Sonntag, 20. Februar 2011

BAHRAIN: „Du bist willkommen als Gleicher unter Gleichen“

Beharains Opposition stellt Forderungskatalog und will Proteste bis zu deren Durchsetzung fortführen

von Birgit Cerha

Tausende Bahrainis richteten sich Sonntag am zentralen Perlenplatz in der Hauptstadt Manama auf einen langen Aufenthalt ein, um das Königshaus zu einem seriösen Dialog zu zwingen. Viele Aktivisten aus allen Bevölkerungsschichten des kleinen Königreichs im Persischen Golf – darunter auch Frauen und Kinder, Sunniten und Schiiten, Junge und Ältere – betonen ihre Entschlossenheit, bis zur Durchsetzung ihrer Forderungen auf diesem Platz auszuharren, selbst wenn die Sicherheitskräfte erneut gewaltsam zuschlügen.
Mindestens sieben Menschen waren in der Vorwoche ums Leben gekommen und Hunderte verwundet worden, als die Polizei und Armee mit brutaler Gewalt die für politische Reformen demonstrierende Menge vom Perlenplatz verjagte. Sie waren Samstag euphorisch zurückgekehrt, nachdem die Sicherheitskräfte sich plötzlich in ihre Kasernen zurückgezogen hatten. König Hamad bin Isa al-Khalifa hatte sich offensichtlich dem massiven Druck seines engsten Verbündeten USA gebeugt, die das brutale Vorgehen des Regimes gegen friedliche Demonstranten in ein schwere Dilemma gestürzt hatte. Offensichtlich gab Washington zu verstehen, dass das kleine Königreich seine Sonderrolle nicht nur als Stützpunkt für die Fünfte US-Flotte im Persischen Golf, sondern als Brücke zwischen der arabischen Welt, insbesondere den Ölstaaten am Golf und dem Westen verlieren könnte. Noch kurz zuvor hatten die Außenminister des Golf-Kooperationsrates bei einer eilig einberufenen Sitzung klar zu verstehen gegeben, dass die arabischen Ölmonarchien eine „fundamentale und radikale Veränderung in Bahrain“ nicht akzeptieren“ könnten und zugleich die Möglichkeit einer militärischen Intervention zur Rettung der bedrängten Monarchie und damit ihrer eigenen Systeme angedeutet.

Nach dem Blutbad der vergangenen Woche reagierten Bahrains oppositionelle Gruppierungen jedoch zögernd auf das plötzliche Gesprächsangebot, durch das der als Reformer geltende Kronprinz Salman bin Hamad al-Khalifa die dramatischen Spannungen zu entschärfen hofft. Nachdem sie das Angebot zunächst abgelehnt hatten, versuchten etwa zehn Gruppierungen, darunter säkulare Sunniten, wie die „Nationale Demokratische Aktionspartei“ und mehrere Bewegungen der diskriminierten schiitischen Bevölkerungsmehrheit mit der auch im Parlament vertretenen „al-Wefaq“ an der Spitze, am Wochenende einen gemeinsamen Standtpunkt zu erarbeiten und Scheich Salman einen Forderungskatalog zu präsentieren. An erster Stelle steht der Rücktritt der Regierung, die Freilassung von mehr als 400 teilweise seit vergangenen August ohne Gerichtsverfahren inhaftierter politischer Gefangener, darunter auch vieler Kinder und die Einleitung einer Untersuchung des brutalen Vorgehens der Sicherheitskräfte in den vergangenen Tagen.

Die Hauptforderungen sind keineswegs neu. Es geht Schiiten, wie sunnitischen Demokraten um eine neue Verfassung, die das Land aus den Fängen der Autokratie befreien soll. Die Reformen, die der 1999 an die Macht gekommene König Hamed al-Khalifa in einer Nationalcharta dem Volk versprochen hatte, blieben bis heute auf dem Papier. Eine neue, unter Ausschluß der Öffentlichkeit dem Volk verordnete Verfassung, wandelte das Scheichtum zwar auf dem Papier in eine konstitutionelle Monarchie um, doch die Macht des Herrscherhauses bleibt uneingeschränkt. Die Funktionen des gewählten Parlaments sind drastisch durch ein vom König ernanntes Oberhaus eingeschränkt. Zwei Drittel der vom Monarchen ernannten Regierungsmitglieder gehören dem Königshaus an, deren Mitglieder auch in Wirtschaft und Verwaltung des Landes führende Positionen bekleiden.

Hauptanliegen der Schiiten aber ist das vor einigen Jahren vom König eingeführte Nationalisierungsprogramm. Gezielt erhielten nach Schätzungen Zehntausende Sunniten aus dem Jemen, Jordanien, Syrien, dem Irak und Pakistan die Staatsbürgerschaft Bahrains, sowie häufig auch freie Wohnungen bzw. Häuser und Arbeitsplätze, während zugleich die heimischen Schiiten verarmten und in großen Zahlen vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen sind. Dieses Programm bezweckt die Verschiebung des demographischen Gleichgewichts von derzeit 70 Prozent Schiiten zugunsten der Sunniten.

Die Oppositionsparteien betonen ihre Entschlossenheit zur friedlichen Veränderung und von kleineren Gruppierungen abgesehen sind sie sich – vorerst – einig, dass sie nicht den Sturz der al-Khalifas erstreben. „Wir sagen der königlichen Familie: Ihr seid willkommen als Gleiche unter Gleichen. Doch ihr steht nicht über dem Gesetz. Wir wollen eine konstitutionelle Monarchie nach britischem oder spanischem Vorbild“, erläutert Oppositionsführer Ebrahim Sherrif, der eine zentrale Rolle bei Verhandlungen mit dem Regime spielen wird.

Wenn das Königshaus nicht ernsthafte Zugeständnisse macht, davon sind politische Beobachter überzeugt, dann werden die Rufe nach seinem Sturz immer lauter.

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