Sonntag, 17. Juni 2012

Hilflose UN-Beobachter in Syrien

Die Chancen auf eine Rettung Syriens vor einem katastrophalen Bürgerkrieg schwinden rapide

von Birgit Cerha

Mit seiner Entscheidung, die Mission der 298 militärischen Beobachter und 112 Zivilisten, die im Auftrag der UNO in Syrien die Durchsetzung eines Waffenstillstands überwachen sollten, nach nur zwei Monaten auszusetzen, hat deren Kommandant, Robert Mood, dem einzigen noch bestehenden Friedensplan für das gequälte Land einen schweren Schlag versetzt. Die Beobachtermission ist Teil eines in zähen Verhandlungen vom Sonderbeauftragten der UNO und der Arabischen Liga, Kofi Annan, mit dem Assad-Regime und dessen Gegnern ausgehandelten Friedensplans, der letzten Hoffnung für Syrien, wo 15-monatige brutale Repression durch das Regime und zunehmend gewaltsame Gegenwehr schon bis zu 15.000 Menschenleben kosteten.

Vorläufig betonen Moore, Vertreter der UNO und der Arabischen Liga, dass sich die Beobachter nur von den Szenen der Gewalt zurückgezogen hätten und ihre Arbeit wieder aufnehmen würden, sobald ihr Leben nicht mehr in Gefahr wäre. Sie begründen diesen Schritt mit der insbesondere in den vergangenen zehn Tagen dramatisch eskalierten Gewalt. Während das Regime keinen militärischen Einsatz scheut, um an die Rebellen verlorenes Terrain zurückzuerobern, eskalieren auch die bewaffneten Gegner Assads ihre Attacken.

Tatsächlich hat sich die Arbeit der Beobachter aus 60 UN-Mitgliedsländern in den vergangenen Tagen als zunehmend lebensgefährlich erwiesen. Sie wurden beschossen, von Regime-Sympathisanten attackiert und zweimal explodierte eine Bombe nahe ihrer Fahrzeuge. Verletzt allerdings wurde bisher niemand.

Der Weltsicherheitsrat wird Dienstag über die weiteren Schritte beraten. Findet er nicht rasch eine Lösung, dann könnte Kofi Annans Friedensplan endgültig gescheitert und die Beobachter würden – wie ihre Vorgänger von der Arabischen Liga im Vorjahr – unverrichteter Dinge abziehen. Die Weltgemeinschaft würde tatenlos dem weiteren Gemetzel mit seinen für de gesamte Region unabsehbaren Folgen zusehen. Die Opposition, die Anti-Assad-Aktivisten in Syrien schäumen. Zwar hatten sie Annans Plan, der schließlich eine Verhandlungslösung für Syrien – und nicht den Sturz des Diktators – vorsieht, grundsätzlich abgelehnt, sich aber anfänglich für verbal für die Durchsetzung eines Waffenstillstandes kooperativ gezeigt, nun beschuldigen sie die UNO unmoralischen Verhaltens: „Ihre Präsenz ist wie ihre Abwesenheit“, wettert ein Aktivist aus Homs. „Sie (die Beobachter) sind unfähig, die Gewalt zu stoppen“ und würden nun nicht einmal mehr bezeugen können, wer und wie unbewaffnete Zivilisten dahingemetzelt würden.

Längst steht freilich fest, dass beide Seiten kein Interesse an einem Waffenstillstand und der Suche nach einer Kompromisslösung haben. Derzeit geht es beiden nur um militärische Geländegewinne. Nicht nur Assads Gegner, auch unabhängige Quellen sind davon überzeugt, dass der Diktator nicht einmal die ersten Punkte des Annan-Plans – Abzug seiner Streitkräfte und schwerer Waffen aus Städten und anderen Siedlungsgebieten – bereit ist zu erfüllen, geschweige denn gemeinsam mit der Opposition demokratische Reformen zu beschließen. Beides würde das Ende seines Regimes besiegeln.

Moores Entscheidung ist eine Botschaft insbesondere an Rußland und China, Assads wichtigste Verbündete, den Druck auf den Diktator zu verstärken, um Annans Friedensplan noch eine Chance zu geben. Scheitert er, herrscht weitgehende internationale Ratlosigkeit. Rußland schlug für 30 Juni eine internationale Konferenz über diesen Konflikt vor, der zunehmend internationale Dimension erreicht. Moskau besteht auf Beteiligung des engen syrischen Verbündeten Iran, ohne den eine haltbare Lösung nicht möglich ist. Doch dies scheiterte bisher am Widerstand der Amerikaner und Europäer. Auch der Plan, Kontaktgruppen für beide Seiten zu bilden, stößt auf Schwierigkeiten. Zugleich wächst nun die Gefahr, dass Rufe vor allem von Teilen der Opposition nach einer militärischen Lösung, mehr und mehr besonnene Stimmen übertönen.

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