Mittwoch, 4. Februar 2015

Jordanien schwört „vernichtende“ Rache

Ermordung des Piloten stellt das Königsreich vor die schwerste Herausforderung seit einem Jahrzehnt
 
von Birgit Cerha
 
Tausende Menschen schwenkten Fotos ihres Königs, des ermordeten Piloten Moaz al-Kasasbeh und die jordanische Flagge, als Abdullah II Mittwoch aus den USA in sein zutiefst aufgewühltes Königreich heimkehrte. Diese Demonstration der Treue und Solidarität mit dem haschemitischen Köngshaus muss dem Monarchen hochwillkommen sein in der wohl schwersten Stunde seiner Herrschaft über das kleine, bitterarme Königreich, das der an seinen Grenzen in Syrien und Jordanien wütende „Islamische Staat“ (IS) in tiefe Existenzängste stürzt.
Die barbarische Verbrennung des 26-jährigen, im Dezember bei einem Lufteinsatz gegen IS in Syrien verunglückten und von der Terrormiliz gefangengenommenen Kasasbeh, das dramatische, wochenlange Bangen um dessen Schicksal hat die Jordanier in einen schweren Schock versetzt. „Sie (die IS-Terroristen) haben unsere Herzen verbrannt, so lasst uns ihre Höhlen anzünden und ihre Gefangenen in unseren Haftanstalten“, lautet eines von zahlreichen Postern, auf denen Tausende Demonstranten im Königreich gewaltsame Vergeltung fordern. Das grausige Schicksal des Piloten hat – vorerst? – die Bevölkerung in der Entschlossenheit geeint, die grausige Bluttat mit voller Kraft zu rächen. Die rasche Exekution im Morgengrauen von drei von jordanischen Gerichten verurteilten islamistischen Terroristen, hat den Zorn vieler noch nicht beschwichtigt. Moaz‘ Vater, ein einflussreiches Mitglied des mächtigen Stammes der Barascheh, fordert die  „totale Vernichtung“ der IS-Terroristen. Die Barascheh pflegen traditionell enge Beziehungen mit dem Königshaus und bilden, gemeinsam mit den anderen Beduinenstämmen Jordaniens den wichtigsten Pfeiler der Herrschaft der Haschemiten.
Abdullah steht vor Entscheidungen, die sich als schicksalhaft für das kleine Reich erweisen werden. Die von US-Präsident Obama vor seinem Abflug aus Washington zugesagte Finanzhilfe von drei  Mrd. Dollar in den nächsten drei Jahren ist nur ein kleines Trostpflaster, bewies doch Washington in den Augen vieler Bürger, dass es gefangene Kämpfer der Allianz und andere westliche Geiseln aus den Händen der Mörder nicht nur retten vermag.
Ob die allgemeine Stimmung zum Kampf gegen IS nur dem momentanen Zorn, der tiefen Abscheu gegen diese Barbarei entspringt,  lässt sich vorerst nicht absehen. Bis zur Veröffentlichung des Videos, das die Verbrennung Kasasbehs bei lebendigem Leibe zeigt, war Jordaniens Bevölkerung, die traditionell einem gemäßigten Islam anhängt, tief gespalten.  Nationalisten, viele Angehörige der Stämme, darunter auch Kasasbehs Vater, lehnten die Motivationen des Königs für diesen „Krieg der Werte“ ab. Jordanien, so die Argumentation, müsse sich aus Konflikten jenseits seiner Grenzen heraushalten.
„Leider ist dies ein Krieg innerhalb der islamischen Welt“, versuchte Abdullah vor kaum zwei Wochen Stammesführer voll zur Unterstützung seiner Kampagne zu gewinnen. „Es ist unser Krieg“, betonte der Monarch, der mit der traditionellen Vorsicht und Zurückhaltung seines hochgeachteten Vaters bei internationalem militärischem Engagement brach und sich mutig zur aktiven Unterstützung der von den USA geführten internationalen Allianz gegen IS entschloss und den USA die Errichtung der wichtigsten Operationsbasis gegen IS auf seinem Territorium gestattet. Nach einer Ende 2014 durchgeführten Umfrage unterstützt nur etwas mehr als die Hälfte der Jordanier diese Politik, während ihn 30 Prozent entschieden ablehnen.  IS versuchte gezielt, mit der Affäre Kasasbeh, einen tieferen Keil in die jordanische Gesellschaft zu treiben, ja gar ein Ausscheren Ammans aus der internationalen Allianz zu erzwingen und insgesamt das Königreich zu destabilisieren.
Neben Saudis stellen Jordanier die größte Gruppe ausländischer Kämpfer in IS. Der Großteil kommt aus dem bitterarmen Süden, der traditionell unruhigen Maan-Provinz, wo die Jugendarbeitslosigkeit die 30 Prozent-Marke überschreitet und der Zorn über Missmanagement und Korruption besonders tief sitzt. Hier den Nachschub an Kämpfern und anderer Hilfe für IS zu blockieren sollte zu den zentralen Zielen der Streitkräfte im Kampf gegen IS zählen.  Terrorexperten hingegen warnen eindringlich vor den angekündigten Racheaktionen , wie der Exekution zahlreicher militanter Islamisten, die nur den Teufelskreis von Blut und Terror für das Königreich in bedrohlichem Maße ankurbeln würde. Militärische Optionen bis zum Einsatz der hochtrainierten jordanischen Bodentruppen in Syrien zählen zu den Entscheidungen, die Abdullah nun abzuwägen hat. Sie würden zwar IS  eine gefährliche neue Front eröffnen, doch das Königreich vollends in einen Krieg hineinziehen, dessen Ausgang unabsehbar ist.

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