Donnerstag, 21. August 2014

Peschmerga: Bollwerk gegen IS-Terroristen

Der Weg der kurdischen Freiheitskämpfer zum einzigen ernstzunehmenden Gegner der Terroristen im Irak und damit zum stärksten Verbündeten des Westens
 
von Birgit Cerha
 
Vor mehr als zehn Jahren hatten die Amerikaner nach dem Sturz des Diktators Saddam Hussein die irakischen Streitkräfte aufgelöst, alle Offiziere in die Wüste geschickt, wo sich einige jüngst den Terroristen des „Islamischen Staates“ (IS) zu einem barbarischen Kampf verbündeten. Mit Milliarden von Dollar und militärischem Know-how hatte die Supermacht eine neue irakische Streitmacht aufgebaut. Doch nun, in höchster Gefahr für den irakischen Staat und darüber hinaus für die Region und den gesamten Westen, setzen die USA und zunehmend europäische Staaten nicht auf den Einsatz der nationalen irakischen Streitkräfte, sondern auf die jahrzehntelangen Freiheitskämpfer der Kurden, „Peschmerga“ genannt. Nach den Amerikanern versprechen nun mehr und mehr europäische Staaten, darunter zuletzt in einer radikalen politischen Kehrtwende sogar Deutschland, den Kurden Militärhilfe, damit sie IS im Irak besiegen und die internationale Terrorgefahr bannen.
Wer sind diese Peschmerga, in die die westliche Welt nun derartige Hoffnung setzt?
Diese Streitkraft der von mehr als vier Millionen Menschen bewohnten kurdischen Autonomieregion im Nord-Irak besteht aus etwa 200.000 Kämpfern, die einem eigenen Ministerium in der „Kurdistan-Regionalregierung“ (KRG) unterstehen. Oberkommandierender ist KRG-Präsident Massoud Barzani. Seit den rasanten Geländegewinnen des IS der vergangenen Monate haben die Peschmerga, die seit dem Sturz Saddam Husseins 2003 durch ihren Einsatz Kurdistan in eine „Oase der Ruhe“ im blutig turbulenten Irak verwandelten und einen einzigartigen ökonomischen Aufschwung ermöglichten, eine Front von mehr als tausend Kilometern zu verteidigen. Doch dafür stehen ihnen fast nur veraltete leichte Waffen zur Verfügung. Mehr als zehn Jahre lang blockierte die Zentralregierung in Bagdad jegliche militärische Aufrüstung der Kurden, während auch die Nachbarstaaten Türkei und Iran aus Sorge vor verstärktem Unabhängigkeitsstreben der Kurden Waffenkäufe blockierten. Erst nachdem US-Präsident Obama die enorme Gefahr erkannte, die von  IS für die gesamte zivilisierte Welt ausgehen könnte, gab er kurdischem Drängen nach militärischer Unterstützung nach. Denn ohne ausreichende Munition, ohne modernes, schweres Kriegsmaterial und ohne Unterstützung aus der Luft, sind die Peschmerga den kampferprobten, sehr mobilen und flexiblen Fanatikern der IS hoffnungslos unterlegen.
„Peschmerga“ bedeutet nicht nur, wie gemeinhin übersetzt „Die dem Tod ins Auge Sehenden“, sondern die Silbe „Pesh“ drückt zudem die Entschlossenheit aus, unerschrocken, mit einem Dolch zwischen den Zähnen, dem Tod entgegenzulaufen. Tatsächlich haben diese kurdischen Kämpfer durch ihren Mut, ihre Disziplin, ihre Tapferkeit und Zähigkeit in jahrzehntelangen Kämpfen um kurdische Selbstbestimmung enorme Symbolkraft in der kurdischen Gesellschaft erworben.
Ihr Ursprung geht auf die Zeit des Zusammenbruchs des Osmanischen Reiches Anfang des 20. Jahrhundert zurück, als sie begannen, sich  von Stammeskriegern zu gut trainierten und disziplinierten Guerillaeinheiten zu entwickeln und der aufkeimenden kurdisch-nationalistischen Bewegung Kraft und Mut gaben.  Jahrzehntelang  kämpften sie unter Führung Mulla Mustafa Barzanis gegen die Bagdader Zentralregierung, erlitten wiederholt schwere Niederlagen, nur um erneut ihr Leben für ihre nationale Selbstbestimmung zu riskieren. Nachdem sie im iranisch-irakischen Krieg (1980-88) die Partei der „Islamischen Republik“ ergriffen hatten, erschien die nationale Bewegung nach genozidartigen Rachefeldzügen Bagdads am Ende. Doch immer wieder lebte der Kampfgeist der Kurden neu auf, bis sie 2003 durch eine militärische Allianz mit den USA im Krieg gegen Saddam eine einzigartige historische Chance erhielten und seither auch auf nationaler politischer Ebene eine zentrale Rolle spielten.
Die Peschmerga gelten weithin als „Gralshüter des kurdischen Nationalismus“ und der kurdischen Kultur, strikt loyal zu ihren politischen Führern. Doch diese Loyalität hat die Peschmerga seit blutigen heftigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden größten Bewegungen Kurdistans, der „Kurdischen Demokratischen Partei“ (KDP) und der „Patriotischen Union Kurdistans“ (PUK) geschwächt, da Zehntausende ihrer Soldaten direkt der KDP bzw. der PUK unterstehen. Die USA aber haben die kurdischen Kämpfer, wie auch die Politiker, als verlässliche Partner und Freunde während ihres Krieges 2003 und der anschließenden neunjährigen Besatzung des Iraks schätzen gelernt – ganz im Gegensatz zur neugebildeten irakischen Armee.
 

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