Donnerstag, 15. Juli 2010

IRAN: Die mysteriöse Odyssee Shahram Amiris

Iran feiert die Rückkehr des verschollenen Atomforschers aus den USA - Und wer gewinnt nun den Propagandakrieg?

von Birgit Cerha

Wie auf einem seiner YouTube Videos trug Shahram Amiri ein weißes Hemd und ein Tweed-Sportssakkom als ihn in einer überstürzten Abreise aus den USA seine Fr4au und sein siebenjähriger Sohn auf dem Teheraner Flughafen in die Arme schloss. Auch Irans stellvertretender Außenminister Hassan Qashqavi hatte sich eingefunden und beeilte sich auf einer Pressekonferenz klarzustellen, dass der während der islamischen Pilgerschaft (Hadsch) in Saudi-Arabien im Juni 2009 verschwundene Atomwissenschafter ja eigentlich gar kein wichtiger Nuklearexperte sei. Amiri stimmte zu, er hätte bisher nicht intensiv am iranischen Atomprogramm mitgearbeitet, er sei nur „ein einfacher Forscher, der an einer iranischen Universität arbeite. „Ich hatte nichts mit (den iranischen Atomanlagen) Natanz und Fordo zu tun, sondern sei von der „US-Regierung“ nur als „Werkzeug für politischen Druck“ gegen den Iran benutzt worden. Daraufhin dankte Qashqavi dem Wissenschafter für seinen „Widerstand gegen“ den von den US-Behörden auf ihn ausgeübten Druck.
Glücklich, wieder mit seiner Familie vereint zu sein, wiederholte Amiri Behauptungen, die er vor seiner Abreise aus Washington aufgestellt hatte, dass Agenten des US-Geheimdienstes CIA ihn im Juni 2009 während der Hadsch in der saudischen Stadt Medina in die USA entführt hätten. Er sei unter enormem psychischen Druck gestanden, habe aber das Angebot der CIA von 50 Mio.Dollar zurückgewiesen, wenn er nicht mehr in den Iran zurückkehre. „Die Amerikaner drängten mich, offiziell zu verkünden, dass ich in die USA abgesprungen sei, um mich zur Publikation falscher Information über Irans Atomprogramm zu missbrauchen. Doch mit Gottes Hilfe habe ich widerstanden.“

Die US-Behörden weisen solche Behauptungen energisch zurück. Es sei nicht ihr Stil, Menschen zu entführen, Amiri habe sich aus freiem Willen in den USA aufgehalten.

Der Atomphysiker war wohl ungewollt zwischen die Fronten eines sich stetig verschärfenden psychologischen Krieges zwischen den USA und dem Iran über Teherans Nuklearprogramm geraten. Der Fall ist so mysteriös wie kompliziert. Mehrere im Internet aufgetauchte Videos verschärften die Widersprüche, einmal behauptete er, er sei entführt worden, dann wieder er halte sich aus freiem Willen in den USA auf, um sich weiter zu bilden. In einem dritten, schließlich auch vom iranischen Staatsfernsehen ausgestrahlten Video behauptete er im Juni schießlich, es sei ihm gelungen „US-Geheimagenten in Virginia“ zu entfliehen. Er befände sich aber weiterhin „in Gefahr und könnte wieder festgenommen werden.

US-Regierungskreise behaupten, Teheran habe gedroht, die Familie Amiris zu ermorden, sollte der Wissenschafter nicht heimkehren. Tatsächlich pflegt Teheran solche Maßnahmen immer wieder gegen prominente Iraner anzuwenden, die im Ausland Kritik am Regime üben oder wertvolle Informationen preisgeben könnten. US-Geheimdienstkreise behaupten, sie hätten tatsächlich wichtige Informationen, die Aufschluß über den Stand des Atomprogramms lieferten, erhalten und dem Wissenschafter dafür fünf Mio. Dollar bezahlt. Das Geld hätte Amiri nun aber aufgrund seiner überstürzten Abreise in den USA zurücklassen müssen. Der 32-jährige Atomexperte war überraschend Montag in der pakistanischen Botschaft in Washington, die Irans Interessen vertritt, aufgetaucht und hatte seine Heimreise angekündigt.

Als er vor einem Jahr verschwand schenkte das Regime in Teheran dieser Affäre wenig Beachtung. Das Land befand sich allerdings wegen der manipulierten Präsidentschaftswahlen in totalem Aufruhr. Teheran könnte nun beschlossen haben, mit Amiri ein Exempel zu statuieren, um die Flucht von Geheimnisträger und Experten ins Ausland zu unterbinden.

Die Affäre erweist sich sowohl für Washington als auch für Teheran als höchst peinlich. Die USA ließen einen Mann gehen, dessen Absprung sie als „Geheimdienstcoup“ gepriesen hatten. Irans Triumph über die Rückkehr ist aber schwer getrübt durch die Wahrscheinlichkeit, dass Amiri doch wichtige Geheimdienste preisgegeben hat.

Bildquelle: Reuters

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