Sonntag, 28. Juni 2009

Birgit Cerha: Saad Hariri tritt aus dem Schatten

Libanons neuer Premier steht vor der gigantischen Aufgabe, das Land zur nationalen Versöhnung zu führen

Saad Hariri gibt sich versöhnlich. Samstag von Präsident Suleiman nach seinem Wahlsieg Anfang Juni mit der Bildung einer neuen Regierung im Libanon beauftragt, schwor der 39-jährige Multimillionär, alles zu tun, damit das zerrissene Land den Weg zur Versöhnung wieder finde. Zu diesem Zweck begann Hariri erste Gespräche mit seinem Erzrivalen, dem Chef der schiitischen Hisbollah Hassan Nasrallah, mit dem Ziel der Bildung einer nationalen Einheitsregierung. Auch Hisbollah erklärt sich „offen und kooperativ“.

„Zum erstenmal seit vielen Jahren scheine es, dass der Libanon wieder ein funktionierendes politisches System hat, an dessen Erfolg alle politischen Kräfte des Landes Interesse zeigten, gibt sich der politische Analyst Rami Khoury zuversichtlich. „Wir haben einen legitimen Premierminister, gestützt auf eine gewählte Mehrheit….., einen Präsidenten, der Glaubwürdigkeit, breite Unterstützung und Respekt besitzt, and wir haben eine Opposition, die bereit ist, im demokratischen Spiel mit zu machen.“
Mit der Übernahme der Regierungsverantwortung in dem von schweren internen Konflikten und gegensätzlichen äußeren Interessen gequälten Levantestaat tritt der junge Tycoon nun auch politisch aus dem übermächtigen Schatten seines Vaters Rafiq, der zehn Jahre lang Premierminister gewesen war und das kriegszerstörte Beirut wieder aufgebaut hatte. Nach der Ermordung Rafiq Hariris 2005, die ein politisches Erdbeben ausgelöst und die syrische Besatzungsmacht nach drei Jahrzehnten zum Abzug aus dem Libanon gezwungen hatte, war der junge in den USA ausgebildete Ökonom Saad von der Familie zum politischen Erben auserwählt worden. Politisch völlig unerfahren, führte er zwar eine pro-westliche Allianz sunnitischer, drusischer und einiger christlicher Kräfte, lehnte jedoch zweimal das Amt des Premiers ab. Als im Juni seine Mehrheitsbewegung zum zweiten Mal Parlamentswahlen gewann, fühlte er sich politisch erfahren genug, um selbst die Regierungsgeschäfte zu übernehmen.

Als Chef eines Teils des in Saudi-Arabien konzentrierten, von seinem Vater aufgebauten Wirtschaftsimperiums, das laut „Forbes“ Magazine derzeit insgesamt 1,4 Mrd. Dollar wert ist (2008 waren es noch 3,3 Mrd. gewesen) hatte Saad schon seit 1996 Erfahrung gesammelt. Ob er lange als Playboy bekannt, den gigantischen politischen Herausforderungen gewachsen ist, die nun auf ihn warten, bleibt dahingestellt.

Nur 15 der 57 Mitglieder des parlamentarischen Oppositionsblocks stimmten für seine Ernennung zum Premier. Saad profitiert von der Aura des „Heiligen“, die seinen verstorbenen Vater im Libanon umgibt. Doch, wie Rafiq Hariri, hat er auch mächtige Feinde zu fürchten, deren Zahl in den vergangenen vier Jahren noch gestiegen ist. Denn er hat sich der Suche nach Gerechtigkeit für den Mord an seinem Vater und fast einem Dutzend anti-syrischer Libanesen, die ebenfalls dem Terror zum Opfer fielen, voll Energie verschrieben und auch die Eröffnung eines internationalen Tribunals zur Aufklärung dieser Morde durchgesetzt. Offen beschuldigt er Syrien als Drahtzieher dieser spektakulären Attentatsserie.

Größte Hürde auf dem Weg zu einer Regierung der nationalen Einheit sind die beiden Hauptforderungen der von der Hisbollah geführten Allianz. Nasrallah bestand bisher auf dem ihm vor einem Jahr durch sein militärisches Muskelspiel in Beirut erzwungene Veto-Macht, die die Regierungsarbeit lähmte. Hariri hingegen lehnt dies entschieden ab. Als Kompromiß könnte diese Macht dem neutralen Präsidenten Suleiman übertragen werden. Vor allem aber geht es Hisbollah darum, weiterhin ihren bewaffneten Status zu erhalten. Schon deutete Hariri an, er werde die Frage der auch in einer UNO-Resolution geforderten Entwaffnung aufschieben und Wirtschaftsreformen höchste Priorität einräumen.

Ob es ihm gelingt, die wichtigsten Kräfte zur Zusammenarbeit zu gewinnen und den Weg zur nationalen Versöhnung zu ebnen, wird entscheidend seinen Erfolg als Premier bestimmen. Doch wie stets im Libanon spielt das Engagement äußerer Mächte eine ebenso wesentliche Rolle. Hier stehen einerseits die Zeichen günstig: Eine Annäherung zwischen Syrien und Saudi-Arabien, den beiden wichtigsten Verbündeten der gegensätzlichen Strömungen im Libanon, hat die Wogen bereits ein wenig geglättet. Syrisch-amerikanische Annäherung könnte die Situation noch deutlich weiter entspannen. Über allem aber hängt das Damoklesschwert des krisengeschüttelten Iran, der seinen engen Verbündeten Hisbollah nun wieder verstärkt in einem regionalpolitischen Machtkampf gegen die USA einsetzen könnte.

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