Sonntag, 23. Juni 2013

Rasche Nothilfe für Syrische Rebellen

Können direkte Waffenlieferungen des Westens tatsächlich das Ende des Blutvergießens beschleunigen?

von Birgit Cerha

Die militanten Gegner des syrischen Regimes frohlocken. Zwar sind sie untereinander derart zersplittert, dass sie nicht einmal an der entscheidenden Sitzung der aus elf Staaten (USA, Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien, Türkei, Ägypten, Jordanien, Saudi-Arabien, Katar und Vereinigte Arabische Emirate) zusammengesetzten Gruppe der „Freunde Syriens“ am Wochenende in Katar teilnahmen. Dort fiel gegen den Wunsch Deutschlands und Italiens die Entscheidung, den in die Defensive geratenen Rebellen rasche militärische Hilfe zu leisten.  Doch schon seit etwa einer Woche hat Saudi-Arabien seine Lieferungen entscheidend verstärkt und erstmals den Rebellen laut Medienberichten auch tragbare Luftabwehrraketen zur Verfügung gestellt, um die Verteidigungskraft gegen Assads Luftwaffe zu stärken. „Wir haben neue, von uns lange erbetene Waffentypen erhalten die nach unserer Überzeugung den Verlauf des Krieges verändern werden“, erklärte der von den syrischen Streitkräften abgesprungene General Salim Idriss, der die „Freie Syrische Armee“ (FSA) kommandiert. Und die Mitglieder der „Freunde Syriens“ können nun jedes nach seinen Vorstellungen Assads Gegnern offen Waffen liefern, nachdem sich US-Präsident Obama nach langem Zögern dazu bereitgefunden hatte.
Treibende Kraft im Kreis der „Freunde Syriens“ ist Katar, das in massiver militärischer Unterstützung der Rebellen den einzigen Weg zur Beendigung des Krieges sieht. „Gewalt ist notwendig, um Gerechtigkeit zu erreichen“, stellt Premierminister Hamad bin Jassim al-Thani den Standpunkt seines finanzkräftigen Ministaates klar.
Die Bewaffnung der Rebellen birgt jedoch gigantische Gefahren. Nach dem dank intensiver Unterstützung der libanesischen Schiitenorganisation Hisbollah errungenen Sieg  der Assad-Truppen in der strategisch wichtigen Stadt Kusair Anfang Juni und Geländegewinnen in den Vororten von Damaskus hat das Regime große Zuversicht gewonnen. Um seine Position in dem zerrissenen Land weiter zu stabilisieren  muss es aber die größte Stadt, Aleppo, wieder voll unter seine Kontrolle bringen. Während Assad mit Hisbollah-Hilfe eine Großoffensive vorbereitet, haben Sonntag auch die Rebellen erneute Angriffe auf Regierungspositionen in dieser Wirtschaftsmetropole begonnen. Nur massive militärische Unterstützung könnte das Blatt zugunsten der Rebellen wenden. Assads Gegner benötigen nach eigenen Angaben dringend Luftabwehrraketen und Anti-Panzer-Waffen.
Ein steter Zustrom von Tötungsgeräten an beide Seiten treibt diesen Krieg seit bald zweieinhalb Jahren an. Die sich allmählich leerenden Waffenlager der hochgerüsteten syrischen Armee werden seit dem Vorjahr durch iranische Lieferungen und zunehmend auch russische wieder aufgefüllt. Moskau verteidigt sich gegen westliche Kritiker mit dem Argument, lediglich alte Lieferverträge zu erfüllen. Der Waffennachschub an die Rebellen läuft seit langem geheim, doch sehr effizient. Katar und die Türkei spielten und spielen beim Aufbau eines geheimen Netzwerkes, Organisation und Finanzierung eine entscheidende Rolle. Eine wesentliche Quelle ist Libyen, wo unter den gegen Diktator Gadafi siegreichen und hochbewaffneten Rebellen große Sympathie für die syrischen Kämpfer herrscht. Katar hatte einst diese Gegner Gadafis unterstützt und nützt die alten Bande, um nun den Feinden Assads in Syrien zu helfen. Auf diese Weise gerieten Unmengen von Waffen, die einst der Kreml an Gadafi geliefert hatte, an die Gegner des mit Rußland verbündeten syrischen Diktators. Mit Hilfe Saudi-Arabiens gelangten jüngst auch größere Mengen von Waffen aus Kroatien in die Hände der Rebellen. Während Katar überwiegend radikale Islamisten unterstützt, verhält sich Riad vorsichtiger und versucht, nur nationalistische und säkulare Syrer, vertreten in der FSA mit Waffen auszustatten. Beiden Staaten geht es aber zunehmend um die Stärkung der Sunniten gegen die vom schiitischen Iran unterstützten Kräfte (die alewitische Minderheit Assads und die Hisbollah). Dieses Ziel verfolgen auch die irakischen Sunniten, die ihrerseits eifrig Waffen an ihre Glaubensgenossen in Syrien schmuggeln.
Vorerst zögern die westlichen Staaten noch, Rebellen direkt Waffen zu liefern. Man spricht in Katar von „Arbeitsteilung: Waffen aus der arabischen Welt, andere militärische Unterstützung (wie Kommunikationsgeräte, Gasmasken etc) aus dem Westen.
Die Gefahren ungehemmter Waffenlieferungen sind enorm. Wie läßt sich verhindern, dass etwa Luftabwehrraketen syrisches Territorium verlassen und die internationale zivile Luftfahrt gefährden. Dass sich nur „gute Rebellen“ mit Waffen versorgen lassen, hat sich längst als Illusion erwiesen. Innerhalb von Syrien ist eine Kontrolle unmöglich. Der „Höchste Militärrat der Opposition“ kann den Zustrom nicht kontrollieren. Angehörige der FSA haben schon in der Vergangenheit häufig Waffen an die finanziell gut ausgestatteten Islamisten verkaufen und General Idriss bietet diesen Gruppen, zu denen die gefährlichsten Extremisten zählen, nun offen eine Kooperation an.
 Welches Ziel, so fragen sich Experten, hat sich Obama mit der Entscheidung zu Waffenlieferungen gesetzt. Was geschieht, wenn die FSA Aleppo und Nord-Syrien unter ihre Kontrolle bringt und das Land spaltet? Soll dann der Westen den Rebellen ermöglichen, auch die Eroberung von Damaskus ermöglichen, den Sturz des Regimes und der Vertreibung der Alewiten in ihr westliches Kernland? Wie läßt sich dann die blutige Rache an der Minderheit, wie lassen sich Massaker an Alewiten, Christen und anderen verhindern, wie brutale ethnische Säuberungen?
Viele entscheidende Fragen bleiben offen. Fest steht jedoch, dass die Aufrüstung – beider Seiten – zu einer weiteren Eskalation und unendlich viel mehr Blutvergießen führen wird.

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