„Geistlicher Führer“ des Irans betont Rechtmäßigkeit der Wahl und richtet drohende Worte an die Opposition und den Westen.
Wenn die seit Tagen zu Hunderttausenden gegen die umstrittenen räsidentschaftswahlen vor einer Woche auf ein Zeichen des Entgegenkommens durch den „Geistlichen Führer“ Ayatollah Khamenei gehofft hatten, so wurden sie Freitag bitter enttäuscht. Die Worte, die Irans „starker Mann“ beim Freitagsgebet in Teheran an Zehntausende aus dem ganzen Land herbeigeholte Anhänger richtete, hätten kaum kompromissloser und kaum härter sein können. Es war ein höchst ungewöhnlicher Auftritt des „Führers“, der die allwöchentlichen Reden beim Freitagsgebet stets anderen überlässt. Die Tatsache, dass Khamenei diesmal das Wort ergriff und sich zum erstenmal seit Beginn der Unruhen in der Öffentlichkeit zeigte, ist deutlicher Hinweis auf die Schicksalhaftigkeit des Augenblicks. Zugleich erfüllt das Ereignis wohl den Zweck, der iranischen und internationalen Öffentlichkeit, die seit Tagen mit Bildern friedlich gegen das Wahlergebnis demonstrierender Massen konfrontiert wurden, die „andere Seite“ zu zeigen, Zehntausende fäusteschwingende Iraner, die immer und immer wieder im Chor ihre beigeisterte Unterstützung für das System und dessen Führer kundtaten.
Khamenei hat in seiner Rede, die ein deutlicher Versuch ist, seine angeschlagene Autorität zu behaupten, klar die Richtung angegeben: Am Wahlergebnis, am Sieg Präsident Ahmadinedschads ist nicht zu rütteln. Und er ließ keine Zweifel, dass jene, die das dennoch tun, mit harten Konsequenzen rechnen müssten.
Nach altbewährter Methode des Regimes legte er besonderes Schwergewicht auf die Wahlbeteiligung, die sogar jene des Referendums über die „Islamische Republik“ nach dem Sieg der Revolution 1979 übertroffen hätte. 40 Millionen Wähler, keineswegs nur die 24 Millionen, die Ahmadinedschad ihre Stimme gegeben hätten, stünden hinter der „Islamischen Republik“. Damit will er die Opposition und alle Gegner im Westen darauf hinweisen, dass das System unter seiner Führung noch an Stärke gewonnen habe und – weil fest im Volk verankert - völlig unverwundbar sei. Der Verdacht des Gegenteils hatte sich in den vergangenen Tagen angesichts der Tatsache aufgedrängt, dass nicht nur Massenproteste in vielen Teilen des Landes ausgebrochen waren, sondern dass sie alle Schichten der Bevölkerung und auch Teile des islamischen Systems erfasst haben.
So betonte er denn auch, dass alle drei Herausforderer Ahmadinedschads, insbesondere auch die Hauptfigur der Protestbewegung, Mir Hussein Mussawi, Teil des Systems seien. Immerhin war Mussawi acht Jahre lang Premierminister gewesen.
Keinen Millimeter rückte Khamenei von seiner ursprünglichen Position ab, das Wahlergebnis sei korrekt, ja Fälschungen seien in diesem Wahlsystem gar nicht möglich. Die Fakten freilich widerlegen solche Behauptung. Gerade das System lässt Tür und Tor für Manipulation offen.
In einzigartiger Deutlichkeit stellte sich Khamenei sodann hinter Ahmadindedschad und pries die tiefen ideologischen Überzeugungen, die ihn mit seinem Präsidenten verbänden. Tatsächlich hatte Khamenei seit seinem Aufstieg zum „Führer“ vor zwei Jahrzehnten keinen Präsidenten an seiner Seite, mit dem er sich in entscheidenden politischen Fragen so einig fühlte und der ihm zugleich zu einer wesentlichen Stärkung seiner eigenen Position verhalf.
Wie zu erwarten, war auch diese Rede des „Führers“ von altbekannten Verschwörungstheorien durchzogen: die westlichen Medien hätten provoziert, ebenso westliche Regierungen, ungeachtet der Tatsache, dass sich diese in Kommentaren seit Tagen betont zurückhalten. Das Bemühen, die Ursache der Krise im Ausland zu suchen, ist ein beliebtes Ablenkungsmanöver in die Enge getriebener Despoten. Im Falle des Irans aber hat es noch viel tiefere Ursachen. Khamenei ist fast besessen von der Angst vor einer „samtenen Revolution“, die ja Ex-Präsident Bush einst offen durch Unterstützung iranischer Oppositionsbewegungen zu inszenieren hoffte. Wie tief diese Angst sitzt, bewies der „Führer“ auch in dieser Rede durch seinen Hinweis auf Entwicklungen in Georgien, wo zehn Millionen Dollar Unterstützung zum Regimewechsel gereicht hätten. Hier liegt die Hauptursache für Khameneis Strategie der Unerbittlichkeit: Kommt er jetzt der Opposition entgegen, dann könnte die Bewegung all zu rasch – wie in Osteuropa geschehen – ihre das System massiv bedrohende Eigengesetzlichkeit gewinnen.
So entschied sich Khamenei zu einer Drohung, die härter nicht sein könnte: Halten die Demonstrationen an, dann seien die Organisatoren für alles weitere verantwortlich. Das „Volk“ werde reagieren: Gemeint sind damit die Schlägertrupps des Regimes, Millionen von Bassidsch und Sicherheitkräfte. Und der Vorwand zu Massenverhaftungen wäre gegeben. Die Entscheidung liegt nun bei der Opposition: Resignation und verschärfte Diktatur oder das enorme Risiko des Freiheitskampfes mit unabsehbaren Konsequenzen.
Freitag, 19. Juni 2009
Birgit Cerha: Khamenei setzt auf volle Autorität
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