Sonntag, 28. Juli 2013

Was nun für Ägypten?

von Birgit Cerha
 
Männer mit Gewehren und hoher Bereitschaft, diese gegen unbewaffnete Zivilisten zu richten  geben nun in Kairo den Ton an. Der Optimismus des „Arabischen Frühlings“, der vom Nil aus die gesamte Region erfaßte, ist im Blut ertränkt. Mindestens 72 Tote, das ist die vorläufige Bilanz  der Massendemonstration, durch die sich Ägyptens neuer starker Mann, General al-Sisi, die Legitimität des Volkes für einen brutalen Kampf gegen „Gewalt und Terror“ holen wollte. Und das Ende des Blutvergießens ist nicht abzusehen. Die weitgehend unbewaffneten Anhänger des gestürzten Präsidenten Mursi, Hauptopfer des Blutbades vom Samstag, harren in einem an Selbstmord grenzenden Sitzstreik aus, bauen Barrikaden, in der Hoffnung, die drohende Räumung ihres Protestlagers zu überleben. Viele werden es nicht.
Kein Zweifel, Mursi hat in dem einen Jahr der Macht demokratische Grundsätze kraß verletzt, Ex-Präsident Mubaraks unreformierten Polizeiapparat gegen Gegner eingesetzt und seine Anhänger werden nun wieder, wie  in alten Zeiten, zu deren Zielscheibe. Doch der selbsternannte „Retter der Revolution“, Al-Sisi, verrät durch die Brutalitäten gegen Mursis Anhänger die wichtigsten Ziele dieser Revolution und läßt zugleich erkennen, dass  die Generäle die politische Bühne  auf unabsehbare Zeit dominieren werden.
Die dramatischen Ereignisse seit Mursis Sturz am 3. Juli haben die Führung der Moslembruderschaft - dieser Massenbewegung, die sich zuletzt 2011 all ihrer progressiven Kräfte entledigt hatte -  noch weiter radikalisiert. Während das Fußvolk, ganze Familien mit ihren Kindern, vor der Kairoer Rabaa al-Adawiya Moschee todesmutig  die „demokratische Legitimität“ verteidigt, laufen hinter den Kulissen Bemühungen um einen Kompromiss: Sicherheitsgarantien und Freiheit für die Moslembrüder, Fortbestand ihrer Bewegung, die sich im Gegenzug dem politischen Prozess zu einer demokratischen Zukunft anschließen würde, böte Ägypten die größte Chance auf einen Ausbruch aus einem selbstzerstörerischen Kreislauf der Gewalt und würde gemäßigten Kräften auf allen Seiten wieder eine Stimme geben. Beharren die Moslembrüder aber  auf dem utopischen Ziel der Wiedereinsetzung Mursis, riskieren sie nicht nur den Tod unzähliger  Aktivisten, sondern auch die Rückkehr in den politischen Untergrund, Gefängnis für ihre Führer und Tausende Anhänger. Das Land könnte die gefährliche Spaltung nicht überwinden und Gewalt nur durch Gewalt unter Kontrolle halten.
 

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