Mittwoch, 19. August 2009

Birgit Cerha: Geschwächter Khamenei gründet eigene „Schutz-Miliz“

Rivalisierende Sicherheitskräfte drohen das Chaos in der „Islamischen Republik“ noch weiter zu verschärfen

Schwer angeschlagen durch die Aufgabe seiner neutralen Position als „Höchster Geistlicher Führer“ der „Islamischen Republik“ im Zusammenhang mit den umstrittenen Präsidentschaftswahlen im Juni, gründete Ayatollah Khamenei nun eine eigene Miliz. Ihr Name, „Haydaryan“, ist Programm.. Er leitet sich ab von dem arabischen Wort „Haydar“ (Löwe) und stellt damit wohl ganz bewusst die Assoziation zu dem von den Schiiten so hoch verehrten Ali her, der diesen Spitznamen getragen hatte. Ali, Vetter und Schwiegersohn Mohammeds, wird von der schiitischen Glaubensrichtung des Islams als der legitime Nachfolger des Propheten angesehen. Ebenso – wohl Khameneis Botschaft – sei an seiner Legitimität als Nachfolger von Revolutionsführer Khomeini nicht zu rütteln.

Die Gründung einer neuen Sicherheitsorganisation, die direkt und wohl ausschließlich im Dienste Khameneis steht, besitzt im gegenwärtigen höchst angespannten politischen Klima außerordentliche Bedeutung. Sie illustriert deutlich – und überraschend – das Gefühl enormer Schwäche, das Khamenei nun plagen muss, da er sich offen und gegen massiven Widerstand auf die Seite Präsident Ahmadinedschads gestellt und seine Entschlossenheit bewiesen hat, diese Haltung auch mit brutaler Gewalt und schärfster Repression zu verteidigen und durchzusetzen. Immerhin besitzt Khamenei doch laut Verfassung ohnedies außerordentliche Machtfunktionen, insbesondere im Sicherheitsbereich. Er ist Oberkommandierender der regulären Streitkräfte, genannt „Artesch“ und besitzt die Autorität, die Führer aller Organe innerhalb der Polizei, der paramilitärischen Organisationen (der millionenstarken Bassidsch), der Revolutionsgarden und des Geheimdienstes zu ernennen.

Nur wenig ist vorerst über „Haydaryan“ bekannt. Wichtigstes Kriterium für die Wahl seiner Mitglieder ist die bedingungslose Loyalität zur Person Khameneis, der diese nach dem Vorbild der Bassidsch aufgebaute Miliz ausschließlich zu dienen hat. Einige der „Haydaryan“s wurden aus dem Khamenei treu ergebenen Kern der Bassidsch rekrutiert.

Während der schweren Unruhen der vergangenen Wochen hatten sich deutliche Risse in der Loyalität der Revolutionsgarden, der Polizei und sogar der traditionell als fanatisch geltenden Bassidsch gezeigt. Wiewohl die Revolutionsgarden, die stärkste militärische Kraft im Land, bisher nach außen hin keinerlei Zweifel an ihrer Treue zur Islamischen Republik und deren Führer aufkommen ließen, wurden in den vergangenen Wochen einige Kommandanten abgesetzt und halten sich hartnäckig Gerüchte über wachsendes Unbehagen in führenden Reihen der Garden angesichts der brutalen Niederschlagungen von unbewaffneten Demonstrationen. Eine ähnliche Stimmung hat offenbar auch die Bassidsch erfasst. Diese paramilitärischen Einheiten galten bisher stets als bedingungslos treu zum System und dessen Führer Khamenei. Viele dieser freiwilligen Milizionäre wurden schon im Alter von zwölf oder gar noch jünger rekrutiert und massiver Gehirnwäsche unterzogen. Andere, meist völlig ungebildet, schlossen sich den Bassidsch aus sozialer Not an, bereit, für Geld auch Mitbürger bedingungslos zu quälen und genossen dabei unverhoffte Machtgefühle. Sie waren seit Jahren besonders für die Niederschlagung von Unruhen trainiert worden.

Doch nach Aussagen von Ex-Bassidschis haben die dramatischen Ereignisse der vergangenen Wochen auch unter zumindest einigen dieser fanatischen Milizionäre tiefes Unbehagen und Enttäuschung über das System ausgelöst, wiewohl freilich andere eifrig in Gefängnissen unschuldige Demonstranten folterten. Doch, so betont der iranische Analyst Alireza Nourizadeh, „diese Bassidsch sind Teil der Nation und man kann nicht erwarten, dass sie weiterhin loyal zu den Behörden stehen, wenn sie erkennen, dass die (demonstrierenden) Menschen in den Straßen ihre Nachbarn sind oder deren Kinder..“ So wächst die Ungewissheit, ob diese Sicherheitskräfte bei einer weiteren Verschärfung der Lage sich nicht doch Khameneis Befehlen widersetzen. Schon während der vergangenen Unruhen musste der „Führer“ Zuflucht zu militanten Arabern der libanesischen Hisbollah oder der palästinensischen Hamas suchen, die, in Dankbarkeit für jahrelange Unterstützung Teherans, tatkräftig halfen, die Demonstrationen zu zerschlagen.

„Haydaryan“ soll aber auch helfen, Khameneis Position, wenn nötig gewaltsam, abzustützen, denn Rufe und Appelle nach Absetzung des Führers mehren sich selbst aus den Kreisen angesehener Geistlicher in den Theologenzentren Qom, Isfahan und Maschhad. Welche Stellung „Haydaryan“ in der Hierarchie der zahlreichen miteinander konkurrierenden Sicherheitskräfte einnimmt, ist vorerst noch unklar. Fest steht jedoch, dass ihre Gründung das Chaos in diesem von schweren internen Machtkämpfen zerrissenen Land drastisch verstärkt und enorme Gefahren birgt. Ein entscheidender Faktor beim Sturz des Schahs 1979 bildeten Massendesertionen in den Streitkräften. Deshalb hatten diverse führende Persönlichkeiten der „Islamischen Republik“ seit Jahren ihre eigenen loyalen Kader aufgebaut, damit sich die Geschichte nicht wiederhole. Doch in den dramatischen Turbulenzen, die den Iran nun erfasst haben, ist selbst die Loyalität dieser Ultra-Loyalen zweifelhaft geworden. Khamenei, daran besteht nun kein Zweifel, ist entschlossen, seine Politik und seine Macht selbst mit härtester Brutalität zu verteidigen.

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