Donnerstag, 11. Februar 2010

IRAN: Die Fronten sind abgesteckt


Der 31. Jahrestag der Islamischen Revolution kann sich als Wendepunkt in der Geschichte des Landes erweisen


von Birgit Cerha


Der 22. Tag des persischen Kalendermonats Bahman, der 11. Februar, ist ein Schicksalstag im Iran. Vor 31 Jahren hatte Revolutionsführer Khomeini an diesem Tag die Gründung der Islamischen Republik verkündet. Seither treiben die islamischen Führer das Volk in patriotischem Eifer in die Straßen, um die Errungenschaften dieses weltweit einzigartigen Staatssystems zu feiern und seine Stärke zu demonstrieren. Diesmal aber steht den Herrschern des „Gottesstaates“ eine Kraftprobe bevor, die sich als Wendepunkt in der Geschichte des Landes erweisen könnte. Denn die oppositionelle „Grüne Bewegung“, die sich im Juni spontan in Protesten gegen die gefälschte Wiederwahl Präsident Ahmadinedschads gebildet hatte, ist entschlossen, zu diesem patriotischen Anlass auch ihre Stärke zu zeigen.
Die Fronten sind abgesteckt. Ein Großaufgebot an Sicherheitskräften, darunter 12.000 mit Gummiknüppeln bewaffnete Bassidsch-Milizionäre, sind an den Kundgebungsorten in Teheran stationiert. Zehntausende Anhänger Ahmadinedschads und des „Geistlichen Führers“ Khamenei werden aus dem ganzen Land in Bussen nach Teheran gekarrt. An den Straßen, durch die die Menschenmassen ziehen sollen, hat das Regime große Zahlen von Lautsprechern angebracht, um mit regimetreuen Slogans jene der „Grünen Bewegung“ zu übertönen. Beide Seiten sind entschlossen, die jeweils andere durch ihre Zahlen und ihre Slogans zu übertrumpfen. Während das Regime der eigenen Bevölkerung seine Stärke beweisen und die Welt davon überzeugen will, dass die Iraner immer noch vereint hinter ihm stehen, hofft die Demokratie-Bewegung durch ein Massenaufgebot ihrer Anhänger endlich ihre Forderungen nach einem Ende der massiven Repressionen, der Freilassung aller politischen Gefangenen und demokratischer Reformen durchzusetzen.

Seit Wochen haben sich beide Seiten für diese kritische Machtprobe gerüstet. Durch ungeheuerliche Brutalitäten, die ersten Exekutionen von zwei wegen angeblicher Verwicklung in die „grünen“ Proteste zum Tode verurteilten Männer, neun weitere Todesurteile, die Drohung weiterer Exekutionen, Massenverhaftungen politischer Aktivisten, Studenten und vor allem Journalisten (etwa 65 Medienvertreter sitzen derzeit in iranischen Gefängnissen ein) und kontinuierliche Verbaldrohungen versucht das Regime die Bevölkerung und die Oppositionsbewegung so einzuschüchtern, dass sie sich nicht erneut auf die Straße wagen. Vergeblich, wie es scheint. Am Vorabend des Jahrestages richtete Khamenei eine scharfe Warnung an all jene, die die Wiederwahl Ahmadinedschads weiterhin verurteilen. Sie seien Agenten der gestürzten Monarchie. Eine Gruppe radikaler Parlamentarier warnt die beiden Führer der „Grünen Bewegung“, Mussawi und Karrubi, der 11. Februar wie „ihre letzte Chance“ ungenannten Konsequenzen zu entgehen. Gerüchte halten die Runde, die beiden würden danach verhaftet.

Unterdessen rufen Mussawi, Karrubi, gemeinsam mit Ex-Präsident Khatami, unerschüttert ihre Anhänger auf, in großen Zahlen in die Straßen zu ziehen, sich jedoch unter allen Umständen der Gewalt zu enthalten, ja nicht provozieren zu lassen. Khatami appelliert an seine Anhänger, ihre Unterstützung der Revolution und der Rechte des Volks kundzutun. „Jene, die grundlos Demonstranten der Subversion beschuldigen, lenken – bewusst oder unbewusst – die Revolution von ihrem korrekten Weg ab und verletzen ihre Prinzipien.“ Die „Front der Reformer“ gab den Slogan aus: „Ja zur Islamischen Republik! Niemals eine autoritäre Herrschaft!“

Ali Akbar Rafsandschani, eine der Schlüsselfiguren des Regimes gab unterdessen seine monatelange Zurückhaltung auf und forderte nach der iranischen Website „Rah-e-Sabz“ Khamenei „ultimativ“ auf , den Ungerechtigkeiten und Menschenrechtsverletzungen durch die Regierung und die Sicherheitskräfte Einhalt zu gebieten. Offenbar als Folge von Rafsandschanis Vorsprache beim „Führer“ wurde Mussawis engster Vertrauter Alireza Beheschti nach langem Gefängnisaufenthalt freigelassen.

Nach Berichten aus Teheran hat sich die politische Atmosphäre gegenüber jener vor den jüngsten blutigen Massenkundgebungen am 27. Dezember entscheidend verändert. Damals hatten Mussawi und Karrubi nicht zu Demonstrationen aufgerufen und im Anschluß an die Proteste hatten konservative Politiker wie Parlamentspräsident Ali Laridschani die „gewalttätige“ und von „Ausländern unterstützte“ Grüne Bewegung scharf kritisiert. Diesmal konzentriert Laridschani seine Attacken auf Ahmadinedschad und soll, gemeinsam mit dem ebenfalls konservativen Bürgermeister von Teheran, Ghalibaf, Khamenei drängen die Sicherheitskräfte zu zügeln. Das selbe Ziel versuchen ehemalige führende Kommandanten der Revolutionsgarden zu erreichen.

Zugleich aber klagt Karrubi über eine Verhärtung der Fronten, jegliches Gespräch zwischen oppositionellen Führern und Khamenei, sowie dessen Anhängern sei vollends abgebrochen. Ein Blutbad am Revolutionstag, das Irans Krise noch weiter dramatisch verschärfen könnte, erscheint deshalb nicht ausgeschlossen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen