Der Sieg in der strategisch wichtigen syrischen Kleinstadt
beschert Assad einen lange erhofften psychologischen Erfolg und beweist die
Widerstandskraft seiner Streitkräfte
von Birgit Cerha
Begeisterte Anhänger der libanesischen Schiitenorganisation
Hisbollah verteilten in ihrer Süd-Beiruter Hochburg Süßigkeiten und bejubelten
den „Sieg“ in der syrischen Grenzstadt Kusair nach brutalsten fast dreiwöchigen
Kämpfen gegen die oppositionelle „Freie Syrische Armee“ (FSA). „Es ist eine
Geschichte von Widerstand und Standhaftigkeit und eine Tragödie von 40.000
Menschen, überwiegend Frauen und Kindern, sowie der Barbarei des Feindes, der
diese Stadt zerstörte.“
Dieser Kommentar im arabischen TV-Sender „Al-Arabiya“ reflektiert
Abscheu und Empörung in weiten Kreisen der arabischen Welt über den gnadenlosen
Krieg der so lange als Helden im Kampf gegen Israel gefeierten „Hisbollahis“,
die nun ihre Waffen gegen arabische Rebellen und vor allem Zivilisten richteten.
Hisbollahs erprobtes Geschick in Straßenkämpfen, unterstützt von Scud-Raketen
und mehr als 80 Luftangriffen der Syrer auf die Stadt, versetzten den Rebellen
einen vernichtenden Schlag. Die humanitäre Katastrophe der Zivilbevölkerung,
der das Assad-Regime zuletzt jede Hilfe durch das Rote Kreuz verweigerte, lässt
sich vorerst noch gar nicht voll absehen. Dennoch feiert auch das syrische
Regime einen großen Sieg.
Über die strategische Bedeutung Kusairs für militärischen
Nachschub aus dem Libanon herrscht kein Zweifel, ebenso ermöglicht die
Kontrolle über die Stadt auch jene über die gesamte Provinz Homs und die
Verbindung von Damaskus zum alawitischen Kernland an der Mittelmeerküste.
Dennoch bedeutet dies keineswegs, dass die Rebellen nicht in Zukunft über
andere Wege Waffen und Kämpfer ins Land einschleusen können. Doch es ist vor
allem ein starker psychologischer Erfolg für das schwerbedrängte, von
zahlreichen Analysten im Westen bereits todgesagte Assad-Regime. Doch das Ende
dieses Krieges zeichnet sich damit längst noch nicht ab. Ganz im Gegenteil. Das
Gemetzel von Kusair läßt eine weitere Eskalation der Brutalitäten befürchten.
Das Regime wertet den Sieg in Kusair als Beweis dafür, dass
die Rebellen diesen Krieg nicht gewinnen können. Assads für einen erneuten
Krieg gegen Israel trainierten Streitkräfte haben sich im Laufe der vergangenen
24 Monate an die Bedingungen eines Bürgerkrieges angepasst und einen
Zusammenhalt bewiesen, den viele unabhängige Analysten nicht vorhergesehen
hatten. Ungeachtet zahlreicher Desertionen stellen sie mit 290.000 Mann immer
noch die größten und bestausgebildeten Truppen der arabischen Welt, ungeachtet
der mindestens 80.000 syrischen Toten immer noch, nach einer jüngsten Studie
des in Washington stationierten „Institute for the Study of War“, „diszipliniert
und motiviert“ – nicht zuletzt wohl auch dank der intensiven Hilfe aus Russland
und dem Iran.
Was jedoch die Dynamik dieses Krieges längerfristig
verändern könnte, ist das entschlossene Engagement der Hisbollah, deren Chef
Nasrallah seine Kämpfer nach dem errungenen Sieg nicht zurückzieht, sondern
vielmehr in noch weitere, wohl noch wichtigere Schlachten wirft. Schon, so
heisst es, ziehen Hisbollahis nach der seit zwei Jahren teilweise von Rebellen
kontrollierten Wirtschaftsmetropole Aleppo. Die Bedeutung des Engagements der Veteranen
heftiger Kämpfe im Krieg mit Israel 2006 beschrieb jüngst Frankreichs
Außenminister Fabius: „Wenn sich sehr gut ausgerüstete und todesbereit Kämpfer“
am Krieg auf der Seite Assads beteiligen, „und zwar mehrere Tausend an der
Zahl, dann verändert dies die Situation.“
Wiewohl Assads Truppen nun eine Pufferzone im Süden zum
Schutz der drittgrößten Stadt Homs errichten können, ändert dies nichts an der
Tatsache, dass sie große Teile des Nordens und Ostens, nicht kontrollieren. Nächste Ziele dürften die
Rückeroberung wichtiger Stadtviertel Aleppos und der Vororte von Damaskus sein,
wo der Einsatz der in Straßenkämpfen erfahrenen Hisbollah den Widerstand der
Rebellen brechen könnte – allerdings nicht ohne hohen Blutzoll. Experten aber
sind sich einig, dass das militärische Patt nicht gebrochen und der Krieg noch
lange weiter toben wird.
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