Wahlanalyse
Das Regime des „Gottesstaates“ entschied sich für Konfrontation im Inneren und nach außen
Die „grüne Revolution“ ist ausgeblieben. Hatte sie je eine Chance? Mir Hussein Mussavi war innerhalb weniger Wochen das Erstaunliche gelungen: Obwohl einst treuer Jünger Khomeinis, als Ministerpräsident hauptverantwortlich für massive Zerschlagung oppositioneller Kräfte im Iran, hatten plötzlich Millionen tief frustrierte und sich nach Freiheit sehnende Iraner – mangels einer Alternative - all ihre Hoffnung auf ein Ende der quälenden Jahre unter Ahmadinedschad auf diesen Mann gesetzt, der ihnen nun plötzlich Reformen, mehr Freiheit und eine effiziente Administration und Ausbruch aus der internationalen Isolation verhieß. Dass er all dies hätte erfüllen können, ja gar wollen, erscheint angesichts seiner politischen Laufbahn ohnedies zweifelhaft.
Anderseits mag Ahmadinedschads Rückhalt in einem Teil der Bevölkerung oft unterschätzt worden sein. In den Armenvierteln Teherans, in Dörfern und Kleinstädten des Landes unter den tiefreligiösen Iranern blieben Samstag und Sonntag die Demonstrationen aus, denn hier war es dem Präsidenten trotz chaotischer Politik nicht zuletzt auch durch die – gesamtökonomisch gesehen so katastrophale – Verteilung der Ölgelder gelungen, sich die Sympathie der Menschen zu erhalten.
Wie diese Präsidentschaftswahlen tatsächlich gelaufen sind, wird die Welt wohl nie erfahren. Tatsache aber bleibt, dass das Regime, dass der „Geistliche Führer“ Khamenei vielfältige Möglichkeiten zur Wahlmanipulation besitzt und dass er deutlich wie nie zuvor – wiewohl nur indirekt – seinen Favoriten, Ahmadinedschad, den Menschen präsentiert hatte. Dass es vor diesem Hintergrund einer sich spontan gebildeten Massenbewegung nicht gelingen kann, den mächtigen „Führer“ direkt herauszufordern, überrascht nicht. Die Wahlen bewiesen Khameneis Stärke, da er seinen Kandidaten selbst gegen den Willen einflussreicher Politiker – etwa Rafsandschani – und einiger hoher Geistlicher durchsetzte.
Die Iraner haben zur Genüge in den vergangenen Jahrzehnten die Brutalität der Sicherheitskräfte, deren revolutionärer Helfer und schließlich auch der Justiz erfahren müssen. Dass sie nun erstmals ihre Angst überwanden und zornig in die Straßen zogen, illustriert die bis zur Unerträglichkeit gesteigerte Frustration mit einem Regime, das die Schraube der Repression immer fester zog und die Menschen zu einem von der Welt abgeschnittenen Leben verdammt.
Mussavi will die Wahlen anfechten. Das zumindest versprach er. Keinerlei Anzeichen sprechen dafür, dass er sich an die Spitze einer Protest- oder Reformbewegung stellen und offen den Staat herausfordern will. Seine Wurzeln liegen tief im islamischen System und als Mitglied des mächtigen Schlichtungsrates hat er auch seine eigene politische Position zu verspielen. Der Vorwurf, Unruhe zu schüren, ist rasch erhoben und das Gefängnis die sichere Folge. So versucht Mussavi nun lieber, mächtige Politiker (etwa Rafsandschani) und hohe Geistliche auf seine Seite zu ziehen. Gelingt ihm das nicht, wird sein Protest gegen die „Wahlcharade“ rasch verebben. Nicht einmal der weit einflussreichere Rafsandschani konnte 2005 nach der Niederlage gegen Ahmadinedschad die Annullierung des zweifellos auch manipulierten Wahlergebnisses durchsetzen.
Die betrogenen Wähler haben keinen starken Führer und die staatlichen Sicherheitskräfte können jede, auch noch so große Protestbewegung rasch zerschlagen. Vier weitere Jahre Ahmadinedschad dürften den Iranern sicher sein. Die Repression der vergangenen zwei Tage lässt befürchten, dass der nun verstärkt selbstbewusste Präsident den dem Volk versprochenen Kampf gegen Korruption als Vorwand nützt, um die politische Gegenströmung brutal zu zerschlagen. Angst zieht sich in die Herzen der leidgeprüften Bevölkerung.
Diese Aussicht, sowie der Makel der Fälschung, der nun auf der Legitimität des Präsidenten lastet, wird entscheidend die Suche US-Präsident Obamas nach einer Verständigung mit dem Iran insbesondere in der Atomfrage erschweren. Ahmadinedschad hat durch seine verächtlichen Attacken gegen Israel und die USA, die er sogar im Wahlkampf fortsetzte, der iranischen Außenpolitik seinen starken eigenen Stempel aufgeprägt. Dennoch bleibt das letzte Wort bei Khamenei. Doch der Wahlausgang läßt darauf schließen, dass der „Geistliche Führer“ in einer Fortsetzung der Konfrontationspolitik Ahmadinedschads den besten Weg sieht, sich den „großen Satan“ USA vom Leib zu halten und damit die Diktatur der Geistlichen auch in Zukunft abzusichern.
Sonntag, 14. Juni 2009
Birgit Cerha: Iran: Der erzwungene „Sieg“
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