Sonntag, 13. November 2011

Arabische Liga setzt Assad massiv unter Druck

Suspendierung der Mitgliedschaft ist ein schmerzlicher psychologischer Schlag – Öffnet die arabische Entscheidung den Weg zu internationaler Intervention?

von Birgit Cerha

Syriens schwer bedrängtes Regime rutscht nun auch in seiner eigenen, der arabischen Welt, immer tiefer in die Isolation. Attacken gegen die Botschaften Saudi-Arabiens und Katars in Damaskus, sowie die französischen und türkischen Konsulate in Latakia durch Anhänger des syrischen Regimes am Wochenende illustrieren die Entschlossenheit Präsident Assads, sich durch nichts und niemanden vom mörderischen politischen Überlebenskampf abhalten zu lassen. Syrien ist nun in seiner eigenen politischen Umwelt fast total isoliert. Denn nach mehr als acht Monate beispiellosen Blutvergießens mit mindestens 3.500 Toten, entschloß sich die Arabische Liga am Wochenende in Kairo endlich zu einer klaren Position.

Die Entscheidung der Regionalorganisation, Syriens Mitgliedschaft auszusetzen, wenn das Regime Baschar el Assads nicht bis kommenden Mittwoch alle Gewalt gegen die eigene Bevölkerung stoppt und Panzer und schwere Waffen aus den Städten zurückzieht, kam unerwartet. Denn die 22 Mitglieder umfassende Organisation hat sich seit vielen Jahren durch interne Streitigkeiten und fast totale Unfähigkeit zur Konfliktlösung hervorgetan. Nun retteten die vom „Arabischen Frühling“ noch nicht hinweggefegten Regime – zunächst zumindest - die Glaubwürdigkeit der Organisation, indem sie das Morden eines der ihren nicht länger tatenlos hinnimmt. Alle arabischen Botschafter sollen aus Damaskus abgezogen werden und verschärfte Wirtschaftssanktionen drohen. Gegen die Resolution stimmten der unter syrischer Hegemonie stehende Libanon, sowie der Jemen, dessen Präsident einen ähnlichen politischen Todeskampf führt. Der vor acht Jahren von einem brutalen Diktator befreite Irak enthielt sich der Stimme und beweist damit den starken Einfluß des einzig verbliebenen syrischen Bündnispartners, Iran, auf den politischen Entscheidungsprozess in Bagdad.
Das Regime in Damaskus verurteilt die Entscheidung der Liga als „illegal“ und fordert die Einberufung einer Dringlichkeitsgipfels, in der Hoffnung wohl, damit Zeit zu gewinnen. Seit Beginn der Revolten im März setzt Assad auf diese Strategie, zuletzt als er einem Friedensplan der Liga zustimmte, versprach, das Blutvergießen sofort zu beenden, Militär und Panzer aus Städten abzuziehen, Gefangene (weit mehr als 10.000 sind es unterdessen) freizulassen und einen Dialog mit der Opposition über politische Reformen zu beginnen. Statt den Plan in die Tat zu setzen, eskalierte das Regime die Gewalt. Allein in elf Tagen starben mehr als 250 Menschen, so viele wie noch nie in solch kurzem Zeitraum und Assads Behauptung, er erfülle seine Zusagen, indem er bereits 500 Gefangene freigelassen hätte, wird in Ligakreisen als Hohn empfunden. Unterdessen haben die oppositionellen „Lokalen Koordinations-Komitees Syriens“ die Stadt Homs, das derzeitige Zentrum der Rebellion, zu einem „humanitären Katastrophengebiet“ erklärt. „Human Rights Watch“ belegt in einem 63-seitigen Bericht „systematische“ Brutalität des Regimes gegen Zivilisten und verlangt, dass das Regime wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor den Internationalen Strafgerichtshof in Den Hag gestellt werden müsse.
Die Suspendierung der Mitgliedschaft versetzt dem Regime, das sich seit Generation als das „schlagende Herz des arabischen Nationalismus“ empfindet, einen schweren psychologischen Schlag. Doch sie wird ein despotisches Regime kaum zu einem Einlenken zwingen, das sein eigenes Ende besiegeln würde. Dieser Druck reicht nicht, um das Morden zu beenden. Deshalb will die Liga kommenden Mittwoch weitere Schritte beschließen. Lenke Assad nicht ein, folgten politische und wirtschaftliche Sanktionen und die Liga werde die UNO zu Hilfe rufen. Ein ähnlicher Schritt der Organisation hatte entscheidend dazu beigetragen, dass westliche Staaten eine Bombenkampagne gegen Libyens unterdessen ermordeten Diktator Gadafi begonnen hatten. Aber „niemand spricht von einer Flugverbotszone“, die einige syrische Oppositionsgruppen verlangen, „betont Katars Außenminister Scheich Hamad bin Jassim. Auch von Bewaffnung der Opposition, die die Liga für kommenden Mittwoch zu Verhandlungen über eine Strategie für den Übergang von Diktatur zu Demokratie in Syrien nach Kairo geladen hat, wollen die arabischen Brüder – vorerst – nichts wissen. Doch die Ultimaten an Assad werden kürzer und der Druck massiver.

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