Montag, 17. Mai 2010

IRAN: Teheran stimmt Uran-Tausch zu

Kompromiss im Atomstreit nur taktisches Manöver oder erster Schritt zum Durchbruch?

von Birgit Cerha

Die Reise des brasilianischen Präsidenten Lula da Silva nach Teheran - in westlichen Hauptstädten, insbesondere Washington, misstrauisch verfolgt - galt als „letzte Chance“ für eine Verhandlungslösung im internationalen Atomstreit mit dem Iran. Und tatsächlich gelang nach Marathongesprächen, denen sich schließlich auch der türkische Premier Erdogan anschloss, ein Übereinkommen, das die Beteiligten als Durchbruch feiern. In einem Montag unterzeichnete Abkommen stimmte der Iran einer bereits vor mehr als sechs Monaten von der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) vorgeschlagenen Urananreicherung im Ausland zu und beweise damit nach den Worten des außenpolitischen Sprechers Mehmanparast sein Interesse an „Kooperation anstatt Konfrontation mit der internationalen Gemeinschaft“. Zugleich rief stetig wieder an Selbstbewusstsein gewinnender Präsident Ahmadinedschad die Führer der westlichen Welt zur Wiederaufnahme der Gespräche „auf der Basis von Ehrlichkeit, Gerechtigkeit und gegenseitigem Respekt“ auf.

In dem Abkommen verpflichtet sich der Iran, die IAEA binnen einer Woche über die Details der Vereinbarung zu informieren. Vorbehaltlich der Zustimmung der Organisation, wird Teheran 1.200 kg schwach angereichertes Uran (LEU) in die Türkei entsenden, wo es binnen einen Jahres gegen höher angereicherten atomaren Brennstoff für einen Reaktor in Teheran ausgetauscht werden soll, der Isotope für die Krebsbehandlung herstellt. Dieser Vorgang kann unter Aufsicht der IAEA stattfinden, die auch für die Entsendung von 120 kg höher angereicherten Urans in den Iran verantwortlich ist. Teheran kann von der Türkei die sofortige und bedingungslose Rücksendung seines LEU einfordern, sollte es nicht innerhalb des genannten Zeitraums den Brennstoff für seine medizinischen Zwecke erhalten.

Der Iran hatte vergangenen Oktober dem IAEA-Vorschlag zu einem solchen Tausch zwar grundsätzlich zugestimmt, jedoch daran Bedingungen geknüpft, die der Westen zurückwies, wie u.a. dass ein direkter Austausch auf iranischem Boden stattfinden müsse. Ahmadinedschad nennt iranisches Misstrauen gegenüber den wahren Absichten der USA und anderer westlicher Staaten, die Teheran letztlich das höher angereicherte Uran verweigern könnten, als Hauptgrund für die bisherige Weigerung, dem Kompromiss zuzustimmen.

Ob mit diesem Abkommen tatsächlich ein Durchbruch im Atomstreit erzielt wurde oder ob es sich lediglich wieder um ein taktisches Manöver der Iraner handelt, im letzten Moment eine Verschärfung der internationalen Sanktionen zu verhindern, bleibt abzuwarten. Immerhin sitzen sowohl Brasilien als auch die Türkei als nichtständige Mitglieder im Weltsicherheitsrat, und Vertreter beider Staaten stellten nachdrücklich klar, dass sie verschärfte Sanktionen nun für überflüssig hielten.

Die Übereinkunft berührt allerdings nicht den zentralen Streitpunkt des Atomkonflikts: Irans Urananreicherung, zu deren Fortsetzung Teheran entschlossen ist. Zudem besaß der Iran zum Zeitpunkt des IAEA-Vorschlages nur etwa 1.800 kg LEU , während er heute über rund 2.300 kg verfügen dürfte, genug, nach Ansicht von Experten, um, sobald höher angereichert, eine Atomwaffe zu produzieren.

Unabhängige iranische Analysten meinen unterdessen eine Haltungsänderung in der iranischen Führung zu erkennen. Im Gegensatz zum vergangenen Oktober war diesmal der „Geistliche Führer“ Khamenei direkt in die Verhandlungen mit einbezogen worden. Ein nachträglicher Rückzug aufgrund massiven internen Widerstandes, wie vor sieben Monaten, ist damit unwahrscheinlich.

Der Teheraner Politologe Sadeqh Zibakalam sieht klare Anzeichen, dass sich die Hardliner im Iran in der Atomfrage den Reformern annähern, um den Preis der internationalen Isolation des Landes und der UN- bzw. US-Sanktionspolitik zu reduzieren, insbesondere angesichts der sich stetig verschärfenden Wirtschaftskrise. Diese Haltungsänderung lasst sich aus zahlreichen Erklärungen prominenter Konservativer erkennen, so etwa des Vorsitzenden des außenpolitischen Ausschusses im Parlament, Boroujerdi, der noch im Herbst den IAEA-Vorschlag scharf kritisiert hatte. Nun betont er: „Die Türen stehen jedem Land offen, das bereit ist, uns (nuklearen) Brennstoff zu liefern.“

Findet der Kompromiß im Westen positive Reaktionen, dann stärkt er Ahmadinedschads Position gegenüber der demokratischen Opposition, bald ein Jahr nach seiner so heftig umstrittenen Wiederwahl.

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