Montag, 26. März 2012

Syriens Opposition ringt um einen Nationalpakt

Tief zersplitterte Gegner des Assad Regimes suchen eine gemeinsame Vision für ein „neues Syrien“ im Vorfeld der internationalen“ Konferenz der Freunde Syriens“
(Bild:Burhan Ghalioun)

von Birgit Cerha

Um internationale Frustration über die tief zersplitterte und orientierungslose syrische Opposition zu überwinden, begannen Gegner des Assad-Regimes unter Führung des „Syrischen Nationalrates“ (SNR) Montag auf Drängen der Türkei und der Arabischen Liga in Istanbul eine zweitägige Konferenz. Die Delegierten haben sich ein hohes Ziel gesetzt: einen „Nationalpakt für ein Neues Syrien“ zu entwerfen, in dem sich die Opposition auf gemeinsame Ziele einigt, den Sturz der Diktatur und der Errichtung eines „pluralistischen, zivilen und demokratischen Staates“. Die Zerstrittenheit der Gegner Assads blockiert seit Monaten internationale Unterstützung und die Entscheidung darüber, ob dem Morden des Damaszener Regimes mit militärischen Mitteln Einhalt geboten werden kann und soll. Die Frage, ob hier nicht vielleicht radikalen Kräften der Weg zur Macht in Syrien geöffnet werde und das Land damit in eine noch größere Katastrophe schlittern könnte, bleibt bis heute unbeantwortet.
Der SNR hat es unter Führung des im Pariser Exil lebenden Politologie-Professor s Burhan Ghalioun geschafft, von den USA, europäischen und arabischen Staaten als Vertretung der syrischen Opposition anerkannt zu werden. Doch er verlor weitgehend an Glaubwürdigkeit, als sich immer mehr Oppositionelle in Protest gegen die autoritäre Führung Ghaliouns distanzierten. Zuletzt kehrten fünf prominente Mitglieder dem Rat den Rücken, darunter Haitham al-Maleh und Kamal al-Labwani, zwei der in Syrien bekanntesten und feurigsten Dissidenten. Der SNR stützt sich damit fast nur auf Exil-Syrer , die in ihrer Heimat wenig Rückhalt besitzen. Maleh begründet seine Entscheidung mit der „undemokratischen“ Haltung Ghaliouns. „Die Gruppe ist kein Rat. Sie wird wie die (herrschende syrische) Baath-Partei geführt.“ Die Chance, die Kritiker wieder in den Rat zu integrieren, ist gering.

Die interne wie auch ein Teil der externen Opposition kritisieren Ghaliouns Versagen, den Westen für eine Invasion zum Sturz Assads gewonnen zu haben. Mit zunehmender Brutalität der staatlichen Sicherheitskräfte wurde der Ruf nach bewaffneter Rebellion immer lauter. Als es in jüngster Zeit dem Regime mehr und mehr gelang von seinen Gegnern eroberte Territorien etwa in Homs oder Idlib zurück zu gewinnen, setzte sich in Oppositionskreisen die Überzeugung durch, dass nur entschlossene internationale Militärhilfe dem Blutbad ein Ende setzen könne.

Der SNR hatte sich bisher geweigert, der in der Türkei stationierten, aus Deserteuren zusammengesetzten „Freien syrischen Armee“ (FSA) Waffen, Geld und logistische Unterstützung zu geben. Die FSA ist eine lose Koalition kleiner bewaffneter Gruppen ohne straffer Organisation und Führung. Die Entscheidung des FSA-Kommandanten Riad al-Asaad, mit seinem ebenfalls desertierten Rivalen General Mustafa Ahmad al-Sheikh einen gemeinsamen Militärrat zu bilden, dem alle desertierten Offiziere angehören sollen, soll vor allem internationales Vertrauen in diese militanten Rebellen wecken, die zunehmend unter Waffen- und Munitionsmangel leiden. Man garantiere, verspricht General Ahmad al-Sheikh, dass keine Waffen „in die falschen Hände“ gelangen.
Eine Alternative für den SNR als Repräsentant des syrischen Volkes zeichnet sich nicht ab. Abgesehen von der Spaltung zwischen interner und externer Opposition wird der SNR auch durch ideologische Meinungsverschiedenheiten geschwächt. Zudem gelang es dem Rat fast gar nicht, die Minderheiten Syriens – Kurden, Christen, Drusen, aber auch alewitische Gegner des Regimes – für sich zu gewinnen. Diese Bevölkerungsgruppen beunruhigen ebenso wie säkulare syrische Sunniten die Dominaz der Moslembruderschaft im Rat. Seit ihrem fehlgeschlagenen Aufstand gegen das Assad-Regime Anfang der 1980er Jahre, der mit einem ungeheuerlichen Blutbad in Hama endete, gelten die Moslembrüder als die größten Feinde der Damaszener Herrscher. Allein auf die Mitgliedschaft in der Organisation steht die Todesstrafe. Doch in ihrem türkischen und saudischen Exil haben sich die „Brüder“ gemäßigt, stehen offenbar auch stark unter Einfluß der regierenden türkischen „Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung“.

Ängstlich besorgt einen misstrauischen Westen zur Unterstützung der syrischen Opposition zu gewinnen bekannte sich Riyadh Shaqfeh, Geistlicher Führer der Moslembruderschaft, Sonntag in Istanbul demonstrativ zu einem „pluralistischen demokratischen Staat“ in Syrien, in dem eine Frau ebenso Präsident werden könne, wie ein Christ, solange sie die Mehrheit der Wählerstimmen gewännen.
Völlig ungeklärt bleibt hingegen die Frage, inwieweit die Gegner Assads von radikalen Nicht-Syrern, Al-Kaida Aktivisten oder einfach Kriminellen unterwandert sind.

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