Khameneis Wahlmanipulation und brutale Gewalt haben die Islamische Republik für immer verändert
„Wie stets in normalen Zeiten rollt der Verkehr durch Teheran. Die Tage des Aufruhrs und des Blutes scheinen vorüber. Doch die penetrante Allgegenwart von Polizei und (der paramilitärischen) Bassidsch mit ihren Stöcken und Gummiknüppeln schafft eine stickige Atmosphäre. Wir können kaum atmen.“ So beschreibt ein Iraner über eine kaum noch funktionierende Internetverbindung die Stimmung im Land, nachdem der „Wächterrat“ den überwältigenden Sieg Ahmadinedschads bei den Präsidentschaftswahlen am 12. Juni endgültig bestätigte und jede Manipulation ausschloss. Die Diskussion ist beendet. So zumindest entschied der „Geistliche Führer“ Khamenei. Das Volk muss sich fügen.
„Es ist als herrsche hier das Kriegsrecht, obwohl es nicht verhängt wurde“, fährt der Informant fort. Allmählich, so scheint es, gewinnt die islamische Führung wieder die Oberhand. Khamenei und seine Revolutionsgarden haben die Diktatur zementiert. Der „Geistliche Führer“ hat die erste Runde gewonnen. Doch er bezahlt dafür einen hohen Preis. Die Aura des milden islamischen Rechtsgelehrten, der neutral und stets weise vermittelnd weit über dem Alltagsstreit der Fraktionen thront, ist verflogen. Seit die Khamenei direkt untergebenen Bassidsch in friedlich demonstrierende Menschenmengen schossen und Hunderte, vielleicht Tausende Bürger verschleppt wurden, läßt sich niemand mehr von dem so lange gepflegten Schein täuschen.
Der um seinen Wahlsieg betrogene Führer der grünen Massenbewegung, Mir Hussein Mussawi, ist isoliert, fast alle seine Mitstreiter sitzen im Gefängnis und die offiziellen Medien machen ihn für die Gewalt der vergangenen Wochen hauptverantwortlich. Ein böses Omen.
Und dennoch hat die „grüne Welle“ einen wichtigen Sieg errungen. Vorbei ist der von den herrschenden Geistlichen seit drei Jahrzehnten gepflegte Mythos, dass sie, die einst durch Massendemonstrationen den Schah stürzten, „die Straße“ – ihre wichtigste Machtquelle - beherrschen. Sie müssen sie heute fürchten. „Wir wissen, dass wir die Straße für uns haben, wann immer wir wollen“, bemerkt ein Berater Mussawis. „Die Frage ist nur, wie soll es denn weiter gehen?“
Die „Islamische Republik“ hat sich für immer verändert. Der blutige Streit um die Legitimität der Wahlen hat tiefe Gräben aufgerissen, im herrschenden Establishment, in der ganzen Gesellschaft. Führende Technokraten, wie Ex-Außenminister Ali Akbar Velayati, stellten sich uneingeschränkt hinter Khamenei. Andere, wie der Chef des Atomprojekts Gholam-Reza Aghazadeh und der ehemalige Außenminister Kamal Kharrazi neigen der Opposition zu. Ahmadinedschads stellvertretender Ölminister Akbar Takan wurde eben entlassen, weil er Sympathien für Mussawi zeigte. Nach einem Bericht der Tageszeitung „Etemad Melli“ werden mindestens vier bisherige Minister – Kultur, Verteidigung, Arbeit und Telekommunikation – wegen zweifelhafter Loyalität dem neuen Kabinett Ahmadinedschad nicht angehören.
Der Riss zieht sich tief in die Institutionen des Staates. Mehr als ein Drittel der von Konservativen dominierten Parlamentsabgeordneten boykottierte Ahmadinedschads Siegesfeier, ein Drittel steht hinter dem umstrittenen Präsidenten und ein Drittel – so Kenner der politischen Szene – dreht sich nach dem Wind. Vier Angehörige des zwölfköpfigen „Wächterrates“ sympathisieren mit Mussawi. Selbst führende Familien des „Gottesstaates“ sind zerrissen. Eine Enkelin Khomeinis engagiert sich für die „grüne Welle“, ein Enkel des Revolutionsführers gehört zum Propaganda-Apparat Ahmadinedschads. Khameneis ältester Sohn Mujtaba mobilisierte eifrig die Menschen für den Präsidenten, Khameneis Bruder Hadi, ein lautstarker Gegner Ahmadinedschads, unterstützt Karrubi.
Auch die akademische Welt ist gespalten. Mehr als 400 Universitätsprofessoren und Dekane traten aus Protest gegen die Wahlmanipulation zurück, hunderte andere stellten sich offen hinter Ahmadinedschad. Dieselbe Uneinigkeit unter den Bazaaris, deren Unterstützung Khomeinis einst der islamischen Revolution entscheidend zum Sieg verhalf.
Selbst in der „Expertenversammlung“, die die Funktion besitzt, Khamenei abzusetzen, haben sich deklarierte Konservative hinter den Vorsitzenden, Ex-Präsident Rafsandschani, gestellt, der Mussawi unterstützte. Auch die hohe Geistlichkeit in Qom, dem Zentrum schiitischer Lehre, ist gespalten. Einige der führenden Islam-Gelehrten, wie die Großayatollahs Montazeri und Zandschani, zeigten mutig ihre Empörung über den Wahlbetrug und die anschließende Gewalt. Großayatollah Shirazi wendet sich gegen Khameneis Erklärung, der Wahlstreit sei beendet und warnt entschieden vor „rein kosmetischen“ Lösungen. Andere hohe Geistliche lassen sich von der harten Hand des Regimes einschüchtern, einige stehen unter Hausarrest.
Die einflussreiche „Versammlung kämpfender Geistlicher“ in Qom klagt in einem offenen Brief: „Das Volk des Irans, das mit Tausenden Hoffnungen und Wünschen begeistert zu den Wahlurnen schritt, muss nun die Leichen seiner Jugend vom blutigen Boden einsammeln und ist in Trauer versunken. Sollen wirklich diese Gerechtigkeit suchenden Einwände mit Kanonenkugeln beantwortet werden, die in die Herzen der Kinder dringen?“
In Qom, wo der radikale Ayatollah und Mentor Ahmadinedschads, Mesbah-Yazdi heute als „Feldmarschall“ des Regimes auftritt, findet auch die Opposition Rückhalt und einen Zuwachs an Autorität. Hier hatte Rafsandschani tagelang versucht, eine Sondersitzung der Expertenversammlung einzuberufen. Vergeblich. Etwa 50 der 86 Mitglieder dieses Gremiums
stellten sich hinter Khamenei „weise Strategie“: Die Unruhen wurden durch vom Ausland „gekaufte Elemente“ ausgelöst. Die „Feinde des Irans“ würden besiegt, lautet die Botschaft. So blieb Rafsandschani vorerst nichts anderes übrig, als sich nach außen hinter den „Führer“ zu stellen, preist Khameneis „Klugheit“ und ruft zu „Solidarität“ auf. Kein Wort von Annullierung der Wahlen. Verlor Mussawi seinen wichtigsten Verbündeten?
Doch Rafsandschani kann das Handtuch nicht werfen. Resigniert er in diesem Machtkampf, riskiert er nicht nur seine politische, sondern auch seine private Existenz. Ahmadinedschad ist mit Rückendeckung Khameneis und der Revolutionsgarden fest entschlossen, die große Wirtschaftsmacht des Ex-Präsidenten zu brechen und die „Garden“ von ihrem wichtigsten ökonomischen Konkurrenten zu befreien.
Hinter den Kulissen wird Rafsandschani weiterkämpfen und manipulieren, um den Einfluss der Ultras zurückzudämmen. Nicht die Absetzung Khameneis durch den Expertenrat ist nun sein Ziel, doch – so meinen Eingeweihte – die Unterminierung der Macht des „Führers“ durch die Einsetzung eines mehrköpfigen Gremiums hoher Geistlicher, dem auch Khamenei angehören soll. Ob er dafür die nötige Unterstützung gewinnt, ist höchst fraglich. Als entscheidend könnte sich erweisen, ob eine sich nun formierende „dritte Kraft“ unter dem lange engsten Verbündeten Khameneis, Parlamentspräsident Ali Laridschani, einen Bund mit Rafsandschani schließt. Laridschani, Sohn eines berühmten Großayatollahs, verfügt über großen Einfluß in führenden Kreisen der Geistlichkeit und hegt keinerlei Sympathien mit dem diktatorischen Stil der Ultras.
Solange sich aber Khamenei auf die Sicherheitskräfte stützen kann, erscheint seine Allmacht ungefährdet. Doch die regulären Streitkräfte sind gespalten. Ihr Generalstabschef Hassan Firuzabadi versucht neutral zu bleiben, seine Sympathien für die Opposition aber sind bekannt. Nicht eindeutig klar ist die Position des Chefs der Revolutionsgarden, General Mohammed-Ali Jaafari, ein Ultra, der jedoch wiederholt offen seine Unzufriedenheit über Ahmadinedschads Regierungsstil bekundete. Mindestens 17 Offiziere der „Garden“, darunter General Ali Fazli, der sich geweigert hatte, Demonstrationen gewaltsam niederzuschlagen, wurden in den vergangenen Tagen ihrer Ämter enthoben.
Erst im August wird Ahmadinedschad seine zweite Amtsperiode beginnen, sobald Khamenei dafür ein Dekret erlassen hat. Im Iran rechnet man nun mit einer massiven Säuberungswelle, die mit der Verhaftung zahlreicher führender Reformpolitiker bereits begonnen hat. Die beim Freitagsgebet erhobene und über die Medien im ganzen Land verbreitete Forderung Ayatollah Ahmed Khatamis lässt Schlimmes befürchten: „Wer sich gegen den islamischen Staat stellt, muss nach islamischem Recht wegen mohareb (Krieges gegen Gott) unbarmherzig und schonungslos bestraft werden. Exekution“ sei die dafür vorgesehene Strafe.
Doch der Zorn auf das repressive Regime und die Sehnsucht nach Freiheit von Millionen von Menschen lassen sich so nicht ersticken. Viele junge Iraner finden nun wohl in einem alten persischen Spruch Trost: Die Glut glimmt unter der Asche.
Erschienen im "Rheinischen Merkur", 2.7.2009.
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Dienstag, 30. Juni 2009
Sonntag, 28. Juni 2009
Birgit Cerha: Saad Hariri tritt aus dem Schatten
Libanons neuer Premier steht vor der gigantischen Aufgabe, das Land zur nationalen Versöhnung zu führen
Saad Hariri gibt sich versöhnlich. Samstag von Präsident Suleiman nach seinem Wahlsieg Anfang Juni mit der Bildung einer neuen Regierung im Libanon beauftragt, schwor der 39-jährige Multimillionär, alles zu tun, damit das zerrissene Land den Weg zur Versöhnung wieder finde. Zu diesem Zweck begann Hariri erste Gespräche mit seinem Erzrivalen, dem Chef der schiitischen Hisbollah Hassan Nasrallah, mit dem Ziel der Bildung einer nationalen Einheitsregierung. Auch Hisbollah erklärt sich „offen und kooperativ“.
„Zum erstenmal seit vielen Jahren scheine es, dass der Libanon wieder ein funktionierendes politisches System hat, an dessen Erfolg alle politischen Kräfte des Landes Interesse zeigten, gibt sich der politische Analyst Rami Khoury zuversichtlich. „Wir haben einen legitimen Premierminister, gestützt auf eine gewählte Mehrheit….., einen Präsidenten, der Glaubwürdigkeit, breite Unterstützung und Respekt besitzt, and wir haben eine Opposition, die bereit ist, im demokratischen Spiel mit zu machen.“
Mit der Übernahme der Regierungsverantwortung in dem von schweren internen Konflikten und gegensätzlichen äußeren Interessen gequälten Levantestaat tritt der junge Tycoon nun auch politisch aus dem übermächtigen Schatten seines Vaters Rafiq, der zehn Jahre lang Premierminister gewesen war und das kriegszerstörte Beirut wieder aufgebaut hatte. Nach der Ermordung Rafiq Hariris 2005, die ein politisches Erdbeben ausgelöst und die syrische Besatzungsmacht nach drei Jahrzehnten zum Abzug aus dem Libanon gezwungen hatte, war der junge in den USA ausgebildete Ökonom Saad von der Familie zum politischen Erben auserwählt worden. Politisch völlig unerfahren, führte er zwar eine pro-westliche Allianz sunnitischer, drusischer und einiger christlicher Kräfte, lehnte jedoch zweimal das Amt des Premiers ab. Als im Juni seine Mehrheitsbewegung zum zweiten Mal Parlamentswahlen gewann, fühlte er sich politisch erfahren genug, um selbst die Regierungsgeschäfte zu übernehmen.
Als Chef eines Teils des in Saudi-Arabien konzentrierten, von seinem Vater aufgebauten Wirtschaftsimperiums, das laut „Forbes“ Magazine derzeit insgesamt 1,4 Mrd. Dollar wert ist (2008 waren es noch 3,3 Mrd. gewesen) hatte Saad schon seit 1996 Erfahrung gesammelt. Ob er lange als Playboy bekannt, den gigantischen politischen Herausforderungen gewachsen ist, die nun auf ihn warten, bleibt dahingestellt.
Nur 15 der 57 Mitglieder des parlamentarischen Oppositionsblocks stimmten für seine Ernennung zum Premier. Saad profitiert von der Aura des „Heiligen“, die seinen verstorbenen Vater im Libanon umgibt. Doch, wie Rafiq Hariri, hat er auch mächtige Feinde zu fürchten, deren Zahl in den vergangenen vier Jahren noch gestiegen ist. Denn er hat sich der Suche nach Gerechtigkeit für den Mord an seinem Vater und fast einem Dutzend anti-syrischer Libanesen, die ebenfalls dem Terror zum Opfer fielen, voll Energie verschrieben und auch die Eröffnung eines internationalen Tribunals zur Aufklärung dieser Morde durchgesetzt. Offen beschuldigt er Syrien als Drahtzieher dieser spektakulären Attentatsserie.
Größte Hürde auf dem Weg zu einer Regierung der nationalen Einheit sind die beiden Hauptforderungen der von der Hisbollah geführten Allianz. Nasrallah bestand bisher auf dem ihm vor einem Jahr durch sein militärisches Muskelspiel in Beirut erzwungene Veto-Macht, die die Regierungsarbeit lähmte. Hariri hingegen lehnt dies entschieden ab. Als Kompromiß könnte diese Macht dem neutralen Präsidenten Suleiman übertragen werden. Vor allem aber geht es Hisbollah darum, weiterhin ihren bewaffneten Status zu erhalten. Schon deutete Hariri an, er werde die Frage der auch in einer UNO-Resolution geforderten Entwaffnung aufschieben und Wirtschaftsreformen höchste Priorität einräumen.
Ob es ihm gelingt, die wichtigsten Kräfte zur Zusammenarbeit zu gewinnen und den Weg zur nationalen Versöhnung zu ebnen, wird entscheidend seinen Erfolg als Premier bestimmen. Doch wie stets im Libanon spielt das Engagement äußerer Mächte eine ebenso wesentliche Rolle. Hier stehen einerseits die Zeichen günstig: Eine Annäherung zwischen Syrien und Saudi-Arabien, den beiden wichtigsten Verbündeten der gegensätzlichen Strömungen im Libanon, hat die Wogen bereits ein wenig geglättet. Syrisch-amerikanische Annäherung könnte die Situation noch deutlich weiter entspannen. Über allem aber hängt das Damoklesschwert des krisengeschüttelten Iran, der seinen engen Verbündeten Hisbollah nun wieder verstärkt in einem regionalpolitischen Machtkampf gegen die USA einsetzen könnte.
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Saad Hariri gibt sich versöhnlich. Samstag von Präsident Suleiman nach seinem Wahlsieg Anfang Juni mit der Bildung einer neuen Regierung im Libanon beauftragt, schwor der 39-jährige Multimillionär, alles zu tun, damit das zerrissene Land den Weg zur Versöhnung wieder finde. Zu diesem Zweck begann Hariri erste Gespräche mit seinem Erzrivalen, dem Chef der schiitischen Hisbollah Hassan Nasrallah, mit dem Ziel der Bildung einer nationalen Einheitsregierung. Auch Hisbollah erklärt sich „offen und kooperativ“.
„Zum erstenmal seit vielen Jahren scheine es, dass der Libanon wieder ein funktionierendes politisches System hat, an dessen Erfolg alle politischen Kräfte des Landes Interesse zeigten, gibt sich der politische Analyst Rami Khoury zuversichtlich. „Wir haben einen legitimen Premierminister, gestützt auf eine gewählte Mehrheit….., einen Präsidenten, der Glaubwürdigkeit, breite Unterstützung und Respekt besitzt, and wir haben eine Opposition, die bereit ist, im demokratischen Spiel mit zu machen.“
Mit der Übernahme der Regierungsverantwortung in dem von schweren internen Konflikten und gegensätzlichen äußeren Interessen gequälten Levantestaat tritt der junge Tycoon nun auch politisch aus dem übermächtigen Schatten seines Vaters Rafiq, der zehn Jahre lang Premierminister gewesen war und das kriegszerstörte Beirut wieder aufgebaut hatte. Nach der Ermordung Rafiq Hariris 2005, die ein politisches Erdbeben ausgelöst und die syrische Besatzungsmacht nach drei Jahrzehnten zum Abzug aus dem Libanon gezwungen hatte, war der junge in den USA ausgebildete Ökonom Saad von der Familie zum politischen Erben auserwählt worden. Politisch völlig unerfahren, führte er zwar eine pro-westliche Allianz sunnitischer, drusischer und einiger christlicher Kräfte, lehnte jedoch zweimal das Amt des Premiers ab. Als im Juni seine Mehrheitsbewegung zum zweiten Mal Parlamentswahlen gewann, fühlte er sich politisch erfahren genug, um selbst die Regierungsgeschäfte zu übernehmen.
Als Chef eines Teils des in Saudi-Arabien konzentrierten, von seinem Vater aufgebauten Wirtschaftsimperiums, das laut „Forbes“ Magazine derzeit insgesamt 1,4 Mrd. Dollar wert ist (2008 waren es noch 3,3 Mrd. gewesen) hatte Saad schon seit 1996 Erfahrung gesammelt. Ob er lange als Playboy bekannt, den gigantischen politischen Herausforderungen gewachsen ist, die nun auf ihn warten, bleibt dahingestellt.
Nur 15 der 57 Mitglieder des parlamentarischen Oppositionsblocks stimmten für seine Ernennung zum Premier. Saad profitiert von der Aura des „Heiligen“, die seinen verstorbenen Vater im Libanon umgibt. Doch, wie Rafiq Hariri, hat er auch mächtige Feinde zu fürchten, deren Zahl in den vergangenen vier Jahren noch gestiegen ist. Denn er hat sich der Suche nach Gerechtigkeit für den Mord an seinem Vater und fast einem Dutzend anti-syrischer Libanesen, die ebenfalls dem Terror zum Opfer fielen, voll Energie verschrieben und auch die Eröffnung eines internationalen Tribunals zur Aufklärung dieser Morde durchgesetzt. Offen beschuldigt er Syrien als Drahtzieher dieser spektakulären Attentatsserie.
Größte Hürde auf dem Weg zu einer Regierung der nationalen Einheit sind die beiden Hauptforderungen der von der Hisbollah geführten Allianz. Nasrallah bestand bisher auf dem ihm vor einem Jahr durch sein militärisches Muskelspiel in Beirut erzwungene Veto-Macht, die die Regierungsarbeit lähmte. Hariri hingegen lehnt dies entschieden ab. Als Kompromiß könnte diese Macht dem neutralen Präsidenten Suleiman übertragen werden. Vor allem aber geht es Hisbollah darum, weiterhin ihren bewaffneten Status zu erhalten. Schon deutete Hariri an, er werde die Frage der auch in einer UNO-Resolution geforderten Entwaffnung aufschieben und Wirtschaftsreformen höchste Priorität einräumen.
Ob es ihm gelingt, die wichtigsten Kräfte zur Zusammenarbeit zu gewinnen und den Weg zur nationalen Versöhnung zu ebnen, wird entscheidend seinen Erfolg als Premier bestimmen. Doch wie stets im Libanon spielt das Engagement äußerer Mächte eine ebenso wesentliche Rolle. Hier stehen einerseits die Zeichen günstig: Eine Annäherung zwischen Syrien und Saudi-Arabien, den beiden wichtigsten Verbündeten der gegensätzlichen Strömungen im Libanon, hat die Wogen bereits ein wenig geglättet. Syrisch-amerikanische Annäherung könnte die Situation noch deutlich weiter entspannen. Über allem aber hängt das Damoklesschwert des krisengeschüttelten Iran, der seinen engen Verbündeten Hisbollah nun wieder verstärkt in einem regionalpolitischen Machtkampf gegen die USA einsetzen könnte.
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Freitag, 26. Juni 2009
Birgit Cerha: Terror versetzt Iraker erneut in Angst und Schrecken
Während sich US-Truppen bis 30. Juni aus den Städten zurückziehen, verschärften Extremisten und politische Gruppen ihren Kampf um Macht und Kontrolle
75 Tote in Kirkuk, 72 Tote in Bagdads Sadr City, 15 Tote auf einem belebten Markt in Bagdad. Seit Monaten verloren nicht mehr so viele Iraker bei Terroranschlägen ihr Leben wie in den vergangenen Tagen. Ziel der Attentäter, die auf belebten Plätzen zuschlagen, ist es offensichtlich, so viele Menschen wie möglich zu töten.
Der Zeitpunkt der Eskalation einer Gewalt, die die Iraker endlich zu überwunden gehofft hatten, liegt auf der Hand. Am 30. Juni werden sich die US-Besatzungstruppen aus allen Städten und Dörfern des Landes zurückgezogen haben. Nur in besonders kritischen Plätzen, wie Bagdad und die nördliche Stadt Mosul, immer noch ein Zentrum der Al-Kaida Terroristen, werden US-Militärs auch weiterhin ihre – wiewohl möglicherweise verminderte – Präsenz aufrecht erhalten.
Mehrfache Motive treiben Extremisten zu willkürlichem Töten gerade jetzt an. Al-Kaida im Irak und radikale Reste der gestürzten Baath-Partei Saddam Husseins sehen nun eine besondere Chance, das Land und die von den USA unterstützte Regierung zu destabilisieren, den Eindruck zu erwecken, dass die von den Amerikanern ausgebildeten irakischen Sicherheitskräfte nicht in der Lage sind, die Bevölkerung vor Gewalt zu schützen und das Land in eine friedliche Zukunft zu führen. Der im Untergrund seit langem agierenden Baath, wie auch vielen von den Bagdader Behörden zutiefst enttäuschten arabischen Sunniten geht es letztlich darum, die Regierung Maliki zu Fall zu bringen. Insbesondere al-Kaida aber sieht den Irak als wichtiges Schlachtfeld gegen den Erzfeind USA. Sie wollen wohl US-Soldaten dazu bewegen, wieder in die Städte zurückzukehren und sich so als Ziel für ihren Terror zu präsentieren.
Es sind aber auch bittere Rivalitäten zwischen schiitischen Gruppen, die die Gewalt speisen. Die Milizen des schiitischen Rebellengeistlichen Moqtada Sadr sehen nun wieder eine Chance, die Regierungssoldaten, die im Vorjahr die Kontrolle über Sadr-City übernommen hatte, aus dieser Schiiten-Hochburg zu verjagen. Im Norden spitzt sich mit dem Rückzug der US-Truppen ein schwerer Konflikt zwischen Kurden und der Zentralregierung in Bagdad zu. Dabei geht es um den bis heute nicht gelösten Streit um die Ölstadt Kirkuk, wo US-Soldaten die Konfliktparteien auseinander halten.
Als erste Stufe eines endgültigen Abzugs aus dem Irak werden sich die US-Truppen ab 30. Juni nur noch außerhalb der Städte positionieren. Sie bleiben jedoch im Einsatz, um den irakischen Sicherheitskräfte, wenn nötig, beizustehen. Nach einem Ende des Vorjahres mit Bagdad abgeschlossenen Sicherheitspakt, der allerdings noch Ende Juli in einem Referendum vom Volk gebilligt werden muß, werden – fast - alle US-Soldaten bis Dezember 2011 das Zweistromland verlassen.
Die jüngste Terrorwelle steigert die Ängste vieler Iraker, dass das Land ohne US-Hilfe erneut in den Abgrund der Gewalt gerissen werden könnte. Scheich Fatih Hashif Ghitaa, ein schiitischer Geistlicher, der das „Al Thaqalayn Zentrum für strategische Studien“ führt und enge Bindungen
zu der heute herrschenden Elite unterhält, befürchtet, der US-Rückzug aus den Städten könnte sich als fataler Fehlschlag erweisen. „Nun wollen sie sich so eilig zurückziehen, wie sie gekommen waren. Plötzlich sagen sie uns: baut eure Demokratie selbst auf, dabei haben wir mit so vielen Problemen zu kämpfen: Sicherheit, Wirtschaft und Korruption.“ Al-Kaida werde zurückkehren, sagt Ghitaa voraus und der Terror sunnitischer Gruppen. Den irakischen Sicherheitskräften haben sich in den vergangenen Monaten nach unabhängigen Quellen als höchst ineffizient, inkompetent und korrupt erwiesen. Dominiert von Schiiten, misstrauen ihnen die arabischen Sunniten, aber auch die Kurden zutiefst. „Sie sind nicht von einem irakischen Identitätsgefühl und Patriotismus geprägt“, klagt ein sunnitischer Intellektueller. Die kommenden Monate werden zeigen, ob sie der neuen Herausforderung ohne US-Unterstützung gewachsen sind.
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75 Tote in Kirkuk, 72 Tote in Bagdads Sadr City, 15 Tote auf einem belebten Markt in Bagdad. Seit Monaten verloren nicht mehr so viele Iraker bei Terroranschlägen ihr Leben wie in den vergangenen Tagen. Ziel der Attentäter, die auf belebten Plätzen zuschlagen, ist es offensichtlich, so viele Menschen wie möglich zu töten.
Der Zeitpunkt der Eskalation einer Gewalt, die die Iraker endlich zu überwunden gehofft hatten, liegt auf der Hand. Am 30. Juni werden sich die US-Besatzungstruppen aus allen Städten und Dörfern des Landes zurückgezogen haben. Nur in besonders kritischen Plätzen, wie Bagdad und die nördliche Stadt Mosul, immer noch ein Zentrum der Al-Kaida Terroristen, werden US-Militärs auch weiterhin ihre – wiewohl möglicherweise verminderte – Präsenz aufrecht erhalten.
Mehrfache Motive treiben Extremisten zu willkürlichem Töten gerade jetzt an. Al-Kaida im Irak und radikale Reste der gestürzten Baath-Partei Saddam Husseins sehen nun eine besondere Chance, das Land und die von den USA unterstützte Regierung zu destabilisieren, den Eindruck zu erwecken, dass die von den Amerikanern ausgebildeten irakischen Sicherheitskräfte nicht in der Lage sind, die Bevölkerung vor Gewalt zu schützen und das Land in eine friedliche Zukunft zu führen. Der im Untergrund seit langem agierenden Baath, wie auch vielen von den Bagdader Behörden zutiefst enttäuschten arabischen Sunniten geht es letztlich darum, die Regierung Maliki zu Fall zu bringen. Insbesondere al-Kaida aber sieht den Irak als wichtiges Schlachtfeld gegen den Erzfeind USA. Sie wollen wohl US-Soldaten dazu bewegen, wieder in die Städte zurückzukehren und sich so als Ziel für ihren Terror zu präsentieren.
Es sind aber auch bittere Rivalitäten zwischen schiitischen Gruppen, die die Gewalt speisen. Die Milizen des schiitischen Rebellengeistlichen Moqtada Sadr sehen nun wieder eine Chance, die Regierungssoldaten, die im Vorjahr die Kontrolle über Sadr-City übernommen hatte, aus dieser Schiiten-Hochburg zu verjagen. Im Norden spitzt sich mit dem Rückzug der US-Truppen ein schwerer Konflikt zwischen Kurden und der Zentralregierung in Bagdad zu. Dabei geht es um den bis heute nicht gelösten Streit um die Ölstadt Kirkuk, wo US-Soldaten die Konfliktparteien auseinander halten.
Als erste Stufe eines endgültigen Abzugs aus dem Irak werden sich die US-Truppen ab 30. Juni nur noch außerhalb der Städte positionieren. Sie bleiben jedoch im Einsatz, um den irakischen Sicherheitskräfte, wenn nötig, beizustehen. Nach einem Ende des Vorjahres mit Bagdad abgeschlossenen Sicherheitspakt, der allerdings noch Ende Juli in einem Referendum vom Volk gebilligt werden muß, werden – fast - alle US-Soldaten bis Dezember 2011 das Zweistromland verlassen.
Die jüngste Terrorwelle steigert die Ängste vieler Iraker, dass das Land ohne US-Hilfe erneut in den Abgrund der Gewalt gerissen werden könnte. Scheich Fatih Hashif Ghitaa, ein schiitischer Geistlicher, der das „Al Thaqalayn Zentrum für strategische Studien“ führt und enge Bindungen
zu der heute herrschenden Elite unterhält, befürchtet, der US-Rückzug aus den Städten könnte sich als fataler Fehlschlag erweisen. „Nun wollen sie sich so eilig zurückziehen, wie sie gekommen waren. Plötzlich sagen sie uns: baut eure Demokratie selbst auf, dabei haben wir mit so vielen Problemen zu kämpfen: Sicherheit, Wirtschaft und Korruption.“ Al-Kaida werde zurückkehren, sagt Ghitaa voraus und der Terror sunnitischer Gruppen. Den irakischen Sicherheitskräften haben sich in den vergangenen Monaten nach unabhängigen Quellen als höchst ineffizient, inkompetent und korrupt erwiesen. Dominiert von Schiiten, misstrauen ihnen die arabischen Sunniten, aber auch die Kurden zutiefst. „Sie sind nicht von einem irakischen Identitätsgefühl und Patriotismus geprägt“, klagt ein sunnitischer Intellektueller. Die kommenden Monate werden zeigen, ob sie der neuen Herausforderung ohne US-Unterstützung gewachsen sind.
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Dienstag, 23. Juni 2009
JEMEN: Im Jemen wächst die Macht der Aufständischen
Während Al-Kaida immer stärker Fuß fasst, ist der bitterarme arabische Staat vom Zerfall bedroht, mit enormen Gefahren für die ganze Region
Das Drama und Verwirrspiel um entführte Ausländer, darunter fünf Deutsche, im Jemen wirft ein Schlaglicht auf die wachsenden Gefahren, die diesem volksreichsten Staat auf der Arabischen Halbinsel drohen. Das bitterarme Land entgleitet zunehmend der Kontrolle seines Herrschers, Präsident Ali Abdullah Saleh, und ist auf dem besten Weg ein „gescheiterter Staat“ zu werden. Am südlichen Ende der Arabischen Halbinsel öffnet sich damit Kriminellen und Terroristen neben Somalia ein zweites „Paradies“, von dem aus sie auch wichtige Schiffahrtsrouten bedrohen können.
Der Jemen mit seinen 21 Millionen Bewohnern zählt zu den ärmsten Ländern der Welt und schon seit langem zu den instabilsten. Laut Kinderhilfswerk UNICEF sterben jährlich 84.000 Kinder unter fünf Jahren an Unterernährung oder mangelnder medizinischer Versorgung. Die Sterblichkeitsrate von Neugeborenen liegt bei zehn Prozent. 45 Prozent der Bevölkerung leben nach Angaben der UNO von weniger als zwei Dollar im Tag, 15 Prozent müssen gar mit einem Dollar auskommen, 40 Prozent gelten als unterernährt. Mehr als zwei Drittel der Jemeniten sind unter 24 Jahre alt und eine immer größere Zahl findet keine Arbeit.
Ungeachtet amerikanischer Geheimdienst- und Militärhilfe hat es Saleh nicht geschafft, die vielfältigen Bedrohungen von seinem Land abzuwenden. Im Norden, wo sich auch das jüngste Entführungsdrama ereignet, ist im Vorjahr eine jahrelange blutige Rebellion gegen die Zentralregierung neu aufgeflammt. Die Rebellen, die zur schiitischen Minderheit der Saidi gehören, liefern den sunnitischen Regierungstruppen einen erbitterten Kampf. Ihr Ziel, das sie unter Abdulmelik al-Huthi blutig verfolgen, ist die Wiederherstellung der religiösen Rechtsordnung des 1962 gestürzten Saidi Imamats. Wichtige Motivation des Konflikts ist aber auch die große Armut in dem an Saudi-Arabien angrenzenden Siedlungsgebiet der Saidis.
Doch nun droht ein neu eskalierender Konflikt das Land vollends zu zerreißen. Unter der Bevölkerung des einst kommunistischen Volksrepublik Süd-Jemen, die sich 1990 an den Norden angeschlossen hatte und in einem kurzen, blutigen Bürgerkrieg 1994 vom Norden zum Verbleib im Staatsverband gezwungen wurde, verlieren zunehmend ihre Geduld mit der Zentralregierung in Sanaa, die den Süden ökonomisch ausgrenzt, Süd-Jemeniten einflussreiche Positionen in Regierung, Verwaltung und im Militär verwehrt und gezielt südjemenitsches Land kauft. Schon kam es wiederholt zu blutigen Konflikten und der Drohung erneuter Sezession. Zutiefst irritiert warnte Saleh jüngst, dass im Falle einer Loslösung des Südens, das gesamte Land in mehrere Teile zerfallen würde.
Der Konflikt hat sich jüngst dramatisch verschärft, als sich Tareq al Fadhli, ein prominenter Stammesführer und einstiger Verbündeter Salehs offen den Separatisten anschloß. Was Saleh aber besonders irritieren muß, ist die Tatsache, dass der Al-Kaida nahe stehende Islamisten die Frustrationen der Süd-Jemeniten für ihre Zwecke nützen. Seit langem dient der Jemen, dank der weitgehenden Autonomie der Stämme und der Unkontrollierbarkeit des Landes durch die Zentralregierung Al-Kaida Extremisten als Tummelplatz, dank seiner strategisch wichtigen Lage als Nachbar zu den reichen Ölstaaten am Persischen Golf und dem unkontrollierbaren, für sie „sicheren Hafen“ Somalia jenseits des Golfs von Aden, bietet sich der Jemen aus anderen Ländern vertriebenen Terroristen als idealer Zufluchtsort an. Im Januar verkündeten Extremisten die Gründung der „Al-Kaida in der arabischen Halbinsel“, eine Fusion zwischen dem jemenitischen und saudischen Terrornetz, das nun in Jemen eine permanente Präsenz aufzubauen sucht und sich den Sturz des mit den Amerikanern im Anti-Terrorkampf kollaborierenden Saleh zum Ziel gesetzt hat.
Saleh gelingt es nicht, die Stammesführer, von denen viele ihre eigenen Konflikte mit der Zentralregierung austragen, zur Abwehr dieser Gefahr zu mobilisieren und zur Auslieferung von Al-Kaida Extremisten an Sanaa zu überreden. Unter der großen Schar der perspektivlosen und bitterarmen jungen Jemeniten finden diese islamistischen Extremisten Zulauf. Die Krise im Jemen hat sich derart zugespitzt, dass jüngst sogar der Chef des US-Central Command, General David Petraeus, davor warnte, der Jemen könnte sich in ein zweites Afghanistan wandeln, in dem sich die Terrorgruppen frei bewegen und ihre blutigen Aktivitäten planen könnten.
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Das Drama und Verwirrspiel um entführte Ausländer, darunter fünf Deutsche, im Jemen wirft ein Schlaglicht auf die wachsenden Gefahren, die diesem volksreichsten Staat auf der Arabischen Halbinsel drohen. Das bitterarme Land entgleitet zunehmend der Kontrolle seines Herrschers, Präsident Ali Abdullah Saleh, und ist auf dem besten Weg ein „gescheiterter Staat“ zu werden. Am südlichen Ende der Arabischen Halbinsel öffnet sich damit Kriminellen und Terroristen neben Somalia ein zweites „Paradies“, von dem aus sie auch wichtige Schiffahrtsrouten bedrohen können.
Der Jemen mit seinen 21 Millionen Bewohnern zählt zu den ärmsten Ländern der Welt und schon seit langem zu den instabilsten. Laut Kinderhilfswerk UNICEF sterben jährlich 84.000 Kinder unter fünf Jahren an Unterernährung oder mangelnder medizinischer Versorgung. Die Sterblichkeitsrate von Neugeborenen liegt bei zehn Prozent. 45 Prozent der Bevölkerung leben nach Angaben der UNO von weniger als zwei Dollar im Tag, 15 Prozent müssen gar mit einem Dollar auskommen, 40 Prozent gelten als unterernährt. Mehr als zwei Drittel der Jemeniten sind unter 24 Jahre alt und eine immer größere Zahl findet keine Arbeit.
Ungeachtet amerikanischer Geheimdienst- und Militärhilfe hat es Saleh nicht geschafft, die vielfältigen Bedrohungen von seinem Land abzuwenden. Im Norden, wo sich auch das jüngste Entführungsdrama ereignet, ist im Vorjahr eine jahrelange blutige Rebellion gegen die Zentralregierung neu aufgeflammt. Die Rebellen, die zur schiitischen Minderheit der Saidi gehören, liefern den sunnitischen Regierungstruppen einen erbitterten Kampf. Ihr Ziel, das sie unter Abdulmelik al-Huthi blutig verfolgen, ist die Wiederherstellung der religiösen Rechtsordnung des 1962 gestürzten Saidi Imamats. Wichtige Motivation des Konflikts ist aber auch die große Armut in dem an Saudi-Arabien angrenzenden Siedlungsgebiet der Saidis.
Doch nun droht ein neu eskalierender Konflikt das Land vollends zu zerreißen. Unter der Bevölkerung des einst kommunistischen Volksrepublik Süd-Jemen, die sich 1990 an den Norden angeschlossen hatte und in einem kurzen, blutigen Bürgerkrieg 1994 vom Norden zum Verbleib im Staatsverband gezwungen wurde, verlieren zunehmend ihre Geduld mit der Zentralregierung in Sanaa, die den Süden ökonomisch ausgrenzt, Süd-Jemeniten einflussreiche Positionen in Regierung, Verwaltung und im Militär verwehrt und gezielt südjemenitsches Land kauft. Schon kam es wiederholt zu blutigen Konflikten und der Drohung erneuter Sezession. Zutiefst irritiert warnte Saleh jüngst, dass im Falle einer Loslösung des Südens, das gesamte Land in mehrere Teile zerfallen würde.
Der Konflikt hat sich jüngst dramatisch verschärft, als sich Tareq al Fadhli, ein prominenter Stammesführer und einstiger Verbündeter Salehs offen den Separatisten anschloß. Was Saleh aber besonders irritieren muß, ist die Tatsache, dass der Al-Kaida nahe stehende Islamisten die Frustrationen der Süd-Jemeniten für ihre Zwecke nützen. Seit langem dient der Jemen, dank der weitgehenden Autonomie der Stämme und der Unkontrollierbarkeit des Landes durch die Zentralregierung Al-Kaida Extremisten als Tummelplatz, dank seiner strategisch wichtigen Lage als Nachbar zu den reichen Ölstaaten am Persischen Golf und dem unkontrollierbaren, für sie „sicheren Hafen“ Somalia jenseits des Golfs von Aden, bietet sich der Jemen aus anderen Ländern vertriebenen Terroristen als idealer Zufluchtsort an. Im Januar verkündeten Extremisten die Gründung der „Al-Kaida in der arabischen Halbinsel“, eine Fusion zwischen dem jemenitischen und saudischen Terrornetz, das nun in Jemen eine permanente Präsenz aufzubauen sucht und sich den Sturz des mit den Amerikanern im Anti-Terrorkampf kollaborierenden Saleh zum Ziel gesetzt hat.
Saleh gelingt es nicht, die Stammesführer, von denen viele ihre eigenen Konflikte mit der Zentralregierung austragen, zur Abwehr dieser Gefahr zu mobilisieren und zur Auslieferung von Al-Kaida Extremisten an Sanaa zu überreden. Unter der großen Schar der perspektivlosen und bitterarmen jungen Jemeniten finden diese islamistischen Extremisten Zulauf. Die Krise im Jemen hat sich derart zugespitzt, dass jüngst sogar der Chef des US-Central Command, General David Petraeus, davor warnte, der Jemen könnte sich in ein zweites Afghanistan wandeln, in dem sich die Terrorgruppen frei bewegen und ihre blutigen Aktivitäten planen könnten.
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Iran: Die Angst ist verflogen
von Birgit Cerha und Wulf Wilde
Noch haben die Iraner keine Revolution begonnen – Hinter den Kulissen tobt der eigentliche Machtkampf
Wenn sich die Finsternis über Teheran senkt, dann beginnt über der scheinbar schlafenden Metropole eine ganz neue Form der Aktivität. Von Dächern erschallt der Ruf „Allah-u Akbar“ (Gott ist groß). Religiöse Slogans durchdringen am Fuße des mächtigen Albruz-Gebirges die Nacht. Iraner der älteren Generation fühlen sich um drei Jahrzehnte zurückversetzt. Damals setzten solche Schreie den Auftakt zum Sturz des mächtigsten Militärherrschers im Orient. Die islamische Welle, gelenkt vom charismatischen Geistlichen Khomeini, überrollte die persische Monarchie.
Es entspringt besonders geschicktem Kalkül, dass sich 30 Jahre später eine neue Massenbewegung, die sich gegen die Entartung der von Khomeini mit quasi-demokratischen Elementen versehenen „Islamischen Republik“ zur brutalen Tyrannei erhebt, der selben vom herrschenden Establishment und Teilen des Volkes bis heute so geliebten, hoch politisch eingesetzten Slogans bedient. Jeder versteht, was in Wahrheit gemeint ist und jene, die unter dem Deckmantel des Islams im Auftrag des „Geistlichen Führers“ und Khomeini-Erben Ayatollah Khamenei mit aller Brutalität das aufmuckende Volk zum Schweigen bringen wollen, können es nicht wagen, tödliche Kugeln auf Betende abzufeuern. Viele Iraner, die ihre Angst überwanden, dem drohenden Khamenei und dem massiven Aufgebot der Sicherheitskräfte trotzen und immer noch in den Straßen Teherans ihren Frustrationen Luft machen, pressen den Koran gleich einem undurchdringlichen Schutzschild an ihre Brust. Kein Polizist, selbst keiner der brutale Gewalt gegen friedliche Zivilisten nicht scheuenden, von Khamenei aufgehetzten Bassidsch, der feurig-fundamentalistischen Miliz, sollte das ungeheuerliche Sakrileg wagen, seine Waffe gegen einen Gläubigen zu richten, der das heilige Buch in seinen Armen hält.
Besonders beliebt ist unter den Demonstranten der ersten Teil des islamischen Glaubensbekenntnisses: „Es gibt keinen Gott außer Gott“, in der heutigen spannungsgeladenen Atmosphäre von jedem klar als direkte Attacke gegen Khamenei verstanden, der wie nie zuvor entschlossen ist, seine unumschränkte Macht gnadenlos durchzusetzen.
Dennoch gibt es Opfer zu beklagen. Niemand kennt die Zahl der Toten, die ihr Leben lassen mussten, als sie friedlich ein in der Verfassung der „Islamischen Republik“ verbrieftes Recht – freie, faire, unmanipulierte Wahlen – einforderten. Niemand kennt die Zahl der Verwundeten, der Gefangenen. Mindestens 3000 sollen nach Informationen iranischer Journalisten bereits in Haftanstalten abgeschleppt worden sein, darunter prominente Intellektuelle, politische Aktivisten, Journalisten und ein großer Teil der engsten Mitstreiter der offiziell bei den Wahlen gegen Präsident Ahmadinedschad unterlegenen Herausforderer Mir Hussein Mussawi und Mehdi Karrubi.
Und dennoch wagen sich immer noch Menschen in die Straßen. Die Proteste haben längst das ganze Land erfasst. Dieses dramatische Aufbäumen von Millionen, die sich um ihre Wählerstimme, um den Sieg ihres neuen Idols Mussawi betrogen fühlen, hat die seit langem verdeckte Kluft in der iranischen Gesellschaft weit aufgerissen. Gespräche mit Menschen am Rande des Geschehens in Teheran und in den Provinzen belegen dies deutlich. „Es ist doch immer so: Diejenigen, die verloren haben, fühlen sich betrogen“, kommentiert etwa ein Schaulustiger in der als eher konservativ geltenden Wüstenstadt Yazd, 400 km von Teheran entfernt, mit süffisantem Lächeln den Protestmarsch von Mussawi-Anhängern. „Sie sollten das Wahlergebnis einfach anerkennen“, meint ein anderer der Umstehenden.
Ein 23-jähriger Student und Sympathisant Mussawis verhehlt seine bittere Enttäuschung, ja gar Wut über die eklatante Wahlfälschung durch das Regime nicht. „Wir sind alle einfach nur traurig“, fasst ein Bankangestellter resigniert die Stimmung zusammen. „Wir haben alles versucht, um eine Wiederwahl Ahmadinedschads zu verhindern. Aber sie haben uns wieder betrogen, wie sie uns schon vor vier Jahren (als Ahmadinedschad erstmals Präsident wurde) betrogen haben.“
Das Gefühl des Betrugs, des Verrats, der Täuschung und der immer und immer wiederkehrenden Enttäuschung ist es, das die Menschen in solch überwältigenden Zahlen auf die Straßen trieb und so viele heute zur Entschlossenheit, unter keinen Umständen ihren Protest, in welcher Form auch immer, aufzugeben. Khomeini hatte ihnen einst die Freiheit vom kaiserlichen Despoten verheißen, seit den Anfängen des vorigen Jahrhunderts kämpfen Iraner um politische Mitbestimmung, die, kaum errungen, ihnen immer wieder geraubt wurde. Die „Islamische Republik“ setzte dieses Muster fort, oft mit der berühmten persischen Diplomatie, mit gigantischen Täuschungsmanövern, oft mit blanker Gewalt. So zerstoben die Hoffnungen, die Millionen in den Reform-Präsidenten Mohammed Khatami (1997 bis 2005) gesetzt hatten. Das freiheitshungrige Volk versank in tiefste politische Apathie, aus die sie so unerwartet in schier explosivem Tempo Mussawi riss, der in den vergangenen Wochen alle Hoffnungen auf Veränderung, auf einen Ausbruch aus dem unerträglich freud-, perspektivlosen und repressiven Alltag bündelte. Und wieder erwies sich der Traum als Illusion. Wie nie zuvor ignorierte der „Führer“ die Stimme, den Willen des Volkes. Doch iranische Langmut hat ihre Grenzen überschritten. Die Protestbewegung zieht – im Gegensatz etwa zu den rasch niedergeschlagenen Studentendemonstrationen 1999 und 2003 – Menschen aller Altersgruppen, aller Gesellschaftsschichten an. Alte Männer auf Krücken quälten sich unter die Protestierenden, Frauen, Männer, Reiche und Arme, Gebildete und Analphabeten, Gläubige und Skeptiker. Sie folgen den Symbolen der islamischen Revolution, die sie an die Macht erinnern, die diesem Volk erstmals zum Sieg verhalf und sie werden immer wieder von mutigen Frauen angetrieben.
Manche freilich, vor allem zermürbte Angehörige der älteren Generation, vermögen die dramatischen Ereignisse der vergangenen Tage nicht aus ihrem Fatalismus zu reißen. „Was habt ihr denn erwartet, wir leben im Iran. Das hier ist eine Diktatur und keine Demokratie“, doziert etwa ein 50-jähriger Betreiber eines Internetcafes. Auch er habe für Mussawi gestimmt, aber so sei das eben im Iran. Andere, wie der Taxifahrer in Yazd, machen ihrem Ärger hemmungslos Luft: „Ahmadinedschad ist nicht gut für unser Land. Er ist ein Lügner und ein Dieb.
Doch auch die Anhänger Ahmadinedschads, und davon gibt es zweifellos Millionen, erheben ihre Stimme: Es gäbe keinen besseren Präsidenten, meint ein 17-jähriger Schüler. „Er sagt immer was er denkt und läßt sich von niemandem etwas gefallen, weder von mächtigen Männern hier im Iran, noch von den USA, Israel oder Europa.“ Solche Position tut der über Generationen gedemütigten iranischen Seele wohl und manche lassen sich davon täuschen. Andere, wie ein Geschäftsmann, wollen von all diesem politischen Gezänk gar nichts wissen. Es sei doch völlig egal, wer diese Wahlen gewonnen hat: „Ob Mussawi oder Ahmadinedschad, das ändert doch nichts an unserer Situation, das System bleibt das gleiche. Das Problem ist nicht Ahmadinedschad, das Problem sind die Mullahs.“
Dennoch: Seit der Geburtsstunde der „Islamischen Republik“ hat eine Protestbewegung noch nie derartige Kraft, derartige todesmutige Ausdauer bewiesen. Seit feststeht, dass es Khamenei nicht gelang, Mussawi, diesen einstigen Jünger Khomeinis und Hardliner unter den Revolutionären, zu kooptieren und damit führungslosen Massen die Orientierung zu rauben, sie allmählich zur Bedeutungslosigkeit zu zerschlagen, hat die „grüne Welle“ (so genannt nach der Farbe des Propheten, die Mussawi als sein politisches Symbol wählte) neue Kraft und Zuversicht gewonnen.
„Wenn du schweigst, bist du ein Verräter“, hatten die Massen Mussawi zugerufen und den Zögernden zu einem erstaunlichen Wandel bewogen. Er wollte doch nur die „Islamische Republik“ vor dem Chaos retten, die internationale Isolation durchbrechen, das Land von den gefährlichen Irrationalitäten Ahmadinedschads befreien und den Menschen, vor allem der Jugend, durch kluge Wirtschaftspolitik endlich eine Perspektive geben. Dass er der erste Politiker werden könnte, der offen den mächtigen „Führer“ herausfordert, stand nie auf Mussawis Programm. Doch die Massen haben diesen mit den Ränkespielen des „Gottesstaates“ vertrauten einstigen Premier gewandelt. Er hat die Herausforderung angenommen und ein Manifest verbreitet, in dem er seiner „grünen Bewegung“ die Treue „bis zum Ende“ (was immer damit gemeint ist) schwört, entschlossen, eine „historische Mission“ zur „Erneuerung des Lebens“ nach den Idealen der Menschen zu erfüllen. Auf „friedlichem“ Weg müssten „Abweichungen und Täuschungen“, müsste der Tyrannei ein Ende gesetzt werden. Mussawi zeigt sich nun entschlossen, für diese Ziele seine Freiheit, ja sein Leben zu riskieren. Beide sind höchst bedroht.
An der Spitze der Reformbewegung steht damit ein Mann, der nicht nur bereits in der Vergangenheit bewiesen hatte, dass er starke Energie und Durchschlagskraft besitzt (er führte als Premier in der Kriegszeit der 80er Jahre das Land aus ökonomischer Krise in eine „goldene Zeit“), sondern auch über mächtige Verbündete im System verfügt. Dies nährt die Hoffnung vieler, dass sich – trotz aller Repression – „die grüne Bewegung“ gar nicht mehr stoppen lässt.
Wie einst unter Khomeini eint eine höchst vielfältige oppositionelle Strömung auch heute nur der Wunsch, dem Despoten – diesmal in geistlichem Gewande – ein Ende zu setzen, nicht ihn zu stürzen, nur seine Macht zu beschränken. Neuwahlen, die dem Land weitere vier Jahre unter Ahmadinedschad ersparen und Respekt gegenüber der Stimme des Volkes auch durch den „Geistlichen Führer“ sind die vorrangigen Ziele. An der „Islamischen Republik“ will Mussawi nicht rütteln. Revolution wagt vorerst niemand und schon gar nicht dieser einstige Mann des Systems.
Lediglich eine Farce hat die Protestbewegung aber bisher durchgesetzt: die Überprüfung der Wahlergebnisse durch den Khamenei treu ergebenen „Wächterrat“, der nun lapidar in 50 Wahldistrikten „Fehler“ feststellte, die jedoch am überwältigenden „Sieg“ Ahmadinedschads nichts änderten, so heißt es.
Die Fronten verhärten sich. Dennoch bleiben Mussawi und seiner Bewegung einige Optionen offen. Fortsetzung friedlicher Demonstrationen lautet die primäre Devise. Sie stützt sich auf die Hoffnung, Khamenei habe begriffen, dass die blanke Faust, die etwa eben einem jungen Mädchen das Leben kostete, dem ohnedies schon schwer angeschlagenen Prestige des „Führers“ und seines Systems fatalen Schaden zufügen würde. Auch setzt Mussawi auf das Verantwortungsbewusstsein der Sicherheitskräfte, die nicht hemmungslos unbewaffnete Mitbürger massakrieren würden. Ihr seid „unsere Brüder“ und die „Schützer unseres Revolutions-Regimes“. Mit solchen Appellen versucht er, die Bassidsch, die Revolutionsgarden und das Militär auf seine Seite zu ziehen. Schon gibt es Gerüchte, dass sich der Ärger über die Wahlmanipulationen durch Khamenei auch in die regulären Streitkräfte zieht. Das Fußvolk der Revolutionsgarden dürfte mehrheitlich ohnedies den Reformern im „Gottesstaat“ zuneigen, während die Offiziere dieser mit der Verteidigung des Systems betrauten Eliteeinheit die radikalen Ideen Ahmadinedschads teilen und Khamenei treu ergeben sind. Sie übernahmen nun die Kontrolle über die „Sicherheit“ Teherans.
Mussawi dürfte auch auf eine Zermürbungstaktik setzen: stete – selbst nur kleine – Demonstrationen, die die Sicherheitskräfte Tag für Tag zerschlagen müssten, sollten die Bewaffneten demoralisieren und vielleicht auch mehr und mehr in die „grüne Welle“ ziehen.
Vor allem aber dürfte ein geplanter „ziviler Ungehorsam“ das Regime in Bedrängnis bringen. „Eine Lösung dieser Krise durch die Sicherheitskräfte ist nicht möglich“, gibt sich ein Vertrauter Mussawis zuversichtlich.
Für den Fall seiner Verhaftung hofft Mussawi auf einen Generalstreik, der den Konflikt dramatisch eskalieren würde. Persönlichkeiten wie Khatami, Karrubi, aber auch Rafsandschani sollten dann die Führung übernehmen. Ob allerdings die mächtigen Bazaar-Händler, die einst den Sieg der Revolution gegen den Schah entscheidend ermöglicht hatten, sich nun auf die Seite der Opposition stellen, bleibt vorerst unklar.
Zunächst drängt Mussawi seine Anhänger, keinesfalls das Regime zu provozieren, sich treu an die Grundsätze des Systems zu halten, damit die Gegner der „grünen Welle“nicht ein „anti-islamisches“ Etikett aufzwängen und ihr so Rückhalt in weiten Kreisen der Bevölkerung, die sich immer noch zur Islamischen Republik bekennen, entziehen würden. Die Einheit der Bewegung zu erhalten, zählt wohl zu den schwierigsten Aufgaben Mussawis. Seinem Mitstreiter Karrubi etwa geht es letztlich vor allem darum, sich selbst die Präsidentschaft zu sichern. Andere, wie Rafsandschani nahe stehende Gruppen, hoffen auf die Chance, als Trittbrettfahrer ihren Einfluß zu stärken und drängen Mussawi zur Bildung einer gemeinsamen Front, während es Rafsandschani selbst vor allem darum geht, seine eigene, nun bedrohte Machtposition im System zu retten. Die geheimen Wünsche der Menschen lassen sich nur erahnen. Ein beträchtlicher Teil der Jugend will vor allem eine friedliche Veränderung, ein Land, in dem sie ohne Angst endlich singen und tanzen können und das ihnen Chance auf eine würdevolle Existenz bietet. Je länger aber die Kraftprobe anhält, desto höher werden die Aktionisten ihre Anforderungen schrauben und es vielleicht wagen, sich auch offen gegen das islamische System zu stellen.
Die eigentliche Entscheidung in diesem Konflikt wird jedoch hinter den Kulissen getroffen. Hier tobt ein Machtkampf, wie ihn die „Islamische Republik“ noch nie erlebt hat. Er lähmt entscheidend Khameneis Handlungsspielraum. In dieser Auseinandersetzung spielt die hohe Geistlichkeit in Qom, dem Zentrum schiitischer Lehre, eine zentrale Rolle. Einige der angesehensten Würdenträger haben bereits mehr oder weniger offen ihre Kritik an der Wahlmanipulation kundgetan, andere halten sich noch ängstlich zurück. Versucht der unter den führenden islamischen Theologen wenig beliebte Khamenei nun tatsächlich mit brutaler Gewalt die Oppositionsbewegung zu zerschlagen, dürfte sich Qom offen gegen ihn stellen, was dem „Gottesmann“ politisch zum Verhängnis werden dürfte. In dieser Situation, so meinen manche, bleibt dem „Führer“ im Grunde nur die Wahl - wie einst sein Vorgänger Khomeini, als er einem Waffenstillstand nach achtjährigem Krieg gegen den Irak zustimmte -, den „Giftbecher“ zu trinken und seinen Herausforderern entscheidend entgegen zu kommen.
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Noch haben die Iraner keine Revolution begonnen – Hinter den Kulissen tobt der eigentliche Machtkampf
Wenn sich die Finsternis über Teheran senkt, dann beginnt über der scheinbar schlafenden Metropole eine ganz neue Form der Aktivität. Von Dächern erschallt der Ruf „Allah-u Akbar“ (Gott ist groß). Religiöse Slogans durchdringen am Fuße des mächtigen Albruz-Gebirges die Nacht. Iraner der älteren Generation fühlen sich um drei Jahrzehnte zurückversetzt. Damals setzten solche Schreie den Auftakt zum Sturz des mächtigsten Militärherrschers im Orient. Die islamische Welle, gelenkt vom charismatischen Geistlichen Khomeini, überrollte die persische Monarchie.
Es entspringt besonders geschicktem Kalkül, dass sich 30 Jahre später eine neue Massenbewegung, die sich gegen die Entartung der von Khomeini mit quasi-demokratischen Elementen versehenen „Islamischen Republik“ zur brutalen Tyrannei erhebt, der selben vom herrschenden Establishment und Teilen des Volkes bis heute so geliebten, hoch politisch eingesetzten Slogans bedient. Jeder versteht, was in Wahrheit gemeint ist und jene, die unter dem Deckmantel des Islams im Auftrag des „Geistlichen Führers“ und Khomeini-Erben Ayatollah Khamenei mit aller Brutalität das aufmuckende Volk zum Schweigen bringen wollen, können es nicht wagen, tödliche Kugeln auf Betende abzufeuern. Viele Iraner, die ihre Angst überwanden, dem drohenden Khamenei und dem massiven Aufgebot der Sicherheitskräfte trotzen und immer noch in den Straßen Teherans ihren Frustrationen Luft machen, pressen den Koran gleich einem undurchdringlichen Schutzschild an ihre Brust. Kein Polizist, selbst keiner der brutale Gewalt gegen friedliche Zivilisten nicht scheuenden, von Khamenei aufgehetzten Bassidsch, der feurig-fundamentalistischen Miliz, sollte das ungeheuerliche Sakrileg wagen, seine Waffe gegen einen Gläubigen zu richten, der das heilige Buch in seinen Armen hält.
Besonders beliebt ist unter den Demonstranten der ersten Teil des islamischen Glaubensbekenntnisses: „Es gibt keinen Gott außer Gott“, in der heutigen spannungsgeladenen Atmosphäre von jedem klar als direkte Attacke gegen Khamenei verstanden, der wie nie zuvor entschlossen ist, seine unumschränkte Macht gnadenlos durchzusetzen.
Dennoch gibt es Opfer zu beklagen. Niemand kennt die Zahl der Toten, die ihr Leben lassen mussten, als sie friedlich ein in der Verfassung der „Islamischen Republik“ verbrieftes Recht – freie, faire, unmanipulierte Wahlen – einforderten. Niemand kennt die Zahl der Verwundeten, der Gefangenen. Mindestens 3000 sollen nach Informationen iranischer Journalisten bereits in Haftanstalten abgeschleppt worden sein, darunter prominente Intellektuelle, politische Aktivisten, Journalisten und ein großer Teil der engsten Mitstreiter der offiziell bei den Wahlen gegen Präsident Ahmadinedschad unterlegenen Herausforderer Mir Hussein Mussawi und Mehdi Karrubi.
Und dennoch wagen sich immer noch Menschen in die Straßen. Die Proteste haben längst das ganze Land erfasst. Dieses dramatische Aufbäumen von Millionen, die sich um ihre Wählerstimme, um den Sieg ihres neuen Idols Mussawi betrogen fühlen, hat die seit langem verdeckte Kluft in der iranischen Gesellschaft weit aufgerissen. Gespräche mit Menschen am Rande des Geschehens in Teheran und in den Provinzen belegen dies deutlich. „Es ist doch immer so: Diejenigen, die verloren haben, fühlen sich betrogen“, kommentiert etwa ein Schaulustiger in der als eher konservativ geltenden Wüstenstadt Yazd, 400 km von Teheran entfernt, mit süffisantem Lächeln den Protestmarsch von Mussawi-Anhängern. „Sie sollten das Wahlergebnis einfach anerkennen“, meint ein anderer der Umstehenden.
Ein 23-jähriger Student und Sympathisant Mussawis verhehlt seine bittere Enttäuschung, ja gar Wut über die eklatante Wahlfälschung durch das Regime nicht. „Wir sind alle einfach nur traurig“, fasst ein Bankangestellter resigniert die Stimmung zusammen. „Wir haben alles versucht, um eine Wiederwahl Ahmadinedschads zu verhindern. Aber sie haben uns wieder betrogen, wie sie uns schon vor vier Jahren (als Ahmadinedschad erstmals Präsident wurde) betrogen haben.“
Das Gefühl des Betrugs, des Verrats, der Täuschung und der immer und immer wiederkehrenden Enttäuschung ist es, das die Menschen in solch überwältigenden Zahlen auf die Straßen trieb und so viele heute zur Entschlossenheit, unter keinen Umständen ihren Protest, in welcher Form auch immer, aufzugeben. Khomeini hatte ihnen einst die Freiheit vom kaiserlichen Despoten verheißen, seit den Anfängen des vorigen Jahrhunderts kämpfen Iraner um politische Mitbestimmung, die, kaum errungen, ihnen immer wieder geraubt wurde. Die „Islamische Republik“ setzte dieses Muster fort, oft mit der berühmten persischen Diplomatie, mit gigantischen Täuschungsmanövern, oft mit blanker Gewalt. So zerstoben die Hoffnungen, die Millionen in den Reform-Präsidenten Mohammed Khatami (1997 bis 2005) gesetzt hatten. Das freiheitshungrige Volk versank in tiefste politische Apathie, aus die sie so unerwartet in schier explosivem Tempo Mussawi riss, der in den vergangenen Wochen alle Hoffnungen auf Veränderung, auf einen Ausbruch aus dem unerträglich freud-, perspektivlosen und repressiven Alltag bündelte. Und wieder erwies sich der Traum als Illusion. Wie nie zuvor ignorierte der „Führer“ die Stimme, den Willen des Volkes. Doch iranische Langmut hat ihre Grenzen überschritten. Die Protestbewegung zieht – im Gegensatz etwa zu den rasch niedergeschlagenen Studentendemonstrationen 1999 und 2003 – Menschen aller Altersgruppen, aller Gesellschaftsschichten an. Alte Männer auf Krücken quälten sich unter die Protestierenden, Frauen, Männer, Reiche und Arme, Gebildete und Analphabeten, Gläubige und Skeptiker. Sie folgen den Symbolen der islamischen Revolution, die sie an die Macht erinnern, die diesem Volk erstmals zum Sieg verhalf und sie werden immer wieder von mutigen Frauen angetrieben.
Manche freilich, vor allem zermürbte Angehörige der älteren Generation, vermögen die dramatischen Ereignisse der vergangenen Tage nicht aus ihrem Fatalismus zu reißen. „Was habt ihr denn erwartet, wir leben im Iran. Das hier ist eine Diktatur und keine Demokratie“, doziert etwa ein 50-jähriger Betreiber eines Internetcafes. Auch er habe für Mussawi gestimmt, aber so sei das eben im Iran. Andere, wie der Taxifahrer in Yazd, machen ihrem Ärger hemmungslos Luft: „Ahmadinedschad ist nicht gut für unser Land. Er ist ein Lügner und ein Dieb.
Doch auch die Anhänger Ahmadinedschads, und davon gibt es zweifellos Millionen, erheben ihre Stimme: Es gäbe keinen besseren Präsidenten, meint ein 17-jähriger Schüler. „Er sagt immer was er denkt und läßt sich von niemandem etwas gefallen, weder von mächtigen Männern hier im Iran, noch von den USA, Israel oder Europa.“ Solche Position tut der über Generationen gedemütigten iranischen Seele wohl und manche lassen sich davon täuschen. Andere, wie ein Geschäftsmann, wollen von all diesem politischen Gezänk gar nichts wissen. Es sei doch völlig egal, wer diese Wahlen gewonnen hat: „Ob Mussawi oder Ahmadinedschad, das ändert doch nichts an unserer Situation, das System bleibt das gleiche. Das Problem ist nicht Ahmadinedschad, das Problem sind die Mullahs.“
Dennoch: Seit der Geburtsstunde der „Islamischen Republik“ hat eine Protestbewegung noch nie derartige Kraft, derartige todesmutige Ausdauer bewiesen. Seit feststeht, dass es Khamenei nicht gelang, Mussawi, diesen einstigen Jünger Khomeinis und Hardliner unter den Revolutionären, zu kooptieren und damit führungslosen Massen die Orientierung zu rauben, sie allmählich zur Bedeutungslosigkeit zu zerschlagen, hat die „grüne Welle“ (so genannt nach der Farbe des Propheten, die Mussawi als sein politisches Symbol wählte) neue Kraft und Zuversicht gewonnen.
„Wenn du schweigst, bist du ein Verräter“, hatten die Massen Mussawi zugerufen und den Zögernden zu einem erstaunlichen Wandel bewogen. Er wollte doch nur die „Islamische Republik“ vor dem Chaos retten, die internationale Isolation durchbrechen, das Land von den gefährlichen Irrationalitäten Ahmadinedschads befreien und den Menschen, vor allem der Jugend, durch kluge Wirtschaftspolitik endlich eine Perspektive geben. Dass er der erste Politiker werden könnte, der offen den mächtigen „Führer“ herausfordert, stand nie auf Mussawis Programm. Doch die Massen haben diesen mit den Ränkespielen des „Gottesstaates“ vertrauten einstigen Premier gewandelt. Er hat die Herausforderung angenommen und ein Manifest verbreitet, in dem er seiner „grünen Bewegung“ die Treue „bis zum Ende“ (was immer damit gemeint ist) schwört, entschlossen, eine „historische Mission“ zur „Erneuerung des Lebens“ nach den Idealen der Menschen zu erfüllen. Auf „friedlichem“ Weg müssten „Abweichungen und Täuschungen“, müsste der Tyrannei ein Ende gesetzt werden. Mussawi zeigt sich nun entschlossen, für diese Ziele seine Freiheit, ja sein Leben zu riskieren. Beide sind höchst bedroht.
An der Spitze der Reformbewegung steht damit ein Mann, der nicht nur bereits in der Vergangenheit bewiesen hatte, dass er starke Energie und Durchschlagskraft besitzt (er führte als Premier in der Kriegszeit der 80er Jahre das Land aus ökonomischer Krise in eine „goldene Zeit“), sondern auch über mächtige Verbündete im System verfügt. Dies nährt die Hoffnung vieler, dass sich – trotz aller Repression – „die grüne Bewegung“ gar nicht mehr stoppen lässt.
Wie einst unter Khomeini eint eine höchst vielfältige oppositionelle Strömung auch heute nur der Wunsch, dem Despoten – diesmal in geistlichem Gewande – ein Ende zu setzen, nicht ihn zu stürzen, nur seine Macht zu beschränken. Neuwahlen, die dem Land weitere vier Jahre unter Ahmadinedschad ersparen und Respekt gegenüber der Stimme des Volkes auch durch den „Geistlichen Führer“ sind die vorrangigen Ziele. An der „Islamischen Republik“ will Mussawi nicht rütteln. Revolution wagt vorerst niemand und schon gar nicht dieser einstige Mann des Systems.
Lediglich eine Farce hat die Protestbewegung aber bisher durchgesetzt: die Überprüfung der Wahlergebnisse durch den Khamenei treu ergebenen „Wächterrat“, der nun lapidar in 50 Wahldistrikten „Fehler“ feststellte, die jedoch am überwältigenden „Sieg“ Ahmadinedschads nichts änderten, so heißt es.
Die Fronten verhärten sich. Dennoch bleiben Mussawi und seiner Bewegung einige Optionen offen. Fortsetzung friedlicher Demonstrationen lautet die primäre Devise. Sie stützt sich auf die Hoffnung, Khamenei habe begriffen, dass die blanke Faust, die etwa eben einem jungen Mädchen das Leben kostete, dem ohnedies schon schwer angeschlagenen Prestige des „Führers“ und seines Systems fatalen Schaden zufügen würde. Auch setzt Mussawi auf das Verantwortungsbewusstsein der Sicherheitskräfte, die nicht hemmungslos unbewaffnete Mitbürger massakrieren würden. Ihr seid „unsere Brüder“ und die „Schützer unseres Revolutions-Regimes“. Mit solchen Appellen versucht er, die Bassidsch, die Revolutionsgarden und das Militär auf seine Seite zu ziehen. Schon gibt es Gerüchte, dass sich der Ärger über die Wahlmanipulationen durch Khamenei auch in die regulären Streitkräfte zieht. Das Fußvolk der Revolutionsgarden dürfte mehrheitlich ohnedies den Reformern im „Gottesstaat“ zuneigen, während die Offiziere dieser mit der Verteidigung des Systems betrauten Eliteeinheit die radikalen Ideen Ahmadinedschads teilen und Khamenei treu ergeben sind. Sie übernahmen nun die Kontrolle über die „Sicherheit“ Teherans.
Mussawi dürfte auch auf eine Zermürbungstaktik setzen: stete – selbst nur kleine – Demonstrationen, die die Sicherheitskräfte Tag für Tag zerschlagen müssten, sollten die Bewaffneten demoralisieren und vielleicht auch mehr und mehr in die „grüne Welle“ ziehen.
Vor allem aber dürfte ein geplanter „ziviler Ungehorsam“ das Regime in Bedrängnis bringen. „Eine Lösung dieser Krise durch die Sicherheitskräfte ist nicht möglich“, gibt sich ein Vertrauter Mussawis zuversichtlich.
Für den Fall seiner Verhaftung hofft Mussawi auf einen Generalstreik, der den Konflikt dramatisch eskalieren würde. Persönlichkeiten wie Khatami, Karrubi, aber auch Rafsandschani sollten dann die Führung übernehmen. Ob allerdings die mächtigen Bazaar-Händler, die einst den Sieg der Revolution gegen den Schah entscheidend ermöglicht hatten, sich nun auf die Seite der Opposition stellen, bleibt vorerst unklar.
Zunächst drängt Mussawi seine Anhänger, keinesfalls das Regime zu provozieren, sich treu an die Grundsätze des Systems zu halten, damit die Gegner der „grünen Welle“nicht ein „anti-islamisches“ Etikett aufzwängen und ihr so Rückhalt in weiten Kreisen der Bevölkerung, die sich immer noch zur Islamischen Republik bekennen, entziehen würden. Die Einheit der Bewegung zu erhalten, zählt wohl zu den schwierigsten Aufgaben Mussawis. Seinem Mitstreiter Karrubi etwa geht es letztlich vor allem darum, sich selbst die Präsidentschaft zu sichern. Andere, wie Rafsandschani nahe stehende Gruppen, hoffen auf die Chance, als Trittbrettfahrer ihren Einfluß zu stärken und drängen Mussawi zur Bildung einer gemeinsamen Front, während es Rafsandschani selbst vor allem darum geht, seine eigene, nun bedrohte Machtposition im System zu retten. Die geheimen Wünsche der Menschen lassen sich nur erahnen. Ein beträchtlicher Teil der Jugend will vor allem eine friedliche Veränderung, ein Land, in dem sie ohne Angst endlich singen und tanzen können und das ihnen Chance auf eine würdevolle Existenz bietet. Je länger aber die Kraftprobe anhält, desto höher werden die Aktionisten ihre Anforderungen schrauben und es vielleicht wagen, sich auch offen gegen das islamische System zu stellen.
Die eigentliche Entscheidung in diesem Konflikt wird jedoch hinter den Kulissen getroffen. Hier tobt ein Machtkampf, wie ihn die „Islamische Republik“ noch nie erlebt hat. Er lähmt entscheidend Khameneis Handlungsspielraum. In dieser Auseinandersetzung spielt die hohe Geistlichkeit in Qom, dem Zentrum schiitischer Lehre, eine zentrale Rolle. Einige der angesehensten Würdenträger haben bereits mehr oder weniger offen ihre Kritik an der Wahlmanipulation kundgetan, andere halten sich noch ängstlich zurück. Versucht der unter den führenden islamischen Theologen wenig beliebte Khamenei nun tatsächlich mit brutaler Gewalt die Oppositionsbewegung zu zerschlagen, dürfte sich Qom offen gegen ihn stellen, was dem „Gottesmann“ politisch zum Verhängnis werden dürfte. In dieser Situation, so meinen manche, bleibt dem „Führer“ im Grunde nur die Wahl - wie einst sein Vorgänger Khomeini, als er einem Waffenstillstand nach achtjährigem Krieg gegen den Irak zustimmte -, den „Giftbecher“ zu trinken und seinen Herausforderern entscheidend entgegen zu kommen.
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Montag, 22. Juni 2009
Birgit Cerha: Vom Hardliner zum Hoffnungsträger
Porträt: Der erstaunliche Wandel des Mir Hussein Mussawi – Auf dem Weg der „Erneuerung“ gibt es für Irans Oppositionsführer nun kein Zurück mehr
Nun haben die iranischen Massen, die eine Woche lang – spontan - zu Hunderttausenden gegen den Wahlbetrug durch das Regime protestierten, einen klaren Führer. Mir Hussein Mussawi hat nach einigem Zögern die Herausforderung angenommen und ein „Revolutions-Manifest“ erlassen, Keiner vor ihm hat derartiges im „Gottesstaat“ je gewagt: die offene Opposition zur höchsten Autorität, Ayatollah Khamenei. Die Botschaft ist klar: ein Ende der Tyrannei, in die der Iran unter Khamenei immer tiefer geschlittert ist. Die Revolution, die sich entscheidend auf die Stimme des Volkes gestützt hätte, verfolge einen falschen Weg, indem sie „der Nation eine ungewollte Regierung“ aufzwinge. Er spricht von einer „historischen Mission“ zur „Erneuerung des Lebens“ nach den Idealen der Menschen und er akzeptiere die Last der Verpflichtung, die man auf seine Schultern geladen habe.
Dieses Manifest, in dem sich Mussawi zwar zu den Prinzipien und Institutionen der Islamischen Republik bekennt, doch fest entschlossen ist, auf friedlichen Weg „Abweichungen und Täuschungen“ zu bekämpfen, dokumentiert den erstaunlichen Wandel eines Mannes, der einst treuer Jünger Revolutionsführer Khomeinis, als Regierungschef (1982-1989) den Werten von Demokratie und Freiheit so gar keine Beachtung geschenkt hatte. In einer Zeit intensiven revolutionären Eifers zählte der 1941 in Ost-Asserbaidschan geborene Azeri zu den Hardlinern des Systems. Als Technokrat war dieser Architekt und Künstler während des iranisch-irakischen Krieges (1980 bis 88) an die Spitze der Regierung geholt worden. Und viele Iraner der älteren Generation danken ihm bis heute die Durchschlagskraft und Kompetenz, mit der er das Land aus tiefer Rezession in eine „goldene Zeit“ hob.
Zitate, die Mussawis kompromisslose Haltung gegenüber dem Westen, gegenüber den USA und seine unverbrüchliche Treue zu Khomeini dokumentieren, bleiben in Erinnerung. Unvergessen ist auch, dass er sich heftig gegen engsten Vertrauten Khomeinis, späteren Präsidenten und bis heute mächtigen Ali Akbar Rafsandschani zur wehr setzte, als dieser US-Hilfe für den Wiederaufbau des kriegszerstörten Iran angestrebte. In den späteren Regierungen des Pragmatikers Rafsandschani fand der Hardliner Mussawi denn auch keinen Platz.
So zog sich der Künstler und Schöngeist zwei Jahrzehnte lang aus dem öffentlichen Leben zurück, widmete sich der Malerei und seiner Universitätslaufbahn. Als ihn einige Reformkräfte zur Kandidatur für die Präsidentschaftswahl 1997 drängten, verzichtete er zugunsten Khatamis, dem er anschließend jedoch als Berater zur Seite stand. Doch dass er sich tatsächlich zu einem Reformer gewandelt haben könnte, ließ sich nicht überzeugend erkennen. Auch im Wahlkampf der vergangenen Wochen, wiewohl von Reformern aufgestellt, fand er vor allem deshalb Zulauf, weil viele der sich nach Freiheit sehnenden Iraner ihm, der auch im konservativen Establishment beträchtliche Sympathie genießt, die größte Chance gaben, Präsident Ahmadinedschad zu besiegen.
Doch die Euphorie des Wahlkampfes, die ihm entgegenschlagenden Welle der Hoffnung Hunderttausender und dann der dramatische Stimmungsumschwung nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses, der Zorn der Massen, die wie nie zuvor seit der Revolution bereit waren, ihr Leben für die Freiheit hinzugeben und auf Mussawi als ihren Führer blickten, haben diesen Mann des Systems gewandelt. Einen beträchtlichen Teil dazu hat wohl auch seine weit eloquentere, charismatischere Frau Zahra Rahnavard, Politologin und Frauenrechtlerin, in ihrem offenen Einsatz für Mussawi beigetragen.
Ehrlich gesteht Mussawi in seinem Manifest ein, dass er anfänglich der „grünen Welle“ (das Grün des Islams hatte er als Farbe seiner Bewegung gewählt) nur nachgelaufen sei. Und Demonstranten drohten: „Dein schweigen wäre Verrat.“ So nahm der ungewollte Freiheitsheld, gestützt auch von prominenten Mitgliedern des Systems, die Herausforderung an und bekennt sich entschlossen zur Führung dieser Bewegung, die primär einmal Neuwahlen fordert. Er ruft die Menschen auf, des nachts von Dächern „nieder mit dem Tyrannen“ zu schreien und gewaltfrei zu demonstrieren. Er bricht einen Wettstreit mit Khamenei um die „wahren Prinzipien des Glaubens“ vom Zaum und stützt sich auf die Hauptargumente: Nicht wir, sondern „die anderen“ (der „Führer) würden – durch Gewaltanwendung - die Gesetze brechen und durch Lügen (Wahlfälschung) die islamischen Grundsätzen in eklatanter Weise verletzen.
In dieser einzigartigen Konfrontation haben sich bereits zahlreiche führende Berater in Angst von ihm abgewandt. Seine Frau steht offen und mutig an seiner Seite, verkündete Samstag vor ihm bereits die Entschlossenheit Mussawis, seine Anhänger bis zum Ende nicht im Stich zu lassen. Wie das Ende aussehen mag, ahnt derzeit freilich niemand.
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Nun haben die iranischen Massen, die eine Woche lang – spontan - zu Hunderttausenden gegen den Wahlbetrug durch das Regime protestierten, einen klaren Führer. Mir Hussein Mussawi hat nach einigem Zögern die Herausforderung angenommen und ein „Revolutions-Manifest“ erlassen, Keiner vor ihm hat derartiges im „Gottesstaat“ je gewagt: die offene Opposition zur höchsten Autorität, Ayatollah Khamenei. Die Botschaft ist klar: ein Ende der Tyrannei, in die der Iran unter Khamenei immer tiefer geschlittert ist. Die Revolution, die sich entscheidend auf die Stimme des Volkes gestützt hätte, verfolge einen falschen Weg, indem sie „der Nation eine ungewollte Regierung“ aufzwinge. Er spricht von einer „historischen Mission“ zur „Erneuerung des Lebens“ nach den Idealen der Menschen und er akzeptiere die Last der Verpflichtung, die man auf seine Schultern geladen habe.
Dieses Manifest, in dem sich Mussawi zwar zu den Prinzipien und Institutionen der Islamischen Republik bekennt, doch fest entschlossen ist, auf friedlichen Weg „Abweichungen und Täuschungen“ zu bekämpfen, dokumentiert den erstaunlichen Wandel eines Mannes, der einst treuer Jünger Revolutionsführer Khomeinis, als Regierungschef (1982-1989) den Werten von Demokratie und Freiheit so gar keine Beachtung geschenkt hatte. In einer Zeit intensiven revolutionären Eifers zählte der 1941 in Ost-Asserbaidschan geborene Azeri zu den Hardlinern des Systems. Als Technokrat war dieser Architekt und Künstler während des iranisch-irakischen Krieges (1980 bis 88) an die Spitze der Regierung geholt worden. Und viele Iraner der älteren Generation danken ihm bis heute die Durchschlagskraft und Kompetenz, mit der er das Land aus tiefer Rezession in eine „goldene Zeit“ hob.
Zitate, die Mussawis kompromisslose Haltung gegenüber dem Westen, gegenüber den USA und seine unverbrüchliche Treue zu Khomeini dokumentieren, bleiben in Erinnerung. Unvergessen ist auch, dass er sich heftig gegen engsten Vertrauten Khomeinis, späteren Präsidenten und bis heute mächtigen Ali Akbar Rafsandschani zur wehr setzte, als dieser US-Hilfe für den Wiederaufbau des kriegszerstörten Iran angestrebte. In den späteren Regierungen des Pragmatikers Rafsandschani fand der Hardliner Mussawi denn auch keinen Platz.
So zog sich der Künstler und Schöngeist zwei Jahrzehnte lang aus dem öffentlichen Leben zurück, widmete sich der Malerei und seiner Universitätslaufbahn. Als ihn einige Reformkräfte zur Kandidatur für die Präsidentschaftswahl 1997 drängten, verzichtete er zugunsten Khatamis, dem er anschließend jedoch als Berater zur Seite stand. Doch dass er sich tatsächlich zu einem Reformer gewandelt haben könnte, ließ sich nicht überzeugend erkennen. Auch im Wahlkampf der vergangenen Wochen, wiewohl von Reformern aufgestellt, fand er vor allem deshalb Zulauf, weil viele der sich nach Freiheit sehnenden Iraner ihm, der auch im konservativen Establishment beträchtliche Sympathie genießt, die größte Chance gaben, Präsident Ahmadinedschad zu besiegen.
Doch die Euphorie des Wahlkampfes, die ihm entgegenschlagenden Welle der Hoffnung Hunderttausender und dann der dramatische Stimmungsumschwung nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses, der Zorn der Massen, die wie nie zuvor seit der Revolution bereit waren, ihr Leben für die Freiheit hinzugeben und auf Mussawi als ihren Führer blickten, haben diesen Mann des Systems gewandelt. Einen beträchtlichen Teil dazu hat wohl auch seine weit eloquentere, charismatischere Frau Zahra Rahnavard, Politologin und Frauenrechtlerin, in ihrem offenen Einsatz für Mussawi beigetragen.
Ehrlich gesteht Mussawi in seinem Manifest ein, dass er anfänglich der „grünen Welle“ (das Grün des Islams hatte er als Farbe seiner Bewegung gewählt) nur nachgelaufen sei. Und Demonstranten drohten: „Dein schweigen wäre Verrat.“ So nahm der ungewollte Freiheitsheld, gestützt auch von prominenten Mitgliedern des Systems, die Herausforderung an und bekennt sich entschlossen zur Führung dieser Bewegung, die primär einmal Neuwahlen fordert. Er ruft die Menschen auf, des nachts von Dächern „nieder mit dem Tyrannen“ zu schreien und gewaltfrei zu demonstrieren. Er bricht einen Wettstreit mit Khamenei um die „wahren Prinzipien des Glaubens“ vom Zaum und stützt sich auf die Hauptargumente: Nicht wir, sondern „die anderen“ (der „Führer) würden – durch Gewaltanwendung - die Gesetze brechen und durch Lügen (Wahlfälschung) die islamischen Grundsätzen in eklatanter Weise verletzen.
In dieser einzigartigen Konfrontation haben sich bereits zahlreiche führende Berater in Angst von ihm abgewandt. Seine Frau steht offen und mutig an seiner Seite, verkündete Samstag vor ihm bereits die Entschlossenheit Mussawis, seine Anhänger bis zum Ende nicht im Stich zu lassen. Wie das Ende aussehen mag, ahnt derzeit freilich niemand.
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Sonntag, 21. Juni 2009
Birgit Cerha: Die „Islamische Republik“ am Wendepunkt
Mit seiner fatalen Fehleinschätzung hat Khamenei eine tiefe Kluft in der iranischen Gesellschaft aufgerissen
„Vielleicht werden ich und meine Freunde heute nicht mehr heimkehren. Doch wir sind bereit, unser Leben der Demokratie zu opfern.“ Solche und ähnlich dramatische Sätze dringen über „Facebook“ aus dem Iran in die freie Welt. Wie jener Schreiber, der sich selbst für die Freiheit und „meine Rechte“ opfern will, trotzten Samstag Tausende Iraner der ungeheuerlichen Drohung des „Geistlichen Führers“ Khamenei, der Freitag in einer schicksalhaften Rede den Sicherheitskräften, den Revolutionsgarden und vor allem den in der Vergangenheit oft so hemmungslos wütenden paramilitärischen Bassidsch „grünes Licht“ zur direkten Attacke auf friedlich demonstrierende Menschenmassen gegeben hatte. Und die Bassidsch schlugen von Motorrädern brutal zu, nachdem es Tausenden Polizisten nicht gelungen war, den Menschenstrom, der den Drohungen trotzte und seinen Frustrationen Luft zu machen suchte, vollends zu zerschlagen.
Noch ist das Ausmaß der menschenverachtenden Härte im Auftrag des höchsten Gottesmannes nicht voll zu erkennen. Fest steht jedoch, dass Khamenei kein Blut scheut, um seine Macht abzusichern. Der Zögerer, der sich in den zwei Jahrzehnten als höchste Autorität in der „Islamischen Republik“ durch die stete Suche nach Konsens sein politisches Überleben gesichert hatte, zeigt nun voll seine tyrannischen Züge. Monatelang, so behauptet der in den Präsidentschaftswahlen vom 12. Juni nach offizieller Lesart unterlegene Hauptrivale Präsident Ahmadinedschads, Mussawi, hätte Khamenei die Wahlfälschung vorbereitet, die zu verschleiern er sich ursprünglich gar nicht die Mühe machte, auch wenn er Freitag das Machtwort sprach: „Die Wahlen waren fair.“
An der Motivation solchen Handelns herrscht wenig Zweifel. Nachdem Khamenei mit seinen engsten Vertrauten, darunter an erster Stelle die stetig an Einfluss gewinnenden Führer der Revolutionsgarden, acht Jahre lang (von 1997 bis 2005) die Reformbewegung Präsident Khatamis blockiert, zur Bedeutungslosigkeit verdammt und zugleich das Volk in totale politische Apathie versenkt hatte, witterten Millionen freiheitshungriger Iraner in Mussawi einen Führer, der wenigstens einen Teil ihrer Sehnsüchte verwirklichen könnte. Die derart wiederbelebte Reformströmung steigerte die Ängste dieses autokratischen Gottesmannes vor einer „samtenen Revolution“ nach osteuropäischem Muster bis zur Panik, Ängste, die auch die Revolutionsgarden in ihrem Organ offen bestätigen.
Im Gegensatz zur Ära Khatami aber ist diese neue Strömung viel breiter gestreut, zieht sich tief hinein in das islamische Regime. Dass sie sich vollends einschüchtern und knebeln läßt, wie in der Vergangenheit, erscheint deshalb höchst fraglich. Khameneis „eiserne Faust“ kann die gravierenden Probleme des Irans nicht lösen, ja nicht einmal mehr verdecken. „Der „Führer“ hat durch seine fehlende Kompromissbereitschaft eine tiefe Kluft aufgerissen, die ihm selbst die Macht kosten kann.
Die Lage im Iran ist zutiefst verworren. Verifizierte Informationen dringen kaum noch aus dem Land, seit das Regime die Medien – inländische und ausländische – knebelte und prominente Gegner ins Gefängnis steckte. Mussawi, so heißt es, habe seine Entschlossenheit zur Fortsetzung des Kampfes bekundet, seine Bereitschaft zum „Martyrium“. Es wäre ein bemerkenswerter, ungeheuer mutiger Wandel dieses Mannes, der als ehemaliger Premier und Mitglied des einflussreichen Schlichtungsrates Teil des Systems ist. Indem er Samstag nicht ausdrücklich zur Demonstration aufrief, hat er sich – bisher – aber nicht direkt dem „Führer“ widersetzt. Zugleich erschienen weder er, noch der ebenfalls unterlegene Reformkandidat Karrubi beim „Wächterrat“, um ihre Beschwerde über die Wahlmanipulationen vorzubringen. Sie zeigten damit deutlich, dass sie diesem von Khameneis Anhängern dominierten Gremium nicht trauen, Wahlfälschungen tatsächlich zu entlarven.
Mussawi bleiben wohl noch einige Karten, als für das Regime wohl gefährlichste ein Generalstreik im Falle seiner Verhaftung. Zugleich tobt der eigentliche Machtkampf hinter den Kulissen. Und dabei geht es vor allem um die alte Revolutionsgarde unter den immer noch so mächtigen Rafsandschani, der sich auf die Seite Mussawis und Karrubis geschlagen hat, und Khamenei, der diese unbequemen Rivalen endlich mit Hilfe von Neorevolutionären und deren Gesinnungsgenossen in den Revolutionsgarden los werden will. Die Tatsache, dass sich drei hohe Geistliche in Qom, dem hochangesehen Zentrum islamischer Lehre, offen hinter Mussawi gestellt haben, ist deutliches Zeichen von Rafsandschis Agitationen.
Noch ist unklar, ob Khamenei den „Vulkan der Frustrierten“ (so Rafsandschani) stoppen kann. Gelingt dies nicht, wird er zweifellos die Revolutionsgarden zu Hilfe rufen. Doch sie werden dafür einen Preis einfordern: Militärdiktatur in islamischem Kleid. Durch seine Fehleinschätzung wird der „Führer“ nicht nur seine im Laufe der Jahre verlorene Glaubwürdigkeit nicht wieder herstellen können, er wird auch unweigerlich einen beträchtlichen Teil der Macht einbüßen, um die er jetzt so bangt. Ob sich dies für die Iraner als Segen erweisen kann, ist allerdings keineswegs sicher.
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„Vielleicht werden ich und meine Freunde heute nicht mehr heimkehren. Doch wir sind bereit, unser Leben der Demokratie zu opfern.“ Solche und ähnlich dramatische Sätze dringen über „Facebook“ aus dem Iran in die freie Welt. Wie jener Schreiber, der sich selbst für die Freiheit und „meine Rechte“ opfern will, trotzten Samstag Tausende Iraner der ungeheuerlichen Drohung des „Geistlichen Führers“ Khamenei, der Freitag in einer schicksalhaften Rede den Sicherheitskräften, den Revolutionsgarden und vor allem den in der Vergangenheit oft so hemmungslos wütenden paramilitärischen Bassidsch „grünes Licht“ zur direkten Attacke auf friedlich demonstrierende Menschenmassen gegeben hatte. Und die Bassidsch schlugen von Motorrädern brutal zu, nachdem es Tausenden Polizisten nicht gelungen war, den Menschenstrom, der den Drohungen trotzte und seinen Frustrationen Luft zu machen suchte, vollends zu zerschlagen.
Noch ist das Ausmaß der menschenverachtenden Härte im Auftrag des höchsten Gottesmannes nicht voll zu erkennen. Fest steht jedoch, dass Khamenei kein Blut scheut, um seine Macht abzusichern. Der Zögerer, der sich in den zwei Jahrzehnten als höchste Autorität in der „Islamischen Republik“ durch die stete Suche nach Konsens sein politisches Überleben gesichert hatte, zeigt nun voll seine tyrannischen Züge. Monatelang, so behauptet der in den Präsidentschaftswahlen vom 12. Juni nach offizieller Lesart unterlegene Hauptrivale Präsident Ahmadinedschads, Mussawi, hätte Khamenei die Wahlfälschung vorbereitet, die zu verschleiern er sich ursprünglich gar nicht die Mühe machte, auch wenn er Freitag das Machtwort sprach: „Die Wahlen waren fair.“
An der Motivation solchen Handelns herrscht wenig Zweifel. Nachdem Khamenei mit seinen engsten Vertrauten, darunter an erster Stelle die stetig an Einfluss gewinnenden Führer der Revolutionsgarden, acht Jahre lang (von 1997 bis 2005) die Reformbewegung Präsident Khatamis blockiert, zur Bedeutungslosigkeit verdammt und zugleich das Volk in totale politische Apathie versenkt hatte, witterten Millionen freiheitshungriger Iraner in Mussawi einen Führer, der wenigstens einen Teil ihrer Sehnsüchte verwirklichen könnte. Die derart wiederbelebte Reformströmung steigerte die Ängste dieses autokratischen Gottesmannes vor einer „samtenen Revolution“ nach osteuropäischem Muster bis zur Panik, Ängste, die auch die Revolutionsgarden in ihrem Organ offen bestätigen.
Im Gegensatz zur Ära Khatami aber ist diese neue Strömung viel breiter gestreut, zieht sich tief hinein in das islamische Regime. Dass sie sich vollends einschüchtern und knebeln läßt, wie in der Vergangenheit, erscheint deshalb höchst fraglich. Khameneis „eiserne Faust“ kann die gravierenden Probleme des Irans nicht lösen, ja nicht einmal mehr verdecken. „Der „Führer“ hat durch seine fehlende Kompromissbereitschaft eine tiefe Kluft aufgerissen, die ihm selbst die Macht kosten kann.
Die Lage im Iran ist zutiefst verworren. Verifizierte Informationen dringen kaum noch aus dem Land, seit das Regime die Medien – inländische und ausländische – knebelte und prominente Gegner ins Gefängnis steckte. Mussawi, so heißt es, habe seine Entschlossenheit zur Fortsetzung des Kampfes bekundet, seine Bereitschaft zum „Martyrium“. Es wäre ein bemerkenswerter, ungeheuer mutiger Wandel dieses Mannes, der als ehemaliger Premier und Mitglied des einflussreichen Schlichtungsrates Teil des Systems ist. Indem er Samstag nicht ausdrücklich zur Demonstration aufrief, hat er sich – bisher – aber nicht direkt dem „Führer“ widersetzt. Zugleich erschienen weder er, noch der ebenfalls unterlegene Reformkandidat Karrubi beim „Wächterrat“, um ihre Beschwerde über die Wahlmanipulationen vorzubringen. Sie zeigten damit deutlich, dass sie diesem von Khameneis Anhängern dominierten Gremium nicht trauen, Wahlfälschungen tatsächlich zu entlarven.
Mussawi bleiben wohl noch einige Karten, als für das Regime wohl gefährlichste ein Generalstreik im Falle seiner Verhaftung. Zugleich tobt der eigentliche Machtkampf hinter den Kulissen. Und dabei geht es vor allem um die alte Revolutionsgarde unter den immer noch so mächtigen Rafsandschani, der sich auf die Seite Mussawis und Karrubis geschlagen hat, und Khamenei, der diese unbequemen Rivalen endlich mit Hilfe von Neorevolutionären und deren Gesinnungsgenossen in den Revolutionsgarden los werden will. Die Tatsache, dass sich drei hohe Geistliche in Qom, dem hochangesehen Zentrum islamischer Lehre, offen hinter Mussawi gestellt haben, ist deutliches Zeichen von Rafsandschis Agitationen.
Noch ist unklar, ob Khamenei den „Vulkan der Frustrierten“ (so Rafsandschani) stoppen kann. Gelingt dies nicht, wird er zweifellos die Revolutionsgarden zu Hilfe rufen. Doch sie werden dafür einen Preis einfordern: Militärdiktatur in islamischem Kleid. Durch seine Fehleinschätzung wird der „Führer“ nicht nur seine im Laufe der Jahre verlorene Glaubwürdigkeit nicht wieder herstellen können, er wird auch unweigerlich einen beträchtlichen Teil der Macht einbüßen, um die er jetzt so bangt. Ob sich dies für die Iraner als Segen erweisen kann, ist allerdings keineswegs sicher.
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Freitag, 19. Juni 2009
Birgit Cerha: Khamenei setzt auf volle Autorität
„Geistlicher Führer“ des Irans betont Rechtmäßigkeit der Wahl und richtet drohende Worte an die Opposition und den Westen.
Wenn die seit Tagen zu Hunderttausenden gegen die umstrittenen räsidentschaftswahlen vor einer Woche auf ein Zeichen des Entgegenkommens durch den „Geistlichen Führer“ Ayatollah Khamenei gehofft hatten, so wurden sie Freitag bitter enttäuscht. Die Worte, die Irans „starker Mann“ beim Freitagsgebet in Teheran an Zehntausende aus dem ganzen Land herbeigeholte Anhänger richtete, hätten kaum kompromissloser und kaum härter sein können. Es war ein höchst ungewöhnlicher Auftritt des „Führers“, der die allwöchentlichen Reden beim Freitagsgebet stets anderen überlässt. Die Tatsache, dass Khamenei diesmal das Wort ergriff und sich zum erstenmal seit Beginn der Unruhen in der Öffentlichkeit zeigte, ist deutlicher Hinweis auf die Schicksalhaftigkeit des Augenblicks. Zugleich erfüllt das Ereignis wohl den Zweck, der iranischen und internationalen Öffentlichkeit, die seit Tagen mit Bildern friedlich gegen das Wahlergebnis demonstrierender Massen konfrontiert wurden, die „andere Seite“ zu zeigen, Zehntausende fäusteschwingende Iraner, die immer und immer wieder im Chor ihre beigeisterte Unterstützung für das System und dessen Führer kundtaten.
Khamenei hat in seiner Rede, die ein deutlicher Versuch ist, seine angeschlagene Autorität zu behaupten, klar die Richtung angegeben: Am Wahlergebnis, am Sieg Präsident Ahmadinedschads ist nicht zu rütteln. Und er ließ keine Zweifel, dass jene, die das dennoch tun, mit harten Konsequenzen rechnen müssten.
Nach altbewährter Methode des Regimes legte er besonderes Schwergewicht auf die Wahlbeteiligung, die sogar jene des Referendums über die „Islamische Republik“ nach dem Sieg der Revolution 1979 übertroffen hätte. 40 Millionen Wähler, keineswegs nur die 24 Millionen, die Ahmadinedschad ihre Stimme gegeben hätten, stünden hinter der „Islamischen Republik“. Damit will er die Opposition und alle Gegner im Westen darauf hinweisen, dass das System unter seiner Führung noch an Stärke gewonnen habe und – weil fest im Volk verankert - völlig unverwundbar sei. Der Verdacht des Gegenteils hatte sich in den vergangenen Tagen angesichts der Tatsache aufgedrängt, dass nicht nur Massenproteste in vielen Teilen des Landes ausgebrochen waren, sondern dass sie alle Schichten der Bevölkerung und auch Teile des islamischen Systems erfasst haben.
So betonte er denn auch, dass alle drei Herausforderer Ahmadinedschads, insbesondere auch die Hauptfigur der Protestbewegung, Mir Hussein Mussawi, Teil des Systems seien. Immerhin war Mussawi acht Jahre lang Premierminister gewesen.
Keinen Millimeter rückte Khamenei von seiner ursprünglichen Position ab, das Wahlergebnis sei korrekt, ja Fälschungen seien in diesem Wahlsystem gar nicht möglich. Die Fakten freilich widerlegen solche Behauptung. Gerade das System lässt Tür und Tor für Manipulation offen.
In einzigartiger Deutlichkeit stellte sich Khamenei sodann hinter Ahmadindedschad und pries die tiefen ideologischen Überzeugungen, die ihn mit seinem Präsidenten verbänden. Tatsächlich hatte Khamenei seit seinem Aufstieg zum „Führer“ vor zwei Jahrzehnten keinen Präsidenten an seiner Seite, mit dem er sich in entscheidenden politischen Fragen so einig fühlte und der ihm zugleich zu einer wesentlichen Stärkung seiner eigenen Position verhalf.
Wie zu erwarten, war auch diese Rede des „Führers“ von altbekannten Verschwörungstheorien durchzogen: die westlichen Medien hätten provoziert, ebenso westliche Regierungen, ungeachtet der Tatsache, dass sich diese in Kommentaren seit Tagen betont zurückhalten. Das Bemühen, die Ursache der Krise im Ausland zu suchen, ist ein beliebtes Ablenkungsmanöver in die Enge getriebener Despoten. Im Falle des Irans aber hat es noch viel tiefere Ursachen. Khamenei ist fast besessen von der Angst vor einer „samtenen Revolution“, die ja Ex-Präsident Bush einst offen durch Unterstützung iranischer Oppositionsbewegungen zu inszenieren hoffte. Wie tief diese Angst sitzt, bewies der „Führer“ auch in dieser Rede durch seinen Hinweis auf Entwicklungen in Georgien, wo zehn Millionen Dollar Unterstützung zum Regimewechsel gereicht hätten. Hier liegt die Hauptursache für Khameneis Strategie der Unerbittlichkeit: Kommt er jetzt der Opposition entgegen, dann könnte die Bewegung all zu rasch – wie in Osteuropa geschehen – ihre das System massiv bedrohende Eigengesetzlichkeit gewinnen.
So entschied sich Khamenei zu einer Drohung, die härter nicht sein könnte: Halten die Demonstrationen an, dann seien die Organisatoren für alles weitere verantwortlich. Das „Volk“ werde reagieren: Gemeint sind damit die Schlägertrupps des Regimes, Millionen von Bassidsch und Sicherheitkräfte. Und der Vorwand zu Massenverhaftungen wäre gegeben. Die Entscheidung liegt nun bei der Opposition: Resignation und verschärfte Diktatur oder das enorme Risiko des Freiheitskampfes mit unabsehbaren Konsequenzen.
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Wenn die seit Tagen zu Hunderttausenden gegen die umstrittenen räsidentschaftswahlen vor einer Woche auf ein Zeichen des Entgegenkommens durch den „Geistlichen Führer“ Ayatollah Khamenei gehofft hatten, so wurden sie Freitag bitter enttäuscht. Die Worte, die Irans „starker Mann“ beim Freitagsgebet in Teheran an Zehntausende aus dem ganzen Land herbeigeholte Anhänger richtete, hätten kaum kompromissloser und kaum härter sein können. Es war ein höchst ungewöhnlicher Auftritt des „Führers“, der die allwöchentlichen Reden beim Freitagsgebet stets anderen überlässt. Die Tatsache, dass Khamenei diesmal das Wort ergriff und sich zum erstenmal seit Beginn der Unruhen in der Öffentlichkeit zeigte, ist deutlicher Hinweis auf die Schicksalhaftigkeit des Augenblicks. Zugleich erfüllt das Ereignis wohl den Zweck, der iranischen und internationalen Öffentlichkeit, die seit Tagen mit Bildern friedlich gegen das Wahlergebnis demonstrierender Massen konfrontiert wurden, die „andere Seite“ zu zeigen, Zehntausende fäusteschwingende Iraner, die immer und immer wieder im Chor ihre beigeisterte Unterstützung für das System und dessen Führer kundtaten.
Khamenei hat in seiner Rede, die ein deutlicher Versuch ist, seine angeschlagene Autorität zu behaupten, klar die Richtung angegeben: Am Wahlergebnis, am Sieg Präsident Ahmadinedschads ist nicht zu rütteln. Und er ließ keine Zweifel, dass jene, die das dennoch tun, mit harten Konsequenzen rechnen müssten.
Nach altbewährter Methode des Regimes legte er besonderes Schwergewicht auf die Wahlbeteiligung, die sogar jene des Referendums über die „Islamische Republik“ nach dem Sieg der Revolution 1979 übertroffen hätte. 40 Millionen Wähler, keineswegs nur die 24 Millionen, die Ahmadinedschad ihre Stimme gegeben hätten, stünden hinter der „Islamischen Republik“. Damit will er die Opposition und alle Gegner im Westen darauf hinweisen, dass das System unter seiner Führung noch an Stärke gewonnen habe und – weil fest im Volk verankert - völlig unverwundbar sei. Der Verdacht des Gegenteils hatte sich in den vergangenen Tagen angesichts der Tatsache aufgedrängt, dass nicht nur Massenproteste in vielen Teilen des Landes ausgebrochen waren, sondern dass sie alle Schichten der Bevölkerung und auch Teile des islamischen Systems erfasst haben.
So betonte er denn auch, dass alle drei Herausforderer Ahmadinedschads, insbesondere auch die Hauptfigur der Protestbewegung, Mir Hussein Mussawi, Teil des Systems seien. Immerhin war Mussawi acht Jahre lang Premierminister gewesen.
Keinen Millimeter rückte Khamenei von seiner ursprünglichen Position ab, das Wahlergebnis sei korrekt, ja Fälschungen seien in diesem Wahlsystem gar nicht möglich. Die Fakten freilich widerlegen solche Behauptung. Gerade das System lässt Tür und Tor für Manipulation offen.
In einzigartiger Deutlichkeit stellte sich Khamenei sodann hinter Ahmadindedschad und pries die tiefen ideologischen Überzeugungen, die ihn mit seinem Präsidenten verbänden. Tatsächlich hatte Khamenei seit seinem Aufstieg zum „Führer“ vor zwei Jahrzehnten keinen Präsidenten an seiner Seite, mit dem er sich in entscheidenden politischen Fragen so einig fühlte und der ihm zugleich zu einer wesentlichen Stärkung seiner eigenen Position verhalf.
Wie zu erwarten, war auch diese Rede des „Führers“ von altbekannten Verschwörungstheorien durchzogen: die westlichen Medien hätten provoziert, ebenso westliche Regierungen, ungeachtet der Tatsache, dass sich diese in Kommentaren seit Tagen betont zurückhalten. Das Bemühen, die Ursache der Krise im Ausland zu suchen, ist ein beliebtes Ablenkungsmanöver in die Enge getriebener Despoten. Im Falle des Irans aber hat es noch viel tiefere Ursachen. Khamenei ist fast besessen von der Angst vor einer „samtenen Revolution“, die ja Ex-Präsident Bush einst offen durch Unterstützung iranischer Oppositionsbewegungen zu inszenieren hoffte. Wie tief diese Angst sitzt, bewies der „Führer“ auch in dieser Rede durch seinen Hinweis auf Entwicklungen in Georgien, wo zehn Millionen Dollar Unterstützung zum Regimewechsel gereicht hätten. Hier liegt die Hauptursache für Khameneis Strategie der Unerbittlichkeit: Kommt er jetzt der Opposition entgegen, dann könnte die Bewegung all zu rasch – wie in Osteuropa geschehen – ihre das System massiv bedrohende Eigengesetzlichkeit gewinnen.
So entschied sich Khamenei zu einer Drohung, die härter nicht sein könnte: Halten die Demonstrationen an, dann seien die Organisatoren für alles weitere verantwortlich. Das „Volk“ werde reagieren: Gemeint sind damit die Schlägertrupps des Regimes, Millionen von Bassidsch und Sicherheitkräfte. Und der Vorwand zu Massenverhaftungen wäre gegeben. Die Entscheidung liegt nun bei der Opposition: Resignation und verschärfte Diktatur oder das enorme Risiko des Freiheitskampfes mit unabsehbaren Konsequenzen.
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Mittwoch, 17. Juni 2009
Birgit Cerha: „Tulpen wachsen aus dem Blut unserer Jugend“
Während das iranische Regime mit dem Schlag gegen die Opposition beginnt, vermag es das Volk nicht zu knebeln
„Ich will nicht mehr davonlaufen; ich will nicht mehr die Hände in den Schoß legen; ich will es nicht länger ertragen; es ist Zeit, mich zu wehren.“ Mit diesem kleinen Gedicht, verbreitet über das Internet, fasst eine junge Iranerin die Gefühle vieler Menschen zusammen, die sich durch Gewalt und Drohungen nicht mehr davon abhalten lassen wollen, in den Straßen gegen das Regime zu protestieren. Durch gezielte Verhaftungen führender Aktivisten, Menschenrechtler, Journalisten, begleitet von den strikten Bewegungseinschränkung für ausländische Medien, der Annullierung von Akkreditierungen für westliche Journalisten, kann das Regime jedoch der neuen Technologie nicht Herr werden. Der Kampf zwischen der sich nach Freiheit sehnenden Bevölkerung und den islamischen Diktatoren hat sich auch auf die Ebene des Internets verlagert und das Regime kann ihn, trotz intensiver Blockierungsversuche nicht gewinnen.
So dringen aus dem „Gottesstaat“ erschütternde Meldungen, Kommentare, Aufrufe, Fotos und Videos, die der Welt wenigstens ein wenig Einblick in die dramatischen Ereignisse bieten. Ein junger Mann etwa stellte ein Video in seinen Blog, das die Ermordung eines jungen Studenten in Isfahan durch Schlägertrupps des Regimes zeigt. Youtube habe den Film wieder abgesetzt, weil er unerträgliche Grausamkeit zeige, so der Kommentar des Bloggers. „Er zahlte sein Leben für die Freiheit“.
Der bewegende Kommentar eines anderen Bloggers, drückt die Hoffnung aus, die viele der Demonstranten und all jener, die die Protestbewegung sympathisierend beobachten, immer noch nicht verloren haben: „Tulpen wachsen aus dem Blut unserer Jugend.“
„Fürchtet euch nicht, wir stehen zusammen“, schreibt Nooshabeh Amiri in der reformorientierten Website „rooz“. „Es sieht aus wie 1979 (islamische Revolution), oder nicht? Doch 1979 hatte uns die Leidenschaft getrieben. Heute aber sind die Menschen wohl leidenschaftlich, doch zugleich weiser geworden. Sie gehen auf die Straßen, um zu sagen, was sie 1979 verschwiegen hatten: Wir stehen zusammen und stützen uns auf ein Prinzip. Wir haben unsere Hausaufgabe in Sachen Demokratie gemacht. Es muss tausende Male niedergeschrieben werden: Wir respektieren die Stimmen der anderen und die Tatsache, dass wir allein nicht die Wahrheit besitzen. Aufgrund dieser Erfahrung wissen wir, dass wir nicht zu Gewalt Zuflucht nehmen müssen.
In einem eindringlichen Appell wendet sich die derzeit im Ausland weilende Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi an das Regime, als ersten Schritt zur Beruhigung der explosiven Lage die verhafteten Aktivisten, darunter führende Menschenrechtler, Journalisten und Reformpolitiker (Abdol Fatah Soltani, Mohammad Ali Abtahi und Said Hajarian) freizulassen. Zu der Entscheidung des „Geistlichen Führers“ Khamenei, den „Wächterrat“ einen Teil der Stimmen neu auszählen zu lassen, meint Ebadi, dies würde „in der gegenwärtigen Situation nichts lösen“. Die Juristin schließt sich den Forderungen der Oppositionskandidaten Mussawi und Karrubi an: „Neuwahlen müssen abgehalten werden, doch diesmal unter Beobachtung internationaler Organisation“, um sicherzustellen, dass „die Stimmzettel die aus den Wahlurnen genommen werden, wirklich jene der Wähler sind“. Zugleich ruft Ebadi die Iraner auf, „friedlich zu demonstrieren“.
Menschenrechtsorganisationen äußerten sich Mittwoch sehr besorgt über den Gesundheitszustand Hajarians, der im Jahr 2000 als enger Berater Präsident Khatamis, bei einem Attentat fast ums Leben gekommen wäre und bis heute ständiger medizinischer Betreuung bedarf. Nicht nur in Teheran, auch in Tabriz, der Heimatstadt Mussawis, und anderen Städten wurden in den vergangenen Tagen mehr als hundert Menschen verhaftet.
Nach bisher unbestätigten Berichten wurde Dienstag Mohammad Asgari, verantwortlich für die Sicherheit des IT-Netzwerkes im iranischen Innenministerium, bei einem verdächtigen Autounfall in Teheran getöet. Asgari hat offenbar Beweise an die Öffentlichkeit gebracht, dass die Wahlen gefälscht worden waren. Laut Asgari hatte Mussawi 19 Millionen Stimmen erhalten und sollte danach eindeutig der neue Präsident sein.
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Dienstag, 16. Juni 2009
Birgit Cerha: Proteste entlarven tiefe Spaltung im iranischen Regime
Die Konfrontation über die Wahlergebnisse erschüttert das islamische System in seinen Grundfesten
Die Szenen erinnern an die blutigen Studentenproteste in Teheran vor zehn Jahren unter Präsident Khatami. Der damalige Reformpräsident Khatami verweigerte den Demonstranten den Rückhalt. Tote waren zu beklagen und Hunderte wurden verhaftet und gefoltert. Die Studentenbewegung wurde zur Bedeutungslosigkeit eingeschüchtert. Doch im Gegensatz zu damals handelt es sich bei den Demonstrationen Hunderttausender Menschen, die brutalen Einschüchterungen durch das Innenministerium, Todesschüssen auf Protestierer trotzen und weiter in die Straßen ziehen, um ihrem Zorn über den manipulierten Wahlsieg Präsident Ahmadinedschads Luft zu lassen, nicht einfach um eine Volksbewegung. Die Demonstranten haben diesmal einen mutigen Führer, Mussawi, der – treuer Jünger Ayatollah Khomeinis – auch über beträchtlichen Rückhalt im Establishment verfügt, den Volkszorn offen teilt und es, im Gegensatz zu Khatami, wagt, sich vor die Protestierenden zu stellen. Vor allem aber setzt sich diese Massenbewegung aus vielen Angehörigen des islamischen Systems zusammen, teilen auch hohe Vertreter des Establishments über Ahmadinedschad und dessen unverhohlene Unterstützung durch den „Geistlichen Führer“ Ali Khamenei den Ärger der Masse.
Diese Entwicklung muss Khamenei erzittern lassen. Denn der Protest richtet sich in erster Linie gegen ihn und die von ihm so hemmungslos offen betriebene Wahlfälschung, mit der er sich weitere vier Jahre unter seinem Schützling-Präsidenten Ahmadinedschad sichern will. In Wahrheit geht es bei dieser explosionsgeladenen Auseinandersetzung im Iran längst nicht mehr primär um die Person des Präsidenten, auch nicht um Mussawi, dessen Reformwillen ohnedies Grenzen gesetzt sein dürften. Es geht um eine dramatische Eskalation eines Machtkampfes zwischen verschiedenen Kräften des Regimes: zwischen Khamenei und dem mächtigen Ex-Präsidenten Rafsandschani, zwischen den Neo-Fundamentalisten und Militaristen der Revolutionsgarden und paramilitärischen Bassidsch, die unter Führung ihres einstigen Mitglieds Ahmadinedschad den Iran zu den „reinen Idealen“ der Revolution zurückführen und von allen unliebsamen und korrupten Elementen, den Profiteuren des Systems, säubern wollen. Sie haben Khamenei auf ihrer Seite.
Auftakt zur Eskalation gab Ahmadinedschad in seinem Fernsehduell gegen Mussawi kurz vor dem Wahltag, als er massiv vor aller Öffentlichkeit seinen Erzfeind Rafsandschani, den er bei den Wahlen 2005 zwar besiegt hatte, doch der ihn immer wieder offen und massiv kritisiert, und dessen Söhne attackierte. Längst ist klar, dass Vorbereitungen zu einem Schlag gegen die Rafsandschanis und andere Kritiker und Gegner des Präsidenten bereits begonnen haben. Ohne Rückendeckung Khameneis hätte Ahmadinedschad Rafsandschani, immer noch einer der mächtigsten Männer im „Gottesstaat“ nicht derart bedrohen können.
Doch der Konflikt reicht viel tiefer. Große Meinungsverschiedenheiten über die Politik des „Gottesstaates“, über die Beziehungen zum „großen Satan“ USA, die Rafsandschani seit langem wieder herstellen will, lasten auf seinem 20-jährigen Zweckbündnis mit Khamenei. Rafsandschani ist der wohl engste Vertraute Khomeinis, der heute noch Fäden der Macht in Händen hält. Er war es gewesen, der den „letzten Wunsch“ des Revolutionsführers Khamenei übermittelte und damit die Nachfolge ermöglichte. Zugleich aber stört stets Rafsandschanis Ärger über die verfassungsrechtlich mächtigere Position des „Geistlichen Führers“ seit langem das Verhältnis der beiden. Khamenei war lange auf den im Ränkespiel der Macht weit gewiefteren Rafsandschani angewiesen, dies umso mehr, als es ihm nie gelang, den Respekt der Revolutionsführer seiner Generation zu gewinnen. „Es handelt sich heute um einen Kampf zwischen Khamenei und einer Generation, die ihre politische Macht und Legitimation nicht ihm verdankt“, analysiert der Iran-Experte Mehdi Khalaji. Auch die Tatsache, dass er bis heute, aufgrund seiner mäßigen religiösen Bildung nicht den vollen Rückhalt der hohen Geistlichen in der heiligen Stadt Qom erhielt, schwächte Khameneis Position.
Weil ihm der starke Rückhalt im System fehlte, baute sich Khamenei im Laufe der vergangenen Jahre seine eigene Hausmacht auf: Geheimdienst, Militär, Revolutionsgarden und paramilitärische Bassidsch. Aus diesen Kreisen kommt Ahmadinedschad, mit dessen Ideen sich Khamenei identifizieren konnte, wie nie zuvor mit einem Präsidenten. Als Ahmadinedschad schließlich Administration und Bürokratie von Technokraten säuberte und überall in das System gleichgesinnte Angehörige der Revolutionsgarden infiltrierte, stärkte er damit auch die Macht Khameneis, mit dem ihm bis heute eine Beziehung von „Lehrmeister und Schüler“ verbindet.
Zudem half Ahmadinedschads wilder Radikalismus Khamenei, sein Image als vergleichsweise moderater, besonnener Führer aufzubauen.
Mit den Revolutionsgarden, deren Oberkommandierender er ist und deren Führer er direkt bestellt, verbindet Khamenei eine Zweckgemeinschaft: Sie stützen seine Macht und er ermöglicht ihnen ihre höchst lukrative ökonomische Autonomie. Mit Ahmadinedschad als Präsidenten und den militärischen Einheiten hinter sich, wollte Khamenei es wagen, sich endgültig der so ungeliebten alten revolutionären Garde zu entledigen und mit den revolutionären Anti-Reformkräften, die Ahmadinedschad zu stärken und zu vereinen verstand, zu den „Idealen der Revolution“ zurückzukehren und eine neue Ära im „Gottesstaat“ zu beginnen.
Als Präsident zweier mächtiger Gremien, des „Schlichtungsrates“ und des „Expertenrates“, dank seines massiven politischen und ökonomischen Einflusses, besitzt Rafsandschani große Chance, solche Pläne, die seine eigene Existenz bedrohen, zu vereiteln. Schon gibt es Berichte, er sei nach Qom geeilt, um führende Geistliche zu einer Sondersitzung des „Expertenrates“ zu bewegen. Klares Ziel, entsprechend der Funktion dieses Gremiums: Khamenei des Amtes zu entheben. Rafsandschani hofft wohl, die Gefahr eines derartigen Schrittes werde reichen, um den „Geistlichen Führer“ zum entscheidenden Einlenken zu zwingen.
Erschienen in der "Frankfurter Rundschau" am 17.06.2009
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Birgit Cerha: Ali Khameneis „weißer Coup“
Warum Irans „Geistlicher Führer“ mit den Traditionen brach und das Land damit in seine schwerste Krise seit der Revolution stürzte
„Es gibt kaum einen anderen Führer in der Welt, der größere Bedeutung im gegenwärtigen internationalen Geschehen besitzt“ und zugleich so stark im Hintergrund bleibt und „so wenig verstanden wird“, wie der „Geistliche Führer“ des Irans, Ayatollah Ali Khamenei. Mit diesen Worten leitet der Iran-Experte Karim Sadjadpour eine bemerkenswerte Studie der Weltsicht des mächtigsten Mannes im „Gottesstaat“ ein.
Dieser 68-jährige Geistliche, der zu den treuesten Schülern Revolutionsführer Khomeinis zählte, und seinen Aufstieg zum „Velayat-e Faqih“ (Herrschaft des obersten Rechtsgelehrten und höchste Autorität) einer Notlösung nach dem Zerwürfnis zwischen Khomeini und dessen designiertem Nachfolger Ayatollah Montazeri verdankt, hält sich auch nach 20 Jahren der Herrschaft weitgehend bescheiden im Hintergrund. Bar des populistischen Charismas seines verstorbenen Mentors, scheut der Gottesmann mit dem ungepflegten weißen Bart das Rampenlicht und meidet Interviews. Doch in Wahrheit zieht er hinter den Kulissen die Fäden der Macht heute dank interner und geopolitischer Entwicklungen wie nie zuvor. Nun aber, am Höhepunkt der Macht angelangt, stürzte er durch fatale Fehlkalkulationen nicht nur das Land in seine schwerste Krise seit der Revolution, sondern rüttelt auch an den Grundfesten seiner eigenen Position.
Zum erstenmal wagten die von einem „weißen Coup“ des Regimes gegen seine internen Gegner überzeugten Massen um den offiziell bei den Präsidentschaftswahlen am 12. Juni gegen den Amtsinhaber Ahmadinedschad unterlegenen Kandidaten Mussawi – wiewohl zaghaft aber dennoch – ein striktes Tabu zu durchbrechen und das Unerhörte zur rufen: „Nieder mit Khamenei“. Sie begriffen längst, dass der selbst in Kreisen des Establishments stark angefochtene Ahmadinedschad ohne Rückendeckung des „Geistlichen Führers“ seine Position nicht halten kann. Wie tief die Empörung Hunderttausender Khamenei erzittern läßt, zeigt seine Entscheidung, das Wahlresultat doch nochmals von dem für die Überwachung von Wahlen zuständigen „Wächterrat“ (ihm allerdings nahe stehenden) überprüfen zu lassen.
Selbst intime Kenner der iranischen Machtverhältnisse konnten kaum glauben, dass Khamenei ganz offensichtlich noch vor Ausszählung aller Stimmen den vom Innenministerium verkündeten überwältigenden Sieg Ahmadinedschads bestätigte und dies mit der deutlichen Warnung an alle politischen Fraktionen verband, das Ergebnis unter keinen Umständen anzufechten. Dieser im politischen Ränkespiel des „Gottesstaates“ so bewanderte Geistliche wagte damit einen eklatanten Bruch mit den politischen Traditionen der „Islamischen Republik“ mit ihrer einzigartigen Form der Herrschaft: Sie verbindet die absolute Autorität der Geistlichen, repräsentiert durch den „Höchsten Führer“, mit quasi demokratischen Elementen. Präsident und Parlament gehen aus regelmäßigen Wahlen hervor. Damit sichert sich der autoritär geführte Staat ein Ventil für den Willen des Volkes. Dieser wurde auch – freilich beschränkt – bisher respektiert. Warum entschied sich Khamenei dann plötzlich für offene Durchsetzung der Macht, die den Weg des Irans zur totalen Diktatur ebnen soll?
Dabei beschreiben alte Mitstreiter diesen Mann, dessen schwarzer Turban ihn als direkten Nachkommen des Propheten Mohammed ausweist, als einen „geheimen Gemäßigten“ mit großer Liebe zu Musik und Poesie. Die Tatsache, dass er – im Gegensatz zu den Gepflogenheiten traditionalistischer Geistlicher, eine Armbanduhr trägt, lasse gar einen Hang zur „Avant-Garde“ erkennen. Auch ist er über den ansonsten so weit verbreiteten Vorwurf der Korruption erhaben. Er führt, trotz seiner Machtposition, ein betont bescheidenes Leben. Iraner mit persönlichem Zugang zum „Führer“ meinen, er sei „weder Diktator, noch Demokrat“, doch vereine Züge von beiden in sich. Die Notwendigkeit, in diesem durch viele Fraktionen zersplitterten System aber die mächtigen radikalen Geistlichen in Schach zu halten, zwinge ihn häufig zu radikalen Positionen. Keine Entscheidung von nationalem Interesse ist ohne ihn möglich, doch bis zu diesen schicksalhaften Wahlen traf er sie stets durch Konsens und liebt es, sich dem Volk als großherziger Großvater zu präsentieren, der selbstlos über den Machtfraktionen steht und den „Gottesstaat“ auf dem Weg hoher Tugend lenkt – dies stets ernst und ohne Humor. Die Herzen der Iraner eroberte er auf diese Weise nicht. In seinem Balanceakt zwischen den Fraktionen favorisiert er stets die Konservativen gegenüber den Reformern. Niemand zweifelt daran, dass die Erhaltung des Systems, und damit auch seiner eigenen Macht, für diesen Geistlichen mit der überdimensionalen Hornbrille allerhöchste Priorität besitzt.
Doch es ist keineswegs nur Macht, sondern auch Ideologie, die Khamenei leitet und zu der er konsequent steht: „islamische Gerechtigkeit“, bedingungslose nationale Unabhängigkeit, ökonomische Autarkie, eine tiefe Abneigung gegenüber Israel (möglicherweise ausgelöst durch grausige Folter, die ihm der einst von Israelis ausgebildete Geheimdienst des Schahs zugefügt hatte) und einen bemerkenswert beständigen Haß auf die „Weltarroganz“ (USA), seit der Präsidentschaft George Bushs stets von ihm als der „leibhaftige Teufel“ beschimpft. Iran, sagte er einmal, „zieht Niederlage einem durch Ungerechtigkeit oder Unterdrückung erreichten Sieg vor“. Ein „kalter Krieg“ mit der Supermacht birgt deshalb für ihn geringere Gefahren als freundschaftliche Umarmung.
Tiefes Misstrauen gegen amerikanische Intentionen bestimmt Khameneis Position und dabei fürchtet er nichts so sehr wie die „Samtene Revolution“, den plötzlichen, vom Westen geförderten friedlichen politischen Wandel, wie ihn etwa Ost-Europa erlebte, geführt von pro-westlichen Intellektuellen. Als Mussawi es im Wahlkampf verstand, den frustrierten, sich nach Freiheit und Reformen sehnenden Massen neue Hoffnung zu geben, rückte das Schreckgespenst der „samtenen Revolution“ bedrohlich nahe.
Von hohen Geistlichen wegen seiner mangelhaften religiösen Bildung angefochten und von politischen Rivalen der alten revolutionären Garde nur widerwillig akzeptiert und nie voll geachtet, suchte sich Khamenei seine eigene Hausmacht. Er fand sie bei den Sicherheitskräften, bei den mächtigen Revolutionsgarden und Millionen von paramilitärischen Bassidsch. Aus diesen Kreisen entspringt Ahmadinedschad, mit dem Khamenei erstmals einen ihm ideologisch voll gleichgesinnten Präsidenten aufbauen konnte. In kürzester Zeit verstand es dieser Schützling des „Führers“, das politische Leben zu militarisieren, effiziente Technokraten in der Verwaltung, Bürokraten in wichtigen Positionen durch gleich gesinnte Revolutionsgardisten zu ersetzen. Dank Ahmadinedschad konnte Khamenei seine Macht im Lande stärken. Und gemeinsam schienen sie entschlossen, in einer zweiten Amtsperiode des Präsidenten die mächtigen politischen Rivalen der alten Garde – allen voran Ali Akbar Rafsandschani, Präsident zweier höchst einflussreicher Gremien - endlich auszuschalten und ihre Macht weiter auszubauen. Ahmadinedschad setzte in seiner TV-Diskussion gegen Mussawi im Wahlkampf, als er unvermittelt Rafsandschanis beide Söhne wegen Korruption massiv kritiserte, dafür den Auftakt. Eine derartige Attacke hätte der Präsident ohne Rückendeckung Khameneis nicht wagen können. Unter dem Deckmantel eines seit vier Jahren dem Volk versprochenen Kampfes gegen Korruption sollten – so der Plan – politische Gegner massiv ausgeschaltet werden.
Doch als Mussawi eine Massenbewegung vom Zaum brach, wurde Khamenei wohl seine Fehleinschätzung der Emotionen in der Bevölkerung und seine gravierende Glaubwürdigkeitskrise bewusst. Durch seinen „weißen Coup“ hoffte er, das durch drei Jahrzehnte islamischer Diktatur eingeschüchterte Volk vor unverrückbare Tatsachen zu stellen. Doch diesmal wollen die Iraner nicht resignieren. Das System kämpft nun mit einer beispiellosen Krise. Hinter den Kulissen holt Rafsandschani zum Gegenschlag aus. Er versucht den Expertenrat, dessen Vorsitzender er ist, zu einer Sondersitzung einzuberufen. Dieses Gremium besitzt die Macht, den „Geistlichen Führer“ abzuwählen. Khamenei aber ist auch ein Pragmatiker. Um seinen Sturz zu verhindern, könnte er sich zu weitgehenden Zugeständnissen, vielleicht sogar zu einer Neuwahl des Präsidenten, bereit finden. Zunächst hofft er, durch ein Überprüfungsverfahren des Wahlergebnisses Zeit zu gewinnen, in der sich der Volkszorn legen und die Menschen, erneut tief eingeschüchtert, von den Straßen abziehen würden. Gelingt dies nicht, könnte die Krise zur Unkontrollierbarkeit eskalieren. Die große Unbekannte dabei ist, ob Khamenei, selbst wenn er dem Land ein Blutbad ersparen und zurückstecken will, überhaupt noch in der Lage ist, die um ihre Macht bangenden Geister, die er rief – die Militärs, Revolutionsgarden, Bassidsch und nicht zuletzt auch sein Schützling Ahmadinedschad – unter Kontrolle zu halten.
Erschienen im "Rheinen Merkur" am 18.06.2009
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„Es gibt kaum einen anderen Führer in der Welt, der größere Bedeutung im gegenwärtigen internationalen Geschehen besitzt“ und zugleich so stark im Hintergrund bleibt und „so wenig verstanden wird“, wie der „Geistliche Führer“ des Irans, Ayatollah Ali Khamenei. Mit diesen Worten leitet der Iran-Experte Karim Sadjadpour eine bemerkenswerte Studie der Weltsicht des mächtigsten Mannes im „Gottesstaat“ ein.
Dieser 68-jährige Geistliche, der zu den treuesten Schülern Revolutionsführer Khomeinis zählte, und seinen Aufstieg zum „Velayat-e Faqih“ (Herrschaft des obersten Rechtsgelehrten und höchste Autorität) einer Notlösung nach dem Zerwürfnis zwischen Khomeini und dessen designiertem Nachfolger Ayatollah Montazeri verdankt, hält sich auch nach 20 Jahren der Herrschaft weitgehend bescheiden im Hintergrund. Bar des populistischen Charismas seines verstorbenen Mentors, scheut der Gottesmann mit dem ungepflegten weißen Bart das Rampenlicht und meidet Interviews. Doch in Wahrheit zieht er hinter den Kulissen die Fäden der Macht heute dank interner und geopolitischer Entwicklungen wie nie zuvor. Nun aber, am Höhepunkt der Macht angelangt, stürzte er durch fatale Fehlkalkulationen nicht nur das Land in seine schwerste Krise seit der Revolution, sondern rüttelt auch an den Grundfesten seiner eigenen Position.
Zum erstenmal wagten die von einem „weißen Coup“ des Regimes gegen seine internen Gegner überzeugten Massen um den offiziell bei den Präsidentschaftswahlen am 12. Juni gegen den Amtsinhaber Ahmadinedschad unterlegenen Kandidaten Mussawi – wiewohl zaghaft aber dennoch – ein striktes Tabu zu durchbrechen und das Unerhörte zur rufen: „Nieder mit Khamenei“. Sie begriffen längst, dass der selbst in Kreisen des Establishments stark angefochtene Ahmadinedschad ohne Rückendeckung des „Geistlichen Führers“ seine Position nicht halten kann. Wie tief die Empörung Hunderttausender Khamenei erzittern läßt, zeigt seine Entscheidung, das Wahlresultat doch nochmals von dem für die Überwachung von Wahlen zuständigen „Wächterrat“ (ihm allerdings nahe stehenden) überprüfen zu lassen.
Selbst intime Kenner der iranischen Machtverhältnisse konnten kaum glauben, dass Khamenei ganz offensichtlich noch vor Ausszählung aller Stimmen den vom Innenministerium verkündeten überwältigenden Sieg Ahmadinedschads bestätigte und dies mit der deutlichen Warnung an alle politischen Fraktionen verband, das Ergebnis unter keinen Umständen anzufechten. Dieser im politischen Ränkespiel des „Gottesstaates“ so bewanderte Geistliche wagte damit einen eklatanten Bruch mit den politischen Traditionen der „Islamischen Republik“ mit ihrer einzigartigen Form der Herrschaft: Sie verbindet die absolute Autorität der Geistlichen, repräsentiert durch den „Höchsten Führer“, mit quasi demokratischen Elementen. Präsident und Parlament gehen aus regelmäßigen Wahlen hervor. Damit sichert sich der autoritär geführte Staat ein Ventil für den Willen des Volkes. Dieser wurde auch – freilich beschränkt – bisher respektiert. Warum entschied sich Khamenei dann plötzlich für offene Durchsetzung der Macht, die den Weg des Irans zur totalen Diktatur ebnen soll?
Dabei beschreiben alte Mitstreiter diesen Mann, dessen schwarzer Turban ihn als direkten Nachkommen des Propheten Mohammed ausweist, als einen „geheimen Gemäßigten“ mit großer Liebe zu Musik und Poesie. Die Tatsache, dass er – im Gegensatz zu den Gepflogenheiten traditionalistischer Geistlicher, eine Armbanduhr trägt, lasse gar einen Hang zur „Avant-Garde“ erkennen. Auch ist er über den ansonsten so weit verbreiteten Vorwurf der Korruption erhaben. Er führt, trotz seiner Machtposition, ein betont bescheidenes Leben. Iraner mit persönlichem Zugang zum „Führer“ meinen, er sei „weder Diktator, noch Demokrat“, doch vereine Züge von beiden in sich. Die Notwendigkeit, in diesem durch viele Fraktionen zersplitterten System aber die mächtigen radikalen Geistlichen in Schach zu halten, zwinge ihn häufig zu radikalen Positionen. Keine Entscheidung von nationalem Interesse ist ohne ihn möglich, doch bis zu diesen schicksalhaften Wahlen traf er sie stets durch Konsens und liebt es, sich dem Volk als großherziger Großvater zu präsentieren, der selbstlos über den Machtfraktionen steht und den „Gottesstaat“ auf dem Weg hoher Tugend lenkt – dies stets ernst und ohne Humor. Die Herzen der Iraner eroberte er auf diese Weise nicht. In seinem Balanceakt zwischen den Fraktionen favorisiert er stets die Konservativen gegenüber den Reformern. Niemand zweifelt daran, dass die Erhaltung des Systems, und damit auch seiner eigenen Macht, für diesen Geistlichen mit der überdimensionalen Hornbrille allerhöchste Priorität besitzt.
Doch es ist keineswegs nur Macht, sondern auch Ideologie, die Khamenei leitet und zu der er konsequent steht: „islamische Gerechtigkeit“, bedingungslose nationale Unabhängigkeit, ökonomische Autarkie, eine tiefe Abneigung gegenüber Israel (möglicherweise ausgelöst durch grausige Folter, die ihm der einst von Israelis ausgebildete Geheimdienst des Schahs zugefügt hatte) und einen bemerkenswert beständigen Haß auf die „Weltarroganz“ (USA), seit der Präsidentschaft George Bushs stets von ihm als der „leibhaftige Teufel“ beschimpft. Iran, sagte er einmal, „zieht Niederlage einem durch Ungerechtigkeit oder Unterdrückung erreichten Sieg vor“. Ein „kalter Krieg“ mit der Supermacht birgt deshalb für ihn geringere Gefahren als freundschaftliche Umarmung.
Tiefes Misstrauen gegen amerikanische Intentionen bestimmt Khameneis Position und dabei fürchtet er nichts so sehr wie die „Samtene Revolution“, den plötzlichen, vom Westen geförderten friedlichen politischen Wandel, wie ihn etwa Ost-Europa erlebte, geführt von pro-westlichen Intellektuellen. Als Mussawi es im Wahlkampf verstand, den frustrierten, sich nach Freiheit und Reformen sehnenden Massen neue Hoffnung zu geben, rückte das Schreckgespenst der „samtenen Revolution“ bedrohlich nahe.
Von hohen Geistlichen wegen seiner mangelhaften religiösen Bildung angefochten und von politischen Rivalen der alten revolutionären Garde nur widerwillig akzeptiert und nie voll geachtet, suchte sich Khamenei seine eigene Hausmacht. Er fand sie bei den Sicherheitskräften, bei den mächtigen Revolutionsgarden und Millionen von paramilitärischen Bassidsch. Aus diesen Kreisen entspringt Ahmadinedschad, mit dem Khamenei erstmals einen ihm ideologisch voll gleichgesinnten Präsidenten aufbauen konnte. In kürzester Zeit verstand es dieser Schützling des „Führers“, das politische Leben zu militarisieren, effiziente Technokraten in der Verwaltung, Bürokraten in wichtigen Positionen durch gleich gesinnte Revolutionsgardisten zu ersetzen. Dank Ahmadinedschad konnte Khamenei seine Macht im Lande stärken. Und gemeinsam schienen sie entschlossen, in einer zweiten Amtsperiode des Präsidenten die mächtigen politischen Rivalen der alten Garde – allen voran Ali Akbar Rafsandschani, Präsident zweier höchst einflussreicher Gremien - endlich auszuschalten und ihre Macht weiter auszubauen. Ahmadinedschad setzte in seiner TV-Diskussion gegen Mussawi im Wahlkampf, als er unvermittelt Rafsandschanis beide Söhne wegen Korruption massiv kritiserte, dafür den Auftakt. Eine derartige Attacke hätte der Präsident ohne Rückendeckung Khameneis nicht wagen können. Unter dem Deckmantel eines seit vier Jahren dem Volk versprochenen Kampfes gegen Korruption sollten – so der Plan – politische Gegner massiv ausgeschaltet werden.
Doch als Mussawi eine Massenbewegung vom Zaum brach, wurde Khamenei wohl seine Fehleinschätzung der Emotionen in der Bevölkerung und seine gravierende Glaubwürdigkeitskrise bewusst. Durch seinen „weißen Coup“ hoffte er, das durch drei Jahrzehnte islamischer Diktatur eingeschüchterte Volk vor unverrückbare Tatsachen zu stellen. Doch diesmal wollen die Iraner nicht resignieren. Das System kämpft nun mit einer beispiellosen Krise. Hinter den Kulissen holt Rafsandschani zum Gegenschlag aus. Er versucht den Expertenrat, dessen Vorsitzender er ist, zu einer Sondersitzung einzuberufen. Dieses Gremium besitzt die Macht, den „Geistlichen Führer“ abzuwählen. Khamenei aber ist auch ein Pragmatiker. Um seinen Sturz zu verhindern, könnte er sich zu weitgehenden Zugeständnissen, vielleicht sogar zu einer Neuwahl des Präsidenten, bereit finden. Zunächst hofft er, durch ein Überprüfungsverfahren des Wahlergebnisses Zeit zu gewinnen, in der sich der Volkszorn legen und die Menschen, erneut tief eingeschüchtert, von den Straßen abziehen würden. Gelingt dies nicht, könnte die Krise zur Unkontrollierbarkeit eskalieren. Die große Unbekannte dabei ist, ob Khamenei, selbst wenn er dem Land ein Blutbad ersparen und zurückstecken will, überhaupt noch in der Lage ist, die um ihre Macht bangenden Geister, die er rief – die Militärs, Revolutionsgarden, Bassidsch und nicht zuletzt auch sein Schützling Ahmadinedschad – unter Kontrolle zu halten.
Erschienen im "Rheinen Merkur" am 18.06.2009
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Montag, 15. Juni 2009
Birgit Cerha: „Die Krise hat die ganze Nation erfasst“
Hunderttausende Iraner widersetzen sich dem Regime und demonstrieren gegen den Ausgang der Präsidentschaftswahlen
Die Stimmung wird unberechenbar und höchst explosiv. „Die Krise hat die ganze Nation erfasst“, meint Kasra Naji, iranischer Journalist und Autor einer Biografie über Präsident Ahmadinedschad. Hunderttausende Menschen ließen sich Montag auch von einer offenen Drohung des Innenministeriums, tödliche Waffen gegen verbotene Demonstrationen einzusetzen, nicht einschüchtern und protestierten im Zentrum Teherans nun schon den dritten Tag gegen das offiziell verkündete Ergebnis der Präsidentschaftswahl vom vergangenen Freitag. Die unterlegenen Kandidaten der Reformbewegungen Mussavi und Karrubi erschienen bei den Versammlungen, versuchten ihre erzürnten Anhänger zu beschwichtigen und versprachen, das Wahlergebnis auf legalem Wege zu bekämpfen.
Zuvor hatte Mussawi in einem Gespräch mit dem „Geistlichen Führer“ Khamenei eine Überprüfung der Stimmzählung durchgesetzt, die einen unerwartet und wenig glaubhaften Sieg Präsident Ahmadinedschads von 65 Prozent gegenüber 33 Prozent für Mussawi ergeben hatte. Khamenei hatte sich rasch ausdrücklich zu diesem Resultat bekannt.
Der zwölfköpfige, von Anhängern Khameneis und Ahmadinedschads dominierte „Wächterrat“ soll nun nach Anordnung des „Führers“ Anschuldigung der Wahlfälschung sorgfältig prüfen und ein Ergebnis schon binnen zehn Tagen präsentieren. Zugleich warnte Khamenei Mussawi jedoch deutlich „nicht vom Pfad des Gesetzes“ abzuweichen und er meint damit vor allem Demonstrationen. Dennoch kam es Montag nicht nur in Teheran zu Massenprotesten. Nach Telefonberichten aus anderen Städten des Landes wagten sich auch dort unzählige Menschen auf die Straßen, um ihrer Frustration über den „Wahlbetrug“, wie sie es glaubhaft sehen, Luft zu lassen. Das Regime erscheint fest entschlossen, solche Kundgebungen Zehntausender Menschen, die all zu leicht außer Kontrolle geraten können, unter allen Umständen zu verhindern. Deshalb wurden bereits Sonntag die wichtigsten Kommunikationsnetze – Handys, Internet etc – blockiert. An die 200 Anhänger Mussawis wurden unterdessen verhaftet. In Teheran kam es Montag abend auch zu gewaltsamen Zwischenfällen.
Sonntag Abend hatte Ahmadinedschad bei einer Siegesfeier vor Tausenden, überwiegend aus ländlichen Regionen nach Teheran transportierten Anhängern die Wahlen zynisch mit einem Fußballmatch verglichen. „Der Verlierer muss einfach verschwinden.“ Diese Bemerkung nährt latente Ängste, dass jenen, die dieses Wahlergebnis anzweifeln, harte Strafen drohen.
Der ehemalige enge Berater Ex-Präsident Khatamis, Mohammed Ali Abtahi spricht von einem „riesigen (Wahl-)Schwindel. Manche nennen es weißen Coup.“ Und er sieht den Iran an einem Wendepunkt angelangt. Die Iraner, so die Mahnung, die so oft auf Veränderung mit Hilfe der Wahlurne gehofft hatten, sollten nun die Lehre aus den jüngsten Entwicklungen ziehen, dass „Nicht-Regierungsorganisationen durch Wahl die Bedingungen (im Iran) nicht verbessern können. Der Staat schafft einen Zustand der Angst“, die die Menschen nun überwinden müssten.
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Die Stimmung wird unberechenbar und höchst explosiv. „Die Krise hat die ganze Nation erfasst“, meint Kasra Naji, iranischer Journalist und Autor einer Biografie über Präsident Ahmadinedschad. Hunderttausende Menschen ließen sich Montag auch von einer offenen Drohung des Innenministeriums, tödliche Waffen gegen verbotene Demonstrationen einzusetzen, nicht einschüchtern und protestierten im Zentrum Teherans nun schon den dritten Tag gegen das offiziell verkündete Ergebnis der Präsidentschaftswahl vom vergangenen Freitag. Die unterlegenen Kandidaten der Reformbewegungen Mussavi und Karrubi erschienen bei den Versammlungen, versuchten ihre erzürnten Anhänger zu beschwichtigen und versprachen, das Wahlergebnis auf legalem Wege zu bekämpfen.
Zuvor hatte Mussawi in einem Gespräch mit dem „Geistlichen Führer“ Khamenei eine Überprüfung der Stimmzählung durchgesetzt, die einen unerwartet und wenig glaubhaften Sieg Präsident Ahmadinedschads von 65 Prozent gegenüber 33 Prozent für Mussawi ergeben hatte. Khamenei hatte sich rasch ausdrücklich zu diesem Resultat bekannt.
Der zwölfköpfige, von Anhängern Khameneis und Ahmadinedschads dominierte „Wächterrat“ soll nun nach Anordnung des „Führers“ Anschuldigung der Wahlfälschung sorgfältig prüfen und ein Ergebnis schon binnen zehn Tagen präsentieren. Zugleich warnte Khamenei Mussawi jedoch deutlich „nicht vom Pfad des Gesetzes“ abzuweichen und er meint damit vor allem Demonstrationen. Dennoch kam es Montag nicht nur in Teheran zu Massenprotesten. Nach Telefonberichten aus anderen Städten des Landes wagten sich auch dort unzählige Menschen auf die Straßen, um ihrer Frustration über den „Wahlbetrug“, wie sie es glaubhaft sehen, Luft zu lassen. Das Regime erscheint fest entschlossen, solche Kundgebungen Zehntausender Menschen, die all zu leicht außer Kontrolle geraten können, unter allen Umständen zu verhindern. Deshalb wurden bereits Sonntag die wichtigsten Kommunikationsnetze – Handys, Internet etc – blockiert. An die 200 Anhänger Mussawis wurden unterdessen verhaftet. In Teheran kam es Montag abend auch zu gewaltsamen Zwischenfällen.
Sonntag Abend hatte Ahmadinedschad bei einer Siegesfeier vor Tausenden, überwiegend aus ländlichen Regionen nach Teheran transportierten Anhängern die Wahlen zynisch mit einem Fußballmatch verglichen. „Der Verlierer muss einfach verschwinden.“ Diese Bemerkung nährt latente Ängste, dass jenen, die dieses Wahlergebnis anzweifeln, harte Strafen drohen.
Der ehemalige enge Berater Ex-Präsident Khatamis, Mohammed Ali Abtahi spricht von einem „riesigen (Wahl-)Schwindel. Manche nennen es weißen Coup.“ Und er sieht den Iran an einem Wendepunkt angelangt. Die Iraner, so die Mahnung, die so oft auf Veränderung mit Hilfe der Wahlurne gehofft hatten, sollten nun die Lehre aus den jüngsten Entwicklungen ziehen, dass „Nicht-Regierungsorganisationen durch Wahl die Bedingungen (im Iran) nicht verbessern können. Der Staat schafft einen Zustand der Angst“, die die Menschen nun überwinden müssten.
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Birgit Cerha: Khameneis Coup und die Tage des Zorns
Analyse
Eine vom Regime betrogene Massenbewegung rüttelt an den Grundfesten der „Islamischen Republik“
Derartiges hat Irans Hauptstadt seit drei Jahrzehnten nicht mehr gesehen. Seitdem Millionen Iraner unter den Rufen Ayatollah Khomeinis den mächtigsten Militärherrscher des Mittleren Ostens gestürzt hatten, wagten sich nicht mehr so viele, durch Jahrzehnte der islamischen Diktatur eingeschüchterte Menschen zum politischen Protest in die Straßen.
Selbst die Warnung des Innenministeriums vor dem Einsatz von tödlichen Waffen, sollten über den offiziell verkündeten Sieg Präsident Ahmadinedschads vergangenen Freitag erzürnte Bürger ein Demonstrationsverbot ignorieren, schreckte Zehntausende nicht davon ab, den dritten Tag ihre Fäuste gegen die „Tyrannen“ zu erheben und Neuwahlen zu fordern. Fast über Nacht, so scheint es, hat sich das Gesicht des Irans radikal gewandelt. Die sich nach Freiheit und einem würdevollen Leben sehnenden Menschen wollen nicht wieder – wie nach den acht Jahren des gescheiterten Reformpräsidenten Khatami – die gnadenlose Vernichtung ihrer Träume hinnehmen und erneut in tiefe Apathie verfallen. Mit einer solchen Reaktion hatte der mächtigste Mann im „Gottesstaat“, der „Geistliche Führer“ Khamenei, aber gerechnet, als er vergangenen Freitag den Wahlsieg seines Favoriten, Ahmadinedschad, durchsetzte.
Unter der gebildeten Mittelschicht, in weiten Kreisen der städtischen Bevölkerung, herrschen Wut und Angst und die feste Überzeugung, dass die Wiederwahl Ahmadinedschads in Wahrheit nichts anderes sei als ein „Coup“ des „Führers“. Über Websites und Blogs verbreitete Gerüchte, Ahmadinedschad, der offiziell mit 63 Prozent die weitaus stärkste Stimmenzahl erhalten hatte, sei tatsächlich hinter Mussavi und Karrubi nur an dritter Stelle gelandet, steigern Zorn und zugleich ein starkes Gefühl der Ohnmacht. Eine junge Generation ist herangewachsen, die Revolutionswirren und acht Kriegsjahre (1980 bis 1988 gegen den Irak) nicht erlebt hatte und sich nicht mehr bereit zeigt, jeden Preis für ein ruhiges Leben zu bezahlen, vor allem nicht jenen der Freiheit.
Die Regierung, Khamenei, wurden von der Stärke des Zorns überrascht. Deshalb gelang es Mussavi auch Sonntag abend, vom „Führer“ die Zusage einer Überprüfung des Wahlergebnisses zu erwirken, verknüpft mit der klaren Warnung vor weiteren Demonstrationen. Die iranische Verfassung sieht eine derartige Möglichkeit vor. Diese Aufgabe aber obliegt dem „Wächterrat“, der die Wahlen organisiert und überprüft hatte und der von Anhängern Ahmadinedschads dominiert wird. Sein Sekretär, der radikale Ayatollah Jannati, hatte sich schon im Wahlkampf wiederholt energisch für eine zweite Amtsperiode des Präsidenten eingesetzt. Dass der Wächterrat nun das Ergebnis korrigieren wird, erscheint unvorstellbar. Diese Strategie soll lediglich die Massen beschwichtigen und entmutigen, damit Ahmadinedschad mit Rückendeckung Khameneis den Startschuss zu Irans „dritter Revolution“ (die erste und zweite fanden 1979 mit dem Sturz des Schahs, gefolgt von der Besetzung der US-Botschaft statt) geben kann: „zurück zu den Werten der Revolution“, „Säuberung der korrupten Beamten“ und Zementierung der Macht islamischer Radikaler, abgestützt durch die Revolutionsgarden und paramilitärischen Bassidsch.
Nur eine anschwellende Massenbewegung des Volkes kann solche Pläne vereiteln. Mussavi hat sich – bisher – nicht der Entscheidung des „Führers“ gefügt. Er fordert Neuwahlen und kündigt einen für das Regime höchst peinlichen Sitzstreik beim Grab Khomeinis an. In dieser hoch angespannten Atmosphäre kann ein kleiner gewaltsamer Zwischenfall eine Explosion auslösen. Die hohen Geistlichen in Qom, von denen einige Ahmadinedschad die Unterstützung versagen, schwiegen bisher zu den Protesten ebenso wie zum Wahlergebnis. Ihre Position dürfte darüber entscheiden, ob Khamenei den geplanten Schritt zur totalen Despotie mit katastrophalen Folgen vor allem für jene, die sich jetzt für Freiheit und Mitbestimmung eingesetzt hatten, setzt oder ob er sich der Masse fügt und eine Neuwahl ermöglicht.
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Eine vom Regime betrogene Massenbewegung rüttelt an den Grundfesten der „Islamischen Republik“
Derartiges hat Irans Hauptstadt seit drei Jahrzehnten nicht mehr gesehen. Seitdem Millionen Iraner unter den Rufen Ayatollah Khomeinis den mächtigsten Militärherrscher des Mittleren Ostens gestürzt hatten, wagten sich nicht mehr so viele, durch Jahrzehnte der islamischen Diktatur eingeschüchterte Menschen zum politischen Protest in die Straßen.
Selbst die Warnung des Innenministeriums vor dem Einsatz von tödlichen Waffen, sollten über den offiziell verkündeten Sieg Präsident Ahmadinedschads vergangenen Freitag erzürnte Bürger ein Demonstrationsverbot ignorieren, schreckte Zehntausende nicht davon ab, den dritten Tag ihre Fäuste gegen die „Tyrannen“ zu erheben und Neuwahlen zu fordern. Fast über Nacht, so scheint es, hat sich das Gesicht des Irans radikal gewandelt. Die sich nach Freiheit und einem würdevollen Leben sehnenden Menschen wollen nicht wieder – wie nach den acht Jahren des gescheiterten Reformpräsidenten Khatami – die gnadenlose Vernichtung ihrer Träume hinnehmen und erneut in tiefe Apathie verfallen. Mit einer solchen Reaktion hatte der mächtigste Mann im „Gottesstaat“, der „Geistliche Führer“ Khamenei, aber gerechnet, als er vergangenen Freitag den Wahlsieg seines Favoriten, Ahmadinedschad, durchsetzte.
Unter der gebildeten Mittelschicht, in weiten Kreisen der städtischen Bevölkerung, herrschen Wut und Angst und die feste Überzeugung, dass die Wiederwahl Ahmadinedschads in Wahrheit nichts anderes sei als ein „Coup“ des „Führers“. Über Websites und Blogs verbreitete Gerüchte, Ahmadinedschad, der offiziell mit 63 Prozent die weitaus stärkste Stimmenzahl erhalten hatte, sei tatsächlich hinter Mussavi und Karrubi nur an dritter Stelle gelandet, steigern Zorn und zugleich ein starkes Gefühl der Ohnmacht. Eine junge Generation ist herangewachsen, die Revolutionswirren und acht Kriegsjahre (1980 bis 1988 gegen den Irak) nicht erlebt hatte und sich nicht mehr bereit zeigt, jeden Preis für ein ruhiges Leben zu bezahlen, vor allem nicht jenen der Freiheit.
Die Regierung, Khamenei, wurden von der Stärke des Zorns überrascht. Deshalb gelang es Mussavi auch Sonntag abend, vom „Führer“ die Zusage einer Überprüfung des Wahlergebnisses zu erwirken, verknüpft mit der klaren Warnung vor weiteren Demonstrationen. Die iranische Verfassung sieht eine derartige Möglichkeit vor. Diese Aufgabe aber obliegt dem „Wächterrat“, der die Wahlen organisiert und überprüft hatte und der von Anhängern Ahmadinedschads dominiert wird. Sein Sekretär, der radikale Ayatollah Jannati, hatte sich schon im Wahlkampf wiederholt energisch für eine zweite Amtsperiode des Präsidenten eingesetzt. Dass der Wächterrat nun das Ergebnis korrigieren wird, erscheint unvorstellbar. Diese Strategie soll lediglich die Massen beschwichtigen und entmutigen, damit Ahmadinedschad mit Rückendeckung Khameneis den Startschuss zu Irans „dritter Revolution“ (die erste und zweite fanden 1979 mit dem Sturz des Schahs, gefolgt von der Besetzung der US-Botschaft statt) geben kann: „zurück zu den Werten der Revolution“, „Säuberung der korrupten Beamten“ und Zementierung der Macht islamischer Radikaler, abgestützt durch die Revolutionsgarden und paramilitärischen Bassidsch.
Nur eine anschwellende Massenbewegung des Volkes kann solche Pläne vereiteln. Mussavi hat sich – bisher – nicht der Entscheidung des „Führers“ gefügt. Er fordert Neuwahlen und kündigt einen für das Regime höchst peinlichen Sitzstreik beim Grab Khomeinis an. In dieser hoch angespannten Atmosphäre kann ein kleiner gewaltsamer Zwischenfall eine Explosion auslösen. Die hohen Geistlichen in Qom, von denen einige Ahmadinedschad die Unterstützung versagen, schwiegen bisher zu den Protesten ebenso wie zum Wahlergebnis. Ihre Position dürfte darüber entscheiden, ob Khamenei den geplanten Schritt zur totalen Despotie mit katastrophalen Folgen vor allem für jene, die sich jetzt für Freiheit und Mitbestimmung eingesetzt hatten, setzt oder ob er sich der Masse fügt und eine Neuwahl ermöglicht.
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Sonntag, 14. Juni 2009
Birgit Cerha: Iran: Der erzwungene „Sieg“
Wahlanalyse
Das Regime des „Gottesstaates“ entschied sich für Konfrontation im Inneren und nach außen
Die „grüne Revolution“ ist ausgeblieben. Hatte sie je eine Chance? Mir Hussein Mussavi war innerhalb weniger Wochen das Erstaunliche gelungen: Obwohl einst treuer Jünger Khomeinis, als Ministerpräsident hauptverantwortlich für massive Zerschlagung oppositioneller Kräfte im Iran, hatten plötzlich Millionen tief frustrierte und sich nach Freiheit sehnende Iraner – mangels einer Alternative - all ihre Hoffnung auf ein Ende der quälenden Jahre unter Ahmadinedschad auf diesen Mann gesetzt, der ihnen nun plötzlich Reformen, mehr Freiheit und eine effiziente Administration und Ausbruch aus der internationalen Isolation verhieß. Dass er all dies hätte erfüllen können, ja gar wollen, erscheint angesichts seiner politischen Laufbahn ohnedies zweifelhaft.
Anderseits mag Ahmadinedschads Rückhalt in einem Teil der Bevölkerung oft unterschätzt worden sein. In den Armenvierteln Teherans, in Dörfern und Kleinstädten des Landes unter den tiefreligiösen Iranern blieben Samstag und Sonntag die Demonstrationen aus, denn hier war es dem Präsidenten trotz chaotischer Politik nicht zuletzt auch durch die – gesamtökonomisch gesehen so katastrophale – Verteilung der Ölgelder gelungen, sich die Sympathie der Menschen zu erhalten.
Wie diese Präsidentschaftswahlen tatsächlich gelaufen sind, wird die Welt wohl nie erfahren. Tatsache aber bleibt, dass das Regime, dass der „Geistliche Führer“ Khamenei vielfältige Möglichkeiten zur Wahlmanipulation besitzt und dass er deutlich wie nie zuvor – wiewohl nur indirekt – seinen Favoriten, Ahmadinedschad, den Menschen präsentiert hatte. Dass es vor diesem Hintergrund einer sich spontan gebildeten Massenbewegung nicht gelingen kann, den mächtigen „Führer“ direkt herauszufordern, überrascht nicht. Die Wahlen bewiesen Khameneis Stärke, da er seinen Kandidaten selbst gegen den Willen einflussreicher Politiker – etwa Rafsandschani – und einiger hoher Geistlicher durchsetzte.
Die Iraner haben zur Genüge in den vergangenen Jahrzehnten die Brutalität der Sicherheitskräfte, deren revolutionärer Helfer und schließlich auch der Justiz erfahren müssen. Dass sie nun erstmals ihre Angst überwanden und zornig in die Straßen zogen, illustriert die bis zur Unerträglichkeit gesteigerte Frustration mit einem Regime, das die Schraube der Repression immer fester zog und die Menschen zu einem von der Welt abgeschnittenen Leben verdammt.
Mussavi will die Wahlen anfechten. Das zumindest versprach er. Keinerlei Anzeichen sprechen dafür, dass er sich an die Spitze einer Protest- oder Reformbewegung stellen und offen den Staat herausfordern will. Seine Wurzeln liegen tief im islamischen System und als Mitglied des mächtigen Schlichtungsrates hat er auch seine eigene politische Position zu verspielen. Der Vorwurf, Unruhe zu schüren, ist rasch erhoben und das Gefängnis die sichere Folge. So versucht Mussavi nun lieber, mächtige Politiker (etwa Rafsandschani) und hohe Geistliche auf seine Seite zu ziehen. Gelingt ihm das nicht, wird sein Protest gegen die „Wahlcharade“ rasch verebben. Nicht einmal der weit einflussreichere Rafsandschani konnte 2005 nach der Niederlage gegen Ahmadinedschad die Annullierung des zweifellos auch manipulierten Wahlergebnisses durchsetzen.
Die betrogenen Wähler haben keinen starken Führer und die staatlichen Sicherheitskräfte können jede, auch noch so große Protestbewegung rasch zerschlagen. Vier weitere Jahre Ahmadinedschad dürften den Iranern sicher sein. Die Repression der vergangenen zwei Tage lässt befürchten, dass der nun verstärkt selbstbewusste Präsident den dem Volk versprochenen Kampf gegen Korruption als Vorwand nützt, um die politische Gegenströmung brutal zu zerschlagen. Angst zieht sich in die Herzen der leidgeprüften Bevölkerung.
Diese Aussicht, sowie der Makel der Fälschung, der nun auf der Legitimität des Präsidenten lastet, wird entscheidend die Suche US-Präsident Obamas nach einer Verständigung mit dem Iran insbesondere in der Atomfrage erschweren. Ahmadinedschad hat durch seine verächtlichen Attacken gegen Israel und die USA, die er sogar im Wahlkampf fortsetzte, der iranischen Außenpolitik seinen starken eigenen Stempel aufgeprägt. Dennoch bleibt das letzte Wort bei Khamenei. Doch der Wahlausgang läßt darauf schließen, dass der „Geistliche Führer“ in einer Fortsetzung der Konfrontationspolitik Ahmadinedschads den besten Weg sieht, sich den „großen Satan“ USA vom Leib zu halten und damit die Diktatur der Geistlichen auch in Zukunft abzusichern.
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Das Regime des „Gottesstaates“ entschied sich für Konfrontation im Inneren und nach außen
Die „grüne Revolution“ ist ausgeblieben. Hatte sie je eine Chance? Mir Hussein Mussavi war innerhalb weniger Wochen das Erstaunliche gelungen: Obwohl einst treuer Jünger Khomeinis, als Ministerpräsident hauptverantwortlich für massive Zerschlagung oppositioneller Kräfte im Iran, hatten plötzlich Millionen tief frustrierte und sich nach Freiheit sehnende Iraner – mangels einer Alternative - all ihre Hoffnung auf ein Ende der quälenden Jahre unter Ahmadinedschad auf diesen Mann gesetzt, der ihnen nun plötzlich Reformen, mehr Freiheit und eine effiziente Administration und Ausbruch aus der internationalen Isolation verhieß. Dass er all dies hätte erfüllen können, ja gar wollen, erscheint angesichts seiner politischen Laufbahn ohnedies zweifelhaft.
Anderseits mag Ahmadinedschads Rückhalt in einem Teil der Bevölkerung oft unterschätzt worden sein. In den Armenvierteln Teherans, in Dörfern und Kleinstädten des Landes unter den tiefreligiösen Iranern blieben Samstag und Sonntag die Demonstrationen aus, denn hier war es dem Präsidenten trotz chaotischer Politik nicht zuletzt auch durch die – gesamtökonomisch gesehen so katastrophale – Verteilung der Ölgelder gelungen, sich die Sympathie der Menschen zu erhalten.
Wie diese Präsidentschaftswahlen tatsächlich gelaufen sind, wird die Welt wohl nie erfahren. Tatsache aber bleibt, dass das Regime, dass der „Geistliche Führer“ Khamenei vielfältige Möglichkeiten zur Wahlmanipulation besitzt und dass er deutlich wie nie zuvor – wiewohl nur indirekt – seinen Favoriten, Ahmadinedschad, den Menschen präsentiert hatte. Dass es vor diesem Hintergrund einer sich spontan gebildeten Massenbewegung nicht gelingen kann, den mächtigen „Führer“ direkt herauszufordern, überrascht nicht. Die Wahlen bewiesen Khameneis Stärke, da er seinen Kandidaten selbst gegen den Willen einflussreicher Politiker – etwa Rafsandschani – und einiger hoher Geistlicher durchsetzte.
Die Iraner haben zur Genüge in den vergangenen Jahrzehnten die Brutalität der Sicherheitskräfte, deren revolutionärer Helfer und schließlich auch der Justiz erfahren müssen. Dass sie nun erstmals ihre Angst überwanden und zornig in die Straßen zogen, illustriert die bis zur Unerträglichkeit gesteigerte Frustration mit einem Regime, das die Schraube der Repression immer fester zog und die Menschen zu einem von der Welt abgeschnittenen Leben verdammt.
Mussavi will die Wahlen anfechten. Das zumindest versprach er. Keinerlei Anzeichen sprechen dafür, dass er sich an die Spitze einer Protest- oder Reformbewegung stellen und offen den Staat herausfordern will. Seine Wurzeln liegen tief im islamischen System und als Mitglied des mächtigen Schlichtungsrates hat er auch seine eigene politische Position zu verspielen. Der Vorwurf, Unruhe zu schüren, ist rasch erhoben und das Gefängnis die sichere Folge. So versucht Mussavi nun lieber, mächtige Politiker (etwa Rafsandschani) und hohe Geistliche auf seine Seite zu ziehen. Gelingt ihm das nicht, wird sein Protest gegen die „Wahlcharade“ rasch verebben. Nicht einmal der weit einflussreichere Rafsandschani konnte 2005 nach der Niederlage gegen Ahmadinedschad die Annullierung des zweifellos auch manipulierten Wahlergebnisses durchsetzen.
Die betrogenen Wähler haben keinen starken Führer und die staatlichen Sicherheitskräfte können jede, auch noch so große Protestbewegung rasch zerschlagen. Vier weitere Jahre Ahmadinedschad dürften den Iranern sicher sein. Die Repression der vergangenen zwei Tage lässt befürchten, dass der nun verstärkt selbstbewusste Präsident den dem Volk versprochenen Kampf gegen Korruption als Vorwand nützt, um die politische Gegenströmung brutal zu zerschlagen. Angst zieht sich in die Herzen der leidgeprüften Bevölkerung.
Diese Aussicht, sowie der Makel der Fälschung, der nun auf der Legitimität des Präsidenten lastet, wird entscheidend die Suche US-Präsident Obamas nach einer Verständigung mit dem Iran insbesondere in der Atomfrage erschweren. Ahmadinedschad hat durch seine verächtlichen Attacken gegen Israel und die USA, die er sogar im Wahlkampf fortsetzte, der iranischen Außenpolitik seinen starken eigenen Stempel aufgeprägt. Dennoch bleibt das letzte Wort bei Khamenei. Doch der Wahlausgang läßt darauf schließen, dass der „Geistliche Führer“ in einer Fortsetzung der Konfrontationspolitik Ahmadinedschads den besten Weg sieht, sich den „großen Satan“ USA vom Leib zu halten und damit die Diktatur der Geistlichen auch in Zukunft abzusichern.
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Birgit Cerha: Schock und Angst nach Wahlen im Iran
Regime rückt zusammen, während frustrierte Bürger den zweiten Tag trotz Verhaftungen von Reformern Proteste wagen
„Jede Zelle meines Körpers erzittert. Es erscheint als fiele ich ins Koma.“ Mit solch dramatischen Worten beschreibt ein Iraner, der gerade noch eine Internetverbindung nutzen konnte, bevor das Regime diese Form der Kommunikation vollends blockierte, seine Gefühle nach dem so unerwartet erklärten Wahlsieg Präsident Ahmadinedschads. Hunderttausende Iraner verfielen in Schock und unzählige Mutige wagten es Sonntag, den zweiten Tag, ihrer tiefen Enttäuschung und Erbitterung in den Straßen iranischer Städte Luft zu machen. Um sich besser gegen die mit aller Härte zuschlagenden Polizeieinheiten zu schützen, setzten sich viele Iraner in ihre Autos und zeigten durch lautes Hupen ihren Protest. Wieder, wie in der Nacht auf Sonntag, erschallte der Ruf „Wir wollen Freiheit“ und „Tod dem Diktator“. Die Polizei, von der islamischen Führung zur Härte angehalten, setzte massiv Tränengas ein. „Wir werden Protestierer mit vollem Einsatz konfrontieren“, warnt der stellvertretende Teheraner Polizeichef, während führende Vertreter des Regimes das Volk auffordern, das Wahlergebnis zu respektieren.
Die Iraner hatten Freitag mit einer Rekordbeteiligung von mehr als 80 Prozent ihren neuen Präsidenten gewählt. Allgemein war davon ausgegangen worden, dass eine hohe Beteiligung den Hauptkandidaten der Reformer, Mir Hussein Mussavi begünstigen würde. Mussavi war es gelungen, einen großen Teil der Iraner aus ihrer politischen Lethargie zu reißen und ihnen Hoffnung auf eine „grüne Revolution“ (grün hatte er als Farbei seiner Gruppierung gewählt), auf Reformen und einen Ausbruch aus der quälenden internationalen Isolation gegeben. Angesichts der hohen Wahlbeteiligung hatte ein Vertreter des die Wahlen überwachenden „Wächterrates“ bekannt gegeben, dass mit einem Ergebnis für Teheran nicht vor Sonntag zu rechnen sei. Umso konsternierter zeigten sich viele Iraner als die Wahlkommission bereits fünf Minuten nach Schließung der Wahllokale den Sieg Ahmadinedschads verkündete und Samstag Mittag stand das offizielle Ergebnis – 62,6 Prozent für den Präsidenten und nur 33,75 Prozent für dessen stärksten Herausforderer Mussavi – fest. Mussavi erhielt nicht einmal die Mehrheit der Stimmen in seiner Heimatstadt Tabriz. Zudem zwingt dieses Wahlergebnis zu dem Schluß, dass diesmal auch viele Reformer ihre Stimme den in diesen Kreisen doch so verhaßten Präsidenten gegeben haben mussten. Niemand mag dies glauben und so wird vor allem unter Anhängern Mussavis und des ebenfalls populären Kandidaten Karrubi, der nicht einmal ein Prozent der Stimmen auf sich vereinen konnte, den Verdacht massiver Wahlfälschung genährt.
Mussavi warnte, dass dieses Ergebnis zur „Tyrannei“ führen werde und kündigte eine Beschwerde beim „Wächterrat“ und dem „Geistlichen Führer“ Khamenei an. „Niemand hat eine Fälschung derartigen Ausmasses erwartet.“
Die „Islamische Republik“ erlebt dramatische Stunden. Viele Iraner fühlen sich um ihre Wahlen betrogen. Die Proteste beschränken sich nicht, wie vor zehn Jahren, auf Studenten, sondern erfassen alle Gesellschaftsschichten und Altersgruppen. Das herrschende Establishment rückt zusammen. Hinter den Kulissen versuchen Khamenei und seine Anhänger offensichtlich das Regime hinter Ahmadinedschad zu einen. Einflussreiche Kräfte unter den islamischen Führern und den hohen Geistlichen hatten dem Präsidenten im Wahlkampf demonstrativ die Unterstützung verweigert, darunter auch Parlamentspräsident Laridschani und der Chef der Justiz, Ayatollah Shahrudi, während Khamenei bereits seine Freude über Ahmadinedschads Wiederwahl kundtat. Der Präsident selbst pries die Wahlen als Hoffnung für die Zukunft des Irans. Sie seien „vollständig frei“ gewesen. Auch der dritte Gegenkandidat, der konservative Rezaie (der nur 1,7 Prozent erhielt) bestätigte die Legalität der Wahlen.
Doch eine Verhaftungswelle, die insbesondere führende Reformer, darunter Ex-Präsident Khatamis Bruder Mohammed Reza, traf, nährt das ohnedies schon starke Misstrauen unter der Bevölkerung. Mussavi, der noch Sonntag seine Anhänger zu Besonnenheit aufgerufen hatte, hüllt sich in Schweigen, was Gerüchten Auftrieb gibt, er stehe unter Hausarrest. Nicht bestätigte Berichte, Rafsandschani, der als Vorsitzender des mächtigen „Schlichtungsrates“ und des die Arbeit des „Geistlichen Führers“ überprüfenden „Wächterrates“ immer noch große Macht ausübt, hätte seine Funktionen aus Protest gegen Wahlmanipulation zurückgelegt, steigern die Unsicherheit, die das Land erfasst hat.
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„Jede Zelle meines Körpers erzittert. Es erscheint als fiele ich ins Koma.“ Mit solch dramatischen Worten beschreibt ein Iraner, der gerade noch eine Internetverbindung nutzen konnte, bevor das Regime diese Form der Kommunikation vollends blockierte, seine Gefühle nach dem so unerwartet erklärten Wahlsieg Präsident Ahmadinedschads. Hunderttausende Iraner verfielen in Schock und unzählige Mutige wagten es Sonntag, den zweiten Tag, ihrer tiefen Enttäuschung und Erbitterung in den Straßen iranischer Städte Luft zu machen. Um sich besser gegen die mit aller Härte zuschlagenden Polizeieinheiten zu schützen, setzten sich viele Iraner in ihre Autos und zeigten durch lautes Hupen ihren Protest. Wieder, wie in der Nacht auf Sonntag, erschallte der Ruf „Wir wollen Freiheit“ und „Tod dem Diktator“. Die Polizei, von der islamischen Führung zur Härte angehalten, setzte massiv Tränengas ein. „Wir werden Protestierer mit vollem Einsatz konfrontieren“, warnt der stellvertretende Teheraner Polizeichef, während führende Vertreter des Regimes das Volk auffordern, das Wahlergebnis zu respektieren.
Die Iraner hatten Freitag mit einer Rekordbeteiligung von mehr als 80 Prozent ihren neuen Präsidenten gewählt. Allgemein war davon ausgegangen worden, dass eine hohe Beteiligung den Hauptkandidaten der Reformer, Mir Hussein Mussavi begünstigen würde. Mussavi war es gelungen, einen großen Teil der Iraner aus ihrer politischen Lethargie zu reißen und ihnen Hoffnung auf eine „grüne Revolution“ (grün hatte er als Farbei seiner Gruppierung gewählt), auf Reformen und einen Ausbruch aus der quälenden internationalen Isolation gegeben. Angesichts der hohen Wahlbeteiligung hatte ein Vertreter des die Wahlen überwachenden „Wächterrates“ bekannt gegeben, dass mit einem Ergebnis für Teheran nicht vor Sonntag zu rechnen sei. Umso konsternierter zeigten sich viele Iraner als die Wahlkommission bereits fünf Minuten nach Schließung der Wahllokale den Sieg Ahmadinedschads verkündete und Samstag Mittag stand das offizielle Ergebnis – 62,6 Prozent für den Präsidenten und nur 33,75 Prozent für dessen stärksten Herausforderer Mussavi – fest. Mussavi erhielt nicht einmal die Mehrheit der Stimmen in seiner Heimatstadt Tabriz. Zudem zwingt dieses Wahlergebnis zu dem Schluß, dass diesmal auch viele Reformer ihre Stimme den in diesen Kreisen doch so verhaßten Präsidenten gegeben haben mussten. Niemand mag dies glauben und so wird vor allem unter Anhängern Mussavis und des ebenfalls populären Kandidaten Karrubi, der nicht einmal ein Prozent der Stimmen auf sich vereinen konnte, den Verdacht massiver Wahlfälschung genährt.
Mussavi warnte, dass dieses Ergebnis zur „Tyrannei“ führen werde und kündigte eine Beschwerde beim „Wächterrat“ und dem „Geistlichen Führer“ Khamenei an. „Niemand hat eine Fälschung derartigen Ausmasses erwartet.“
Die „Islamische Republik“ erlebt dramatische Stunden. Viele Iraner fühlen sich um ihre Wahlen betrogen. Die Proteste beschränken sich nicht, wie vor zehn Jahren, auf Studenten, sondern erfassen alle Gesellschaftsschichten und Altersgruppen. Das herrschende Establishment rückt zusammen. Hinter den Kulissen versuchen Khamenei und seine Anhänger offensichtlich das Regime hinter Ahmadinedschad zu einen. Einflussreiche Kräfte unter den islamischen Führern und den hohen Geistlichen hatten dem Präsidenten im Wahlkampf demonstrativ die Unterstützung verweigert, darunter auch Parlamentspräsident Laridschani und der Chef der Justiz, Ayatollah Shahrudi, während Khamenei bereits seine Freude über Ahmadinedschads Wiederwahl kundtat. Der Präsident selbst pries die Wahlen als Hoffnung für die Zukunft des Irans. Sie seien „vollständig frei“ gewesen. Auch der dritte Gegenkandidat, der konservative Rezaie (der nur 1,7 Prozent erhielt) bestätigte die Legalität der Wahlen.
Doch eine Verhaftungswelle, die insbesondere führende Reformer, darunter Ex-Präsident Khatamis Bruder Mohammed Reza, traf, nährt das ohnedies schon starke Misstrauen unter der Bevölkerung. Mussavi, der noch Sonntag seine Anhänger zu Besonnenheit aufgerufen hatte, hüllt sich in Schweigen, was Gerüchten Auftrieb gibt, er stehe unter Hausarrest. Nicht bestätigte Berichte, Rafsandschani, der als Vorsitzender des mächtigen „Schlichtungsrates“ und des die Arbeit des „Geistlichen Führers“ überprüfenden „Wächterrates“ immer noch große Macht ausübt, hätte seine Funktionen aus Protest gegen Wahlmanipulation zurückgelegt, steigern die Unsicherheit, die das Land erfasst hat.
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Birgit Cerha: Die „Sturmtruppen“ der Ayatollahs
Seit drei Jahrzehnten gelang es den herrschenden Geistlichen im Iran das Volk unter seiner Knute zu halten. Das gelingt bis heute durch eine Vielfalt von „Exekutivorganen “und Geheimdienste, mindestens 18 sind es derzeit laut Teheraner Justizkreisen. Hatten sie jahrelang gegeneinander konkurriert, konnten sie fast vollständig unter Kontrolle der Erzkonservativen unter Führung des wiedergewählten Präsidenten Ahmadinedschad und teilweise auch direkt unter das Kommando des „Geistlichen Führers“ Khamenei gebracht werden.
Für die interne Sicherheit sind neben den 60.000 Mann starken Polizeikräften vor allem auch die Revolutionsgarden verantwortlich, deren Einfluß und Macht in den vergangenen fünf Jahren drastisch wuchs. Ahmadinedschads erzkonservativer Polizeichef übertrug auch den paramilitärischen Bassidsch (mehr als zwölf Millionen rasch einsetzbare Mitglieder) Polizeifunktionen. Was viele Iraner besonders irritiert, ist der Status als „Exekutivorgane“, den sogar die ultra-islamistische Gruppe „Ansar-e Hisbollah“ erhielt, die in der Vergangenheit eine Unzahl willkürlicher Gewaltakte verübt hatte. Geleitet von engen Vertrauten Khameneis, agiert sie als „Sturmtruppe“ des Regimes, mit dem Sonderauftrag, Protestkundgebungen niederzuschlagen und die Bevölkerung durch Terror massiv einzuschüchtern.
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Für die interne Sicherheit sind neben den 60.000 Mann starken Polizeikräften vor allem auch die Revolutionsgarden verantwortlich, deren Einfluß und Macht in den vergangenen fünf Jahren drastisch wuchs. Ahmadinedschads erzkonservativer Polizeichef übertrug auch den paramilitärischen Bassidsch (mehr als zwölf Millionen rasch einsetzbare Mitglieder) Polizeifunktionen. Was viele Iraner besonders irritiert, ist der Status als „Exekutivorgane“, den sogar die ultra-islamistische Gruppe „Ansar-e Hisbollah“ erhielt, die in der Vergangenheit eine Unzahl willkürlicher Gewaltakte verübt hatte. Geleitet von engen Vertrauten Khameneis, agiert sie als „Sturmtruppe“ des Regimes, mit dem Sonderauftrag, Protestkundgebungen niederzuschlagen und die Bevölkerung durch Terror massiv einzuschüchtern.
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Donnerstag, 11. Juni 2009
Birgit Cerha: Nach Schließung der Wahllokale beginnt „die eigentliche Arbeit“
Wahlverfahren ermöglichen massive Manipulation, die ungeachtet des Einsatzes von Überwachungskomitees kaum verhindert werden kann
Selbst Kritiker der Herrschaft der Geistlichen gestehen ein, dass Wahlen in der „Islamischen Republik“ demokratischen Grundsätzen weit eher gerecht werden als in anderen von Autokraten regierten Ländern der Region. Die besonders lebhafte Kampagne der vier Kandidaten für die Präsidentschaftswahl am 12. Juni, bestätigt dies.
Dennoch: Abgesehen von der Tatsache, dass der seine Parteilichkeit zugunsten des konservativen Establishments gar nicht verhehlende „Wächterrat“ nur „genehme“ Personen kandidieren lässt, haben auch Wahlmanipulationen Tradition. So ist der Kandidat Mehdi Karrubi überzeugt, dass er bei den Präsidentschaftswahlen 2005 durch Fälschung und den massiven Einsatz der Revolutionsgarden und Bassidsch-Miliz um den Eintritt in die Stichwahl gegen Rafsandschani betrogen und so der überraschende Sieg des weitgehend unbekannten Ahmadinedschad ermöglicht wurde.
Diesmal aber haben sich nicht nur die beiden von Reformern unterstützte Kandidaten – Karrubi und Mussavi – sondern auch Kräfte innerhalb des Establishments zusammengetan, um Manipulation zu vereiteln. Mehrere Entwicklungen haben Gegner Ahmadinedschads alarmiert:
Durch kaum verschleierte Unterstützungs-Erklärungen für den Präsidenten, gab der „Geistliche Führer“ Khamenei den Revolutionsgarden und Bassidsch, deren Oberkommandierender er ist, „grünes Licht“ zur Einmischung in den Wahlprozeß. Ein hoher Geistlicher in Qom setzte sich in einer „Fetwa“ (islamisches Rechtsgutachten) klar für Wahlmanipulation zugunsten jenes Kandidaten ein, der islamischen Prinzipien höchste Achtung schenkt – gemeint ist Ahmadinedschad. Als Autor gilt dessen geistlicher Mentor, Ayatollah Mesbah Yazdi.
Ein von Karrubi und Mussavi eingesetztes „Wahl-Überwachungskomitee“ stellt in einem offenen Brief die Frage, warum bei einer vom Ministerium genannten Anzahl von 57 Millionen Wahlberechtigten 59,6 Millionen Stimmzettel mehr gedruckt worden seien und warum die Zahl der Stempel, mit denen die Wahllokale ihre Auszählungsberichte versehen müssen, doppelt so hoch sei, wie die Zahl dieser Lokale. Die Aufgabe zur Überprüfung von mehr als einem Drittel der Wahlurnen sei von der (neutraleren) Polizei an die Revolutionsgarden übertragen worden, „was dem Gesetz widerspricht“. In einem offenen Brief an den Präsidenten beschweren sich Beamte des Innenministeriums, dass jüngst „mehr als 70 Prozent der für die Durchführung und Überwachung der Wahlen Verantwortliche“ ausgetauscht worden seien. Der Verdacht, dass Ahmadinedschad mit solchen Methoden seine Wiederwahl zu sichern sucht, liegt auf der Hand.
Unterdessen warnten jedoch zahlreiche Justizbeamte deutlich vor Wahlmanipulationen und Ex-Präsident Rafsandschani richtete mit Millionen von Dollar ein elektronisches Netzwerk unter Führung des von ihm geleiteten mächtigen „Schlichtungsrates“ ein, das im Falle von Wahlfälschungen sofort Alarm schlagen soll.
Dennoch lassen sich Manipulationen kaum verhindern. Die Schwächen des Systems sind eklatant. Die Tatsache, dass es keine Wählerregistrierung gibt, sondern die Wahlberechtigung einzig durch die Geburtsurkunde bestimmt wird und der Urnengang nicht an den Wohnort gebunden ist, lässt viele Möglichkeiten – vor allem auch der Doppelwahl - offen. In früheren Wahlen hatte laut Klagen von Reformern das Khamenei unterstehende „Imam Khomeini Komitee“, eine soziale Organisation, Geburtsurkunden von armen Iranern „gemietet“. Nach Schließung der Wahllokale begann die „eigentliche Arbeit“. Zudem nennen verschiedene Regierungsbüros unterschiedliche Zahlen von Wahlberechtigten, was zu starker Verwirrung beiträgt. Laut „Nationaler Organisation für die Registrierung von Bürgern“ sind weit mehr Geburtsurkunden im Umlauf als es iranische Bürger gibt, da dieses Dokument häufig in Todesfällen nicht annulliert wird. Reformer behaupten, dass bei den Wahlen 2005 mehr als zwei Millionen ungültige Geburtsurkunden von Bassidsch und anderen verwendet worden seien.
Auch die hohe Zahl der Analphabeten – mehr als 20 Prozent der Bevölkerung – öffnet Fälschern die Tore. Da Bürger auf den Wahlzetteln den Namen ihrer Wahl niederschreiben müssen, gestattet die Regierung Freiwilligen, meist Bassidschis, Analphabeten im Wahllokal beizustehen. Zudem gibt es in diesen Wahlen 14.000 mobile Wahlurnen für Kranke, Alte oder das Militär, mehr als zehnmal so viele wie bei vorangegangenen Wahlen. Eine ordnungsgemäße Kontrolle ist in diesen Fällen äußerst schwierig. Am meisten aber irritiert Kritiker der zweistufige Auszählungsprozeß. Die ausgezählten Stimmen werden in jedem Wahllokal in Gegenwart von Vertretern der Kandidaten, des Innenministeriums und des Wächterrates in das „Formular 22“ eingetragen und, nicht veröffentlicht, an das Innenministerium gesendet, dort nochmals – ohne unabhängige Überwachung - ausgezählt und dann publiziert.
Dennoch besteht unter Kennern die Überzeugung, dass bei einer hohen Wahlbeteiligung und einer überwältigenden Mehrheit für einen Kandidaten – wie 1997 im Falle Khatamis – Manipulationen das Resultat nicht entscheidend verändern können.
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Selbst Kritiker der Herrschaft der Geistlichen gestehen ein, dass Wahlen in der „Islamischen Republik“ demokratischen Grundsätzen weit eher gerecht werden als in anderen von Autokraten regierten Ländern der Region. Die besonders lebhafte Kampagne der vier Kandidaten für die Präsidentschaftswahl am 12. Juni, bestätigt dies.
Dennoch: Abgesehen von der Tatsache, dass der seine Parteilichkeit zugunsten des konservativen Establishments gar nicht verhehlende „Wächterrat“ nur „genehme“ Personen kandidieren lässt, haben auch Wahlmanipulationen Tradition. So ist der Kandidat Mehdi Karrubi überzeugt, dass er bei den Präsidentschaftswahlen 2005 durch Fälschung und den massiven Einsatz der Revolutionsgarden und Bassidsch-Miliz um den Eintritt in die Stichwahl gegen Rafsandschani betrogen und so der überraschende Sieg des weitgehend unbekannten Ahmadinedschad ermöglicht wurde.
Diesmal aber haben sich nicht nur die beiden von Reformern unterstützte Kandidaten – Karrubi und Mussavi – sondern auch Kräfte innerhalb des Establishments zusammengetan, um Manipulation zu vereiteln. Mehrere Entwicklungen haben Gegner Ahmadinedschads alarmiert:
Durch kaum verschleierte Unterstützungs-Erklärungen für den Präsidenten, gab der „Geistliche Führer“ Khamenei den Revolutionsgarden und Bassidsch, deren Oberkommandierender er ist, „grünes Licht“ zur Einmischung in den Wahlprozeß. Ein hoher Geistlicher in Qom setzte sich in einer „Fetwa“ (islamisches Rechtsgutachten) klar für Wahlmanipulation zugunsten jenes Kandidaten ein, der islamischen Prinzipien höchste Achtung schenkt – gemeint ist Ahmadinedschad. Als Autor gilt dessen geistlicher Mentor, Ayatollah Mesbah Yazdi.
Ein von Karrubi und Mussavi eingesetztes „Wahl-Überwachungskomitee“ stellt in einem offenen Brief die Frage, warum bei einer vom Ministerium genannten Anzahl von 57 Millionen Wahlberechtigten 59,6 Millionen Stimmzettel mehr gedruckt worden seien und warum die Zahl der Stempel, mit denen die Wahllokale ihre Auszählungsberichte versehen müssen, doppelt so hoch sei, wie die Zahl dieser Lokale. Die Aufgabe zur Überprüfung von mehr als einem Drittel der Wahlurnen sei von der (neutraleren) Polizei an die Revolutionsgarden übertragen worden, „was dem Gesetz widerspricht“. In einem offenen Brief an den Präsidenten beschweren sich Beamte des Innenministeriums, dass jüngst „mehr als 70 Prozent der für die Durchführung und Überwachung der Wahlen Verantwortliche“ ausgetauscht worden seien. Der Verdacht, dass Ahmadinedschad mit solchen Methoden seine Wiederwahl zu sichern sucht, liegt auf der Hand.
Unterdessen warnten jedoch zahlreiche Justizbeamte deutlich vor Wahlmanipulationen und Ex-Präsident Rafsandschani richtete mit Millionen von Dollar ein elektronisches Netzwerk unter Führung des von ihm geleiteten mächtigen „Schlichtungsrates“ ein, das im Falle von Wahlfälschungen sofort Alarm schlagen soll.
Dennoch lassen sich Manipulationen kaum verhindern. Die Schwächen des Systems sind eklatant. Die Tatsache, dass es keine Wählerregistrierung gibt, sondern die Wahlberechtigung einzig durch die Geburtsurkunde bestimmt wird und der Urnengang nicht an den Wohnort gebunden ist, lässt viele Möglichkeiten – vor allem auch der Doppelwahl - offen. In früheren Wahlen hatte laut Klagen von Reformern das Khamenei unterstehende „Imam Khomeini Komitee“, eine soziale Organisation, Geburtsurkunden von armen Iranern „gemietet“. Nach Schließung der Wahllokale begann die „eigentliche Arbeit“. Zudem nennen verschiedene Regierungsbüros unterschiedliche Zahlen von Wahlberechtigten, was zu starker Verwirrung beiträgt. Laut „Nationaler Organisation für die Registrierung von Bürgern“ sind weit mehr Geburtsurkunden im Umlauf als es iranische Bürger gibt, da dieses Dokument häufig in Todesfällen nicht annulliert wird. Reformer behaupten, dass bei den Wahlen 2005 mehr als zwei Millionen ungültige Geburtsurkunden von Bassidsch und anderen verwendet worden seien.
Auch die hohe Zahl der Analphabeten – mehr als 20 Prozent der Bevölkerung – öffnet Fälschern die Tore. Da Bürger auf den Wahlzetteln den Namen ihrer Wahl niederschreiben müssen, gestattet die Regierung Freiwilligen, meist Bassidschis, Analphabeten im Wahllokal beizustehen. Zudem gibt es in diesen Wahlen 14.000 mobile Wahlurnen für Kranke, Alte oder das Militär, mehr als zehnmal so viele wie bei vorangegangenen Wahlen. Eine ordnungsgemäße Kontrolle ist in diesen Fällen äußerst schwierig. Am meisten aber irritiert Kritiker der zweistufige Auszählungsprozeß. Die ausgezählten Stimmen werden in jedem Wahllokal in Gegenwart von Vertretern der Kandidaten, des Innenministeriums und des Wächterrates in das „Formular 22“ eingetragen und, nicht veröffentlicht, an das Innenministerium gesendet, dort nochmals – ohne unabhängige Überwachung - ausgezählt und dann publiziert.
Dennoch besteht unter Kennern die Überzeugung, dass bei einer hohen Wahlbeteiligung und einer überwältigenden Mehrheit für einen Kandidaten – wie 1997 im Falle Khatamis – Manipulationen das Resultat nicht entscheidend verändern können.
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Dienstag, 9. Juni 2009
Birgit Cerha : „Menschliche Kette“ gegen Ahmadinedschad
Die Herausforderer des iranischen Präsidenten gewinnen an Stärke – Militär könnte den Ausschlag für den Wahlausgang geben
In Teheran steigt die Hochspannung. Wahlkampagnen lähmen die Stadt, in die der um Wiederwahl am 12. Juni werbende Präsident Ahmadinedschad Tausende Anhänger in Bussen in zu karnevalartigen Massenkundgebungen karren lässt. Zugleich demonstrieren die Herausforderer ihre wachsende Stärke. Anhänger von Mir Hussein Mussavi formierten sich zu einer „menschlichen Kette“, die sich über mehr als 20 km vom Norden zum Süden der Hauptstadt erstreckte.
Wahlprognosen haben im Iran eine große Tradition der Fehlschläge. So bleiben politische Analysten auf Beobachtung, Schätzungen und auf ihr Gefühl angewiesen. Wenige hegen Zweifel daran, dass die starken Persönlichkeiten, die Ahmadinedschad herausfordern, die Iraner aus ihrer jahrelangen politischen Lethargie gerissen haben. Eine hohe Wahlbeteiligung, davon sind Reformer überzeugt, wird dem Präsidenten zum Verhängnis.
Unter den drei Gegenkandidaten werden einhellig Mussavi, ungeachtet seines fehlenden Charismas die größten Chancen eingeräumt. Zwei Jahrzehnte lang hatte der 67-jährige Architekt und Maler, einst begeisterter Jünger von Revolutionsführer Khomeini, politisch geschwiegen. Als er überraschend, von Teilen des zerstrittenen Reformlagers unterstützt, seine Kandidatur anmeldete, da wussten nur wenige der unter 30-jährigen Bevölkerungsmehrheit mit seinem Namen etwas anzufangen, während die Älteren den ehemaligen Premierminister (1982 bis 1989) mit „goldenen Zeiten“ des Irans assoziieren. Mussavi hatte sich in der Zeit des iranisch-irakischen Krieges (1980 bis 1988) als hervorragender ökonomischer Manager erwiesen.
Stark mit der Ideologie der ersten Revolutionsjahre behaftet, bezeichnet sich Mussavi als „prinzipientreuer Reformer“, in der – berechtigten – Hoffnung, viele Stimmen aus den beiden in sich gespaltenen Hauptlagern – den Reformern und den Konservativen, genannt „Prinzipientreue“ – anzuziehen. Wie seine Rivalen, konzentriert Mussavi seinen Wahlkampf auf das Versprechen des „Wandels“, auf scharfe Kritik an Ahmadinedschads Wirtschafts- und Außenpolitik. Er verheißt „Rückkehr zu Stabilität und Vernunft“, bereit zum Dialog mit dem „großen Satan“ USA, doch nicht zur Aufgabe des Atomprogramms. Er will Ex-Präsident Khatamis Weg der Reformen beschreiten, zugleich aber den „islamischen Werten der Revolution“ treu bleiben. Mit dem Bekenntnis zur Förderung langfristiger Investitionen, Schaffung von Arbeitsplätzen und dem Kampf gegen Korruption spricht er die Hauptsorgen vieler Iraner an. Seine Zielgruppe sind die städtische Mittelschicht und gebildete Jugend, während sich Ahmadinedschad auf die arme ländliche Bevölkerung konzentriert. Als Angehöriger der nach der persischen Mehrheit mit etwa 24 Prozent größten Bevölkerungsgruppe des Irans, kann er auch mit starker Unterstützung der Azeris rechnen. Auch viele Frauen dürften mit ihm sympathisieren, denn sein Versprechen von Stärkung der Gleichberechtigung gewinnt durch den im Iran einzigartigen Einsatz seiner Frau in diesem Wahlkampf an Glaubwürdigkeit: Die Politologin, Poetin und Künstlerin Zahra Rahnavard wurde durch ihr entschlossenes Engagement für Frauenrechte zur Ikone der Iranerinnen in diesem Wahlkampf.
Dennoch ist bisher ungeklärt, inwieweit Mussavi seine eigenen politischen Ansichten reformiert hat. Iraner der älteren Generation vergessen nicht, dass unter seiner Amtszeit als Premier die gesamte Opposition liquidiert wurde. Viele Reformer dürften aber trotzdem bereit sein, Mussavi ihre Stimme zu geben, weil er einen starken Teil des Establishments hinter sich hat und damit die größten Chancen gegen Ahmadinedschad besitzt.
Liberale, Menschenrechtsaktivisten, auch viele Studenten und Journalisten stehen hinter dem 72-jährigen Mehdi Karrubi, dem einzigen Geistlichen in diesem Wahlkampf. Zweimaliger Parlamentspräsident (1989 bis 92 und 2000 bis 2004), bewies er, dass er politische Konfrontation mit den mächtigen Konservativen im Establishment nicht scheut. Er unterscheidet sich von Ahmadinedschad in nahezu allen politischen und ökonomischen Fragen und besitzt auch wichtigen Rückhalt in einflussreichen Kreisen der Geistlichen. Im Gegensatz zu Mussavi, hat er auch einen starken Hang zu Populismus und verspricht Öleinnahmen im ganzen Volk zu verteilen. Auch unabhängige Iraner sind davon überzeugt, dass massive Wahlmanipulation Karrubis Chance schon 2005 Präsident zu werden, zunichte gemacht hatten.
Mohsen Rezaie, der 57-jährige „Prinzipientreue“, der das Lager der Konservativen spaltet, hat kurz vor der Wahl an Zulauf gewonnen. Studierter Ökonom und 16 Jahre lang, insbesondere während des Krieges gegen den Irak, Chefkommandant der Eliteeinheit der Revolutionsgarden, ist Rezaie ein eingestandener Konservativer und dennoch schärfster Gegner Ahmadinedschads, dem er vorwirft, das Land „an den Abgrund zu reißen“. Seit Jahren führendes Mitglied des einflussreichen „Schlichtungsrates“, kritisiert er trotz seiner militärischen Laufbahn heftig die von Ahmadinedschad eingeleitete Militarisierung des politischen Lebens Rezaies Kandidatur besitzt vor allem deshalb Bedeutung, weil er das Lager Ahmadinedschads schwächen dürfte.
Politische Analysten in Teheran sind davon überzeugt, wenn es Ahmadinedschad nicht gelingt, im ersten Wahlgang mehr als 50 Prozent der gültigen Stimmen zu erhalten und damit eine Stichwahl nötig wird werden seine Chancen auf eine zweite Amtszeit rapide sinken, da sich die Gegner zu einem massiven Votum mobilisieren dürften.
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In Teheran steigt die Hochspannung. Wahlkampagnen lähmen die Stadt, in die der um Wiederwahl am 12. Juni werbende Präsident Ahmadinedschad Tausende Anhänger in Bussen in zu karnevalartigen Massenkundgebungen karren lässt. Zugleich demonstrieren die Herausforderer ihre wachsende Stärke. Anhänger von Mir Hussein Mussavi formierten sich zu einer „menschlichen Kette“, die sich über mehr als 20 km vom Norden zum Süden der Hauptstadt erstreckte.
Wahlprognosen haben im Iran eine große Tradition der Fehlschläge. So bleiben politische Analysten auf Beobachtung, Schätzungen und auf ihr Gefühl angewiesen. Wenige hegen Zweifel daran, dass die starken Persönlichkeiten, die Ahmadinedschad herausfordern, die Iraner aus ihrer jahrelangen politischen Lethargie gerissen haben. Eine hohe Wahlbeteiligung, davon sind Reformer überzeugt, wird dem Präsidenten zum Verhängnis.
Unter den drei Gegenkandidaten werden einhellig Mussavi, ungeachtet seines fehlenden Charismas die größten Chancen eingeräumt. Zwei Jahrzehnte lang hatte der 67-jährige Architekt und Maler, einst begeisterter Jünger von Revolutionsführer Khomeini, politisch geschwiegen. Als er überraschend, von Teilen des zerstrittenen Reformlagers unterstützt, seine Kandidatur anmeldete, da wussten nur wenige der unter 30-jährigen Bevölkerungsmehrheit mit seinem Namen etwas anzufangen, während die Älteren den ehemaligen Premierminister (1982 bis 1989) mit „goldenen Zeiten“ des Irans assoziieren. Mussavi hatte sich in der Zeit des iranisch-irakischen Krieges (1980 bis 1988) als hervorragender ökonomischer Manager erwiesen.
Stark mit der Ideologie der ersten Revolutionsjahre behaftet, bezeichnet sich Mussavi als „prinzipientreuer Reformer“, in der – berechtigten – Hoffnung, viele Stimmen aus den beiden in sich gespaltenen Hauptlagern – den Reformern und den Konservativen, genannt „Prinzipientreue“ – anzuziehen. Wie seine Rivalen, konzentriert Mussavi seinen Wahlkampf auf das Versprechen des „Wandels“, auf scharfe Kritik an Ahmadinedschads Wirtschafts- und Außenpolitik. Er verheißt „Rückkehr zu Stabilität und Vernunft“, bereit zum Dialog mit dem „großen Satan“ USA, doch nicht zur Aufgabe des Atomprogramms. Er will Ex-Präsident Khatamis Weg der Reformen beschreiten, zugleich aber den „islamischen Werten der Revolution“ treu bleiben. Mit dem Bekenntnis zur Förderung langfristiger Investitionen, Schaffung von Arbeitsplätzen und dem Kampf gegen Korruption spricht er die Hauptsorgen vieler Iraner an. Seine Zielgruppe sind die städtische Mittelschicht und gebildete Jugend, während sich Ahmadinedschad auf die arme ländliche Bevölkerung konzentriert. Als Angehöriger der nach der persischen Mehrheit mit etwa 24 Prozent größten Bevölkerungsgruppe des Irans, kann er auch mit starker Unterstützung der Azeris rechnen. Auch viele Frauen dürften mit ihm sympathisieren, denn sein Versprechen von Stärkung der Gleichberechtigung gewinnt durch den im Iran einzigartigen Einsatz seiner Frau in diesem Wahlkampf an Glaubwürdigkeit: Die Politologin, Poetin und Künstlerin Zahra Rahnavard wurde durch ihr entschlossenes Engagement für Frauenrechte zur Ikone der Iranerinnen in diesem Wahlkampf.
Dennoch ist bisher ungeklärt, inwieweit Mussavi seine eigenen politischen Ansichten reformiert hat. Iraner der älteren Generation vergessen nicht, dass unter seiner Amtszeit als Premier die gesamte Opposition liquidiert wurde. Viele Reformer dürften aber trotzdem bereit sein, Mussavi ihre Stimme zu geben, weil er einen starken Teil des Establishments hinter sich hat und damit die größten Chancen gegen Ahmadinedschad besitzt.
Liberale, Menschenrechtsaktivisten, auch viele Studenten und Journalisten stehen hinter dem 72-jährigen Mehdi Karrubi, dem einzigen Geistlichen in diesem Wahlkampf. Zweimaliger Parlamentspräsident (1989 bis 92 und 2000 bis 2004), bewies er, dass er politische Konfrontation mit den mächtigen Konservativen im Establishment nicht scheut. Er unterscheidet sich von Ahmadinedschad in nahezu allen politischen und ökonomischen Fragen und besitzt auch wichtigen Rückhalt in einflussreichen Kreisen der Geistlichen. Im Gegensatz zu Mussavi, hat er auch einen starken Hang zu Populismus und verspricht Öleinnahmen im ganzen Volk zu verteilen. Auch unabhängige Iraner sind davon überzeugt, dass massive Wahlmanipulation Karrubis Chance schon 2005 Präsident zu werden, zunichte gemacht hatten.
Mohsen Rezaie, der 57-jährige „Prinzipientreue“, der das Lager der Konservativen spaltet, hat kurz vor der Wahl an Zulauf gewonnen. Studierter Ökonom und 16 Jahre lang, insbesondere während des Krieges gegen den Irak, Chefkommandant der Eliteeinheit der Revolutionsgarden, ist Rezaie ein eingestandener Konservativer und dennoch schärfster Gegner Ahmadinedschads, dem er vorwirft, das Land „an den Abgrund zu reißen“. Seit Jahren führendes Mitglied des einflussreichen „Schlichtungsrates“, kritisiert er trotz seiner militärischen Laufbahn heftig die von Ahmadinedschad eingeleitete Militarisierung des politischen Lebens Rezaies Kandidatur besitzt vor allem deshalb Bedeutung, weil er das Lager Ahmadinedschads schwächen dürfte.
Politische Analysten in Teheran sind davon überzeugt, wenn es Ahmadinedschad nicht gelingt, im ersten Wahlgang mehr als 50 Prozent der gültigen Stimmen zu erhalten und damit eine Stichwahl nötig wird werden seine Chancen auf eine zweite Amtszeit rapide sinken, da sich die Gegner zu einem massiven Votum mobilisieren dürften.
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