Mittwoch, 23. Februar 2011

LIBYEN: Hetzt Gadafi Söldner auf sein Volk?

Erschreckende und verwirrende Berichte aus Libyen werfen ein Schlaglicht auf die Vorliebe des Diktators für die Bildung eigener Legionen

von Birgit Cerha

Die Schreckensberichte häufen sich. Augenzeugen, abgesprungene Diplomaten, libysche Exil-Oppositionelle melden, Muammar Gadafi hetze in einem verzweifelten Überlebenskampf angeheuerte schwarze und weiße Söldner als Scharfschützen auf sein Volk. Sie stünden unter dem Befehl vom jüngsten Sohn des Diktators, Khamis Gadafi. Auch von der Landung von vier Flugzeugen mit „afrikanischen Söldnern“ auf dem Benina International Airport bei Benghazi ist die Rede. Der libysche Exilpolitiker Mansour El-Kikhia bestätigt auf der Basis von Telefongesprächen mit der Heimat, dass Söldner „überwiegend aus dem Tschad und West-Afrika“ Zivilisten ermordeten. In Benghazi von Aufständischen festgenommene Legionäre hätten gestanden, dass sie von Gadafi 17.000 Dollar erhalten hätten. Unterdessen tauchten auch Berichte über in Ghana und Nigeria verbreitete Annoncen auf, die kampfeswilligen Männern für ein Engagement in Libyen 2000 Dollar pro Tag versprächen.

Im blutigen Chaos Libyens können solche Berichte nicht verifiziert werden. Doch ein Blick auf Gadafis Vergangenheit und die Traditionen von Despoten in der Region lassen den Einsatz von Söldnern wahrscheinlich erscheinen. Unklar bleibt freilich ihre Zahl.

Wie andere Diktatoren im Orient und in Afrika, setzte Gadafi schon lange auf eine eigene Schutztruppe, die direkt seiner Befehlsgewalt untersteht und damit Putschversuche aus den Reihen der regulären Streitkräfte abwehren kann. Dies wurde umso wichtiger für sein politisches Überleben, als der Oberst im Laufe seiner 40-jährigen sehr umstrittenen Herrschaft der Armee, aus der er einst selbst kam, misstraute. Ausländische Legionäre besitzen den Vorzug des völlig fehlenden innenpolitischen Interesses. Für sie gilt einzig die Loyalität zum Geldgeber, für den sie blind zu töten bereit sind. Die enormen Brutalitäten in den libyschen Straßen lassen tatsächlich den Schluß zu, dass die Mörder im Namen Gadafis keine mitbürgerlichen Hemmungen kennen.

Um seine große geopolitischen Ambitionen zu verwirklichen – arabische Einheit, afrikanische Union etwa – hatte Gadafi bereits 1972 die „Islamische (Pan-Afrikanische) Legion“ gegründet. Mit dieser paramilitärischen Einheit hoffte er seinen Traum von einem „Großen islamischen Staat des Sahels“ zu erfüllen und zugleich diese Region zu arabisieren. Die Legion engagierte sich zunächst im Tschad und anschließend im Sudan. Die Legion setzte sich vor allem aus Immigranten aus den armen Sahelstaaten zusammen, später aber auch aus Tausenden Pakistani, die Gadafi für zivile Arbeiten nach Libyen gelockt hatte. Die Legion kämpfte 1980 im Bürgerkrieg im Tschad, sowie 1987 im Zuge der libyschen Offensive im Tschad und trug entscheidend zu anhaltendem Blutvergießen in diesem von Bürgerkriegen gequälten Land bei.

Parallel verfolgte Gadafi seinen Traum von einer vereinten arabischen Militäreinheit, einer Armee von einer Million Männern und Frauen, die in einer großen Schlacht Palästina befreien, die reaktionären arabischen Regime stürzen, die Staatsgrenzen eliminieren und ein großes arabischen Heimatland „vom (Indischen) Ozean bis zum (Persichen) Golf schaffen sollte. Ein Nationales Kommando wurde 1985 unter Gadafis Führung gegründet, doch eine Truppe kam nie zustande.

Die „Islamische Legion“ soll heute an die 7.000 Kämpfer zählen. Unklar ist, inwieweit Gadafi diese Legionäre oder angesichts der Unruhen rasch aus Afrika geholte Söldner im Kampf gegen Demonstranten einsetzt. Es erscheint durchaus möglich, dass es sich auch um schwarze Angehörige der libyschen Armee handelt, die dem Diktator aus Dankbarkeit treu ergeben sind. Denn zu den regulären Soldaten zählen auch viele Bürger aus dem Tschad, die einst auf der Seite Gadafis gekämpft und dafür vom Oberst die libysche Staatsbürgerschaft, ein Haus und eine Arbeit, meist in den Streitkräften, erhalten hatten. Auf ihre Treue dürfte sich Gadafi auch in dieser kritischsten Stunden seiner Macht stützen können.

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