Sonntag, 29. Januar 2012

SYRIEN: Blutige Ungewissheit in Syrien

Nach dem Fiasko der arabischen Friedensmission gewinnt Assad freie Hand für noch größere Brutalität – Wie lange kann sich das Regime noch halten?

von Birgit Cerha

Die Situation in Syrien verschlimmert sich von Tag zu Tag. Nachdem Samstag die Arabische Liga de facto das Scheitern ihrer einmonatigen Beobachtermission bekanntgegeben hatte, verschärften Sicherheitskräfte und Milizen des Regimes Sonntag ihre Offensive gegen Rebellen in Damaszener Vororten. Die Zahl der Toten hat sich seit Beginn der Rebellion gegen das Regime Bashar el Assad vor elf Monaten auf mehr als 5.500 erhöht.Das Fiasko der Friedensmission, die das katastrophale Blutvergießen beenden und einen friedlichen Übergang zu einem demokratischen System finden sollte, stand von Anfang an unter einem schlechten Stern. Die Beobachter waren wegen ihrer geringen Zahl, überhasteten Vorbereitung und drastisch eingeschränkten Bewegungsfreiheit hoffnungslos überfordert. Vor allem aber spielte das Regime mit den Liga-Vertretern „Katz und Maus“. In ihrer einmonatigen Mission konnten die Beobachter nicht nur die Gewalt nicht stoppen, sie eskalierte vielmehr. Allein in diesem Zeitraum schnellte die Zahl der durch Assads Bewaffnete Getöteten auf mehr als 800 hinauf. Immer mehr Beobachter sprangen geschockt und frustriert ab, bis schließlich auch Saudi-Arabien und Katar dem Assad-Regime nicht länger als Feigenblatt dienen wollten. Inzwischen kündigten saudische Politiker die Bereitschaft an, den oppositionellen „Syrischen Nationalrat“ als offizielle Repräsentanten des syrischen Volkes anzuerkennen.
Die Liga wendet sich nun an den Weltsicherheitsrat. Das offizielle Damaskus schäumt, wirft den arabischen Brüdern vor, sie verschärften den Druck auf die internationale Gemeinschaft, in Syrien zu intervenieren. Doch in Wahrheit hat sich nun zwar die internationale Isolation Syriens verstärkt, aber hat das wild ums Überleben ringende Regime etwa s mehr Spielraum gewonnen. Diesen zu nutzen, verlieren die Schergen des Despoten keine Zeit. Mehr als 2000 Soldaten und 50 Panzer starteten Sonntag eine Offensive, um in den schwersten Kämpfen nahe der Hauptstadt seit Beginn der Revolte, von der oppositionellen „Freien Syrischen Armee“ vor wenigen Tagen eingenommene Damaszener Vororte wieder unter Kontrolle zu bringen. „Das Regime versucht nun, den Rebellen das Genick zu brechen, bevor sich der Weltsicherheitsrat mit der Krise befasst“, meint Rami Abdul Rahman, Leiter des „Syrian Observator for Human Rights“.

Doch ein Ausweg aus der blutigen Krise zeichnet sich nicht ab. Keine der beiden Seiten kann nach dem derzeit erkennbaren Kräfteverhältnis die andere besiegen. Keine der beiden will mit dem Gegner einen Kompromiss aushandeln – Assad nicht, weil ihm und den Seinen damit der Untergang sicher ist; die Opposition nicht, weil zu viel Blut durch das Regimes geflossen ist.

Noch hält Assad genügend Karten in seiner Hand, die ihm den Mut zum hemmungslosen Durchhalten geben – vorerst, einige, ja vielleicht sogar noch viele Monate: Das Militär mit seinem Monopol an schweren Waffen steht noch hinter dem Regime, Desertionen beschränken sich – vorerst? – auf niedrigere Ränge. Etwa 80 Prozent des Offizierskorps sind Angehörige der herrschenden alawitischen Minderheit. Fast alle für das Überleben der Assad-Herrschaft entscheidende Positionen sind mit Alawiten und Mitglieder der regierunden Baath-Partei besetzt. Der große Teil der Alewiten, wie auch andere Minderheiten, insbesondere Christen oder Drusen, fürchten eine Machtübernahme radikaler Sunniten, die zudem auch noch Rache an den Alewiten für die während der mehr als 30-jährigen Assad-Diktatur an ihnen vergangenen Verbrechen üben könnten. Die tiefe Uneinigkeit der führungslosen Opposition stärkt zudem Assads politische Überlebenschancen und die „Freie Syrische Armee“ ist militärische den staatlichen Sicherheitskräften haushoch unterlegen. Das Regime hält die beiden wichtigsten Städte, Damaskus und Aleppo – noch – unter Kontrolle und ein Teil der sunnitischen Geschäftselite hat aus Angst vor der Ungewissheit der Nach-Assad-Zeit- noch - nicht die Seiten gewechselt.

International weiß der Syrer zwei wichtige Verbündete auch weiterhin auf seiner Seite: Russland, das nicht riskieren will, durch den Sturz Assads seinen einzig noch verbliebenen arabischen Verbündeten zu verlieren; und der Iran, den die eben verschärften internationalen Sanktionen in seiner Solidarität mit seinem bedrängten arabischen Bruder bestärken. Zudem wird demnächst der vom Iran politisch stark beeinflusste Irak den Vorsitz der Arabischen Liga von Katar übernehmen.
Dennoch: Die Mauer der Furcht ist endgültig zusammengestürzt, die Proteste und Massenkundgebungen halten an, die Wirtschaft kollabiert unter dem Sanktionsdruck. Mit jedem Toten verliert Assad in den Augen seines Volkes an Legitimität, wird das Regime von Tag zu Tag schwächer. Beobachter wagen nur eine Prognose: das Morden geht weiter, bis irgendwann eine der letzten Minderheiten-Diktaturen der Region endgültig stürzt.

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Mittwoch, 25. Januar 2012

Ägypten feiert und protestiert gegen die „unvollendete Revolution“

Der Aufstand gegen Präsident Mubarak hat das Land tief gespalten – Demokraten setzen den Kampf fort, nun gegen das Militär und die Islamisten

von Birgit Cerha

Hunderrttausende Ägypter gedachten Mittwoch in krass unterschiedlicher Weise des 25. Januars 2011, als junge demokratische Kräfte einen Prozess einleiteten, der in die Geschichte des Landes einging. Binnen 18 Tagen brachten friedliche Massendemonstrationen einen der dienstältesten Diktatoren der Region, Hosni Mubarak zu Fall. Eine Welle der Euphorie schwappte übe die Grenzen dieses bevölkerungsreichsten arabischen Staates und riß Gleichgesinnte in der ganzen Region mit sich.Ein Jahr später ist die Freude unter vielen Enttäuschung, Frustration, wiewohl durchaus nicht Hoffnungslosigkeit gewichen. Ägyptens Revolution aber hat das Land tief gespalten. Hunderttausende Menschen feierten Mittwoch die neuen Kräfteverhältnisse am Nil, die ersten freien Parlamentswahlen, die den jahrzehntelang brutal verfolgten Moslembrüdern die Legitimation zur Macht bescherten. Die „Facebook-Republik“ - wie politische Analysten die Koalition junger Liberaler, Linker und Arbeiter nennen, die den Aufstand initiiert und lange getragen hatten, fühlt sich um die Früchte ihres mutigen Einsatzes betrogen. In dem von Islamisten beherrschten Parlament konnten sie nur ganz wenige Sitze erobern. Führungslos und anarchisch, fürchten sie nun vollends an den Rand des politischen Geschehens gedrängt zu werden. Ihre Stärke ist die Moral, sie sind das Gewissen der Revolution. Doch damit bleiben sie ihren Gegenspielern – den islamischen Gruppierungen, wie dem herrschenden Militärrat, in Zukunft wohl unterlegen.

Dennoch, die Offiziere fürchten die Macht der Straße, die sie in den vergangenen Monaten immer wieder zu wichtigen Zugeständnissen gezwungen hatte. Ängstlich bestrebt, verlorene Popularität wieder zu gewinnen, hatte Feldmarschall Tantawi rund 2000 von Militärgerichten in den vergangenen Monaten verurteilte Demonstranten freigelassen und die seit drei Jahrzehnten herrschenden Notstandsgesetze teilweise aufgehoben. Deren totale Annullierung zählt zu den Hauptforderungen der „Facebook-Republik“. Menschenrechtsorganisationen aber halten die teilweise Aufhebung der Gesetze für eine Farce, da unbegrenzte Polizeimaßnahmen auch künftig in Fällen von „Rowdytum“ gestattet sein werden. Unter dem Vorwurf dieses Vergehens waren in den vergangenen Monaten Tausende friedliche Demonstranten festgenommen, gefoltert und in militärischen Schnellverfahren verurteilt worden. Damit sichert sich der Militärrat auch weiterhin polizeiliche Willkür und Repression gegen Kritiker und friedliche Demonstranten.

Ägyptens Streitkräfte, die traditionell hohes Ansehen im Land genossen, hatten während der 18-tägigen Revolution enorme Sympathie gewonnen, weil sie die Demonstranten gegen Attacken der Polizei und von Kreisen des Regimes angeheuerten Gewalttätern geschützt und schließlich Mubarak zum Rücktritt gezwungen hatten. Doch bald stellte sich heraus, dass der Militärrat unter Führung Tantawis, der zwei Jahrzehnte lang Mubarak als Verteidigungsminister gedient hatte, seine eigene Macht und seine weitreichenden Privilegien zu schützen entschlossen ist – und dies mit denselben repressiven Methoden, die Mubarak 30 Jahre lang die Macht gesichert hatten. „Die Armee und die Polizei hat uns (die Revolutionäre) gemordet und die Stimme der Revolution erstickt. Aber wir lassen uns nicht zum Schweigen bringen“, fasst ein Aktivist die unter seinen Kameraden weitverbreitete Stimmung zusammenn der Spitze des Forderungskatalogs der „Facebook-Republik“ steht, wie schon seit zwei Monaten, der sofortige Rückzug des Militärs aus der Politik, die totale Aufhebung der Notstandsgesetze, die Neustrukturierung von Polizei – und Sicherheitsappart, die Freilassung aller politischen Gefangenen und durch Militärgerichte abgeurteilten Zivilisten, die „Säuberung“ der Justiz, eine Ende der Korruption, die Achtung der Menschenrechte und eine ökonomische Neustrukturierung, die nicht mehr eine Minderheit privilegiert.

Zur Erreichung dieser Ziele rufen die Aktivisten zu einer „zweiten Revolution“. Diese aber wird sich auch gegen die neugewählte Parlamentsmehrheit richten. Schon stellten die das Abgeordnetenhaus dominierenden Moslembrüder fest, dass sie künftig Demonstrationen auch als gegen sich gerichtet werten würden. Der ökonomische Niedergang des Landes infolge der monatelangen politischen Turbulenzen stärkt unterdessen jene Kräfte, die wie die Islamisten Ruhe und Stabilität für noch wichtiger halten, als den totalen Rückzug der Militärs.
Dennoch werden sich in den kommenden Monaten bis zu der für Ende Juni vorgesehenen Verabschiedung einer neuen Verfassung, auch die Islamisten eine harte Machtprobe mit dem Militär liefern müssen, das entschlossen ist, seine Machtpositionen und seine privilegierte Position im Staat in der Verfassung zu verankern, um Ägypen zu einer „geschützten Demokratie“ zu führen.

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Dienstag, 24. Januar 2012

Verschärftes Kräftemessen mit dem Iran

Lässt sich Teheran durch ein EU-Ölembargo zu einem Nachgeben in der Atomfrage einschüchtern? – Sanktionen brechen nicht dem Regime, sondern der Mittelschicht das Rückgrat

von Birgit Cerha

Betont selbstbewusst reagiert Irans Führung auf die von der EU Montag beschlossenen schärfsten Sanktionen gegen den „Gottesstaat“. Der sukzessive bis Juli in allen 27 EU-Staaten durchzusetzende Öl-Importstopp soll nach den Vorstellungen der von den USA zu diesem Schritt gedrängten Europäer, Teheran endlich zwingen, sein Atomprogramm aufzugeben.„Die wirkungslosen Sanktionen gegen die Islamische Republik bedrohen uns nicht. Sie liefern uns vielmehr neue Chancen und haben unserem Land bereits viel Gutes gebracht.“ Diese Worte von Geheimdienstminister Heydar Moslehi sollen der Welt klarmachen, dass sich der Iran auch nicht durch den schmerzlichsten ökonomischen Druck zur Aufgabe eines Programmes zwingen lässt, das nicht nur das Regime, sondern auch breite Bevölkerungsteile als zentrales nationales Interesse empfinden: das Recht auf Fortschritt und Entwicklung, das Irans Atomprogramm für viele symbolisiert.
Zuversichtlich meinen iranische Politiker, die EU schade sich durch das Ölembargo selbst so sehr, dass sie es sehr rasch wieder aufgeben werde. Solche Behauptungen werden mit kriegerischen Tönen, der erneuten Blockade der Straße von Hermus, garniert.
Besitzt eine Maßnahme, die die Weltwirtschaft, insbesondere aber einige der schwächsten EU-Ökonomien (die von billigem iranischen Öl abhängigen Länder Griechenland, Italien und Spanien) empfindlich trifft, tatsächlich eine Erfolgschance?
Experten sind sich einig, dass der Iran problemlos neue Abnehmer für die etwa 18 Prozent seiner Ölexporte finden wird, die derzeit in die EU fließen. Neben dem Ölgeschäft wird wohl rasch auch die Ausfuhr von Gütern in den Iran stoppen, die der EU jährlich zwölf Milliarden Dollar bringt.

Der Iran verkauft 60 Prozent seines Öls an asiatische Länder, insbesondere China, Indien, Südkorea und Japan. Wiewohl China jüngst neue Ölgeschäfte mit anderen Produzenten am Persischen Golf abzuschließen suchte, ließ es nicht erkennen, dass es sich tatsächlich einem Embargo anschließen würde, eben so wenig wie Südkorea. Indische Firmen erwägen, ob sie nicht in die Import-Lücke von derzeit acht Mrd. Dollar springen sollen, die die westlichen Sanktionen im Iran schon geöffnet haben.
Entscheidend für den Erfolg der Ölsanktionen ist die Situation auf dem Weltmarkt. Experten errechneten, dass das weltweite Ölangebot um 2,5 Mio.Barrel im Tag höher liegen müßte als die Nachfrage, damit der Iran für sein Öl keine Abnehmer finden könnte. Tatsächlich würde aber ein totaler Ausfall iranischer Lieferung den Weltmarkt täglich mit 3,5 Mio. Barrel zu wenig versorgen und die Preise radikal in die Höhe treiben.

Zudem ist längst klar, dass die verschärften Sanktionen nicht dem Regime, sondern der iranischen Mittelschicht das Rückgrat bricht. Seit Dezember stiegen Lebensmittelpreise, wie jene etwa für Milch um 50 Prozent und mehr. Allein Montag fiel der Kurs der Landeswährung um 15 Prozent. Händler klagen, dass sie angesichts dieses Kurssturzes in Rial keine Geschäfte mehr abschließen können und angesichts der von der Regierung verhängten Restriktionen auch nicht in anderen Währungen. Gold bietet nun den einzigen Ausweg. Ein Produktionsbetrieb nach dem anderen muss zusperren. Wie auch in anderen von Sanktionen betroffenen Ländern längst bewiesen, richten sich Ärger und Verzweiflung der Menschen angesichts dieser von außen erzeugten Existenznöte nicht primär gegen das Regime, so verhasst es auch sein mag.
Unterdessen verschärft Teheran durch seine Drohung der Blockade von Hormus die weltweite Nervosität. Durch dieses Nadelöhr, dem einzigen, an seiner engsten Stelle nur 54 km breiten Ausgang vom Persischen Golf in den Golf von Oman, transportieren täglich 14 Supertanker 17 Mio. Barrel Öl (das entspricht 20 Prozent aller Öltransporte), sowie 28 Prozent des weltweit exportierten Flüssiggases. Wiewohl der Iran nicht die militärische Kapazität zu einer längerfristigen Blockade von Hormus besitzt, könnte er den Schiffsverkehr durch seine Schnellboote, Raketen und Minen doch empfindlich stören und – kurzfristig – die Weltmarktpreise rasant in die Höhe treiben. Zugleich aber würde er sich damit an seiner Lebensader treffen, denn all seine Ölexporte und ein Großteil der – überwiegend geschmuggelten – Importe gehen über den Persischen Golf. Deshalb gleicht die Drohung einer Blockade nur der Ankündigung eines Verzweiflungsaktes in totaler Ausweglosigkeit.

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Sonntag, 22. Januar 2012

Islamisten feiern Triumph der Demokratie

Ägyptens erstes freigewähltes Parlament steht vor einem gigantischen Berg von Problemen – Außerparlamentarisch geht der Kampf um die Ziele der Revolution weiter

von Birgit Cerha

„Der Zug der Demokratie hat die Station erreicht.“ Mit diesen einleitenden Worten verkündete Abdel Moez Ibrahim, Chef der Obersten Wahlbehörde, am Wochenende die Endergebnisse der ersten freien Wahlen in der 50-jährigen Geschichte der ägyptischen Republik. Die in drei Runden seit November ohne gravierende Zwischenfälle oder Manipulationen gewählte Volksversammlung wird heute, Montag, erstmals zusammentreten und damit eine neue Ära in der modernen Geschichte Ägyptens einläuten.Das Endergebnis bestätigt einen Trend, der sich seit November abzeichnete. Er besiegelt die Wandlung der jahrzehntelang von den Regimes am Nil massiv unterdrückten islamistischen Moslembruderschaft zur führenden politischen Kraft des Landes. Der politische Arm der „Brüder“, die „Partei für Freiheit und Gerechtigkeit‘“ (PFG), eroberte 47 Prozent der 498 Parlamentssitze. Gemeinsam mit der ultrakonservativen salafistischen „Al-Nour“-Partei, die 25 Prozent erreichte, dominieren die Islamisten fast zwei Drittel des neuen Abgeordnetenhauses.

Das Resultat ist ein schwerer Schlag für die jungen Aktivisten, die durch ihren engagierten und mutigen Einsatz vor einem Jahr die Revolution gegen Präsident Mubarak entfacht und geleitet hatten. Sie fühlen sich nun um die Früchte ihres gewaltlosen Kampfes für Freiheit und Demokratie durch die Islamisten, die sich lange aus dem aktiven Widerstand gegen die Diktatur herausgehalten hatten, beraubt. Eine Koalition junger im politischen Prozess völlig unerfahrener Aktivisten konnte sich lediglich etwa sieben Prozent der Sitze sichern, während die traditionelle liberale Partei „Wafd“ und der liberale „Ägyptischen Block“ des koptischen Geschäftsmannes Naguib Sawiris mit rund zehn Prozent die beiden stärksten nicht-islamistischen Parteien im neuen Parlament bilden.
Nur das Ausmaß des islamistischen Erfolges mag überraschen, nicht die grundsätzliche Tendenz, die den tiefen kulturellen Konservativismus der ägyptischen Bevölkerung bestätigt. Zudem hatten sich die Salafisten, wie die Moslembrüder, jahrzehntelang durch intensive – teils von Saudi-Arabien mitfinanzierte – Sozialprogramme unter der breiten Schichte der Armen am Nil beträchtliche Popularität verschafft. Die jungen, überwiegend gebildeten liberalen Aktivisten konnten ihnen nur Visionen von Freiheit und Demokratie, doch keine konkrete Hilfe entgegensetzen. Kein Zweifel, der Weg zu einem modernen demokratischen System im Land der Pharaonen ist noch ein weiter.

Das neue politische Kräfteverhältnis verängstigt Liberale, Linke und vor allem die koptische Minderheit. Die Moslembrüder versuchen die Sorge dieser Kreise, wie auch des Westens, vor einer radikalen Islamisierung Ägyptens seit Monaten zu zerstreuen. Sie präsentieren sich als eine Kraft der Mitte, bereit zur Zusammenarbeit mit allen, vor allem auch den säkularen, politischen Strömungen, um Ägypten, wie sie betonen, ein demokratisches Gesicht zu geben. „Al Nour“ hingegen verfolgt auch offiziell weit radikalere Ziele, besteht insbesondere auf einer bedingungslosen Durchsetzung des islamischen Rechts, der Scharia, und könnte – so fürchten liberale Kreise – sich zu einer Art Moralpolizei aufspielen, die gegen Alkohol und lockere Kleidung von Frauen, insbesondere Touristinnen zu Felde ziehen dürfte, während PFG-Führer den gravierenden ökonomischen und sozialen Problemen des Landes absoluten Vorrang einräumen wollen. Eine enge Kooperation zwischen den beiden Islamistenparteien ist deshalb keineswegs garantiert, wiewohl PFG ängstlich darauf bedacht sein wird, seinen starken konservativen Flügel durch eine allzu liberale Politik nicht an die Salafisten zu verlieren.
Das Parlament tritt ein schweres Erbe aus der Mubarak-Zeit an: gigantische Arbeitslosigkeit, enorme soziale Probleme, bittere Armut, Korruption, nun dramatisch verschärft durch den radikalen Rückgang von Auslandsinvestitionen und Touristen als Folge der politischen Turbulenzen des vergangenen Jahres. Erschwert wird die Aufgabe der führenden Parteien durch die unklare Rolle, die das Parlament in der nächsten und der ferneren Zukunft zu spielen hat. Primäre Aufgabe ist die Bildung eines 100-köpfigen Verfassungskomitees, das nach einem im Vorjahr durch ein Referendum gebilligten Konzept ein neues Grundgesetz zu erarbeiten hat. Dank massiver Proteste insbesondere der liberalen Aktivisten, wich der herrschende Militärrat wieder von dem Plan ab, selbst die Mehrheit der Komitee-Mitglieder zu bestellen. Doch die Offiziere sind entschlossen dem Parlament – zumindest bis zu den für Ende Juni geplanten Präsidentschaftswahlen – nur eine untergeordnete Rolle zu gestatten, sowie in der neuen Verfassung ein Präsidialsystem zu verankern, während die Islamisten, wie auch liberale Kräfte ein starkes Parlament erstreben, um den Aufstieg eines neuen „Pharao“ am Nil zu verhindern.
Den jungen Aktivisten bleibt weiterhin nur der Weg außerparlamentarischer Aktion, um undemokratische Entwicklungen zu blockieren. Wie stark sie noch sind, wird sich am 25. Januar zeigen, dem Jahrestag des Revolutionsbeginns, für den sie zu einer Massendemonstration gegen den anhaltenden Autoritarismus der Militärs rufen. Um ihnen wenigstens ein wenig den Wind aus den Segeln zu nehmen, verkündete der Militärrat Sonntag ein Amnestie für 1.959 von Militärgerichten im Laufe des vergangenen Jahres verurteilten Demonstranten. Wie viele weiterhin in Gefängnissen schmachten weiß niemand.

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Montag, 16. Januar 2012

Sanktionen: „Ein Geschenk an das Regime“

Der internationale Wirtschaftsdruck soll die iranische Bevölkerung zur Rebellion gegen ihre Führung ermutigen, doch er erreicht das Gegenteil

von Birgit Cerha

„Der Iran spürt den Druck“, frohlocken israelische Politiker und Medien, die wichtigste treibende Kraft in dem von den USA geführten Kampf gegen das iranische Atomprogramm. Tatsächlich ächzt Irans Wirtschaft alarmierend unter den stetig verschärften internationalen Sanktionen. Insbesondere der jüngst von Washington beschlossene Boykott der iranischen Zentralbank, die alle Ölgeschäfte und damit rund 80 Prozent der staatlichen Einkünfte, abwickelt, zieht schmerzliche Folgen nach sich. Nervöse Iraner stürmten die Wechselstuben, um die Landeswährung los zu werden und sich durch den Kauf von Dollar abzusichern. Der Rial stürzte auf den tiefsten Wert gegenüber dem Dollar seit zwei Jahrzehnten. Diverse Maßnahmen, wie eine Infusion der Zentralbank von 200 Mio. Dollar in den Markt, Restriktionen bei Barabhebungen von Banken, ein Verbot an iranische Reisende, mehr als tausend Dollar auszuführen und schließlich die Verbannung privater Geldwechsler von den Straßen konnten bisher nicht die Währung stabilisieren. Der Kurssturz droht die Preise für Konsumgüter rasant in die Höhe zu treiben. Diese Entwicklung alarmiert das Regime derart, dass es tagelang Nachrichten im Internet oder über das Mobilnetz, die das Wort „Dollar“ enthielten, blockierte, damit sich die Panik in der Bevölkerung in Grenzen halte.
Kein Iraner glaubt längst den Selbstbeschwichtigungen der Amerikaner und Europäer, dass die von ihnen eingehobenen „intelligenten“ (d.h. gezielt das Regime treffenden) Sanktionen, das Volk schonen. Genau das Gegenteil ist der Fall, wie längst in anderen Ländern, insbesondere so lange im benachbarten Irak, vorexerziert.
In den vergangenen Monaten schnellten die Preise für Grundnahrungsmittel um mehr als 20 Prozent in die Höhe. Der Preisanstieg wird noch verschärft durch die im Dezember 2010 von der Regierung verfügten Kürzungen von Subventionen für Treibstoff. Gaspreise stiegen seither um das Siebenfache. Armen Familien greift die Regierung allerdings mit monatlicher Unterstützung von 40 Dollar unter die Arme. Offiziell liegt die Inflation bei 20 Prozent, nach Expertenschätzungen dürfte sie sich jedoch heute bereits der 50-Prozent-Grenze nähern. Und fast 15 Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung finden keinen Job.

Vor allem treffen die Sanktionen Irans Mittelschicht, das Rückgrat der demokratischen Opposition, die 2009/10 erfolglos versucht hatte, das Regime zu Reformen zu drängen, heute – wiewohl brutal eingeschüchtert - die Hoffnung auf Liberalisierung immer noch nicht aufgegeben hat. Iranische Oppositionskreise sprechen gar von einem „Geschenk (Amerikas) an das Regime.

Es sind insbesondere die privaten Geschäftsleute und Kleinindustriellen, die zunehmend ihre Existenz verlieren. Hunderte Firmen mußten in den vergangenen Monaten schließen, weil sie die laufenden Kosten nicht mehr bezahlen oder Rohstoffe für die Herstellung ihrer Produkte nicht mehr importieren konnten. Die international vollends isolierten Banken stellen für Importe keine Akkreditive mehr aus. Immer weniger westliche Waren erreichen Iran. Sie werden teilweise durch billige Gebrauchsgüter aus China ersetzt. Doch die Regale in den Geschäften leeren sich zunehmend.
Bazar-Händler, einst das Rückgrat des islamischen Regimes, klagen über die schlechtesten Zeiten ihrer Erinnerung. Selbst während des achtjährigen Krieges gegen den Irak (1080 – 88) hätten sie bessere Geschäfte gemacht.
Verwirrung und Ärger über die westliche Strategie drücken zunehmend auf die Stimmung, insbesondere unter privaten Geschäftsleuten, die erboßt verfolgen, wie das Hauptziel der Sanktionen, die Revolutionsgarden trotz angeblich gezielter Sanktionen gegen zahlreicher Betriebe dieser stärksten iranischen Wirtschaftskraft, nicht nur nicht geschwächt, sondern durch diese Strafmaßnahmen sogar noch gestärkt werden. Dank ihres dichten Netzes an Strohfirmen schmerzen die Sanktionen nicht, während der in solchen Krisen florierende Schmuggel von den Garden dominiert wird und ihnen enorme zusätzliche Gewinne verschafft. Seit dem erzwungenen Abzug westlicher Ölkonzerne aus dem Iran übernahmen die Garden auch die Kontrolle über die Ölindustrie, die sie höchst ineffizient verwalten, sich aber damit neue Geldquellen öffneten – langfristig zum großen Schaden nationaler iranischer Interessen.

Ein hohes Mitglied des US-Geheimdienst erklärte jüngst gegenüber der „Washington Post“ , Ziel der Sanktionen sei es, die allgemeine Unzufriedenheit im Iran zu schüren, um damit das Regime zu untergraben. Später korrigierte der Agent in der Zeitung: die Sanktionen sollten „Hass und Unzufriedenheit in den Straßen schüren, um den iranischen Führern klar zu machen, dass sie ihre Politik (in der Frage des umstrittenen Atomprogramms) ändern müssen“. Doch in Wahrheit sehen viele Iraner keinen Zusammenhang zwischen dem Regime und dem Atomprogramm. Zu dem sie sich weitgehend stolz als Weg zu Fortschritt und Entwicklung bekennen. Und die Sanktionen empfinden sie schmerzlich als gegen sich – und nicht gegen das Regime gerichtet. Das – zynische – Ziel, Aufruhr zu schüren, verfehlt vollends seine Wirkung. Unzählige Beispiele, wie etwa im Irak Saddam Husseins, haben dies hinlänglich bewiesen. Und zudem, so meint das „National Iranian American Council“ in einer Aussendung: „Ohne einem entschlossenen Engagement für eine diplomatische Lösung unterscheidet sich der Weg der Sanktionen nicht von jenem des Krieges. „

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Der Welt wichtigstes Nadelöhr

Warum die Straße von Hormus Irans einziger Trumpf ist im eskalierenden Kampf gegen den Westen um sein Atomprogramm

von Birgit Cerha

„Der Iran hat stets die strategische Straße von Hormus beherrscht, er konnte stets diese Meerenge kontrollieren.“ Doch es sei völlig falsch, betont der iranische Marine-Admiral Sayari, die wachsende Stärke der „Islamischen Republik“ als Bedrohung für die Länder dieser Region darzustellen, wie dies der Weltimperialismus und das zionistische Regime versuchten.
Wieder einmal, keineswegs zum ersten Mal in der jüngeren Geschichte, blickt die westliche und asiatische Welt gebannt auf das wichtigste Nadelöhr, das eng mit ihrem Wohlstand und ihrem Wirtschaftswachstum verknüpft ist. Wird Teheran Drohungen wahrmachen, dass kein Tropfen Öl mehr durch die Meerenge fließen soll, wenn der ökonomische oder gar militärische Druck auf den „Gottesstaat“ weiter wächst und wird er damit eine rote Linie überschreiten, die US-Präsident Obama in einer geheimen Botschaft an den Geistlichen Führer Khamenei gezogen hat?„Der Zugang zum Persischen Golf ist für uns eine Frage von Leben und Tod“, hatte 1974 der damalige Schah Reza Pahlevi gegenüber dem „Spiegel“ erklärt. Er verstand sich als „Türhüter für den westlichen Ölverkehr“ und baute mit Milliardenbeträgen die Marine des Kaiserreiches auf. Die Bedeutung dieser Meerenge für die Seefahrt geht auf die Antike zurück. Bis zum 16. Jahrhundert war sie der wichtigste Wasserweg für den Handel nach Europa nach Indien. Mit der Entdeckung des Öls in der Region aber gewann Bedeutung für die Weltwirtschaft wie keine andere Seestraße.
Hormus ist der einzige Ausgang vom Persischen Golf. Sie führt zum Golf von Oman und schließlich zum Indischen Ozean und ist an ihrer schmalsten Stelle nur 54 km breit. Sie wird bewacht vom Iran im Norden und Osten und von Oman im Süden. 33.000 Schiffe und Tausende kleine Boote ziehen alljährlich oft unter harten Bedingungen – extrem hohen Temperaturen, dickem Nebel oder heftige Sandstürme - durch diesen Flaschenhals. 14 Öltanker transportieren täglich 17 Millionen Barrel von fünf der weltweit größten Ölproduzenten – Saudi-Arabien, Iran, Irak, Kuwait und die Vereinigten Arabischen Emirate und der große Gasexporteur Katar – durch Hormus zu den Weltmärkten. Das entspricht etwa 35 Prozent des weltweit auf dem Seeweg beförderten Öls und 20 Prozent (nach dem Stand von 2011) des gesamten Öltransporte. Mehr als 85 Prozent des Rohöls aus dem Golf erreicht asiatische Märkte, der Rest West-Europa und die USA.

Zum Öl kommen täglich auch noch andere wichtige Produkte hinzu, darunter 28 Prozent des weltweit exportierten Flüssigerdgases (LNG), von dem Japan, Südkorea und Taiwan vollends abhängig ist und das europäische Konsumenten eine Alternative zum russischen Gas liefert. Außerdem werden noch mehr als zwei Mio. Barrel an Ölprodukten durch diese Meerenge transportiert. Und die arabischen Golfanrainer lassen den größten Teil ihrer Importe an Nahrungsmitteln, Gebrauchsgegenständen und Luxusgütern auf dem Seeweg durch Hormuz transportieren.


Amerikanische Führer haben Hormus schon lange höchste strategische Bedeutung eingeräumt. Es war im Januar 1980 gewesen, als der damalige US-Präsident Carter, alarmiert durch die sowjetische Invasion Afghanistans dem US-Kongreß die Gefahren klarmachte, die den „vitalen Interessen der USA“ durch die Nähe sowjetischer Truppen (480 km) zum Indischen Ozean und damit zur Straße von Hormus drohten und seine berühmt gewordene „Carter Doktrin“ verkündete, die bis heute Gültigkeit hat: eine Blockade von Hormus müsse „mit allen nötigen Mitteln, einschließlich militärischer Gewalt“ zurückgeschlagen werden.

Wiewohl den Golfanrainern spätestens seit dem „Tankerkrieg“ (1984 bis 86) die höchst gefährliche Abhängigkeit von dem Transportweg durch Hormus dramatisch vor Augen geführt wurde (in dieser Zeit wurden als neue Strategie des Iraks im achtjährigen Krieg gegen den Iran 544 Attacken auf Schiffe im Golf durchgeführt, 400 Zivilisten getötet und 400 verwundet), haben die Ölproduzenten bis heute fast keine Exportalternative geschaffen. Vielleicht haben sie sich mit der Tatsache getröstet, dass sich die Schiffsindustrie nach einem 25-prozentigen Transportrückgang auf das verschärfte Risiko eingestellt und nach kurzer Zeit ungeachtet von Bomben und Raketen ihre Frachten wieder in vollem Umfang befördert hatten. So vertreten auch heute so manche Experten die Ansicht, dass der Iran selbst im schlimmsten Fall die Öltransporte nur für kurze Zeit blockieren könnte.

Dennoch: einen alternativen Transportweg bietet derzeit nur Saudi-Arabien mit seiner „Petroline“, die zum Hafen von Yanbu am Roten Meer führt und fünf Mio. Barrel im Tag (etwas weniger als die Hälfte der saudischen Produktion) transportieren kann. Ein Ausbau der Pipeline würde 18 Monate in Anspruch nehmen. Ein kleiner Teil der irakischen Exporte – etwa 500.000 Barrel im Tag - fließt durch die Pipeline vom nordirakischen Kirkuk zum türkischen Mittelmeerhafen Ceyhan. Wiewohl die Kapazität bei 1,6 Mio.Barrel liegt, wird schon jetzt dieser Transportweg immer wieder durch Sabotageakte unterbrochen. Ein vielversprechendes Projekt Abu Dhabis, sich aus der Abhängigkeit von Hormus zu lösen, der Bau einer Pipeline zum Emirat Fudschaira am Golf von Oman. Doch die Fertigstellung verzögert sich um Monate aufgrund von Konstruktionsproblemen.
Viele unabhängige Experten sind jedoch davon überzeugt, dass Teheran, unabhängig von der keineswegs sicheren militärischen Möglichkeiten zur Blockade von Hormus einen solchen Weg nur „als letzte Kugel“, als größten Verzweiflungsakt im Falle eines Angriffs durch Israel oder die USA, wählen würde. Hormuz ist der einzige Trumpf in Irans Verteidigungskapazität, das einzige Druckmittel gegen internationale Bedrohung. Doch es gleicht beinahe dem Stich der Biene. Denn mehr als allen anderen würde sich der Iran damit selbst schaden. All seine Ölexporte, die rund 80 Prozent der staatlichen Einnahmen ausmachen, fließen durch Hormus, wie auch viele seiner wichtigsten Importe. Die Marinehäfen liegen an den Küsten des Persischen Golfs. Teheran würde seine ohnedies aufgrund der Sanktionen und gravierender Misswirtschaft dahinsiechende Ökonomie strangulieren. Die Sperre von Hormus wäre ein Verzweiflungsakt in totaler Ausweglosigkeit.

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Sonntag, 15. Januar 2012

LEXIKON: „Armee der Männer des Nakschbandi-Ordens“ JRTN

von Birgit Cerha

Unter der sunnitischen Minderheit des Iraks wächst die Angst vor der Zukunft in einem Land, das ihr jede Mitsprache zu verwehren droht. Vor diesem politischen Hintergrund haben sich sunnitische Extremistengruppen, die nach der US-Invasion 2003 den Kern des blutigen Widerstandes gebildet hatten, neu formiert. So verkündete die „Islamische Armee des Iraks“ ihre „Helden, die das Reich des Bösen (USA) besiegt haben, sind in der Lage, auch dessen Handlanger (Premier Maliki) zu vernichten“. Auch die „Armee von Mudschaheddin“ und die bis 2003 im nordirakischen Kurdistan stationierte „Ansar al Islam“ schwor, den Konflikt gegen Maliki und die Schiiten zu eskalieren. Eine entscheidende Rolle in dieser sich neu formierenden Widerstandsszene aber spielt die „Jaish Rijaal al-Tariqa al-Naqshabandiyya: JRTN (Armee der Männer des Nakschbandi-Ordens), die einzige sunnitische Rebellenorganisation, die seit der drastischen US-Truppenverstärkung im Irak 2007 an Stärke gewonnen hat, die einzige, die offenbar aus den Fehlern der anderen Extremistengruppen gelernt hat.
JRTN hat es verstanden, frustrierten, politisch an den Rand gedrängten arabischen Sunniten ein neues Sammelbecken zu bieten, indem sie einerseits Angehörige der gestürzten Baath-Partei anzieht, aber auch stark religiöse orientierte Kräfte und zugleich Schwergewicht auf irakischen Nationalismus legt und sich damit gegen den wachsenden Einfluß des schiitischen Iran auf die Politik ihres Landes stemmt. „Wir kämpfen für die Integrität und Einheit des irakischen Landes und seiner Bewohner, um seine arabische und islamische Identität zu erhalten“, betont ein JRTN-Sprecher. JRTN richtet sich so freilich auch gegen die Interessen der kurdischen Bevölkerung des Landes.
Eine zentrale Rolle in der Organisation spielt Izzat Ibrahim al-Duri, einst Saddams Stellvertreter und das einzige prominente Mitglied des gestürzten Regimes, das immer noch auf freiem Fuß ist. Duri führt auch die von ihm gegründete „Neue Baath-Partei“. JRTN trat erstmals im Dezember 2006, kurz nach der chaotischen Exekution Saddam Husseins, mit der Ankündigung des gewaltsamen Widerstandes gegen die Koalitionstruppen im Irak in Erscheinung. Die Organisation bekennt sich als Teil der „Nakschbandi“, eines der größten und einflußreichsten sufistischen Ordens, der 1389 von Baha al-din Nakschband gegründet wurde und als einzige der zahlreichen Sufi-Orden direkt auf den Propheten Mohammed zurückgeht. Wiewohl die Nakschbandi als Pazifisten Gewalt ablehnen, verübte JRTN seit etwa 2009 zahlreiche Terrorakte gegen US-Miitärziele, betonte jedoch, im Gegensatz zu „Al-Kaida im Irak“, das Leben der Iraker zu schonen. Nun, da US-Militärs das Land verlassen haben, ist ihr Hauptziel, die mit Washingtons Hilfe installierte pro-iranische Schiitenregierung.

Die Organisation zog zahlreiche Ex-Offiziere der irakischen Armee, anti-amerikanische Nationalisten an und, einflußreiche arabisch-sunnitische Stammesführer, enttäuschte „Söhne des Iraks“, Sunniten, die einst von den Amerikanern für den Kampf gegen Al-Kaida angeheuert worden waren und bis heute vergeblich auf die Erfüllung des Versprechens warten, von Maliki in die Streit- und Sicherheitskräfte integriert zu werden. Unter der über die diskriminierende Politik Malikis und die Gewalt schiitischer Milizen erboßten sunnitischen Zivilbevölkerung findet JRTN wachsende Sympathie. Die Organisation profitiert enorm von Duris immer noch starkem Einfluß vor allem unter der sunnitischen Bevölkerung. Der völlig unpolitische Nakschbandi-Orden hatte unter Saddam ein privilegiertes Dasein genossen und sich mit Hilfe Duris zu einer Art Bund entwickelt, der Mitglieder – wie anderswo die Freimauer – gegenseitig fördert. Dieses Netz kommt der JRTN nun zugute. So wird sie finanziert von wohlhabenden Baathisten vor allem im jordanischen Exil, genießt aber auch die Unterstützung des jordanischen Geheimdienstes, der, wie die mit JRTN sympathisierenden Saudis höchstes Interesse hat, Irans Einfluß im Irak zurückzudämmen.

Zu ihren Zielen nennt JRTN die Wiedereinsetzung aller rund 600.000 Angehörigen der 2003 von den USA aufgelösten Sicherheitskräfte auf ihre alten Posten, die Auflösung aller seit dem Sturz Saddams geschaffenen Regierungsorgane und Gesetze, sowie die Freilassung von Tausenden sunnitischen Gefangenen und schließlich nichts weniger als die Rückkehr der Baath an die Macht am Tigris. Malikis radikale anti-sunnitische Politik und sein despotischer Stil, stärken diese neuen sunnitischen Kräfte und treiben den Irak wieder an den Rand eines Bürgerkrieges.

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Dem Irak droht eine neue Katastrophe


Baathisten und Sufis vereinen sich zu einer starken Widerstandsgruppe, um die zunehmend autoritäre pro-iranische Schiiten-Regierung zu stürzen
(Bild: Izzat Ibrahim al-Duri)

von Birgit Cerha

Und wieder starben fast 60 irakische Schiiten, Pilger auf dem Weg zum Heiligtum in Kerbala. Der Terrorakt nahe der südirakischen Stadt Basra ist der jüngste in einer Serie von grausigen Gewaltakten gegen Schiiten seit die letzten US-Soldaten Ende Dezember den Irak verlassen haben. Eine angeblich von Al-Kaida geführt Gruppe bekannte sich am Wochenende zu dem Blutbad, das dramatisch eine das Land lähmende politische Krise verschärft. Der Schiiten-Premier Maliki nützt nach Kräften seine Position, um sich zum neuen Diktator am Tigris aufzubauen. Seine totale Kontrolle über die rund eine Million Mann zählenden Sicherheitskräfte, die Ministerien für Verteidigung, Inneres und Interne Sicherheit jagt all jenen, die nicht von seiner wachsenden Macht profitieren, tiefe Ängste ein, allen voran den seit dem Sturz von Diktator Saddam Hussein 2003 von ihren traditionellen privilegierten Stellungen vertriebenen arabischen Sunniten. Dass Maliki zugunsten seiner eigenen Machtvermehrung entschlossen ist, demokratische und rechtsstaatliche Prinzipien mit Füßen zu treten, bewies er zuletzt dramatisch, indem er den sunnitischen Vizepräsidenten Hashemi , den prominentesten Sunni-Politiker, der Planung von Terrorakten bezichtigte, in die Flucht nach Kurdistan trieb und ohne rechtliche Grundlage sein Büro in Bagdad stürmen und zwei Mitarbeiter verhaften ließ.

Unter der sunnitischen Minderheit wächst die Angst vor der Zukunft in einem Land, das ihr jede Mitsprache zu verwehren droht. Vor diesem politischen Hintergrund haben sich sunnitische Extremistengruppen, die nach der US-Invasion 2003 den Kern des blutigen Widerstandes gebildet hatten, neu formiert. So verkündete die „Islamische Armee des Iraks“ ihre „Helden, die das Reich des Bösen (USA) besiegt haben, sind in der Lage, auch dessen Handlanger zu vernichten“. Auch die „Armee von Mudschaheddin“ und die bis 2003 im nordirakischen Kurdistan stationierte „Ansar al Islam“ schwor, den Konflikt gegen Maliki und die Schiiten zu eskalieren. Eine entscheidende Rolle in dieser sich neu formierenden Widerstandsszene aber spielt die „Jaish Rijaal al-Tariqa al-Naqshabandiyya: JRTN (Armee der Männer des Nakschbandi-Ordens), die einzige sunnitische Rebellenorganisation, die seit der drastischen US-Truppenverstärkung im Irak 2007 an Stärke gewonnen hat, die einzige, die offenbar aus den Fehlern der anderen Extremistengruppen gelernt hat.

JRTN hat es verstanden, frustrierten, politisch an den Rand gedrängten arabischen Sunniten ein neues Sammelbecken zu bieten, indem sie einerseits Angehörige der gestürzten Baath-Partei anzieht, aber auch stark religiöse orientierte Kräfte und zugleich Schwergewicht auf irakischen Nationalismus legt und sich damit gegen den wachsenden Einfluß des schiitischen Iran auf die Politik ihres Landes stemmt. „Wir kämpfen für die Integrität und Einheit des irakischen Landes und seiner Bewohner, um seine arabische und islamische Identität zu erhalten“, betont ein JRTN-Sprecher. JRTN richtet sich so freilich auch gegen die Interessen der kurdischen Bevölkerung des Landes.
Eine zentrale Rolle in der Organisation spielt Izzat Ibrahim al-Duri, einst Saddams Stellvertreter und das einzige prominente Mitglied des gestürzten Regimes, das immer noch auf freiem Fuß ist. Duri führt auch die von ihm gegründete „Neue Baath-Partei“. JRTN trat erstmals im Dezember 2006, kurz nach der chaotischen Exekution Saddam Husseins, mit der Ankündigung des gewaltsamen Widerstandes gegen die Koalitionstruppen im Irak in Erscheinung. Die Organisation bekennt sich als Teil der „Nakschbandi“, eines der größten und einflußreichsten sufistischen Ordens, der 1389 von Baha al-din Nakschband gegründet wurde und als einzige der zahlreichen Sufi-Orden direkt auf den Propheten Mohammed zurückgeht. Wiewohl die Nakschbandi als Pazifisten Gewalt ablehnen, verübte JRTN seit etwa 2009 zahlreiche Terrorakte gegen US-Miitärziele, betonte jedoch, im Gegensatz zu „Al-Kaida im Irak“, das Leben der Iraker zu schonen. Nun, da US-Militärs das Land verlassen haben, ist ihr Hauptziel, die mit Washingtons Hilfe installierte pro-iranische Schiitenregierung.

Die Organisation zog zahlreiche Ex-Offiziere der irakischen Armee, anti-amerikanische Nationalisten an und, einflußreiche arabisch-sunnitische Stammesführer, enttäuschte „Söhne des Iraks“, Sunniten, die einst von den Amerikanern für den Kampf gegen Al-Kaida angeheuert worden waren und bis heute vergeblich auf die Erfüllung des Versprechens warten, von Maliki in die Streit- und Sicherheitskräfte integriert zu werden. Unter der über die diskriminierende Politik Malikis und die Gewalt schiitischer Milizen erboßten sunnitischen Zivilbevölkerung findet JRTN wachsende Sympathie. Die Organisation profitiert enorm von Duris immer noch starkem Einfluß vor allem unter der sunnitischen Bevölkerung. Der völlig unpolitische Nakschbandi-Orden hatte unter Saddam ein privilegiertes Dasein genossen und sich mit Hilfe Duris zu einer Art Bund entwickelt, der Mitglieder – wie anderswo die Freimauer – gegenseitig fördert. Dieses Netz kommt der JRTN nun zugute. So wird sie finanziert von wohlhabenden Baathisten vor allem im jordanischen Exil, genießt aber auch die Unterstützung des jordanischen Geheimdienstes, der, wie die mit JRTN sympathisierenden Saudis höchstes Interesse hat, Irans Einfluß im Irak zurückzudämmen.

Zu ihren Zielen nennt JRTN die Wiedereinsetzung aller rund 600.000 Angehörigen der 2003 von den USA aufgelösten Sicherheitskräfte auf ihre alten Posten, die Auflösung aller seit dem Sturz Saddams geschaffenen Regierungsorgane und Gesetze, sowie die Freilassung von Tausenden sunnitischen Gefangenen und schließlich nichts weniger als die Rückkehr der Baath an die Macht am Tigris. Malikis radikale anti-sunnitische Politik und sein despotischer Stil, stärken diese neuen sunnitischen Kräfte und treiben den Irak wieder an den Rand eines Bürgerkrieges.

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Donnerstag, 12. Januar 2012

Kriegshetze gegen den Iran

Leider sind die Stimmen, die vor einer Eskalation im Iran-Konflikt mit unabsehbaren Folgen nicht nur für den Iran und die Region, sondern für die ganze Welt warnen und sich stattdessen für Dialog und den Versuch der Einbindung der "Islamischen Republik" einsetzen, all zu leise. Den Iran in die Ecke zu jagen wird sich als fatal erweisen. Wir werden in dieser Sparte deshalb immer wieder Stimmen der Mäßigung publizieren. Hier das erste Beispiel:

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U.S. Hawks Behind Iraq War Rally for Strikes Against Iran
By Jim Lobe*

WASHINGTON, Oct 17, 2011 (IPS) - Key neo-conservatives and other right-wing hawks who championed the 2003 U.S. invasion of Iraq are calling for military strikes against Iran in retaliation for its purported murder-for-hire plot against the Saudi ambassador here.

Leading the charge is the Foreign Policy Initiative (FPI), the ideological successor to the Project for the New American Century (PNAC), which played a critical role in mobilising support for "regime change" in Iraq in the late 1990s and subsequently spearheaded the public campaign to invade the country after the 9/11 attacks. The group sent reporters appeals by two of its leaders for military action on its letterhead Monday.

In a column headlined "Speak Softly …And Fight Back" in this week's Weekly Standard, chief editor William Kristol, co-founder of both PNAC and FPI, said the alleged plot amounted to "an engraved invitation" by Tehran to use force against it.

"We can strike at the Iranian Revolution Guard Corps (IRGC), and weaken them. And we can hit the regime's nuclear weapons program, and set it back," he wrote, adding that Congress should approve a resolution authorising the use of force against Iranian entities deemed responsible for attacks on U.S. troops in Iraq and Afghanistan, acts of terrorism, or "the regime's nuclear weapons program".

Kristol's advice was seconded by Jamie Fly, FPI's executive director, who called for President Barack Obama to emulate former presidents Ronald Reagan and Bill Clinton when they ordered targeted strikes against Libya in 1986 and Iraq in 1993, respectively, in retaliation for alleged terrorist plots against U.S. targets.

"It is time for President Obama to follow in the footsteps of his predecessors and stand up to tyrants who kill Americans and threaten our interests," wrote Fly, who served on the National Security Council staff and the Pentagon under George W. Bush, in the on-line edition of The National Review.

"It is time to take military action against the Iranian government elements that support terrorism and its nuclear program. More diplomacy is not an adequate response," he wrote.

The FPI appeals, which have been echoed by other former Iraq war hawks, such as Bush's former U.N. ambassador, John Bolton, and Reuel Marc Gerecht at the neo-conservative Foundation for Defense of Democracies (FDD), came as analysts here continue to debate the credibility of the alleged plot against Saudi Amb. Adel al-Jubeir and how to react to it if, as the administration contends, it was authorised at a high level in Tehran.

The likelihood that the plot was indeed real - and, if so, whether it gained high-level authorisation - has been widely questioned, mainly by two sets of experts here.

Reaction among virtually all Iran specialists, including former government and intelligence personnel, has ranged from outright scepticism to bewilderment over what, if the alleged plot was actually consummated, Tehran would have hoped to gain from assassinating the Saudi ambassador on U.S. soil.

"(N)othing short of mind-boggling," wrote Vali Nasr, a senior fellow at the Brookings Institute, in reaction to the alleged plot. "If true, this plot shows a monumental lapse in judgment on Tehran's part, an audacious and reckless adventurism that will go down as the clerical regime's colossal mistake that will weaken its hand internationally and even unravel its grip on power…"

Counter-terrorist experts knowledgeable about Iran's Quds Force, the elite unit of the Islamic Revolutionary Guard Corps (IRGC) accused of sponsoring the scheme, have been even more sceptical that it would rely on an untested Iranian-American used-car salesman to make contact with a purported member of the Zetas drug cartel in Mexico to arrange the assassination.

The supposed Zeta contact turned out to be an informant for the U.S. Drug Enforcement Administration (DEA), according to the complaint released with great fanfare last week by the attorney general.

"Fishy, fishy, fishy," said Bruce Riedel, a Central Intelligence Agency (CIA) veteran who was formerly in charge of the Near East and South Asia on the National Security Council, when asked to characterise his assessment, while Robert Baer, a former Middle East CIA field officer, compared the plot as outlined by the complaint to a "truly awful Hollywood script".

"None of it measures up to Iran's unsurpassed skill in conducting assassinations," he wrote on Time magazine's website.

"Why on earth would they create a situation in which they had to rely on this untested, untrained, unguided, and uncontrolled asset rather than their own people?" wrote Col. Pat Lang (ret.), the Defense Intelligence Agency's former top Middle East and South Asia analyst on his Sic Semper Tyrannis blog.

Calling the government's case "trash", Lang added that, "The overwhelming likelihood is that this is someone's 'information operation' intended to condition public attitudes for some purpose."

Such scepticism, however, has not deterred the administration, key lawmakers, or former Iraq hawks from calling for a stern response.

Indeed, Obama himself said Thursday that he will push for "the toughest sanctions" against Iran on the part of the U.S. allies and the U.N. Security Council, while senior Treasury officials testified that they were considering blacklisting Iran's central bank, a move that enjoyed strong bipartisan support in Congress, notably from lawmakers most closely associated with the Israel lobby, even before the alleged plot was disclosed.

But a number of former Iraq hawks, few of whom appear to entertain much doubt about the plot's seriousness or provenance, are calling for military action.

"More sanctions aren't a bad idea…," wrote Gerecht, a major proponent of invading Iraq when he was at the American Enterprise Institute (AEI), in a column published Friday by the Wall Street Journal's staunchly neo-conservative editorial page. "But they will not scare (the regime). The White House needs to respond militarily to this outrage. If we don't we are asking for it."

Another Iraq war booster, Andrew McCarthy, also of FDD, joined the chorus in the National Review Online: "There is a range of possible political responses, of course, but given its three-decade campaign of aggression, the response to Iran must be military - and decisive. The regime must be destroyed."

Monday's appeal by FPI for military action was perhaps more remarkable, if only because three of the group's four directors - Eric Edelman, Robert Kagan, and Dan Senor - were recently named as key advisers to Mitt Romney, the frontrunner for the 2012 Republican presidential nomination.

Like Kristol, Kagan was a co-founder of both PNAC and FPI and a critical advocate of invading Iraq, while Senor served in Iraq after the invasion as a top official in the Coalition Provisional Authority. Edelman, who, as ambassador to Turkey at the time, lobbied its military to support the 2003 invasion, went on to serve as undersecretary of defence for policy under former Pentagon chief Donald Rumsfeld.

Although Romney has remained silent to date on how Washington should respond to the alleged plot, a number of his other advisers who championed the Iraq invasion have long called for the U.S. to make the threat of military action against Iran more credible.

In his first major policy address two weeks ago, Romney himself called for two aircraft carrier task forces to be permanently deployed in the region as a deterrent to Tehran.

*Jim Lobe's blog on U.S. foreign policy can be read at http://www.lobelog.com.

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Iran: Der „Schattenkrieg“ eskaliert

Von allen Seiten verschärft sich der Druck auf Teheran – Die Krise um das Atomprogramm droht außer Kontrolle zu geraten

von Birgit Cerha


Tag für Tag rücken die Spannungen zwischen der „Islamischen Republik“ auf der einen, den USA und ihren Verbündeten auf der anderen Seite dem Siedepunkt näher. Von allen Seiten steigert sich der Druck auf den Iran in dramatischer Weise: Vorbereitungen zu massiv verstärkten Sanktionen der USA und der EU laufen auf Hochtouren, während die Wirtschaft des „Gottesstaates“ schon jetzt zunehmend unter dem Embargo ächzt; die Bereitschaft von Irans wichtigem Handelspartner Japan, US-Drängen nachzugeben und sich aus der Abhängigkeit von iranischen Öllieferungen zu lösen, damit die Sanktionen Teheran in die Knie zwingen; die Planung großer amerikanisch-israelischer Manöver in der Nähe dem für die internationale Ölversorgung so wichtigen Flaschenhals im Persischen Golf, der Straße von Hormus, wo auch Teheran Kriegsspiele ankündigt und die USA davor warnt, einen Flugzeugträger in den Persischen Golf zurückzuführen; iranisches Todesurteil gegen einen amerikanisch-iranischen Doppelstaatsbürger wegen Spionage für die Supermacht und schließlich die erneute Ermordung eines iranischen Atomexperten. Der Tathergang – Explosion einer unter Auto des Opfers, Mostsafa Ahmadi Roshan, fixierten Magnetbombe – glich vorangegangenen Attentaten, denen in den vergangenen zwei Jahren drei führende für das iranische Atomprogramm arbeitende Experten zum Opfer gefallen waren.
Iran, aber auch unabhängige Experten halten diese Entwicklung für einen klaren Hinweis auf eine gefährliche Eskalation eines seit Jahren tobenden „Schattenkrieges“ gegen den Iran, der offenbar das Ziel verfolgt, durch Ausschaltung führender Atomfachleute das Nuklearprogramm zumindest vorerst zu verlangsamen, bis eine andere Strategie gefunden ist, die Teheran vom Bau von Atomwaffen abhalten kann. Längst ist die Serie der Sabotage- und Terrorakte zu dicht, um an Zufälligkeit zu glauben. Drei mysteriöse Explosionen – nahe einer wichtigen Atomanlage in Isfahan, in einem Militärstützpunkt, die den Architekten des iranischen Raketenprogramms und etwa 30 Revolutionsgardisten tötete, und in einer Raketenbase in Khorramabad, Irans nächstem Punkt zu Israel – waren im Vorjahr, sowie 2010 dem Computerwurm „Stuxnet“ gefolgt, der zahlreiche Zentrifugen, zentraler Teil des Atomprogramms lahmgelegt hatte; und schließlich Anfang Dezember die erzwungene Landung einer US-Drohne im Ost-Iran; nachdem Teheran die Verhaftung von zwölf angeblich für den US-Geheimdienst CIA arbeitenden Spionen bekannt gegeben hatte, rühmte sich sein libanesischer Verbündeter „Hisbollah“ im Dezember der Festnahme von 30 angeblichen CIA-Agenten im Libanon.

Wiewohl es keinerlei Beweise für die Drahtzieher dieses „Schattenkrieges“ gibt, stehen für Teheran die Täter längst fest: der „große“ und der „kleine Satan“ (USA und Israel). Washington dementiert jede Verwicklung energisch. Doch ein Bericht des US-TV-Senders ABC aus dem Jahr 2007 drängt sich in Erinnerung, in dem von einer „geheimen Genehmigung des Präsidenten zur Durchführung verdeckter ‚schwarzer‘ Operationen zur Destabilisierung des iranischen Regimes“ die Rede war. Der US-Kongress stellt dafür 300 Mio. Dollar bereit. Unter Präsident Obama wurde das Programm ausgeweitet.
Israel bestätigt eine führende Rolle in diesem „Schattenkrieg“ nicht, leugnet sie aber auch nicht und verhehlt nicht seine Freude über die internationales Recht gravierend verletzende Ermordung iranischer Atomexperten. Kryptisch bemerkte jüngst Israels Geheimdienstminister Dan Meridor: „Es gibt Länder, die Wirtschaftssanktionen einheben und es gibt andere Länder, die in anderer Weise mit der iranischen Atomgefahr umgehen.“ Israels ehemaliger nationaler Sicherheitsdirektor, General Giora Eiland bemerkte gar im israelischen Armeesender: „Wenn sich so viele Dinge ereignen, dann gibt es wahrscheinlich eine Art von lenkender Hand dahinter, vielleicht ist es auch die Hand Gottes.“
Ein Bericht der französischen Zeitung „Le Figaro“, nach dem der israelische Geheimdienst Mossad verstärkt in irakisch-Kurdistan stationierte oppositionelle iranische Kurden der Guerillaorganisation „PJAK“ unterstützt und für Terroreinsätze im Iran trainiert, besitzt ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit. Längst ist es offenes Geheimnis, dass israelische Agenten seit Jahren im autonomen Kurdistan ihre strategischen Ziele gegen vor allem gegen den Iran verfolgen – eine heikle Entwicklung für die irakische Kurdenführung.

Während führende iranische Politiker ihre Entschlossenheit bekräftigen, sich auch durch Morde nicht von ihrem Atomprogramm abbringen zu lassen, stellt „Kayhan“, die dem „Geistlichen Führer“ Khamenei nahestehende Zeitung, die Frage, wieso Attentate auf führende Atomexperten in Teheran so leicht möglich seien, und warum denn der Iran nicht Vergeltung übe. Tatsächlich hat sich die Reaktion des Regimes auf all diese Attacken auf verbale Angriffe beschränkt. Doch der jüngste Mord könnte sich als der Tropfen erweisen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Meir Javedanfar, ein in Israel stationierter, im Iran geborener Analyst ist davon überzeugt, dass die Verschärfung des „Schattenkrieges“ und der Sanktionen die bisher zögernde Teheraner Führung zu einer Entscheidung drängen werde: „Vergeltung oder Kompromiß“. Doch wiewohl auch Khamenei erkennen wird, dass Vergeltung den Druck und die Gefahr eines Krieges mit unabsehbaren Folgen drastisch vergrößern wird, deutet bisher nichts darauf hin, dass der Iran zum Einlenken bereit sein könnte. Selbst der israelische Analyst Richard Silverstein ist davon überzeugt, dass dieser „Schattenkrieg“ den Iran nicht ernsthaft erschüttern oder von ihren Ziel abhalten werde. „Die Iraner sind keine Schwächlinge. Sie lassen sich nicht einschüchtern. Sie sind bereit für ihr Land zu sterben‘“ und haben dies in dem achtjährigen, vom Irak provozierten Krieg schmerzhaft mit einer Million Gefallenen bewiesen.

Der „Schattenkrieg“ soll – so meinen Verfechter dieser Strategie – den Iran ohne gigantische Verluste ziviler Menschenleben zur Aufgabe des Atomprogramms und vielleicht das Regime zum Sturz bringen. Er vernichtet aber die friedliche Option des Dialogs und der Suche nach Kompromiss.

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Samstag, 7. Januar 2012

„…..näher und näher zum Krieg“

(BILD: "Paß auf, dass dir das Embargo nicht den Hals bricht", von Nikahang Kowsar.)

Iran plant die „größten Manöver“ in der „Straße von Hormus“ – Was steckt hinter den zunehmend gefährlichen Drohungen und Gegendrohungen?

von Birgit Cerha

Die Propagandamaschinerien beider Seiten arbeiten auf Hochtouren. Der Ton wird aggressiver, die Szene immer gefährlicher. Ein Funke, ein Missverständnis, ein Unglücksfall oder auch nur eine kleine Provokation und das Pulverfass explodiert. Die Welt steht am Rande eines Krieges – mit dem Iran - , der sich keineswegs nur auf die Region, auf dem Mittleren Osten beschränken wird. Westliche Medien stellen undifferenziert die „Islamische Republik“ als Provokateur und Aggressor dar, die Anschuldigungen gegen die Herrscher in Teheran häufen sich und erinnern fatal an die amerikanisch-britische Stimmungsmache gegen den irakischen Diktator Saddam Hussein zur Kriegsvorbereitung. Auch diesmal ist wohl das erste Opfer die Wahrheit, wie die zur Kriegsmotivation hochstilisierte Behauptung des damaligen US-Präsidenten Bush, der Irak besitze Massenvernichtungswaffen. Eine Lüge, wie sich später erwies.Die in Teheran herrschenden Geistlichen stehen mit dem Rücken zur Wand und derart in die Enge getrieben, werden sie eher die Waffen zücken, als Dialog und Kompromiss suchen, einen Dialog zudem, dem ihm der Gegner – USA und Europa – ohnedies nicht wirklich anbietet. Der Druck auf das Regime stieg, seit der neue Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) Yakiya Anamo im November in seinem ersten von westlichen Medien kritiklos aufgenommenen Bericht keine Zweifel daran ließ, dass der Iran au Atomwaffen bastle. Der amerikanische Aufdeckungsjournalist Seymour Hersh blieb einer der ganz wenigen Journalisten, die darauf hinwiesen, dass das jüngste IAEA-Dokument gar nichts neues enthielte und schon gar keine Beweise. Es folgte eine Serie von Vorwürfen gegen Teheran, wie der angeblich und höchst mysteriöse Versuch der Iraner, Mitglieder eines mexikanischen Drogenkartells zur Ermordung des saudischen Botschafters in den USA anzuheuern oder die plötzliche, wenig glaubwürdige Behauptung, der Iran hätte Al-Kaida-Terroristen (Erzfeinde der schiitischen Herrscher immerhin) direkt für die Terrorakte vom 11. September in den USA unterstützt. Die daraufhin massiv verschärften US-Sanktionen schmerzen zunehmend und ein Stopp der Ölimporte, den die EU Ende Januar beschließen will, wird die Iraner noch massiver in die Enge treiben.

Mit ihrer Wirtschaft derart stranguliert sucht Teheran zum Gegenschlag, dem vermeintlich schmerzlichsten: Blockade der Straße von Hormus, durch die mehr als 20 Prozent der Weltölexporte fließen. Nach zehntägigen Marine-Manövern im Persischen Golf, bei denen die Revolutionsgarden nach eigenen Angaben Mittelstreckenraketen „mit neuester Technologie“ aus Eigenproduktion und Marschflugkörper getestet hatten, kündigten sie nun die „größten Marinemanöver“ an, die der Iran je durchgeführt hatte und sie werden als zusätzliche Provokation für den Westen direkt in der Straße von Hormus stattfinden. Die Kriegsspiele könnten direkt mit einemgemeinsam von Amerikanern und Israelis geplanten Seemanöver in der Region zusammenfallen, bei denen laut israelischen Angaben gemeinsame Raketenabwehrsysteme getestet werden sollen. Tausende US-Soldaten werden zu diesem Zweck in Israel stationiert, eine empfindliche Herausforderung für die iranischen Erzfeinde. Solches Zusammenspiel der Ereignisse zeigt nach Ansicht Jamal Abdis vom „National Iranian American Council“, dass „wir einem Krieg mit dem Iran näher und näher rücken“.

Iranisches Muskelspiel lässt nach Ansicht von Militärexperten jedoch keineswegs darauf schließen, dass Teheran tatsächlich eine militärische Konfrontation sucht. Die Teheraner Führung ist sich der hoffnungslosen Unterlegenheit gegenüber amerikanisch-israelischer Übermacht voll bewußt. Irans Militärkraft sind enge Grenzen gesetzt. So ist auch ein Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, des wichtigsten Partners der „Islamischen Republik“, davon überzeugt, dass der Iran, entgegen seiner Behauptungen, derzeit nicht über die Technologie zum Bau von Interkontinentalraketen – nicht einmal von Prototypen – verfügt. Selbst wenn Teheran in Zukunft Mittel- und Langstreckenraketen entwickle, seien diese Angriffswaffen keinesfalls jederzeit einsatzbereit.

Auch meinen unabhängige Experten, dass der Iran kaum die militärischen Fähigkeiten zur Blockade der Straße von Hormus besitze. Zwar haben die Revolutionsgarden eine schlagkräftige asymmetrische Marine-Einheit aufgebaut, mit einem Arsenal von diversen Seeminen, einer größeren Flotte kleiner Schnellbote, die für Selbstmordoperationen eingesetzt werden können, sowie mobilen Anti-Schiff-Raketensystemen. Doch diese Kapazitäten reichen nicht zur Sperre von Hormus aus. Irans Raketensysteme etwa leiden unter Zielgenauigkeit. Zudem wird ihre Effizienz durch die enorme Größe von Tankern beeinträchtigt, die 80 Prozent des durch die Meerenge transportierten Öls führen. Auch die Verminung der Straße wäre angesichts der unmittelbaren Nähe der in Bahrain stationierten 5. US-Flotte schier ein Ding der Unmöglichkeit.
Eine Blockade von Hormus würde darüber hinaus Irans eigene Ölexporte stoppen und das Land damit ökonomisch, wie auch politisch gegenüber den noch verbliebenen Freunden in Asien, in noch größere Bedrängnis bringen. Allein die Drohung der Sperre heizt jedoch die Spannungen derart auf, dass ein kleiner Funke für eine große Katastrophe reichen könnte.

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Freitag, 6. Januar 2012

Hoffnungen und Ängste der Kopten Ägyptens


(Bild: Autobombe vor einer koptischen Kirche in Alexandria am 1.1.2011)

Die christliche Minderheit engagierte sich mit den Muslimen in der Revolution – Doch nun beginnen islamische Extremisten diese Bande zu zerreißen

von Birgit Cerha

„Frei von Angst“ feiern Ägyptens christliche Kopten nach den Worten ihres Oberhauptes, Papst Shenouda III., heute, Samstag, ihre Weihnachten. In seiner Botschaft zu diesem höchsten christlichen Fest, zu dem er u.a. Vertreter selbst der radikalsten islamistischen Salafisten eingeladen hatte, würdigte Shenouda die erfolgreichen Bemühungen des herrschenden Militärrates, für „Friede und Ruhe“ im Lande zu sorgen.Keineswegs alle Kopten teilen solche Gefühle dieses greisen Gottesmannes, der sich in seiner langen Karriere an der Spitze einer der ältesten christlichen Kirchen stets um Ausgleich und Verständigung mit den Herrschern am Nil und der muslimischen Mehrheit des Landes bemüht hatte. Koptische Aktivisten drängten in den vergangenen Tagen Shenuda – allerdings vergeblich -, keine Glückwunschbotschaften der staatlichen Führer entgegenzunehmen. Denn die Militärherrscher schützten nicht nur die Minderheit vor eskalierenden Attacken islamistischer Fanatiker, sondern bemühten sich auch nicht um deren Aufklärung oder Bestrafung von Tätern.

Auch wenn Shenuda von Frieden spricht, für viele Kopten bedeutet Weihnachten Angst und Hochspannung. Bischof Kyrillos von der oberägyptischen Nilstadt Nag Hammadi warnt in Erinnerung an das Blutbad vom 6. Januar 2010, als Islamisten nach der Christmette sechs Kopten töteten und 15 verwundeten, vor einem „neuen Massaker“. Der Geistliche hatte in den vergangenen Wochen zahlreiche Drohungen erhalten. Appelle an die staatlichen Sicherheitskräfte, die Kirchen insbesondere zu Weihnachten zu schützen, tragen wenig zur Beruhigung bei. Unvergessen bleibt die Katastrophe am Neujahrstag 2011, als die für die Sicherheit der „Kirche der zwei Heiligen“ in Alexandria verantwortlichen Einheiten sich zurückzogen und ein Blutbad mit 20 toten und 125 schwerverwundeten Kirchengängern zuließen. Viele Kopten sehen bis heute dahinter auch eine bewusste Strategie des Staates, die ägyptische Gesellschaft zu spalten, um sich damit die Macht zu sichern. Seit dem Sturz Präsident Mubaraks im Februar habe sich daran nichts geändert.
Es ist aber nicht nur der fehlende Schutz der bedrängten Minderheit durch den Staat, der die Kopten zutiefst verängstigt, sondern vor allem auch der wachsende Einfluss islamistischer Strömungen, insbesondere der Salafisten, die bei den ersten beiden Runden der gegenwärtig laufenden Parlamentswahlen mit etwa 20 Prozent den zweiten Platz hinter den gemäßigt-islamistischen Moslembrüdern gewannen. Salafisten, unter Mubarak brutal in Schach gehalten, erfreuen sich einer Freiheit, die andere – vor allem jugendliche Demokraten und Säkularisten – erkämpft hatten und einige der Radikalsten unter ihnen leben diese neue Freiheit gewaltsam gegen die christliche Minderheit aus. Attacken gegen Kirchen, gegen Besucher von Gottesdiensten, gegen christliche Häuser, gegen koptische Demokratie-Aktivisten haben seit dem Sturz Mubaraks ebenso zugenommen, wie die Entführungen von koptischen Kindern und Jugendlichen zur Erpressung von hohen Geldsummen in Oberägypten – eine Entwicklung, die viele Familien in die Verzweiflung treibt.

Diese Entwicklung steigert die Ängste der Kopten, die seit den 1970er Jahren immer mehr an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden, vor einer Zukunft, in der sie ihren historischen Anspruch als Ureinwohner Ägyptens an radikale Islamisten verlieren könnten. Nach – allerdings nicht verifizierten – Schätzungen haben seit dem Sturz Mubaraks mehr als 100.000 Kopten ihrer Heimat den Rücken gekehrt. Ihre Ängste werden durch Predigten von Geistlichen geschürt, die Christen als „kafir“ (Härethiker) brandmarken und sich für die Wiedereinführung der „Jizya“ einsetzen, einer historisch von muslimischen Eroberern von „Ungläubigen“ eingehobenen Abgabe. Beschwichtigungsversuche der Moslembrüder, wie auch der führenden salafistischen „Al Nur“-Partei, dass weder Christen, noch liberale Muslime irgendetwas von ihren Bewegungen zu befürchten hätten – „auch nur einem Kopten ein Haar zu krümmen, käme einer Verletzung unseres Programms gleich“, so ein Vertreter von Al-Nur – konnten bisher die Ängste vieler Kopten nicht mindern.

Viele Kopten ziehen sich – traditionell – zurück und treiben damit die Kluft in der ägyptischen Gesellschaft voran – eine Entwicklung, die Naguib Sawiris, koptischer Telekom-Tycoon und einer der reichsten Männer Ägyptens, heftig kritisiert. Manche, vor allem junge Kopten stimmen ihm zu, wenn er die ersten freien Parlamentswahlen als großen Schritt voran begrüßt und seine Glaubensbrüder, die immerhin zehn Prozent der ägyptischen Bevölkerung stellen, zur aktiven Teilnahme aufruft. Und er sieht als die Hauptursachen der Probleme der Kopten am Nil ihre „Passivität, mangelhafte Beteiligung an der Politik, fehlende Offenheit“ gegenüber den Muslimen. „Es ist unser Land“, betont Sawiris, für das wir kämpfen müssten. Und dass dies möglich ist, hat dieser Emporkömmling bewiesen. Reich, mächtig, anerkannt und – nach eigenen Worten „beliebt“ – beschäftigt er heute in seinem Imperium mehr als 90 Prozent Muslime, die ihn respektierten, weil er Religionszugehörigkeit nie Bedeutung beigemessen habe.

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