Montag, 25. Februar 2013

Atomstreit mit Iran: Wenig Hoffnung auf Durchbruch

Neuer Anlauf zur Lösung der Krise sollte einen Ausweg aus dem gefährlichen Gleichgewicht zwischen drastischen internationalen Sanktionen und rapidem Fortschrift im Nuklearprogramm finden 

Entschlossen, die eigene politische Schwäche verschleiernd, beginnt der Iran heute, Dienstag, nach neunmonatigem Stillstand und längerem Verwirrspiel um Termin und Tagungsort im kasachischen Almaty eine erneute Verhandlungsrunde mit der internationalen Sechsergruppe – China Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Russland und die USA, genannt „P5+1“ – zur Lösung des seit einem Jahrzehnt währenden Streits um sein Atomprogramm. Beide Seiten drängt es zum Dialog, denn beide fürchten die Konsequenzen eines Scheiterns der Diplomatie, das den Falken in den USA und vor allem in Israel gefährlichen Aufwind geben könnte.
Und dennoch könnten die Vorzeichen dieses diplomatischen Anlaufs kaum schlechter sein. Teheran hat im Vorfeld intensiv Selbstbewusstsein aufgebaut, das der Westen als Kompromisslosigkeit wertet. Eine Serie von Erfolgsmeldungen - Entdeckung neuer Uran-Vorkommen, die die Vorräte verdreifachen, die Festlegung von 16 Standorten für neue Atomkraftwerke, der Beginn der Installation von 3000 moderneren Zentrifugen in der Atomanlage Natans, die die Urananreicherung wesentlich beschleunigen werden – all dies steigert im Westen die Sorge vor einem rapiden Fortschritt zur – möglichen – Produktion von Atomwaffen. Gemeinsam mit Militärmanövern am Vorabend der Gespräche will der Iran der internationalen Gemeinschaft signalisieren, dass er sich nicht von der Verteidigung seiner „nationalen Rechte“ abbringen lässt: Entwicklung von Atomenergie für friedliche Zwecke, wie Teheran stets behauptet.
Die Gegenseite kündigt ein „aktualisiertes und glaubwürdiges Angebot“ an, das in Wahrheit eher einer Verhärtung der Position gleichkommt. Kaum gab sich der Iran wieder gesprächsbereit, verhängten die USA weitere Strafmaßnahmen, die Teheran den Zugriff auf Einnahmen aus Ölverkäufen erschweren sollen. Der Iran kann dieses Geld zwar in dem Land, an das er das Öl verkauft, für Waren ausgeben, aber nicht auf heimische Konten überweisen. Der Westen lockt mit der Aufhebung dieser Sanktion, wenn der Iran in Almaty Bedingungen erfüllt, die er bereits vor einem dreiviertel Jahr in Moskau abgelehnt hatte.
Ein möglicher Kompromiss scheiterte bisher an der Reihenfolge der Erfüllung von Forderungen. Tiefes gegenseitiges Misstrauen steht einer Änderung dieser Positionen im Weg: „P5+1“besteht darauf, dass der Iran als erstes die Urananreicherung stoppt und den Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) größeren Zugang zu seinen Anlagen, insbesondere zum Militärkomplex Parchin bei Teheran, gestattet, wo laut US-Geheimdiensten heimliche Sprengstofftests in Zusammenhang mit Atomwaffen ausgeführt worden sein sollen. Dann wäre man zu einer allmählichen Lockerung einiger Sanktionen und einer Anerkennung des iranischen Atomprogramms für ausschließlich friedliche Zwecke bereit, was die Beschränkung auf Urananreicherung auf 3,5 bis 5 Prozent – und nicht wie bisher 20 Prozent oder mehr – bedeuten würde.
Irans „Geistlicher Führer“ Khamenei, der die höchste Entscheidungsgewalt auch in der Frage des Atomprogramms besitzt, ist geprägt von einem tiefen, ideologisch bedingten Misstrauen gegen die USA und wird sich kaum zu „Gesten des guten Willens“, geschweige denn entscheidenden Zugeständnissen bereitfinden, wenn sich die Gegenseite vorerst nur auf Versprechungen beschränkt. Er betrachtet die Forderung nach Einstellung der Urananreicherung auf 20 Prozent, vor allem aber auch die verlangte Schließung der Atomanlage Fordo als „Falle“ und ersten Schritt zu seiner persönlichen Niederlage und jener des Regimes. Fordo halten die Iraner für ihr stärkstes Druckmittel, da diese, tief in einem Berg errichtete Anlage israelischen, aber vielleicht sogar amerikanischen Luftangriffen widerstehen könnte.
Warum dann stimmte Khamenei einer Wiederaufnahme des Dialogs zu? Auch der „Geistliche Führer“ fürchtet einen Krieg. Momentan konnte US-Präsident Obama noch Israel davon überzeugen, der Diplomatie eine Chance zu geben. Doch wie lange werden die „Falken“ in Jerusalem stillsitzen? Und intern steht Khamenei unter wachsendem Druck. Die Sanktionen schmerzen zunehmend, vor allem auch Kreise der herrschenden Elite, insbesondere der Revolutionsgarden, die längst nicht mehr bereit sind, auf materielle Opfer zugunsten ideologischer, revolutionärer Ziele zu verzichten. Im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen im Juni ist bereits ein heftiger Machtkampf ausgebrochen, der Irans Widerstandskraft nach außen empfindlich schwächt.
Hinzu kommt der „Arabische Frühling“. Kenner der Region zweifeln nicht daran, dass der Iran, sollte er tatsächlich entgegen seinen Beteuerungen, die Kapazitäten zur raschen Produktion von Atomwaffen entwickeln, dieses Ziel nicht zu aggressiven Zwecken (etwa einen Angriff auf Israel) verfolgt, sondern zur Untermauerung seiner geostrategischen Ziele als Großmacht in der Region. Doch der „Arabische Frühling“ hat diesem Streben nach Vormachtstellung auch in der islamischen Welt einen Riegel vorgeschoben. In Tunesien, in Ägypten, im Jemen und vor allem auch in Irans engstem arabischen Verbündeten Syrien feiern die sunnitischen Islamisten teils blutige revolutionäre Siege. Sie werden nicht mehr, wie sie es vor zwei Jahren getan hätten, eine „iranische Atombombe“ als eine „islamische“ gegen Zionismus oder den Westen insgesamt feiern. Und auch gläubige arabische Bürger schauen nicht mehr nach Teheran im Kampf gegen Diktatur und Ungerechtigkeit. Sie wollen ihre „eigenen Revolutionen“ und schon gar nicht iranisch-schiitische. Atommacht sichert damit Teheran heute nicht mehr den Weg zur Hegemonie in der Region. So beginnt man sich wohl auch in iranischen Führungskreisen zu fragen: „Steht dieser schmerzliche Preis überhaupt noch dafür?“
Hinzu kommt der „Arabische Frühling“, der Teherans Streben nach Vormachtstellung in der Region, wozu der Besitz der Atombombe entscheidende Hilfe leisten soll, entscheidend untergraben hat. In Tunesien, Ägypten und Syrien erstarken die sunnitischen Islamisten. Sie und ihre Anhänger werden nicht mehr, wie sie es vor zwei Jahren getan hätten, eine „iranische Atombombe“ als eine „islamische“ gegen Zionismus oder den Westen insgesamt feiern. Sie wollen ihre eigenen Revolutionen und schon gar nicht iranisch-schiitische. Atommacht sichert Teheran damit nicht mehr den Weg zur Hegemonie in der Region. So beginnt man sich wohl auch in iranischen Führungskreisen zu fragen: „Steht dieser schmerzliche Preis überhaupt noch dafür?“
Welche Position Khamenei in dieser Frage auch immer einnimmt, Diplomatie hat auch für ihn momentan den Vorrang, solange sie dem Iran Zeitgewinn verschafft, um dennoch sein Atomprogramm fortzusetzen und zugleich vielleicht auch neue, verschärfte Sanktionen zu verhindern. Bis zur Wahl eines neuen Präsidenten ist der Entscheidungsprozess in Teheran in dieser Schicksalsfrage ohnedies gelähmt.

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