Dienstag, 15. Februar 2011

Irans „Grüne Bewegung“ zeigt ihre Lebenskraft

Nach monatelanger Repression wagen sich wieder Zehntausende in die Straßen – Doch der „Gottesstaat“ lässt kein Ventil offen

von Birgit Cerha

In den Hallen des Parlaments in Teheran versammelten sich Dienstag an die 50 erzkonservative Abgeordnete und brüllten vor laufenden Fernsehkameras: „Tod Mussawi, Tod Karrubi“, Tod den beiden Führern der „Grünen“-Demokratiebewegung, die in der zweiten Hälfte 2009 durch ihre Massenproteste gegen den manipulierten Präsidentschaftswahlen das Regime bis ins Mark getroffen hatten. Ihrem Beispiel der friedlichen Demonstrationen Hunderttausender über Internet, Facebook und Twitter zusammengerufener Bürger waren in den vergangenen Wochen Tunesier und Ägypter so eindrucksvoll und mit solch rasantem Erfolg gefolgt. In Panik riefen nun die Abgeordneten nach einem Prozeß gegen die „Korrupten der Erde“, ein Terminus, den das Regime für politische Dissidenten verwendet, die mit dem Tod bestraft werden sollen.
Seit einem Jahr ist es still geworden um Irans Demokratiebewegung. Durch ungeheuerliche Repression, totale Isolation der Führer hat das Regime sich weitgehend der größten Gefahr für sein Überleben entledigt und erneut gefestigt. Der Sturz der pro-westlichen Autokraten in Tunis und Kairo, der Sturz Präsident Mubaraks, immerhin des engsten Verbündeten des „Großen Satans“ USA hat den Theokraten in Teheran zu einem eindrucksvollen geostrategischen Punktesieg verholfen. Dementsprechend pries denn auch der „Geistliche Führer“ Khamenei das „islamische Erwachen“ der Tunesier und Ägypter, in der Hoffnung, Teheran freundlicher gesinnte Regierungen würden dort die Macht übernehmen.

Doch was sich außenpolitisch als Vorteil erweisen könnte, führt intern zu erneuter Bedrängnis des Regimes. Die „Grüne Bewegung“ hat aus den Erfolgen der Demokraten in Tunesien und Ägypten neuen Mut geschöpft. Verschärfte Repressionen vor dem Jahrestag des Siegs der islamischen Revolution am 14. Februar, ja der Hausarrest gegen Mussawi und Karrubi verfehlten ihre Wirkung. Nach Schätzungen wagten sich Montag zum erstenmal seit mehr als einem Jahr wieder Zehntausende Menschen in Teheran zum Protest gegen das Regime auf die Straßen. Und Tausende mehr waren es in Shiraz, Isfahan und Arak, sowie in Rasht und Kermanshah. Ihre Protestrufe richteten sich nicht gegen den verhassten Präsidenten Ahmadinedschad, sondern gegen das Zentrum der Macht, gegen Khamenei. Wie so oft 2009 ertönte im Schutz der Dunkelheit von Häuserdächern wieder der Ruf „Tod Khamenei“. Und nach Schätzungen iranischer Analysten dürften die Proteste am Montag mindestens ebenso viele Menschen angezogen haben, wie am 27. Dezember 2009, jenem denkwürdigen schiitischen Ashura-Tag, der in einem ungeheuerlichen Blutbad geendet und die freiheitshungrigen Iraner für fast 14 Monate von den Straßen gefegt hatte.

Irans „Grüne“ haben ein starkes Zeichen ihrer Lebenskraft gesetzt, auch wenn die Gefängnisse mit ihren führenden Gesinnungsgenossen gefüllt sind. Facebook existiert immer noch. An die 700.000 Iraner waren zwischen Februar 2008 und Juni 2009 in diesem sozialen Netzwerk aktiv. Viele von ihnen loggen sich immer noch ein und verbreiten auf diesem Weg Nachrichten. In hitzigen Debatten im Facebook unterstützen einige immer noch Mussawis und Karrubis Politik gradueller Reformen, die den Iranern bisher allerdings nur Tod und Gefängnis beschert hat. Die „Grüne Bewegung“ ist zersplittert. Während eine Strömung den radikalen Sturz des gesamten Systems erstrebt, andere Mussawis vorsichtige Strategie unterstützen, halten einige aus dem Gefängnis wieder heimgekehrte Reformer insbesondere der Ex-Präsident Khatami nahe stehenden „Islamischen Beteiligungs-Front“ unterdessen die „Grünen“ für all zu „radikal“ und setzen lieber auf Dialog mit den Theokraten und milden Reformversprechen.

Doch nicht einmal davon will das Regime etwas wissen. All zu groß ist die Sorge, auch die kleinste Öffnung des Ventils könnte eine Sturmflut auslösen, die die „Islamische Republik“ dahinfegt.

Bildquelle: taz.de

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