Dienstag, 23. Februar 2010

Wem dient die Gefangenahme des Mullah Baradar?

Postionsgefechte unter den Geheimdiensten CIA und ISI

von Dr. Arnold Hottinger

Die widersprüchlichen Meldungen und Kommentare, welche die Gefangennahme in Karachi des hochstehenden Kommandanten der afghanischen Taleban, Mullah Abdul Ghani Baradar, ausgelöst hat, lassen erkennen, dass sich die Verhaftung vor dem Hintergrund eines Kräfteringens zwischen der amerikanischen CIA und dem pakistanischen ISI abspielt. Beide Geheimagenturen stehen offenbar in einem Spannungsverhältnis, ausgelöst durch die Frage, wer die Kontakte mit den afghanischen Taleban steuern soll, die im Hintergrund offensichtlich bereits begonnen haben.

Verhandlungen mit den Taleban stehen auf dem politischen Programm der Amerikaner. Sie möchten solche führen mit dem Ziel möglichst viele der Taleban Kämpfer abzuspalten und auf ihre Seite, d.h. auf die der Karzai Regierung, zu bringen. Doch die offizielle Politik ist: die gegenwärtige Offensive in Helmand und vielleicht noch andere künftige Militäraktionen sollen zuerst das bestehende Macht-Gleichgewicht zu Gunsten der Amerikaner, der Nato Truppen und der Karzai Regierung verschieben, damit diese dann mit den Taleban aus einer Position der Stärke verhandeln können.
Trotzdem haben schon jetzt Versuche begonnen, mit Taleban Untergruppen zu sprechen, um ihre Kämpfer zum Übergehen zu veranlassen, und gleichzeitig fanden Kontaktversuche auf höherer Ebene in Saudi Arabien statt, die darauf abzielten, Gespräche mit der Führung der Taleban über Vermittler aufzunehmen, die frühere Mitkämpfer der Taleban waren, aber heute eher auf Seiten der Karzai Regierung stehen. Der bekannteste von ihnen ist Abdul Salam Zaeef, der einstige Botschafter der Taleban in Islamabad, der vier Jahre in Guatanamo verbachte, ein Buch über seine Erfahrungen dort und ein zweites über sein „Leben mit den Taleban“ verfasst hat und seit 2005 in Kabul lebt.

Die Taleban haben dementiert, dass sie solche Verhandlungen geführt hätten. Doch jedenfalls haben Annhäherungsversuche stattgefunden. Andere Stränge scheinen über Dubai zu laufen.

ISI, der enflussreiche Geheimdienst der pakistanischen Armee hat seinerseits offen die Forderung gestellt, Pakistan – das heisst ISI selbst – solle die Gespräche mit den Taleban führen. Man könnte nicht behaupten, sagte „ein hochgestellter Pakistanischer Geheimdienstoffizier“ , „dass wir wichtige Verbündete sind, wenn man gleichzeitig mit den Leuten verhandelt, die wir jagen und uns dabei ausschliesst.“ Der Offizier habe hinzugefügt: „Wir sind hinter Mullah Baradar her. Wir glauben fest, dass die USA mit ihm Kontakt halten oder mit Leuten, die ihm nahe stehen“.

Nach Lyse Doucet, Pakistan’s Push for a New Role in Afghanistan, BBC News: http://news.bbc.co.uk/go/pr/fr/-/2/hi/south_asia/8521823. Über die Überläufer vgl. When Taleban Fighters change sides, http://news.bbc.co.uk/go/pr/fr/-/2/hi/programmes/from_our_own_correspondent/8520754.stm
Published: 2010/02/18 15:51:34 GMT

ISI und die afghanischen Taleban sind alte Partner und die meisten Beobachter glauben, dass die alten Verbindungen bis heute nicht abgebrochen sind. ISI hatte einst in den 90er Jahren die Taleban ins Leben gerufen und ihren Einsatz in Afghanistan stark unterstützt wenn nicht gar geleitet. Dies war mit dem Ziel geschehen, Pakistan in seinem nödlichen Nachbarland Einfluss zu verschaffen und den Einfluss der Rivalenmacht, Indien, zurückzudrängen. Seither sah ISI die Taleban immer als ein mögliches Werkzeug an, um in Afghanistan (und möglichereise sogar in Kashmir) die pakistanischen Interessen zu fördern.
Als die Amerikaner 2002 die Taleban in Afghanistan besiegten und zur Flucht nach dem Norden zwangen, sorgte ISI dafür, dass viele der führenden afghanischen Taleban in Pakistan, die meisten in Quetta, Zuflucht für sich und ihre Familien fanden. Dies geschah wohl im Hinblick auf eine Zukunft, in welcher die Amerikaner und Nato aus Afghanistan abziehen würden, Pakistan jedoch ein unverrückbarer Nachbar Afghanistans bleibt.
Heute wirft ISI Karzai vor, er erlaube Indien in seinem Land Einfluss zu gewinnen, und es besteht auch einiger Verdacht, dass die Amerikaner ebenfalls heimlich „auf der Seite Indiens“ stünden. Pakistan sieht immernoch Indien als seinen Hauptfeind an, und neigt dazu, die Lage nach dem Grundsatz zu beurteilen: der Freund meines Feindes kann nicht mein Freund sein. Ein weiterer Reibungspunkt zwischen den Verbündeten, Pakistan und USA, sind die Drohnen- und Raketenangriffe auf Ziele in der pakistanischen Grenzzone, die sich gegen Taleban Kämpfer richten (pakistanische und afghanische Taleban) aber immer auch zivile Opfer fordern. Wobei auch in diesem Bereich ein ambivalentes Verhältnis besteht. Die Pakistani protestieren gegen die Angriffe „auf pakistanisches Territorium“, doch glauben viele Beobachter, dass manche der Drohnen von pakistanischen Flugplätzen aus starten.
Die Gefangennahme von Baradar in Karachi und kurz darauf von zwei „Schatten-Provinzgouverneuren“ der afghanischen Taleban in Belutschistan, Mullah Abdul Salam und Mullah Mir Muhammed, begleitet von der Aussage des pakistanischen Innenminsters, diese Gefangenen würden nicht an die Amerikaner ausgeliefert werden, lässt vermuten, dass die pakistanischen Geheimdienste zu den Verhaftungen schritten, weil sie wussten oder vermuteten, die Amerikaner hätten Kontakt aufgenommen oder suchten Kontakt mit den Taleban Chefs, um ihre Vorverhandlungs-Kontakte weiter auszubauen. Um nicht übergangen zu werden, versicherten sie sich der Person des wichtigsten der möglichen Unterhändler oder Kontaktleute.
Die Amerikaner wie viele andere Beobachter glauben, dass ISI sehr wohl weiss, wo sich die obersten Leiter der afghanischen Taleban befinden, die in Pakistan Asyl geniessen, Mullah Omar, ihr oberster Chef, nicht ausgeschlossen. Dies dürfte auch für seinen „zweiten Mann“, Baradar, der Fall gewesen sein.
Präsident Karzai in Kabul sucht seinerseits, die Verhandlungen mit den Taleban unter seine Aufsicht zu nehmen, und es besteht ein offensichtlicher Antagonismus zwischen seinen Geheimdiensten, dem Directorate of National Security, und dem pakistanischen ISI. Doch Kabul dürfte gezwungen sein, mit der CIA zusammenzuarbeiten, was schwerlich etwas anderes bedeuten kann als dass diese, sehr viel gewichtigere und mächtigere Agentur, weitgehend die Schritte Kabuls bestimmt.

Eine gute Übersicht über die Andeutungen und Vermutungen von Beteiligten und Beobachtern bietet:Gareth Porter, IPS News „Jailed Taleban Leader still a Pakistani Asset“ http://news.bbc.co.uk/go/pr/fr/-/2/hi/south_asia/8521823 . Vgl. auch: New York Review of Books Vol.57 No 3 vom 25.Febr. 2010, Ahmed Rashid: A Deal with the Taleban? http://www.nybooks.com/contents/20100225?utm_medium=email&utm_source=Emailmarketingsoftware&utm_content

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