Dienstag, 23. Februar 2010

IRAN: Teheran setzt auf Provokation

Noch im März Baubeginn für zwei neue Atomanlagen – Drohende Sanktionen könnten das intern schwer bedrängte Regime stärken

von Birgit Cerha

Wenn das iranische Regime Entscheidungen in seiner Atompolitik verkündet, dann tut es dies spätestens seit Beginn der Turbulenzen über die manipulierten Präsidentschaftswahlen im Juni primär mit Blick auf die interne Situation. So gab der schwer angeschlagene Präsident Ahmadinedschad am 11. Februar, dem Jahrestag der Revolution, stolz bekannt es sei gelungen Uran zu 20 Prozent anzureichen. Die Ablenkung der Weltöffentlichkeit von den massiven Repressionen der oppositionellen „Grünen Bewegung“ gelang beispielhaft. Und nun findet das Spiel seine Fortsetzung.

„Inshallah (so Gott will) könnten wir“im März den Bau von zwei Uran-Anreicherungsanlagen starten“, erklärte Ali Akbar Salehi, Chef der Atombehörde,Montag. Zugleich erhebt ein Sprecher des Außenministerium drohend den Finger gegenüber dem „Westen“: „Damit die Internationale Atombehörde (IAEA) ihr Prestige wahrt, erwarten wir, dass sie gewissen Ländern nicht gestattet, der internationalen Gemeinschaft durch politische Schritte ihren Willen aufzuzwingen“ und er meint damit die Bemühungen der Amerikaner und Europäer um eine UN-Resolution zur Verschärfung der internationalen Sanktionen gegen den Iran.
Wo hier taktisches Manöver zu politischen Zwecken – Verbesserung der Ausgangsposition für eventuelle Verhandlungen über das Atomprogramm, Aufstachelung nationaler Gefühle im Inneren – aufhört und reale Umsetzung bekundeter Absichten beginnt, ist seit Wochen Gegenstand von Diskussionen unter internationalen Experten. Fest steht, dass die IAEA die Anreicherung einer kleinen Menge Urans auf 20 Prozent in der Anlage von Natanz bestätigt. Doch darüber hinaus bleiben beträchtliche Zweifel angebracht. Nicht einmal Natanz, die vorerst einzige Anlage, in der Uran angereichert werden kann, funktioniert bisher technisch reibungslos. Auch bei der angelaufenen Anreicherung des Urans auf bis zu 20 Prozent, das für den Teheraner Medizinreaktor benötigt wird, wie es offiziell heißt, gibt es Unstimmigkeiten. Der Iran verfügt nicht über die technischen Möglichkeiten, die Brennstäbe herzustellen, die Entwicklung der Brennelemente würde Jahre in Anspruch nehmen.

Teheran hat zugesichert, den Prozeß von der IAEA überwachen zu lassen. Unter ihren Augen ließe sich unbemerkt kein Uran auf 90 Prozent anreichern. Irans „Geistlicher Führer“ hat erneut bekräftigt, dass der „Gottesstaat“ auch aus religiösen Gründen keinen Bau von Atomwaffen anstrebe.

Selbst wenn Teheran nun tatsächlich zwei weitere Anlagen baut und schließlich über genügend 90-prozentiges Uran für eine Nuklearwaffe verfügen würde, sind Experten davon überzeugt, dass der Iran nicht vor 2013 nukleares Material waffenfähig machen könnte – und dies schon gar nicht unter den Augen der IAEA, mit der die Iraner auch weiterhin kooperieren wollen.

So manches deutet darauf hin, dass die verbale Eskalation des Atomprogramms primär internen Gründen entspringt. Das Regime hat sich durch seine ungeuerlichen Brutalitäten gegen die demokratische Opposition in eine fatale Sackgasse manövriert, verschärft durch die gescheiterte Wirtschaftspolitik Ahmadinedschads, die mehr und mehr auch die sozial schwachen Massen – seine Hausmacht – trifft. Schon kommt es immer wieder zu Streiks in diversen Wirtschaftssektoren und Khamenei hat nicht vergessen, dass es vor allem die Gewerkschaften gewesen waren, die durch ihren Generalstreik zur Unterstützung der Revolution 1979 dem Schah das Genick gebrochen hatten.

Eine Verschärfung der internationalen Sanktionen böte dem Regime die Gelegenheit, die Schuld für die wachsende Misere der Bevölkerung vom Präsidenten abzulenken und den Iran als Opfer westlicher Aggressionspolitik zu präsentieren. Selbst gezielt auf die für das Atomprogramm, wie für die Repressionen verantwortlichen Revolutionsgarden gerichtete Sanktionen würden nur die Bevölkerung treffen, denn die auch die Wirtschaft des Landes dominierenden Garden sind längst für derartige Strafmaßnahmen gerüstet bereit. Zudem böten verschärfte Sanktionen dem Regime zusätzliche Möglichkeiten, Oppositionelle unter dem Vorwand der „Kollaboration mit dem Feind“ in brutal zu verfolgen. Die „Grüne Bewegung“, langfristig eine tödliche Gefahr für Khamenei und seine Häscher, würde rasch angesichts verschärften Drucks von außen zerbröckeln. Die Friedensnobepreisträgern Shirin Ebadi weiß wovon sie spricht, wenn sie an den Westen appelliert, das iranische Regime politisch und diplomatisch zu strafen, doch ja nicht ökonomisch.

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