Freitag, 15. August 2014

Eine kleine Chance für den Irak

von Birgit Cerha
 
Konfrontiert mit der Realität, dass er sich durch den Verlust seiner wichtigsten Verbündeten mit Gewalt die Macht erhalten kann, warf Nuri el-Maliki nach viertägigem Kräftemessen das Handtuch. Dem krisengeschüttelten Irak bleibt ein blutiger Bruderkampf um das Amt des schiitischen Regierungschefs erspart und Malikis enger Parteifreund Heidar al-Abadi kann nun mit der Regierungsbildung beginnen. Sein stärkstes politisches Kapital ist die Tatsache, dass er nicht Maliki ist, so tief sitzt der Hass auf den Ex-Premier. Angesichts des drohenden Vormarsches der Terroristen des „Islamischen Staates, die bereits große Landesteile eroberten, sind die Kurden und gemäßigte arabische Sunniten bereit, Abadi eine Chance zu geben. Den in England ausgebildete Elektroingenieur hat denselben politischen Hintergrund wie Maliki. Er stützte sich auch bisher wie der Ex-Premier auf die überwiegend schiitische Bevölkerung des Süd-Iraks und vertritt einen entschlossen irakischen Nationalismus, der kurdisches  Streben nach Selbständigkeit energisch ablehnt. Doch Abadi , seit 2003 Mitglied der irakischen Führung, polarisierte bisher nicht. Er zeigte sich auch jüngst kompromissbereit gegenüber den anderen Bevölkerungsgruppen, gesteht Exzesse (vor allem gegen arabische Sunniten) durch die von Maliki kommandierten Sicherheitskräfte  ein und spricht von nationaler Versöhnung, der wichtigsten Voraussetzung zur Rettung des Landes. Besteht er den ersten großen Test – die von den Sunniten so lange geforderte Übernahme des Verteidigungs- und/oder Innenministeriums als Beweis für deren Integration in den politischen Prozess, gewinnt er die Chance, den Terroristen den Rückhalt in der sunnitischen Bevölkerung zu entziehen, von den USA Militär- und Wirtschaftshilfe und auch die Unterstützung seines iranischen Freundes zu erhalten, um so zumindest die Herkulesarbeit in Angriff zu nehmen: den Kampf mit einer demoralisierten Armee, unterstützt von durc EU-Waffe gestärkten Kurden, gegen einen furchterregenden, fanatischen Feind, der die sunnitischen Stammesstrukturen, die wichtigsten Bausteine für den nationalen Wiederaufbau,  durch seinen gewaltsamen Vormarsch empfindlich geschädigt hat. Abadi braucht jede Hilfe.
 

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