Samstag, 20. Februar 2010

IRAN: Arabische Ratlosigkeit angesichts iranischer Bedrohung

Warum amerikanische Versuche zum Aufbau einer Front gegen Teheran immer wieder scheitern – Doch am Golf fehlt eine gemeinsame Strategie.

von Birgit Cerha

„Wann immer ein amerikanischer Außenminister in den Nahen Osten reiste, um irgendwelche komplexe Allianzen gegen den Iran zu schmieden, wurde (der Region) die Bedeutung der Phrase ‚Mangel an Glaubwürdigkeit’ neu bewusst“, schreibt der prominente Kommentator Rami Khouri im libanesischen „Daily Star“. Die jüngsten derartigen Versuche Hillary Clintons in Katar und Saudi-Arabien beschäftigen seit Tagen arabische Medien, während die Spannungen über das iranische Atomprogramm täglich steigen. Der jüngste Bericht der Internationalen Atomenergiebehörde, der zwar grundsätzlich nichts Neues enthält, doch in schärferem Ton als bisher auf die Möglichkeit verweist, dass der Iran an einem Nuklearsprengstoff arbeiten könnte, heizt die Atmosphäre zusätzlich auf und lenkt erneut – ganz im Sinne Teherans – von den unfassbaren Menschenrechtsverletzungen im „Gottesstaat“ ab.

Schon zuvor hatte Clinton Irans „Geistlichem Führer“ Khamenei dazu neue Gelegenheit geboten, als sie drohend feststellte, der Iran befände sich am Weg zu einer Militärdiktatur. Khamenei bezichtigte sie „der Lüge“ und der „Kriegstreiberei“. Der „Krieg der Worte“ eskaliert, während Washington seine Bemühungen um eine Verschärfung der internationalen Sanktionen gegen den Iran intensiviert. Sanktionen freilich bieten Präsident Ahmadinedschad die willkommene Chance, patriotische Gefühle aufzustacheln, seine internen Gegner zu isolieren, die Schuld an der hausgemachten Wirtschaftskrise dem Druck von außen zuzuschieben und die Opposition unter dem Vorwand der Kooperation mit dem Westen noch brutaler zu verfolgen.

Es sind aber nicht derartige Erwägungen, die Clintons Suche nach arabischen Verbündeten für eine Anti-Iran-Front – vorerst – scheitern ließen. Es ist vielmehr eine Mischung aus erneut wachsendem Misstrauen gegenüber der Supermacht, die – wie stets – Israel in seiner Palästinenserpolitik gewähren läßt. Es ist vielmehr eine Mischung aus Sicherheitsängsten, die Hauptlast eines Krieges (zwischen den USA/Israel und dem Iran) tragen zu müssen und totale Uneinigkeit selbst angesichts einer derart ihre Existenz bedrohenden Frage, der die Herrscher am Golf zu Zurückhaltung gegenüber amerikanischem Werben bewog.

Zwar hat der Iran insbesondere seit den verschärften Repressionen nach den manipulierten Präsidentschaftswahlen im Juni unter der Bevölkerung der arabischen Welt viel an Sympathie eingebüßt, was den Golfmonarchen eine härtere Politik unter US-Führung erleichtern würde. Anderseits aber entgeht auch den Menschen in der Region nicht was als fatale Doppelzüngigkeit der Supermacht empfunden werden muss: Clintons Argument, weil der Iran auf dem Weg zu einer Militärdiktatur voranschreite, müsse ihm durch Sanktionen Einhalt geboten werden. So spricht Rami Khoury weitverbreitete Gefühle an, wenn er darauf hinweist, dass die traditionellen Verbündeten der USA im Mittleren Osten, vor allem am Golf, Militär- und Polizeistaaten seien, die Menschenrechte mit Füßen träten.

Ängste und Orientierungslosigkeit der Herrscher am Golf traten in den vergangenen Wochen deutlich zutage. Einerseits drängten die Monarchen die Supermacht, ihre Raketenabwehrsysteme zu Land und See wesentlich zu verbessern, was in Teheran mit Verärgerung quittiert wurde. Zugleich lehnte Saudi-Arabiens Außenminister Saud al Faisal Sanktionen gegen den Iran als „unzureichend“ – da nur langfristig wirksam – ab und deutet damit an, dass eine rasche und effektive Aktion der USA wünschenswert wäre. Anderseits ist man am Golf spätestens seit der Krise im Irak überzeugt, dass Washington im Kriegsfall die Ölpotentaten nicht retten würde oder könnte. Doch zu einer eigenen, gemeinsamen politischen Strategie kann man sich nicht durchringen.

Das kleine, doch politisch starke Katar setzt allerdings mehr als die Brüder am Golf auf Dialog mit dem mächtigen Nachbarn, bewies dies gerade in den vergangenen Tagen wieder, als der Emir zunächst Clinton empfing und tags darauf den Oberbefehlshaber seiner Streitkräfte eine zu Besuch eingetroffene iranische Fregatte betreten ließ, um mit den Kollegen des Nachbarstaates über verstärkte militärische Kooperation zu beraten. Katar, wohlgemerkt, beherbergt den größten US-Militärstützpunkt in der Region. Im Falle eines amerikanischen oder israelischen Schlags gegen Irans Atomanlagen wäre der Ministaat der erste der Golfstaaten, den Gegenattacken treffen würden.

Ahmadinedschads jüngste Drohungen steigern die Panik am Golf. Ein Krieg werde im Frühling oder spätestens im Sommer ausbrechen, prophezeit der iranische Präsident und in diesem Fall würden „der Widerstand (gemeint sind die Verbündeten, die libanesische Hisbollah und palästinensische Hamas) und regionale Staaten“ Israel „erledigen“. „Wann immer Israel den Iran (verbal) bedroht, reagiert Teheran mit Drohungen gegen die Golfstaaten“, bemerkt die arabische „Asharq al Awsat“. Nun drohe der Iran Israel und dem Westen im Namen der Regionalstaaten. Doch es wäre „nicht unser“ Krieg. Alle hätten zu verlieren. Ratlosigkeit, fehlende Vision und fehlender Mut könnten angesichts dieser Krise könnten sich tatsächlich sich als fatal erweisen.

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