Montag, 22. Juli 2013

EU ächtet Hisbollah-Miliz

Libanesische Schiitenorganisation gerät nach ihrer Verwicklung im Syrienkrieg zunehmend unter Druck
 
von Birgit Cerha
 
Nach monatelangen Diskussionen haben die EU-Außenminister sind die EU-Außenminister dem wachsenden israelischen und amerikanischen Druck gewichen und setzten den militanten Flügel der libanesischen Schiitenorganisation Hisbollah auf ihre Terrorliste. Diesen Schritt begründeten sie mit Beweisen, dass die von Iran und Syrien seit drei Jahrzehnten unterstützte Bewegung zunehmend i n Europa Terrorakte plane. Die Entscheidung stützt sich auf zwei Ereignisse, ein Attentat auf einen Bus im bulgarischen Schwarzmeerort Burgas, bei dem vor einem Jahr fünf israelische Touristen und ein Bulgare ums Leben gekommen waren, sowie auf ein Gerichtsurteil in Zypern, wo im März ein mutmaßliches Hisbollah-Mitglied wegen der Planung von Attacken auf Israelis in Zypern verurteilt worden war. Die beiden Zwischenfälle sind nicht vollständig überzeugend, insbesondere der Fall Burgas. Im Juni erklärte der neugewählte sozialdemokratische Premier Bulgariens, dass  der Terrorakt von Burgas nicht ausreiche, um Hisbollah auf die „Schwarze Liste“ zu setzen, da die Beweise für dieses Verbrechen schwach seien. Hisbollah-Chef Nasrallah hatte die Verwicklung  in diesen Terrorakt entschieden zurückgewiesen.
Die Ächtung bedeutet, dass EU-Behörden gegen Mitglieder der Hisbollah-Miliz Einreiseverbote verhängen. Ihre Vermögenswerte werden eingefroren und jegliche finanzielle Unterstützung der Organisation ist nun verboten.
Insbesondere Frankreich, aber auch zahlreiche andere EU-Staaten hatten sich lange dagegen gewehrt, Hisbollah als Terrorgruppe zu brandmarken, einerseits weil es an klaren Beweisen für Terroraktivitäten in Europa mangelte, anderseits aus Sorge um die ohnedies schon schwer bedrohte Stabilität des Libanons. Die Entscheidung Nasrallahs, seinem wichtigsten Verbündeten, dem zunehmend im Krieg gegen seine  Gegner bedrängten syrischen Präsidenten Assad durch die Entsendung Tausender kampferprobter Milizionäre beizustehen, hat die Haltungsänderung der EU bewirkt.
Hisbollah, 1982 vom Iran mit dem Ziel des islamischen Revolutionsexports und der „Befreiung Jerusalems“ aus israelischer Kontrolle aus der Taufe gehoben, hat sich im Laufe der Jahrzehnte dank großzügiger finanzieller und militärischer Unterstützung aus Teheran zur weitaus stärksten politischen und militärischen Kraft im Libanon aufgebaut. In den 80er Jahren konzentrierte sich Hisbollah keineswegs nur auf den Kampf gegen die israelische Besatzungsarmee, die seit der Invasion von 1982 große Teile des Landes unter ihrer Kontrolle hielt, sondern führte auch im Auftrag des Irans blutige Terrorakte gegen westliche Ziele und die Entführung von westlichen Ausländern im Libanon durch. Zugleich baute sie ein umfangreiches soziales Netz für die bitterarme, jahrzehntelang von den Beiruter Regierungen vernachlässigte schiitischen Bevölkerung des Landes auf. Den Höhepunkt ihrer Popularität auch in anderen arabischen Ländern erreichte Hisbollah, als sie durch wiederholte Guerillaattacken im Jahr 2000 den totalen Rückzug Israels aus dem Libanon erzwang. Sie verlor jedoch an Sympathie vor allem unter den nicht-schiitischen Bevölkerungsgruppen, als sie 2006 durch die Entführung von zwei israelischen Soldaten eine massive Bombenkampagne der Israelis provozierte, die sich die endgültige Vernichtung der Hisbollah zum Ziel gesetzt, dieses jedoch verfehlt hatten. Der Krieg endete für den Libanon aber in einer Katastrophe, mit 1.200 zivilen Toten und einer weitgehend zerstörten Infrastruktur. Hisbollah aber gelang es dank ihrer militärischen und politischen Macht im Lande, sich wiederholten UN-Resolutionen zu ihrer Entwaffnung zu widersetzen und eine Politik im Interesse Syriens zu verfolgen. Eine Regierung ohne ihre Unterstützung ist heute im kleinen Levantestaat nicht möglich.
Ihre Verwicklung im Syrienkrieg, die eine Wende zugunsten Assads einleitete, hat jedoch Hisbollahs Position im Libanon geschwächt. Nicht nur die mit der Opposition gegen Assad sympathisierenden Sunniten, auch ein Teil der schiitischen Bevölkerung kritisiert Nasrallah heftig, dass er durch seine Strategie den Libanon in den Strudel des Krieges mit hineinziehe.
Die Entscheidung der EU  aber dürfte für Hisbollah keinen einschneidenden Schaden bedeuten. Die Organisation besitzt nur geringe Vermögenswerte in EU-Ländern, auch finanzielle Unterstützungen fließen kaum von Europa. Gerüchte halten sich über allerlei illegale Aktivitäten, die auch zu mexikanischen Drogenkartellen führen. Zudem ist eine Unterscheidung zwischen dem politischen und dem militärischen Flügel fast nicht möglich. Und die Ächtung der Organisation hat noch eine Ironie. Hisbollah begründete ihr Engagement in Syrien mit der Notwendigkeit, den Sieg extremistischer Salafisten-Rebellen der Al-Nusra-Front zu verhindern. Al-Nusra haben die USA vor einigen Monaten auf ihre Terrorliste gesetzt.

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