Montag, 27. Juli 2009

Birgit Cerha: Ahmadinedschad gerät unter Druck von allen Seiten

Auch nach dem erzwungenen Rücktritt des umstrittenen ersten Vizepräsidenten, hält die Kritik am Präsidenten aus erzkonservativen Kreisen an


Die Kluft in Irans Machtstrukturen öffnet sich immer weiter. Das Machtgerangel hinter den Kulissen des „Gottesstaates“ gibt stetig mehr Rätsel aufzulösen. Fest steht jedoch, dass die politische Krise im Iran längst über eine schwere Auseinandersetzung zwischen dem „Geistlichen Führer“ Khamenei und dessen Schützling, Präsident Ahmadinedschad, auf der einen und der vom mächtigen Ex-Präsidenten Rafsandschani unterstützten Oppositionsbewegung unter Führung Mussawis und Karrubis auf der anderen Seite hinausreicht. Zunehmend gerät Ahmadinedschad gerade auch aus jenen Kreisen – den erzkonservativen „Prinzipientreuen“ – unter Druck, die ihn mit aller Kraft und gegen den Willen iranischer Massen an der Macht zu halten suchten. Der Konflikt um Esfandiar Rahim Mashaie, dem – relativ liberalen – Schwiegervater von Ahmadinedschads Sohn, fügt nicht nur dem durch Wahlmanipulation und Massenproteste geschwächten Präsidenten, sondern auch dem „Geistlichen Führer“ Khamenei weiteren Schaden zu. Denn nun tragt auch das Lager der „Prinzipientreuen“ in der Öffentlichkeit gravierende Konflikte aus. Khameneis jüngster eindringlicher Appell zur Einheit, verhallte ungehört.

Um sich auf seine zweite Amtsperiode, die am 5. August durch seine Angelobung beginnen soll, vorzubereiten, hatte Ahmadinedschad begonnen, sich mit engsten Freunden zu umgeben. Einer davon ist Mashaie, der als „erster“ von etwa einem Dutzend Vizepräsidenten Ahmadinedschads Stellvertreter und im Falle eines Ausscheidends des Präsidenten, dessen Nachfolger sein sollte. Die Wahl Mashaies für eine derart wichtige Position aber trieb Irans Erzkonservative auf die Barrikaden, haftet ihm doch in den Augen dieser Kreise der schwere Makel an, Israel 2007 als „Freund“ der Iraner qualifiziert zu haben. Zudem ignorierte er auch in der Öffentlichkeit strikte islamische Traditionen und zeigte gar Sympathie für eine gewisse Form des religiösen Pluralismus.

Doch es dauerte eine Woche und bedurfte unverhohlener Drohungen hoher radikaler Geistlicher, bis sich Ahmadinedschad Freitag abend dem deklarierten Willen Khameneis beugte und die Ernennung Mashaies rückgängig machte, den Umstrittenen jedoch als engen Berater an seiner Seite hält. Damit ist aber die Kritik aus dem Lager der „Prinzipientreuen“ nicht verstummt. Er wolle ganz bewusst die Spannungen im Land verschärfen, empört sich der Abgeordnete Ali Motahari über die Widerspenstigkeit des Präsidenten, der das Unerhörte gewagt und sich eine Woche lang dem Willen des – in den Augen Erzkonservativer „von Gott erwählten“ „Führers“ widersetzt und demonstrativ seine unerschütterliche Loyalität gegenüber Mashaie, „diesem großen, ehrlichen und frommen Mann“ bekundet hatte. Die Führung des Landes werde angesichts „solchen Benehmens extrem schwierig. Es ist die schlechtest mögliche Reaktion auf das Vertrauen, das 24,5 Millionen Wähler ihm geschenkt haben“, wettert der prominente Abgeordnete Ahmad Tavakoli.

Nach Einschätzung politischer Beobachter wollte Ahmadinedschad durch die Ernennung Mashaies drei für ihn wichtige Signale setzen. Er wollte den ihm so kritisch eingestellten Bevölkerungsschichten beweisen, dass er, ungeachtet aller Unterstützung keine Marionette der „Prinzipientreuen“ oder Khameneis sei; dass er auch den Liberaleren im Iran ein gewisses Maß an Toleranz entgegenbringe. Damit dürfte er versucht haben, der Reformströmung wenigstens ein wenig entgegen zu kommen. Und was Israel betrifft, so das Signal, sei er nicht der verbissene Exzentriker, für den ihn Mussawi und viele andere hielten. Überzeugen freilich konnte er die Opposition mit solchen Gesten nicht. Und in den Augen der Erzkonservativen hat er durch den einzigartigen offenen Widerstand gegen Khamenei, dessen ohnedies schon schwer angeschlagener Position weiteren Schaden zugefügt, auch wenn der „Führer“ nun doch seinen Willen durchzusetzen vermochte.

Die Entlassung des Geheimdienstministers Gholam Hossein Mohseni Ejeie, der sich offen gegen Mashaie ausgesprochen hatte, wird in Teheran als Versuch Ahmadinedschads gewertet dem erzwungenen Rückzug etwas an demütigender Schärfe zu nehmen. Im Iran gärt es weiter.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen