Montag, 9. Februar 2009

Birgit Cerha: Khatami will den Iran retten

Kandidatur des gescheiterten Reformers für eine erneute Präsidentschaft droht das Land zu polarisieren
„Ist es denn möglich gegenüber dem Schicksal der (islamischen) Revolution gleichgültig zu bleiben und vor (einer Kandidatur zu) den Wahlen davon zu laufen?“ Mit diesen Worten begründete Mohammed Khatami, Präsident des Irans von 1997 bis 2005, seine erneute Kandidatur bei den Präsidentschaftswahlen im Juni. Die Entscheidung des 65-jährigen Geistlichen dürfte der Wahlkampagne hohe Spannung verleihen und das Land scharf zwischen jenen polarisieren, die sich nach Veränderung, mehr Freiheit und Lebensqualität sehnen und den „Prinzipalisten“ der Revolution, die sich hinter Präsident Ahmadinedschad scharen.

An der erneuten Kandidatur Ahmadinedschads besteht kein Zweifel. Vorerst hat sich nur noch der gemäßigte Geistliche Mehdi Karrubi in den Ring geworfen. Andere Kandidaten im Lager der Reformer und der Konservativen sind noch im Gespräch.

Nach langem Zögern kam Khatami nach eigenen Worten zu der Überzeugung, dass er durch seine Kandidatur einen wichtigen Beitrag zur Lösung der Probleme des Landes leisten kann: Konfrontation mit dem Westen über das Atomprogramm, internationale Isolation, ökonomischer Zusammenbruch mit gravierenden sozialen Nöten durch verheerende Misswirtschaft Ahmadinedschads, verschlimmert durch internationale Sanktionen, die der Westen weiter zu verschärfen droht.

Doch ob Khatami tatsächlich Abhilfe zu schaffen vermag, bezweifeln viele. Der milde, bis heute wegen seiner Versöhnungspolitik im Westen geschätzte Philosoph würde zweifellos den katastrophalen politischen Stil des Irans drastisch verändern, sich Amerikanern und Europäern als williger Gesprächspartner anbieten. Das Eis zum Westen würde ein wenig schmelzen. Diese Aussicht dürfte auch konservativen Gegnern eine erneute Präsidentschaft durchaus attraktiv erscheinen lassen. Schon meinen erste Kommentare, allein aufgrund Khatamis Kandidatur könnte der Westen dem Iran mehr Zeit zum Stopp des Atomprogramms geben, in der Hoffnung auf eine friedliche Lösung.

Doch Khatami ist ein Politiker, der in dramatischer Weise seine Schwächen, seine völlig fehlende Durchschlagskraft gegenüber dem erzkonservativen Establishment bewiesen hat. Das Atomprogramm wurde gerade auch in seiner Amtszeit vorangetrieben. Als Präsident besitzt er nicht die Macht, dieses Programm zu stoppen. Zudem hat er sich auch nie davon distanziert.

Wiewohl Reformkreise davon überzeugt sind, dass Khatami bei einer starken Wahlbeteiligung haushoch über Ahmadinedschad siegen werde, erscheint unabhängigen Beobachtern ein solcher Ausgang keineswegs gewiss. Zunächst müsste der Ex-Präsident seine einstige Hausmacht – insbesondere die Studenten und die Frauen – aus ihren Frustrationen und einer tiefen politischen Apathie reißen. Einen großen Teil der Jugend hat Khatami durch die Vielzahl an nicht eingehaltenen Versprechen von Freiheit, Demokratie, Menschenrechten bitter enttäuscht. „Seine Schwäche (gegenüber dem Establishment) ist seine Achillesferse“, meint die Reformpolitikern Fatemeh Haghighatjoo. Sein langes Zögern erneut zu kandidieren ermutigt vor allem jene seiner einstigen Anhänger nicht, die sich durch sein Schweigen angesichts von Morden, Attentaten, Repressionen, Folter selbst an seinen engsten Mitstreitern von ihm verraten fühlten. Viele fürchten Khatami werde als Zauderer und Schwächling in dieses Staatsamt zurückkehren. Zudem stimmt die Zersplitterung der Reformbewegung und das Fehlen eines klaren politischen Konzepts viele skeptisch.

Als entscheidend für Khatamis Wahlerfolg wird sich aber, wie stets, die Position des „Geistlichen Führers“ Khamenei erweisen. Dass der Ayatollah immer noch voll hinter Ahmadinedschad steht, bewies er jüngst, als er den Präsidenten als „revolutionär, engagiert, effizent, aktiv und mutig“ pries.

Während den Reformern für ihre Propaganda im Wahlkampf nur die von Zensoren bedrohten Websites und ein paar Zeitungen zur Verfügung stehen, kann sich das konservative Establishment eines dichten Netzes von Medien, Fernsehen, den paramilitärischen Bassidsch und den Revolutionsgarden bedienen. Aus diesen Kreisen kommen auch schon die ersten Anzeichen für einen erbitterten Wahlkampf. „Wir werden das Volk informieren, was ihr (Reformer) unter Khatami für hässliche Dinge getrieben habt“, warnt ein führender Kommandant der Garden.