten in ärmlichen Lehmhütten. Heute gelten die etwa 150.000 Kataren dank des Öl- und vor allem des Gasreichtums mit einem Pro-Kopf-Einkommen von etwa 100.000 Euro als die reichsten Bürger des Planten.

Bis heute ist Katar noch in hohem Maße auf ausländische Arbeitskräfte angewiesen, die etwa vier Fünfte der Gesamtbewohner von geschätzten 1,6 Millionen Menschen ausmachen. Und das Bevölkerungswachstum liegt wegen des zunehmenden Bedarfs an Arbeitskräften bei etwa zwölf Prozent. Im Gegensatz zu seinem Vater, der das Staatsvermögen in stattlichen Mengen in die Schweiz transferierte, bemüht sich Emir Hamed bin Khalifa um eine halbwegs gerechte Verteiligung der materiellen Schätze des Landes. Bildung ist für die Bürger kostenlos und nirgends sonst wo auf der Welt ist dank staatlicher Subventionen die Sportwagendichte so große wie in Katar.


Wirtschaftsboom trotz weltweiter Krise


Während die Ölschätze bald zur Neige gehen, verfügt Katar nach Russland und dem Iran über die drittgrößten Erdgasvorkommen der Welt. 14,4 Prozent aller bekannten Gasvorkommen liegen unter seinem Boden. 2005 hat der Emir, der seit seiner Machtübernahme energisch die Gasförderung betreibt, den Staatsfonds „QIA“ (Qatar Investment Authority) gegründet. Er verfügt über einen geschätzten Kapitalstock von 60 Mrd. Dollar und jedes Jahr stehen aus diesem Fonds weitere 20 Mrd. zur Verfügung. Seit Beginn der Finanzkrise erwarb QIA, der sich mit einem Schleier des Geheimnisses umhüllt, etwa 16 Prozent an der britischen Barclays-Bank und zehn Prozent an Credit Suisse. Hamades lukrativstes heimisches Projekt ist Ras Laffan, eine Flüssiggasanlage, die nach Schätzungen des Internationalen Währungsfonds 77 Mio. T. pro Jahr produzieren und Katar damit über fünf Jahre Exporteinkommen von etwa 292 Mrd. Dollar sichern soll. Gemeinsam mit einem neuen Petro-Chemieprojekt soll damit das Bruttoinlandsprodukt bis 2010 um durchschnittlich real etwa 17 Prozent steigen, wohl ein Weltrekord. Deshalb auch hält die Regierung unverändert an ehrgeizigen Bau- und Infrastrukturvorhaben fest.



Reform-Modell


Emir Hamed bin Khalifa und seine „First Lady“ Mozah gelten heute als die reformfreudigsten Führer der arabischen Welt, bemüht, den traditionellen Konservativismus ihres Volkes mit der Vision eines technologisch modernen Staates mit kultureller Vielfalt zu vereinen. Katar beherbergt heute die freiesten Medien der arabischen Welt. Der Satellitensender Al Jezira wird vom Emir weitgehend finanziert, versagt sich allerdings auffällig Kritik am Herrscherhaus. Mit dem Ziel, sich schließlich der ganzen Region als Modell-Staat mit liberalen Zügen zu präsentieren erhielt Katar 2003 seine erste Verfassung, die die Demokratisierung des Golfstaates einleitete. Sie machte den Weg frei für die ersten Parlamentswahlen, bei denen Frauen und Männer gleichermaßen wählen und gewählt werden durften. Frauen bekleiden heute Regierungsämter, sie dürfen anders als im benachbarten Saudi-Arabien Autos chauffieren, auf den Küsten Bikinis tragen und müssen sich insgesamt keinen Kleidervorschriften unterwerfen. In Hotels wird Alkohol serviert und 2008 wurde die erste christliche Kirche eröffnet. Während das Herrscherpaar zwar grundsätzlich Meinungsfreiheit und den Aufbau einer Zivilgesellschaft fördert, ist der Emir laut Verfassung absoluter Herrscher, der Katar wie sein eigenes familiäres Lehenswesen reigert.

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Mittwoch, 5. August 2009

Birgit Cerha: Ahmadinedschad tritt zweite Amtszeit an

Doch die härtesten Tests stehen Irans Präsidenten noch bevor – Opposition zu anhaltendem Widerstand entschlossen

Er werde dem Volk dienen und dem Land und „ich denke an nichts anderes als an Fortschritt und Entwicklung der Nation“, beteuerte der schwer angeschlagene Ahmadinedschad Mittwoch, als er vor dem Parlament in Teheran den Eid für die zweite Amtsperiode als Präsident der „Islamischen Republik“ ablegte. Er rief das Volk zur Einheit auf, erwähnte jedoch mit keinem Wort die Menge hunderter Oppositioneller, die vor dem Parlamentsgebäude gegen die Angelobung demonstrierte und von einem Großaufgebot an Polizisten und Milizionären, wie in den vergangenen Wochen, brutal attackiert wurde. Zahlreiche Abgeordnete waren der Angelobung ferngeblieben. Deutschland sandte einen Beobachter, die EU, Frankreich, Großbritannien und Spanien ihre Botschafter. US-Präsident Obama und die Führer einiger europäischer Länder, nahmen jedoch von der traditionellen Gratulation Abstand, ein Sprecher des Weißen Hauses in Washington anerkannte Ahmadinedschad aber als „den gewählten Führer“. In der für ihn typischen Trotzreaktion, zog der Präsident das Verhalten westlicher Führer ins Lächerliche. Während er seinen Willen zu „friedlicher Koexistenz“ bekundete, betonte er, „sie“ (westliche Staatschefs) müssen wissen, dass keiner hier auf ihre Gratulationen wartet. Das iranische Volk legt weder Wert auf ihre Drohgebärden, noch auf ihre Gratulationen und ihr Lächeln.“

Mit der offiziellen Angelobung Ahmadinedschads aber ist die tiefe Krise, die das Land seit der umstrittenen Wahl vom 12. Juni erschüttert, noch längst nicht zu Ende. Für den durch die Welle der Proteste, die massiven Repressionen gegen friedliche Demonstranten und heftig umstrittene personelle Entscheidungen empfindlich geschwächten Präsidenten beginnen nun erst die härtesten Tests. Eine breite Oppositionsströmung unter Führung der offiziell unterlegenen Präsidentschaftskandidaten Mussawi und Karrubi, unterstützt von Ex-Präsident Rafsandschani, betrachtet unverändert den erneuten Amtsantritt Ahmadinedschads für „illegal“ und ist – ungeachtet massivster Einschüchterungen und des gegenwärtigen Massenprozesses gegen Demonstranten und zahlreiche führende Reformpolitiker zur Fortsetzung der Kampagne gegen den Präsidenten entschlossen.

Die erste große Hürde hat Ahmadinedschad in zwei Wochen zu nehmen, wenn er dem Parlament die Kabinettsliste vorlegen muss. Der schwere Konflikt um Esfandiar Rahim Mashai, dem Vater seiner Schwiegertochter, dessen Ernennung zu seinem ersten Vizepräsidenten Ahmadinedschad auf Druck des „Geistlichen Führers“ Khamenei rückgängig machen musste, eine Entscheidung, die er zur Empörung vieler seiner erzkonservativen Verbündeten im Establishment erst nach einwöchiger Verzögerung getroffen hatte, schwächt seine Position zusätzlich. Nachdem von Khamenei vergangenen Montag als Präsident bestätigt, versprach er, „alle zur aktiven Teilnahme und Planung einzuladen“. Iranische Beobachter interpretieren diese Aussage als Ankündigung, dass das neue Kabinett politisch heterogener sein werde, um die tiefe Kluft zwischen den politischen Strömungen im Land zu überwinden. Die Affäre Mashai läßt erkennen, dass Khamenei, der nach bisheriger Tradition über der Tagespolitik steht, nun entschlossen ist, in der Regierungsbildung eine aktive Rolle zu spielen. Ahmadinedschad sich nun einerseits verstärkt bemühen, seine Loyalität zum „Führer“ zu beweisen, anderseits aber auch die Unabhängigkeit der Exekutive zu dokumentieren.

Nichts deutet allerdings bisher darauf hin, dass sich der Präsident aber ernsthaft um nationale Einigung und Versöhnung bemühen könnte. So kündigte Ahmadinedschad vor wenigen Tagen an, dass er nun die Vernichtung seiner Feinde selbst in die Hand nehmen werde: „Der Zeitpunkt ist gekommen, ihre Köpfe gegen die Decke zu schlagen.“

Zugleich muß sich Ahmadinedschad nun bemühen, seine alten, durch die gegenwärtige Krise vergrämten Verbündeten wieder zu gewinnen. An erster Stelle stehen dabei die mächtigen Revolutionsgarden, die ihm vor vier Jahren entscheidend zu seinem Wahlsieg verholfen hatten und deren politischen Einfluß der Präsident in seiner Amtszeit wesentlich gestärkt hatte. Doch in der Affäre um Mashai hatte die Führung der „Garden“ klar die Seite des „Führers“ gegen Ahmadinedschad eingenommen – ein böses Omen für den Präsidenten. Auch mit dem Widerstand eines anderer engen Verbündeten Khameneis, Parlamentspräsident Laridschanis, muß der Präsident sowohl bei der Billigung seines Kabinetts, als auch bei der Verabschiedung neuer und Bestätigung einer Serie von dem Parlament bereits präsentierten Gesetzesvorlagen rechnen. Eine der wenigen Persönlichkeiten, die sich in dieser schweren Krisenzeit als Vermittler anbietet, ist der konservative Präsidentschaftskandidat Mohsen Rezai, der als einziger offen seine Niederlage eingestand. ER appellierte bereits an die Justiz, „parallel“ zu dem gegenwärtigen Massenprozeß, Milizionäre oder andere Elemente, die in den vergangenen Wochen brutal gegen Demonstranten vorgegangen waren, vor Gericht zu stellen.

Durch Konflikte und Widerstand von allen Seiten empfindlich geschwächt, könnte Ahmadinedschads Handlungsspielraum zu Beginn seiner zweiten Amtsperiode kaum enger begrenzt sein.

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Montag, 3. August 2009

Birgit Cerha: Khamenei bestätigt Ahmadinedschad als Staatschef

Während sich im Iran die Fronten verhärten, droht eine neue Periode der Konfrontation mit dem Westen

Ungeachtet der anhaltenden Proteste gegen den heftig umstrittenen Ausgang der Präsidentschaftswahlen vom 12. Juni, bestätigte Irans „Geistlicher Führer“ Khamenei Montag in einer von den Oppositionsführern, wie dem mächtigen Ex-Präsidenten Rafsandschani boykottierten Feier Ahmadinedschad für eine zweite Amtsperiode. Der Weg ist damit frei für die Angelobung als Präsident durch das Parlament am Mittwoch. „Die Nation hat für den Kampf gegen die Arroganz (gemeint ist der Westen) gewählt“, betonte Khamenei in einer kurzen Rede vor einigen hundert Personen, darunter auch ausländischen Diplomaten. Bilder der im staatlichen Fernsehen übertragenen Zeremonie zeigten, wie Khamenei Ahmadinedschad seine Hand entzog, als dieser sie – wie 2005, als er vom „Führer“ für die erste Amtsperiode bestätigt worden war - küssen wollte und ihm stattdessen – mit sichtlichem Unbehagen - einen Kuß auf die Schulter gestattete.

Es war keineswegs eine Siegesfeier, mit der Khamenei seinen erbitterten Kampf um weitere vier Jahre Ahmadinedschad zu krönen versuchte. Offen sprach der „Führer“ die politischen Differenzen an, die das Land in seine tiefste Krise seit der Revolution stürzten: „Die politische Szene setzt sich aus drei Gruppen zusammen: eine steht in Opposition zur Regierung, eine andere unterstützt die Regierung und eine dritte kritisiert die Regierung.“ Und einlenkend fügte er hinzu: „Die Regierung sollte die Kritiker willkommen heißen und beachten.“
Indem er Ahmadinedschads Präsidentschaft unbeirrt durch den anhaltenden Widerstand in der Bevölkerung bestätigte, verknüpft Khamenei endgültig seine eigene politische Zukunft, ja vielleicht sogar das Schicksal der „Islamischen Republik“ mit jenem dieses umstrittenen Präsidenten. Zugleich droht dem Iran unter Ahmadinedschad verschärfte diplomatische Isolation, insbesondere seit die Radikalen im Regime mit hemmungsloser Brutalität gegen ihre Kritiker und unschuldige Demonstranten vorgehen und nun einen Schauprozeß eröffneten.

Der Iran wird nun mit einem drastisch geschwächten Regime und Präsidenten erneut die politische Bühne betreten, angesichts der anhaltenden Turbulenzen im Inland kaum in der Lage zu einer entschlossenen außenpolitischen Strategie, die so dringend nötig wäre, um die gefährliche Krise mit dem Westen über das Atomprogramm zu entschärfen und die Chance zu ergreifen, die US-Präsident Obama durch seine ausgestreckt Hand dem „Gottesstaat“ bietet. Vielmehr droht nun eine neue Phase verschärfter Konfrontation. US-Präsident Obama und der G-8-Gipfel setzten Teheran eine Frist bis Ende September, um sich zu entscheiden, ob es den Verhandlungsweg zur Lösung des Atomkonflikts wählen wolle. Außenminister Mottaki reagierte darauf hin mit der Ankündigung eines Vorschlagspakets, das zur Zeit in Vorbereitung sei und eine „gute Basis“ für künftige Gespräche bieten würde. Wiewohl Einzelheiten des Inhalts noch nicht klar sind, steht bereits fest, dass Teheran unter Ahmadinedschad primär die globale atomare Abrüstung, die weltweite Wirtschaftskrise, kulturelle Probleme und internationale Sicherheitsfragen erörtern wolle, nicht aber das Atomprogramm. Ein ähnliches Angebotspaket hatte der Westen bereits im Vorjahr abgelehnt, weil auch damals der Atomstreit ausgeklammert worden war.

Dass Ahmadinedschad aufgrund seiner geschwächten Position zu größerem Entgegenkommen bereit wäre, ist nach Einschätzung von Iran-Kennern auszuschließen. Vielmehr erscheint die Führung – zunächst zumindest – durch die schweren internen Konflikte außenpolitisch vollends gelähmt. So reagierte einzig der Oberkommandieren der Revolutionsgarden, Generalmajor Mohammed Ali Jaafari auf jüngst verschärfte Drohungen gegen sein Land und die erneut wachsende Gefahr eines israelischen Militärschlags, nachdem Israelis Militärmanöver im Roten Meer durchgeführt und hohe US-Sicherheitsoffiziere jüngst mit israelischen Vertretern zusammengetroffen waren. Sollte Israel den Iran angreifen, so Jaafari, werde der Iran gegen israelische Atomanlagen losschlagen.

Unterdessen drohen den Iranern bei ausbleibender Gesprächsbereitschaft verschärfte Sanktionen entweder durch den Weltsicherheitsrat oder sollten diese dort an russischem und chinesischem Veto scheitern durch die USA und deren Verbündete. In Erwägung gezogen wird ein Verbot der Lieferung von Raffinerie-Produkten, wie Kerosin, Benzin, Diesel, Propan- und Butan-Gas, auf deren Importe der Iran angewiesen ist. Zudem planen die USA Einschränkungen der Öl- und Gaskäufe aus dem Iran und der Investitionen im iranischen Öl- und Gas-Sektor. Solche Maßnahmen, die Obama – wenn nötig – bis zum Jahresende verfügen will, würden allerdings primär die nun durch das Regime ohnedies schon so massiv unter Druck stehende Zivilbevölkerung treffen. Für eine totale Isolation Ahmadinedschads als Reaktion auf die massiven Repressionen dürfte es im Westen jedoch angesichts der enormen sicherheitspolitischen Bedeutung des Atomstreits an Einigung fehlen. Hier liegt das Dilemma: Je stärker in die Enge getrieben, desto brutaler und hemmungslöser könnten Irans Despoten im Konflikt im dem Ausland und gegenüber der eigenen Bevölkerung zuschlagen.

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Sonntag, 2. August 2009

Young Iranian Woman - Email From Tehran

Der amerikanische Islam-Experte Juan Cole veröffentlichte in seinem Blog „Informed Comment“ den untenstehenden Bericht einer jungen Iranerin, den wir wegen der eindrucksvollen Schilderung und der Bedeutung ihrer Aussagen wiedergeben:

Young Iranian Woman - Email From Tehran
Posted to an email list. I made some minor spelling corrections.

This is going to be a slightly disjointed email, I'm sorry in advanced. It's already well passed midnight here and we just finished returning from the streets protesting. But I wanted to make sure to get this out tonight.

Today marked the 40th day anniversary of the killings of such youth as Neda Agha Soltan and Sohrab Aarabi in Iran's post-election demonstrations. We headed to Behesht Zahra Cementary in the afternoon to join the 4pm ceremony at their gravesites. Behesht Zahra is about a one hour drive south of Tehran and as we neared the cementery, about five police cars and officers were directing traffic. Waiting to enter the cementery compound in the traffic, one of my companions pulled down the window and half jokingly asked the police officer what was going on. He smiled back and said, "nothing, just go towards row 257." For those not familiar with Behesht Zahra, it's an enormous cementery with wide avenues and squares. Knowing it would take us a while to find our destination, the police officer decided to help by telling us in which row we could find Neda's grave (others in Behesht Zahra would help lost drivers by directing them to Neda. That's all people said: "Neda ounjast" (Neda is there), pointing in the direction of her grave). Throughout the ceremony it was obvious the police force was very sympathetic with the people (as opposed to the anti-riot police and the revolutionary guard factions that were present in large numbers and were standing by the graves of both Neda and Sohrab).

By the time we arrived to their graves, it was 4.30pm and about 150,000-200,000 had gathered there. Most had on green ribbons and shouted in unison: "Neda-ye ma namordeh, ein dolat-e ke morde" (Our Neda is not dead, it is this government that is dead). Her grave was covered in flowers and candles, as was the grave of Sohrab, just a few feet away. The demonstration was held about 75 feet from the graves and was where the majority of the people had gathered. The main difference between this gathering and the other gatherings in the past two months was that the slogans for this gathering were very highly charged and at times extremely revengeful. People shouted: "ma bache-haye jangim, bejang ta bejangim" (we're the children of war, fight and we'll fight back); "mikosham ani ke baradaram ra kosht" (I will kill he who killed my brother). There was no more talk of reclaiming the vote, but of getting rid of this "coup" government; the most numerous chant was "Death to the dictator." The anger could be felt at this gathering (which for me was a very ominous sign of worse things to come) and there was a very palpable lack of fear among people. Both Mir Hossein Moussavi and Karoubi had shown up at the gathering earlier in the afternoon.

We stayed for nearly two hours and decided to leave when we saw the security forces getting larger in number. As we left, we heard that they had hit some with batons and we could feel the tear gas in the air. A few minutes later reports emerged that Jafar Panahi, the award-winning filmmaker was arrested, as was Mahnaz Mohammadi, a documentary filmmaker and a women's rights activist. They have both been taken to an unknown location.

As we left the cemetery, the honking of the cars began: most cars were heading into Tehran to try to get as close to Mosallah as possible (the large mosque in central Tehran where Mousavi and Karoubi had asked to hold a ceremony of those killed last month---the interiory ministry did not give the permission for the gathering, but people had decided to show up there at 6 regardless). Every car driving out of Behesht Zahar was honking their horns and all drivers and passengers had their hands out of their cars in the peace sign. The police tried to discourage drivers from driving the main highway that would lead to central Tehran, but very few listened. Soldiers standing along the streets flashed the peace sign back at the honking cars with large smiles on their faces. It was obvious the soldiers and police forces were with the people.

As we reached my grandmother's house, which is just a few streets away from Mosallah, we saw people running from motorcycles (the Basij), who tried to taser them, and the protesters encouraged us to turn our windows up so the tear gas wouldn't hurt us. Residents came out of their homes and began small fires on the corners (to help against the tear gas). The streets were completely overtaken by protestors who were in a cat and mouse game with the security forces, all on motorcycles. We parked the car and went onto Valiasr Street (the main boulevard in Tehran that runs from north to south). The city was covered in a haze from all the tear gas and fires started on the corners. All roads leading to Mosallah were witness to huge confrontations between people and the security forces.

As we arrived on Valiasr people were spilt on different sides of the sidewalk: one side would shout slogans, the anti-riot police would attack with their batons and paint-ball guns (to mark the protesters to pick them up later), then the other side of the side-walk would start the chanting, so the anti-riot police would be forced to come to this side. As they attacked one side of the sidewalk, the protestors on the opposite side would come out of the side streets they had just run into and gather, regroup, and chant again. This continued for hours. When the anti-riot police disappeared for a bit, people lit candles and put them on the sidewalks, to commemorate the deaths of Neda, Sohrab, and the others. At one point we had managed to cover one section of the street in candles. As soon as the plainclothes militia saw the sidewalk lit in candles, they approached, stomped them out, and began hitting people. No one turned away. They would attack us, we'd run into the side streets and reemerge less than one minute later. The most haunting scene was when protesters had gathered at the beginning of Takht-tavvos Street and were shouting "Death to the Dictator." The anti-riot police gathered on their motorcycles (two per motorcycle, all in camouflage uniform, with full riot gear) in the middle of the street and their leader began pumping them up (it looked like a huddle during a football game---it was disgusting). He got them riled up, spun his baton in the air three times, and then they attacked (there were about 30 motorcycles, all in full gear). As they attacked the protestors in the street, some from the side began throwing stones at them, and all began cursing.

The anti-riot police would also drive up in cars and try to get people to move along and not congregate. People would walk slowly, then turn right back around. There was no more fear. They attacked, people retreated in the side-streets, then would come back out in less than one minute as soon as the motorcycles had gone off. There were so many protesters, and they were spread out all throughout Tehran (Valiasr Square, Fatemi Square, Yousefabad, Vanak Square, Mosallah, Sanati Square, Amirabad, Revolution Square, Tajrish Square....all the main streets and squares of Tehran were full of people and it seemed for the first time that the forces simply were not enough).

The security forces were using batons, chains, whips, tasers, paint-ball guns, and I saw handguns in the hands of three of them. There was a rumor that a few were shot at in Vanak Square. Two people were picked up near us and people tried to chase after the security forces to get the young men back, but it was a futile chase. Until around 11pm the streets were full of people. At 10pm the shouts of Allah-o Akbar and Death to the Dictator were being screamed from the rooftops all over the city until 10.30pm.

Friends in Isfahan also reported that 4-5,000 people had gathered there and there were no security forces at all present This was the first such gathering on a large scale in Isfahan since the first week after the election. Reports also came of gatherings in the thousands in cities of Rasht, Shiraz, Mashad.

People of all ages, sexes, and socio-economic groups were out today. We ran into many at the cemetery who had driven in from the provinces to attend the 40th day ceremony. Religious men and women were numerous at the gravesite, as were non-religious men and women. Children were out (at one point on the street back in Tehran I saw a group of two brothers and one sister, the youngest about 7 and the eldest 14, walking hand in hand down the street). Middle aged and older people would turn to us and say "we're out on the streets for you guys, this is for your future, for your generation." One mother told a soldier who asked her to go back home "I'm not going anywhere. Don't you know that we brought you guys into power by doing just this: by being out on the streets for nights on end. We brought you to where you are today, and we're going to take you out by being on the streets. I'm not going anywhere."

posted by Juan Cole @ 8/01/2009 12:41:00 AM 5 comments
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Birgit Cerha: Massenprozeß gegen Irans Opposition

Radikale Führer beginnen eine neue Phase brutaler Einschüchterung – Prominenten Reformern drohen schwerste Strafen

Sieben Wochen nach der heiß umstrittenen Präsidentschaftswahl im Iran begann Samstag vor einem Revolutionsgericht in Teheran ein einzigartiger Massenprozess gegen etwa hundert Personen, die das Regime für die heftigen Proteste gegen den offiziell verkündeten Wahlausgang und die zahlreichen Toten und Verwundeten verantwortlich macht. Es ist das erste Mal seit der islamischen Revolution vor drei Jahrzehnten, dass so viele prominente Politiker und hohe Beamte vor Gericht stehen. Unter ihnen ist der Geistliche Mohammed Ali Abtahi, Vizepräsident unter Reformpräsident Mohammed Khatami von 2001 bis 2004 und Leiter eines Instituts für interrelgiösen Dialog, Mohsen Mirdamadi, Führer der größten Reformpartei, der „Islamischen Beteiligungsfront des Iran“, Behzad Nabavi, ehemalige Industrie-Minister und stellvertretender Parlamentssprecher unter Khatami, sowie Mohsen Aminzadeh, stellvertretender Außenminister ebenfalls unter Khatami.

Eine unabhängige Berichterstattung über den Prozessverlauf ist nicht möglich, da ausländische und unabhängige iranische Medienvertreter ebenso wenig zugelassen sind, wie die Angehörigen der Angeklagten oder Anwälte. Auf einem offiziell verbreiteten Video ist eine hohe Zahl von Angeklagten in hellblauer Gefängniskleidung zu erkennen. Die amtliche Nachrichtenagentur Fars berichtete, Abtahi, der zuletzt als Wahlberater des Reformkandidaten Mehdi Karrubi aufgetreten war, hätte „gestanden“, dass die Behauptungen über Wahlfälschungen „grundlos“ gewesen seien. Und er habe unter Tränen erklärt, dass er Iraner „aufgehetzt und Unruhen geschürt“ hätte. Auf dem Gerichts-Video war Abtahis totale Erschöpfung klar zu erkennen. Die iranische Justiz besitzt über reiche Erfahrung, „Geständnisse“ von politischen Gegnern durch Folter zu erzwingen.

Abtahi mundtot zu machen, liegt in höchstem Interesse der Radikalen. Er ist nicht nur einer der engagiertesten Reformer im „Gottesstaat“, sondern der erste und bisher einzige Geistliche, der einen Blog führt, der zu einem wichtigen Forum für reformorientierte Politiker, Aktivisten und deren Sympathisanten wurde. In seinem Blog, in dem er weit über Irans Grenzen hinaus Berühmtheit erlangte, behandelt Abtahi politische, ökonomische und soziale Fragen und richtet sich vor allem an die jungen Iraner. So kritisierte er jüngst vor allem die immer brutaler zuschlagende „Sittenpolizei“, beschuldigte aber auch offen Ahmadinedschad der „Lüge“ und setzte sich intensiv für Karrubi und dessen Reformideen ein. Er wurde zu einer Art Leitfigur der Internetszene und hatte pro Tag bis zu 30.000 Clicks und mehr als hundert Kommentare. In seinem – bisher – letzten Blog am Tag nach der Präsidentschaftswahl, empörte er sich am 13. Juni vehement gegen den „Wahlbetrug“. Mit Abtahi hofft das Regime wohl, die gesamte, trotz aller Repressionen immer noch rege Internetszene zu brechen.

Die Anklagepunkte gegen Abtahi und seinen Leidensgefährten reichen laut staatlichen Medien von Aufruhr, Vergehen gegen die nationale Sicherheit, bis zur Verschwörung gegen das herrschende Regime durch Organisierung einer „samtenen Revolution“. Als besonders bedrohlich gelten Vorwürfe von Verbindungen zu „anti-revolutionären Gruppen“, gemeint sind die Volks-Mudschaheddin, der „Staatsfeind Nummer Eins“, der durch seine Terrorakte zu Beginn der Achtziger Jahre fast die gesamte islamische Führung jener Zeit ermordet hatte.

„Fast alle Verhafteten haben inzwischen gestanden“ triumphiert Mojtaba Zolonour, Verbindungsmann des „Geistlichen Führers“ Khamenei zu den Revolutionsgarden. „Einige der Verschwörer“, berichtet die Nachrichtenagentur „Fars“, seien noch auf freiem Fuß, „doch sie werden ohne Zweifel von unserem geliebten Volk identifiziert und der Justiz übergeben werden“.

Die Namen der Angeklagten wurden ebenso wenig bekannt gegeben, wie die weitere Verfahrensweise nach dem ersten Prozesstag. Auch über das drohende Strafmaß herrscht Unklarheit, zweifellos eine Methode, die Familienangehörige und Hunderttausende Sympathisanten vollends einzuschüchtern. Nach einigen Berichten haben Angeklagte, wenn schuldig gesprochen, mit einer Maximalstrafe von bis zu fünf Jahren Gefängnis zu rechnen. Sollten Protestteilnehmer allerdings vom Revolutionsgericht als „Mohareb“ („Feinde Gottes“) eingestuft werden, drohe ihnen die Todesstrafe, ebenso wie in Fällen der „Gefährdung der staatlichen Sicherheit“.

Der Zeitpunkt und das Ausmaß des Prozesses kamen unerwartet und werden weithin als neue Stufe der Repression angesehen, um die Menschen vor weiteren Protesten abzuschrecken, insbesondere vor der für 5. August geplanten Inauguration Ahmadinedschads. Doch erste Reaktionen in der Blog-Szene lassen erkennen, dass eine wachsende Zahl von Iranern ihre Angst vor dem Regime und dessen Handlangern zu verlieren beginnt. Viele Blogger feiern die Angeklagten als „nationale Helden“ und rufen zu neuen Demonstrationen auf. Selbst hohe Geistliche, wie Ayatollah Nasser Makarem Schirasi, wenden sich gegen den Massenprozess und rufen zur Freilassung der Demonstranten auf.

Der prominente iranische Journalist Akbar Gandschi, der in der Vorwoche drei Tage lang in Hungerstreig trat, um gegen die Masseninhaftierungen zu protestieren, appelliert an die internationale Gemeinschaft, die iranischen Führer für ihre Verbrechen zur Rechenschaft zu ziehen. „Wir werden den Weltsicherheitsrat aufrufen, den Fall Iran vor den Internationalen Strafgerichtshof in Den Hag zu bringen. Wir werden Unterschriften vieler Iraner unter einem diesbezüglichen Brief sammeln.“

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