Raketen schlagen in Beirut ein, nachdem der Hisbollah-Chef
volles Engagement zur Rettung Präsident Assads verhieß
von Birgit Cerha
Seit mehr als zwei Jahren versuchen die durch einen
15-jährigen Bürgerkrieg (1975 bis 1990) schwer gezeichneten Führer der diversen
politischen Fraktionen des Libanons alles, um nicht in den blutigen Strudel des
syrischen Krieges hineingerissen zu werden. Zwei Raketen, die Sonntagmorgen in
dem von der schiitischen Hisbollah („Partei Gottes“) kontrollierten Süd-Beiruter
Stadtviertel einschlugen und drei Menschen verletzten sind die ersten
bedrohlichen Anzeichen, dass der kleine Levantestaat mit seinen starken Banden
zum viel mächtigeren syrischen Nachbarn diesem Schicksal nicht entgehen kann.
Die Raketenattacke, möglicherweise von radikalen syrischen
oder libanesischen Sunniten durchgeführt, werden in Beirut als Antwort auf eine
feurige Rede von Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah gewertet, der von einem
geheimen Standpunkt aus Samstagabend in einer Fernsehansprache erstmals die
direkte Beteiligung seiner Hisbollah-Kämpfer an der Seite der syrischen Armee
bestätigt und einen „großen Sieg“ seines Verbündeten Baschar el Assad verkündet
hatte. Seine Hisbollahis würden für Assad „bis zum Ende des Weges“ kämpfen,
bekräftigte Nasrallah, nachdem er zwei Jahre lang entschieden jegliche
Bereitschaft zur Verwicklung in diesen Krieg geleugnet hatte. „Wenn Syrien in
die Hände der USA, Israels und der Takfiris (sunnitische Islamisten, die
Glaubensbrüder zur Tötung aller „Ungläubigen“ – d.h. auch der Schiiten - aufrufen)
fällt, dann wird der Widerstand (der Hisbollah) besiegt und Israel wird
(wieder) im Libanon einmarschieren und dem Land seinen Willen aufzwingen.
Palästina wird verloren sein.“ Es gehe nicht um Fragen der
Religionszugehörigkeit, bekräftigte der Schiitenführer, sondern um Verteidigung
gegen radikale Gruppen.
Nasrallah hielt seine programmatische Rede am Abend jenes
Tages, an dem die massivsten Kämpfe zwischen syrischen Rebellen und
Assad-Getreuen um die strategisch wichtige Stadt Kusair, nahe der libanesischen
Grenze, tobten. Heftige Bombardements aus der Luft, mit Raketen und Artillerie
hielten Sonntag von drei Seiten der seit einer Woche durch die
Regierungsstreitkräfte, und die vom Regime neugebildeten „Nationale
Verteidigungskräfte“ (NVK) belagerten Stadt an. Die NVK sind nach informierten
Kreisen eine vom Iran finanzierte, ausgebildete und mit Waffen versorgte
Einheit von etwa 50.000 Kämpfern, die überwiegend der alawitischen Minderheit
Assads angehören.
Über die aktive Beteiligung der Hisbollah am Krieg zur
Rettung Assads gibt es seit langen Spekulationen. Diplomatische Beobachter
vermuten, dass Hisbollah entscheidenden Anteil an den jüngsten bedeutenden
Geländegewinnen der syrischen Regierungstruppen haben. Nasrallah hatte bisher
stets behauptet, seine gutausgebildeten Kämpfer hätten sich in den vergangenen
Monaten lediglich zur Verteidigung von
libanesischen Staatsbürgern in etwa 23 schiitischen Grenzdörfern und zwölf Farm
nahe von Kusair engagiert, weil diese zunehmend von sunnitischen Rebellen
attackiert worden waren. Der Fall von Kusair aber könnte sich für Assad als
schicksalhaft erweisen. Für den Libanon aber bedeutet das offene Engagement der
Hisbollah – rund 1.700 Hisbollahis sollen dort kämpfen und etwa 30 bereits
gefallen sein - eine enorme Gefahr, voll in den Krieg hineingezogen zu werden.
Die immer wieder – auch am vergangenen Wochenende – ausbrechenden Kämpfe
zwischen Alawiten und Sunniten in der nordlibanesischen Küstenstadt Tripoli
sind ein Alarmsignal, wiewohl gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen diesen
beiden Bevölkerungsgruppen seit Jahren fast zum Alltag gehören und sich bisher
nur auf Tripoli beschränkt haben. Doch der massive Zustrom von überwiegend
sunnitischen Flüchtlingen aus Syrien droht ebenso wie das Eindringen sunnitischer
Rebellen, die vom Libanon aus Ziele des Regimes in Syrien attackieren, das
ohnedies so delikate Gleichgewicht zwischen den Bevölkerungsgruppen im
Levantestaat mit unabsehbaren Konsequenzen zu zerstören.
Während politische Führer, wie der sunnitische Ex-Premier
Saad Hariri, Hisbollah wegen der Aufgabe ihrer Neutralität im Syrienkonflikt
scharf kritisieren, haben Führer der syrischen Rebellen und der radikalen
al-Nusra-Front an ihre Anhänger appelliert, nach Kusair zu ziehen, um an der „Partei
des Teufels“ (wie sie Hisbollah nennen) Rache zu üben. Und der radikale Prediger
Ahmad Assir, neuer „starker Mann“ der libanesischen Sunniten, verkündete
bereits, einige seiner Anhänger seien nach Kusair gezogen, um dort gegen
Hisbollah zu kämpfen.
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