Hunderttausende Iraner widersetzen sich dem Regime und demonstrieren gegen den Ausgang der Präsidentschaftswahlen
Die Stimmung wird unberechenbar und höchst explosiv. „Die Krise hat die ganze Nation erfasst“, meint Kasra Naji, iranischer Journalist und Autor einer Biografie über Präsident Ahmadinedschad. Hunderttausende Menschen ließen sich Montag auch von einer offenen Drohung des Innenministeriums, tödliche Waffen gegen verbotene Demonstrationen einzusetzen, nicht einschüchtern und protestierten im Zentrum Teherans nun schon den dritten Tag gegen das offiziell verkündete Ergebnis der Präsidentschaftswahl vom vergangenen Freitag. Die unterlegenen Kandidaten der Reformbewegungen Mussavi und Karrubi erschienen bei den Versammlungen, versuchten ihre erzürnten Anhänger zu beschwichtigen und versprachen, das Wahlergebnis auf legalem Wege zu bekämpfen.
Zuvor hatte Mussawi in einem Gespräch mit dem „Geistlichen Führer“ Khamenei eine Überprüfung der Stimmzählung durchgesetzt, die einen unerwartet und wenig glaubhaften Sieg Präsident Ahmadinedschads von 65 Prozent gegenüber 33 Prozent für Mussawi ergeben hatte. Khamenei hatte sich rasch ausdrücklich zu diesem Resultat bekannt.
Der zwölfköpfige, von Anhängern Khameneis und Ahmadinedschads dominierte „Wächterrat“ soll nun nach Anordnung des „Führers“ Anschuldigung der Wahlfälschung sorgfältig prüfen und ein Ergebnis schon binnen zehn Tagen präsentieren. Zugleich warnte Khamenei Mussawi jedoch deutlich „nicht vom Pfad des Gesetzes“ abzuweichen und er meint damit vor allem Demonstrationen. Dennoch kam es Montag nicht nur in Teheran zu Massenprotesten. Nach Telefonberichten aus anderen Städten des Landes wagten sich auch dort unzählige Menschen auf die Straßen, um ihrer Frustration über den „Wahlbetrug“, wie sie es glaubhaft sehen, Luft zu lassen. Das Regime erscheint fest entschlossen, solche Kundgebungen Zehntausender Menschen, die all zu leicht außer Kontrolle geraten können, unter allen Umständen zu verhindern. Deshalb wurden bereits Sonntag die wichtigsten Kommunikationsnetze – Handys, Internet etc – blockiert. An die 200 Anhänger Mussawis wurden unterdessen verhaftet. In Teheran kam es Montag abend auch zu gewaltsamen Zwischenfällen.
Sonntag Abend hatte Ahmadinedschad bei einer Siegesfeier vor Tausenden, überwiegend aus ländlichen Regionen nach Teheran transportierten Anhängern die Wahlen zynisch mit einem Fußballmatch verglichen. „Der Verlierer muss einfach verschwinden.“ Diese Bemerkung nährt latente Ängste, dass jenen, die dieses Wahlergebnis anzweifeln, harte Strafen drohen.
Der ehemalige enge Berater Ex-Präsident Khatamis, Mohammed Ali Abtahi spricht von einem „riesigen (Wahl-)Schwindel. Manche nennen es weißen Coup.“ Und er sieht den Iran an einem Wendepunkt angelangt. Die Iraner, so die Mahnung, die so oft auf Veränderung mit Hilfe der Wahlurne gehofft hatten, sollten nun die Lehre aus den jüngsten Entwicklungen ziehen, dass „Nicht-Regierungsorganisationen durch Wahl die Bedingungen (im Iran) nicht verbessern können. Der Staat schafft einen Zustand der Angst“, die die Menschen nun überwinden müssten.
Montag, 15. Juni 2009
Birgit Cerha: „Die Krise hat die ganze Nation erfasst“
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Mir kommt das ganze eher wie ein Coup der Mousavi Anhänger vor. Das Triumvirat Kathami, Rafsanjani und Mousavi scheinen das langer Hand geplant zu haben. Ich glaub nicht an Wahlbetrug. Es gibt bis jetzt dafür keinen einzigen Beweis und doch hat Mousavi um ungefähr 11pm Freitag Nacht als erster sich als Sieger der Wahl erklärt. Bei seiner 30 jährigen Erfahrung als Politiker in einem vom Klerus regierten Land muß ihm die Tragweite einer derartigen Handlung bewußt gewesen sein. Kathami hat gute Kontakte zur USA. Es würde mich also nicht wundern wenn auch die Hand des CIA hier mitgespielt hat.
AntwortenLöschenWirklich fürchterlich finde ich die einseitige Berichterstattung des Westens, man muß schon AlJazeera lesen um diesem Brainwash zu entkommen. Es erinnert mich sehr stark an 2002/03 als die westlichen Medien unisono in den WMD Kanon eingestimmt haben. Damals hat es zumindest in Europa noch kritische Stimmen gegeben. Die haben wir mittlerweile auch verloren.
So sehr ich mir Frieden auf der Welt und im Mittleren Osten wünsche wir werden ihn nicht mit Lügen bekommen. Erst dieser Tage hat Netanjahu die Tür zum Frieden mit den Palestinensern zugeschlagen und gestern hat ein ehemaliger President, Jimmy Carter, den Gaza Streifen besucht. Warum liest man darüber keine intelligenten Berichte in den Medien?
-Alfred