Sonntag, 10. Februar 2013

Assad gewinnt neues Selbstbewusstsein

Regierungsumbildung inmitten des Krieges – Das Ende des syrischen Regimes ist nicht absehbar

von Birgit Cerha

Während seine Kampfflugzeuge intensive Einsätze flogen und in Damaskus die schwersten Kämpfe seit Beginn der Rebellion vor fast zwei Jahren tobten, bildete Syriens Präsident Assad sein Kabinett um und zeigt sich gesprächsbereit gegenüber der Opposition. Mit dieser Maßnahme, der Trennung der Arbeits- und Sozialressorts und der Ernennung von sieben neuen Ministern, zuständig für Wiederaufbau, Landwirtschaft, Öl- und Rohstoffe, sowie Finanzen versucht Assad die dramatische Wirtschaftskrise in wenigstens etwas in Griff zu bekommen. Syriens Wirtschaft steckt nach fast zwei Jahren des Krieges in einer schweren  Rezession. Der Mangel an Waren des täglichen Bedarfs nimmt dramatische Ausmaße an. Die Infrastruktur ist schwer beschädigt der Flughafen der größten Stadt, Aleppo, wegen Kämpfen gesperrt und der Dollarkurs für die syrische Währung auf dem Schwarzmarkt seit März 2011 auf mehr als das Doppelte gestiegen. Laut Weltbank schrumpfte das Bruttoinlandsprodukt um 20 Prozent, während die Arbeitslosigkeit nach Schätzungen von derzeit 37 bis Jahresende auf 50 Prozent ansteigen dürfte. Die Produktion von Nahrungsmitteln, darunter Getreide Früchte und Gemüse, fiel um 50 Prozent.
Während Assad trotz unverminderter Kämpfe sich nun offenbar verstärkt auf die sozialen Nöte der Bevölkerung konzentrieren will, erklärte er sich am Wochenende erstmals zu bedingungslosen Gesprächen mit der Opposition im In- und Ausland bereit, einschließlich des „Syrischen Nationalrates“ (SNR), der Dachorganisation zahlreicher, darunter auch islamistischer Rebellengruppen, denen er bisher jeden Dialog verweigert hatte. Ende Januar hatte Moaz al-Khatib, der Führer des mit Hilfe der USA neugegründeten oppositionellen Dachverbandes „Syrische Oppositions-Koalition“, der auch der SNR angehört, erstmals nach Rücksprache mit Assads engsten Verbündeten, Russland und Iran, dem Damaszener Herrscher Verhandlungen angeboten, doch als Vorbedingung die Freilassung von allen rund 160.000 Gefangenen gestellt. Khatib aber hatte sich zuvor nicht der Unterstützung wichtiger Oppositionsgruppen für diese mutige Friedensinitiative versichert und damit heftiger Kritik ausgesetzt. Das Angebot des „Koalition“ wurde daraufhin an die Bedingung geknüpft, dass es bei den Verhandlungen primär um Assads Abgang gehen müsse.

Diese Entwicklung illustriert deutlich die reale Gefahr, dass die mühselig aus der Taufe gehobene Opposition auseinanderbricht. In jedem Fall bietet sie sich nicht als glaubwürdige neue Kraft für ein Syrien nach Assad an. Die Tatsache, dass Khatib das Verhandlungsangebot wagte, zeigt, dass dieser prominente Syrer die militärische Unbesiegbarkeit Assads erkannt hat und deshalb einen Kompromiss sucht, um dem Ausbluten des Landes Einhalt zu gebieten.

Außer Khatib hatten jüngst internationale Persönlichkeiten ihre Überzeugung kundgetan, dass Assad gar noch Jahre an der Macht ausharren könnte, zuletzt Iraks Präsident Maliki, ein intimer Kenner Syriens, der sich bisher jeglicher Stellungnahme über Assads Schicksal enthalten hatte und nun die Ansicht vertrat, der Syrer seit „weit klüger“ als sein irakischer Erzfeind, der 2003 gestürzte Diktator Saddam Hussein. Ähnliche Zweifel an einem raschen Sturz Assads sprachen der jordanische Königs Abdullah, der UN-Vermittler Brahimi und u.a. auch der französische Außenminister Fabius aus.
Eine Reihe von Entwicklungen haben Assads Selbstbewusstsein offenbar gestärkt und westlichen Führern eine Fehleinschätzung der Unterstützung vor Augen geführt, die Assad – ungeachtet aller Brutalitäten – immer noch in beträchtlichen Teilen der syrischen Bevölkerung besitzt. Die Minderheiten, die insgesamt knapp weniger als die Hälfte der Bevölkerung ausmachen, haben sich aus Angst vor blutigem Chaos nach Assad  nicht in großen Zahlen der von Sunniten dominierten Opposition angeschlossen, ebenso viele einflussreiche Sunniten nicht. Nach einer großangelegten  Umfrage der „Qatar Foundation“ unterstützen immer noch 55 Prozent der Syrer Assad und 68 Prozent kritisieren die Sanktionen der Arabischen Liga.

 Trotz mancher Desertionen und schwerer Schläge ist die militärische und institutionelle Struktur des Regimes immer noch intakt. Eine Veränderung der militärischen Taktik, offenbar auf russischen Rat, hat der syrischen Armee Geländegewinne um Damaskus und Homs ermöglicht. Das Regime entvölkerte von Rebellen infiltrierte Gebiete um diese Städte und bombardierte sie heftig. Strategisch unbedeutende , von Rebellen kontrollierte Regionen, schneidet Damaskus von der Versorgung lebenswichtiger Güter ab, in der Hoffnung, dass die Bevölkerung sich damit gegen die Rebellen stellt. Bis heute gelang es der militanten Opposition nicht, ganze Provinzen oder Städte zu kontrollieren. Begegnungen mit Assad, über die ausländische Besucher jüngst berichteten, lassen eine wachsende Zuversicht des Syrers erkennen, dass die Armee diesen Krieg gewinnt. Entscheidende Hilfe dabei liefert die zutiefst gespaltene und zerstrittene Opposition. Während Assads wichtigste Stütze, die russisch-iranische Achse und die aktive Hilfe der kampferprobten libanesischen Hisbollah, seit ihrer Gründung in den 80er Jahren engster Verbündeter des Assad-Regimes, unverrückbar zusammenhält, hat die dramatische Verbreitung militanter Jihadisten in Nordafrika und Frankreichs Militäraktion gegen diese potentiell auch Europa bedrohende Terrorgefahr in Mali die Angst europäischer Staaten und der USA vor einem Staat nach dem Muster der afghanischen Taliban in der Levante, dem Herzen des Nahen Ostens, wesentlich gesteigert. Eine Bewaffnung der Opposition durch westliche Staaten erscheint damit weiterhin unwahrscheinlich.

Der amerikanische Syrienexperte Joshua Landis schrieb jüngst im britischen  „Guardian“, keiner in der Opposition „kann bis heute erklären, wie der Krieg gewonnen werden kann. Das Regime hat (den Vorteil der) Einigkeit, es besitzt alle schweren Waffen.“  Nur eine Intervention von außen könnte das Kräftegleichgewicht zum Nachteil Assads verschieben.

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