Montag, 23. Februar 2009

Birgit Cerha: „Primitive Sprengsätze“ zielten auf Ägyptens Tourismus

Terror trifft das Land in einer Zeit politischer Höchstspannung – Einzelgänger oder islamistische Randgruppe als Täter vermutet
Die ägyptischen Sicherheitsbehörden reagierten in Windeseile. Wenige Stunden, nachdem zwei laut Polizei „primitive Sprengsätze“ im islamischen Herzen der Metropole Kairo eine Touristengruppe getroffen und eine 17-jährige Französin getötet, sowie 25 Urlauber verletzt hatten, wurden bereits alle Personen in der Umgebung befragt und elf Verdächtige festgenommen. Während über die Hintermänner noch Unklarheit herrscht, hegen Kairoer Sicherheitskreise keine Zweifel, dass dieser erste Terrorakt gegen Touristen seit drei Jahren von keiner der gut organisierten islamistischen Gruppen verübt worden ist, Vielmehr dürfte es sich Einzeltäter oder um eine kleine islamistische Splittergruppe handeln. Auch 2005 hatte ein Einzeltäter in diesem historischen Viertel zwei Touristen getötet.

Das Ziel lässt freilich darauf schließen, dass die Täter – wie während der islamistischen Terrorwelle der 90er Jahre – den ägyptischen Staat treffen wollten, und dies in Zeiten wachsender ökonomischer Probleme. Der Tourismus ist mit elf Milliarden Dollar (11,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts) der drittgrößte Devisenbringer des Landes und beschäftigt 12,6 Prozent der Arbeitskräfte. 13 Millionen Urlauber besuchten im Vorjahr Ägypten.

„Die Art der Explosion lässt auf junge, unerfahrenen Amateure als Täter schließen, die die Ereignisse in Gaza zutiefst erzürnte“, mutmaßt Montasser el-Zayat, Verteidiger islamistischer Extremisten. Tatsächlich schwingen in Ägypten, wie in anderen Teilen der arabischen Welt, insbesondere unter Palästinensern die Emotionen gegen das Regime Mubarak hoch. Auch die verbotene, doch offiziell tolerierte Massenbewegung der Moslembrüder organisierte heftige Proteste gegen die Entscheidung Kairos, auch während der jüngsten israelischen Militäroffensive die Grenze zu Gaza hermetisch verriegelt zu lassen und den schwer bedrängten Palästinensern nur magere humanitäre Hilfe zu ermöglichen. In einer höchst angespannten internen Atmosphäre versucht das Regime seit Wochen Kritiker mit den üblichen Methoden der Repression – Verhaftung oder massive Einschüchterung – zum Schweigen zu bringen. Die Moslembrüder distanzierten sich jedoch rasch von diesem jüngsten Terrorakt.

Die verriegelte Grenze zu Gaza bleibt am Nil hochexplosives Thema und zentraler Streitpunkt bei Mubaraks Bemühungen um einen dauerhaften Waffenstillstand zwischen Israel und der palästinensischen Hamas im Elendsstreifen. Kairo demonstrierte am Wochenende erneut seine Entschlossenheit, sich von Gaza abzuschirmen und entsandte eine Polizeiverstärkung dorthin, nachdem Pläne der Palästinenser zu einem Massenansturm auf die Grenze bekannt geworden waren.

Durch massive Sicherheitsmaßnahmen war es den Behörden gelungen, die Terrorwelle der „Gamaa al Islamiya“ (GAI), die das Land in den 90er Jahren in Angst und Schrecken versetzte, und auch eine Serie von Anschlägen anderer islamistischer, vor allem mit Beduinen kollaborierender Gruppen im Sinai 2005/06 zu beenden. GAI und Tandhim al Jihad schworen der Gewalt ab und versuchten, sich in die Massenbewegung der Moslembrüder zu integrieren. Bemühungen des stellvertretenden Chefs der Al-Kaida, des Ägypters Ayman Zawahiri, das Terrornetz mit GAI zu fusionieren, schlugen offenbar fehl. Zawahiri war hinter den brutalsten Terroranschläge gegen Touristen in Ägypten in den 90er Jahren gestanden. 2004 war der Hauptideologe von GAI, Scheich Najih Ibrahim, aus dem Gefängnis entlassen worden. Er wies jüngst energisch Aufrufe der Al-Kaida zu Attacken gegen britische und andere westliche Ziele als Vergeltung gegen Israels Gaza-Offensive zurück. „Wir fürchten, al Kaida könnte Operationen durchführen, die (US-Präsident) Obama in einen neuen George Bush verwandeln.“ Auch ein anderer GAI-Führer, Isam al-Din Darbalah, appellierte an die Al-Kaida-Führung, die Absichten Obamas durch einen viermonatigen „Waffenstillstand“ zu testen und nur „in Notwehr“ zu agieren. „Wir begrüßen einen Frieden, der auf gemeinsamen Interessen mit Amerika und der Welt beruht, zum Wohle der Menschheit und jenseits eines Konflikts der Kulturen.“ Während seiner Gefangenschaft erarbeitete Isam al-Din gemeinsam mit Ibrahim und einigen anderen inhaftierten GAI-Führern an „Korrigierten Konzepten“, einer Art Neueinschätzung des religiös motivierten Extremismus.

Imam al Sharif, einer der Gründer der ägyptischen Islamistenbewegung , wendet sich in einem eben erschienen Buch scharf gegen den Terror der Al-Kaida als kontraproduktiv. Sharif, auch „Dr. Fadl“ genannt, sitzt in einem Kairoer Gefängnis eine lebenslange Strafe ab. „Amerika anzugreifen ist heute unter Arabern, unter Muslimen der kürzeste Weg zu Rum und Führung. Aber von welchem Nutzen ist es, Gebäude des Feindes zu zerstören, wenn er dann eines deiner Länder zerstört …. und Tausende deiner Mitbürger tötet?“ Zugleich kritisiert Sharif auch Muslime, die im Westen Schläferzellen bilden. „Wenn sie (westliche Staaten) dir erlauben, ihre Häuser und ihr Leben zu teilen, wenn sie dir und deinem Geld Sicherheit bieten und dir die Gelegenheit zu Arbeit und Studium verschaffen oder gar politisches Asyl gewähren, dann ist es unehrenhaft, sie durch Tod und Zerstörung zu verraten.“