Eindringlicher Appell der Tochter und Enkel des
Revolutionsführers die Disqualifizierung Rafsandschanis für die
Präsidentschaftswahl rückgängig zu machen
von Birgit Cerha
Zu politischen
Ereignissen der von ihrem Vater gegründeten „Islamischen Republik“ äußert sich
Zahra Mostafavi Khomeini kaum je. Umso bemerkenswerter ist der offene Brief,
den die Tochter des Imams Mittwoch an den „Geistlichen Führer“ Khamenei schrieb
und der in der Internetseite „Jamaran“ veröffentlicht wurde.
Darin drängt
Mostafavi Khamenei eindringlich, die vom „Wächterrat“ beschlossene
Disqualifizierung Ex-Präsident Ali Akbar Rafsandschanis für die Kandidatur bei
den Präsidentschaftswahlen am 14. Juni zu annullieren. Der Beschluss des „Wächterrates“
hatte viele Iraner – von Revolutionären der alten Garde bis zu Reformern –
zutiefst schockiert, ist er doch der bisher wohl krasseste Schritt Khameneis
zur totalen Konzentration der Macht.
as erste Mal, dass sich ein Mitglied der Familie Khomeinis
so entschlossen für Rafsandschani einsetzt. Auch Khomeinis Enkel Hassan stellt
sich emotional hinter den Ex-Präsidenten. „Dein Name wird im Gedächtnis der
Menschen als Hoffnung für ein Morgen unauslöschlich erhalten bleiben“, schrieb
Hassan Khomeini in einem von „Jamaran.ir“ veröffentlichten Brief. Er könne
einfach nicht glauben, dass der „Wächterrat“ Rafsandschanis Kandidatur
tatsächlich blockiert habe. „Du besitzt Fähigkeiten, über die nur wenige
Menschen verfügen.
In ihrem Brief berichtet Mostafavi erstmals öffentlich, dass
sie 1989 gehört hätte, wie ihr Vater auf seinem Totenbett dem nicht von seiner
Seite weichenden Rafsandschani seinen letzten Wunsch vermittelt hätte, dass
Khamenei der künftige Führer der „Islamischen Republik“ werde. Rafsandschani
hatte daraufhin in dem mit der Wahl des Nachfolgers betrauten „Expertenrat“ den
Boden für den Aufstieg Khameneis an die Spitze der „Islamischen Republik“
geebnet. Rafsandschani wurde jahrelang von Kritikern Khameneis für diesen
Einsatz beschuldigt.
„Am selben Tag“ fuhr Mostafavi fort, habe ihr Vater auch ihr
gegenüber diesen Wunsch mehrfach ausgesprochen und zugleich Rafsandschanis hohe
Qualifikationen gleich nach jenen Khameneis gelobt. „Ich habe es bisher nicht
für notwendig gehalten, diese Fakten zu erwähnen. Doch leider möchte ich jetzt,
da der Wächterrat seine Qualifizierung für die Präsidentschaft zurückgewiesen
hat, als Schwester sie daran erinnern, dass dieser Beschluß keine andere
Bedeutung hat als jene, eine Kluft zwischen zwei Freunden des Imams (Khomeini)
zu reißen und eine Mißachtung des neu aufgelebten Enthusiasmus, den die Menschen
in den Straßen dem System und den Wahlen entgegenbringen.“ Eindringlich
appelliert Mostafavi an den „Führer“, seine unbegrenzte Macht auszuüben und
durch Annullierung der Entscheidung des „Wächterrates“ das Land vor einer
Diktatur zu retten. Sie erinnert Khamenei
daran, dass nach dem Konzept ihres Vaters die wichtigste Aufgabe des „höchsten
Rechtsgelehrten“, dessen Amt nun Khamenei ausübt Neutralität sei und das stete
Ziel, „eine Diktatur“ zu verhindern. „Bitte
helfen sie, diese Philosophie in die Tat zu setzen.“ Und Mostafavi weist auf
den großén Wunsch ihres Vaters hin, dass es für das Wohl des Irans am besten
sei „wenn ihr beide“ zusammenarbeitet.
Jüngst hatte sich auch die mit dem Bruder des ehemaligen
Reform-Präsidenten Khatami, Mohammed Reza Khatami, verheiratete Enkelin
Khomeinis, Zahra Eshraghi, zutiefst beunruhigt über die politische Situation im
Lande geäußert und davor gewarnt, dass der Iran „am Rande des Abgrunds“ stünde.
Der prominente konservative Abgeordnete Ali Motahari
richtete nun ebenso einen Brief an Khamenei, in dem er darauf hinweist, dass
Rafsandschanis Disqualifizierung auf zwei ungerechtfertigten Gründen beruhe:
physische Unfähigkeit (durch das Alter) und seine Rolle bei den Unruhen als
Folge der umstrittenen Präsidentschaftswahlen 2009 (vom Regime als „Abweichung“
qualifiziert). Rafsandschani hatte das brutale Vorgehen der Sicherheitskräfte
und Massenverhaftungen offen kritisiert und seine Sympathie für die „Grüne
(Reform-)Bewegung) nicht verhehlt. Der Wächterrat, so Motahari, habe mit dieser
Entscheidung großen Schaden angerichtet. „Meine starke Vermutung ist, das
selbst Imam Khomeini, wäre er noch am Leben und würde er sich unter einem
Pseudonym als Kandidat registrieren, disqualifiziert würde, weil er
gelegentlich Kritik geäußert hatte.“
Wiewohl Rafsandschani niemals öffentlich Khamenei kritisiert hatte, sind
die Meinungsunterschiede zwischen ihm und Khamenei bezüglich Repression, wie
anderen politischen und wirtschaftlichen Fragen allgemein bekannt. Im Gegensatz
zum engen Verbündeten Präsident Ahmadinedschads, Maschaie, der ebenfalls
disqualifiziert wurde und gemeinsam mit dem Präsidenten die Entscheidung
anfechten will, enthält sich Rafsandschani jeden Kommentars.
Die Aktionen der Familie Khomeinis zugunsten Rafsandschanis
bringen Khamenei in ein schweres Dilemma. Denn offiziell stützt er seine Macht
auf die Nähe zum Revolutionsführer und die Treue Erfüllung des khomein’schen Erbes
ab . Ein offener Konflikt mit den Nachkommen des auch heute noch von einem
großen Teil der Bevölkerung hoch verehrten Khomeini würde Khameneis ohnedies
schwer angeschlagene Position weiter empfindlich schwächen.
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