Der Weg zur Wahl eines erzkonservativen Getreuen Khameneis
ist geebnet und damit ist zugleich die
Hoffnung auf allmählichen Wandel im “Gottesstaat” zerstoben
von Birgit Cerha
Irans „Geistlicher Führer“ Ali Khamenei hat die Lehre aus
den blutigen Turbulenzen der umstrittenen Wiederwahl Präsident Ahmadinedschads
2009 gezogen. Jedes Risiko einer Wiederbelebung der „Grünen“-Protestwelle, die
vor vier Jahren die Grundfesten der „Islamischen Republik“ erschüttert hatte,
soll nach dem Willen des „Führers“ ausgeschaltet werden. Die Gefängnisse sind
mit Journalisten gefüllt, das Internet ist bereits mehr als vier Wochen vor der
Präsidentschaftswahl am 14. Juni auf langsamste Geschwindigkeit reduziert,
verschärfte Repression und immer wiederkehrende Appelle zu friedvoller
Einigkeit vermitteln den Eindruck einer zutiefst verängstigten geistlichen
Führung.
Nun hat der „Wächterrat“ aus von Khamenei ernannten Geistlichen und
islamischen Rechtsgelehrten, die über die Kandidatur von Bewerbern entscheiden,
in einem einzigartigen Schritt auf jeden Anschein einer freien Wahl verzichtet.
Die Auswahl von acht der insgesamt 686 Bewerber ebnet den Weg zum Aufstieg
eines erzkonservativen Getreuen Khameneis ins Präsidentenamt und lässt den
Iranern de facto keine echte Wahl. Denn sechs der Kandidaten, allen voran der
derzeitige Atomunterhändler Jalili, der ehemalige Parlamentspräsident Adel und
Teherans Bürgermeister Qalibaf, gelten als kompromisslose Vertreter der Linie
des „Führers“ und zwei etwas reformfreudigeren Bewerbern, dem ehemaligen
Atomunterhändler und engen Mitstreiter Ex-Präsident Rafsandschanis, Rohani,
sowie Aref, mangelt es für einen Sieg an
Charisma und Überzeugungskraft.
Vor allem der Ausschluss von zwei prominenten Kandidatenbewerbern
– Ex-Präsident Rafsandschani und dem Vertrauten Präsident Ahmadinedschads,
Maschaie - versetzt der seit 2009 stark angeschlagenen Legitimität des Systems
einen erneuten schweren Schlag.
Die Blockade von Maschaie überrascht nicht. Machaie, von
Ahmadinedschad seit Jahren intensiv mit dem Ziel gefördert, sich selbst
weiterhin starken politischen Einfluss und nach Unterbrechung einer Amtsperiode
vielleicht die erneute Wiederwahl zu sichern, hatte durchaus Siegeschancen.
Zahlreiche Minister unterstützten ihn und Ahmadinedschads höchst effiziente
populistische Propagandamaschine hätte ihm insbesondere auf dem Land und unter
der armen Stadtbevölkerung viele Stimmen gesichert. Doch eine Fortsetzung der
Ära seines einstigen Proteges Ahmadinedschad will Khamenei zweifellos unter
allen Umständen verhindern. Denn der scheidende Präsident hatte sich in seiner
zweiten Amtsperiode zu einem eigenwilligen Widersacher gemausert, der – wie auch
Maschaie - zunehmend eine nationalistische Linie verfolgt, die dem Islam nicht
die höchste Priorität einräumt und vor allem die Geistlichen allmählich aus dem
politischen Entscheidungsprozess zu drängen sucht. Als Vertreter einer „abweichlerischen
Strömung“ von Khameneis Anhängern und einem beträchtlichen Teil der
Geistlichkeit verteufelt, hatte Khamenei vor vier Jahren seine konstitutionelle
Macht eingesetzt, um die Ernennung von Maschaie zum Vizepräsidenten zu
verhindern. Maschaie hätte sich zweifellos nicht gescheut, in seinem Wahlkampf
offen das System zu kritisieren.
Hingegen kommt für viele das Veto gegen Rafsandschani
überraschend, zählte der Ex-Präsident doch zu den Gründervätern der Islamischen
Republik und hatte einst Khamenei den Weg zum höchsten Amt des Staates geebnet
und ihn in dessen Ausübung jahrzehntelang unterstützt. Sachliche Argumente für
eine Disqualifikation, wiewohl diese vom Wächterrat nicht begründet wird,
bieten sich damit nicht an. Doch Rafsandschani hatte mit seiner Kandidatur dem
Wahlkampf eine neue Richtung, vielen wegen der anhaltenden Repressionen und
Konfrontation mit dem Westen, aber auch der extrem chaotischen Präsidentschaft
Ahmadinedschads tief frustrierten Iranern neue Hoffnung auf einen Wandel, auf
einen Ausweg aus einer zunehmend schmerzlichen Krise gegeben. Spontane
Sympathiekundgebungen für Rafsandschani, der sich in den vergangenen vier
Jahren zunehmend offen für Reformen eingesetzt und auch die Unterstützung Ex-Präsident
Khatamis gewonnen hatte, weckten in Kreisen des herrschenden Establishments
erneute Ängste vor einer Konfrontation mit reform- und freiheitshungrigen Bevölkerungskreisen.
Denn der Ex-Präsident hätte sich möglicherweise zu einem mächtigen Magnet für
Gegner der herrschenden Geistlichkeit und zu einer Herausforderung der
Autorität Khameneis entwickeln können.
Vor allem aber hätte Rafsandschani ernsthaft die Wahl eines
der Getreuen Khameneis blockieren können oder das Regime zu krassen
Manipulationen gezwungen. Zudem bestand die Gefahr, dass Rafsandschani im
Wahlkampf an der Politik, insbesondere gegenüber dem Westen und in der
Atomfrage, offene Kritik üben könnte. Immerhin ist er der höchste Politiker des
Landes, der offen die Sinnhaftigkeit der entschlossenen Unterstützung für den
schwerbedrängten syrischen Präsidenten Assad in Zweifel zieht. Eine
Disqualifizierung Rafsandschanis, erläutert der einflussreiche Parlamentarier
Ali Motahari, rüttle an den „Prinzipien unserer Revolution“.
Die Disqualifikationen sind allerdings noch nicht endgültig.
Zwar gibt es beim Wächterrat kein Vetorecht, doch Appelle an ihn hatte Khamenei
in der Vergangenheit gelegentlich stattgegeben. Rafsandschani aber will sich
dem Urteil des Rates fügen. Diese
Entscheidung könnte die politische Karriere dieses größten Überlebenskünstlers
der „Islamischen Republik“ beenden. So manche Kommentatoren sehen ein wichtiges
Blatt in der Geschichte des „Gottesstaates“ gewendet. Denn nicht nur hat die
breite Strömung der reformhungrigen Bürger eine große Hoffnung auf Veränderung
verloren. Rafsandschanis in den 80er Jahren aufgebaute gemäßigt-konservative
Basis könnte sich nun den Reihen der Opposition gegen das Establishment anschließen
und mit ihr viele einflussreiche Kreise, von den Basarhändlern (die einst
entscheidend zum Sturz des Schahs beigetragen hatten) über breite Wirtschaftskreise
bis zu hohen Geistlichen.
Maschaie hingegen und Ahmadinedschad sind entschlossen, den
Entscheid des „Wächterrates“ anzufechten. Und der wenig konfliktscheue Präsident
hat bereits gedroht „geheime Machenschaften“ der Familie Khameneis zu
entlarven, sollte Maschaie ausgeschlossen bleiben.
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