Dienstag, 31. März 2009

Birgit Cerha: Teheran sucht Hilfe im Kampf gegen Opium

Der Iran ist Hauptopfer des gigantischen Drogenhandels aus Afghanistan – US-Projekte bisher völlig „ineffektiv“
Trotz eines Rückgangs der Opiumproduktion um 19 Prozent im Vorjahr, liefert Afghanistan laut „International Narcotics Control Board“ mit rund 7.000 Tonnen immer noch rund 90 Prozent des weltweiten illegalen Heroinangebots. Zwei Drittel des Drogenhandels ist auf die südliche Provinz Helmand konzentriert, eine Hochburg des radikal-islamistischen Taliban. Die Opiumernte erbrachte 2007 mehr vier Mrd. Dollar, mehr als die Hälfte des afghanischen Nationaleinkommens.

Im Ringen um internationale Anerkennung hatten die blutig an die Macht gekommenen Taliban im Juli 2000 den Anbau von Mohn, der traditionell vielen armen Bauern einen Lebensunterhalt ermöglicht hatte, verboten. Bis 2001 war so die Mohnanbaufläche in Afghanistan von 82.000 ha auf 8.000 geschrumpft. Doch dies half den Taliban nach den Terror-Attacken vom 11.September 2001 in den USA wenig. Ihr Sturz und die Verfolgung ihres engsten Verbündeten, der Al-Kaida, waren Hauptziel des von den USA im Schock der Anschläge geführten Krieges. Unterdessen haben die Taliban ihre Aversion gegen Rauschgift abgelegt. Die nun blühende Produktion und der gigantische Handel sind für sie heute die wohl wichtigste Einnahmequelle, die ihre gewalttätigen Widerstand gegen die Regierung Karzai speist. Allein die von Mohnbauern erpresste zehnprozentige „Steuer“ erbrachte den Islamisten 2007 laut dem „UN-Office on Drug and Crimes“ 100 Mio. Dollar, von anderen Einkünften aus Schmuggel und Handel ganz zu schweigen.

Allein in Helmand hat sich das Mohn-Anbaugebiet seit 2006 verdreifacht. Diverse nationale und internationale Anti-Drogen-Kampagnen versagten kläglich. Eine in Kabul stationierte Expertengruppe sieht eine der Hauptursachen in gravierender Korruption. Korrupte Regierungsbeamte schritten nicht gegen den Drogenhandel ein, während jene, die sich dagegen engagierten häufig Schikanen und Drohungen ausgesetzt, ja mitunter auch ermordet würden. So gestand der Governeur von Helmand, Assadullah Wafa, dass einige Beamte nicht nur gemeinsam mit den Taliban „Steuern“ von Mohnbauern einforderten, sondern auch noch mit ihren eigenen Fahrzeugen am Schmuggel beteiligt seien. Die Korruption macht auch vor der afghanischen Armee nicht Halt.

Der neue US-Afghanistan-Beauftragte, Richard Holbrooke, übte dieser Tage schärfste Kritik am jahrelangen Anti-Opium-Programm der Amerikaner in Afghanistan, das „das verschwenderischste und ineffivste“ amerikanische Programm sei, das er in 40 Jahren gesehen hätte. Trotz des Einsatzes von 800 Mio. Dollar im Jahr hätten die Drogenbarone die Produktion nur stetig weiter ausgeweitet und die Taliban nicht den geringsten Schaden erlitten.

Hauptopfer dieses expandieren Heroinhandels ist der westliche Nachbar Iran. Um dem Schmuggel effizient Einhalt zu gebieten, bedarf Teheran dringend internationaler Unterstützung. Das ist denn auch Irans Hauptanliegen bei einer Kooperation mit westlichen Staaten und insbesondere den USA in der Afghanistan-Frage.

Nach Schätzungen der iranischen Regierung kommen jährlich 2.500 Tonnen Opium aus Afghanistan ins Land, rund 700 Tonnen davon für den Verbrauch durch die heimische Bevölkerung. Nach einem jüngsten UN-Bericht werden mit 500 Tonnen im Jahr in keinem anderen Land der Welt derart große Mengen an Opium beschlagnahmt. Teheran geht es nun vor allem darum, dass der Westen einerseits die Bemühungen in seiner Anti-Drogenkampagne anerkennt, anderseits den Iranern dabei aktive Hilfe leistet. Auf der Basis von scharfen Anti-Drogengesetzen sitzen heute an die 70.000 Drogenhändler in iranischen Gefängnissen. Tausende iranische Soldaten sind an der 1.600 km langen Grenze zu Afghanistan und Pakistan stationiert, wo sie einen verzweifelten Kampf gegen den Drogenschmuggel führen. Hunderte iranischer Drogen-Agenten sterben alljährlich in Kämpfen mit den schwer bewaffneten Schmugglern.


Der Drogenkonsum im Land wächst sich zu einem gigantischen sozialen Problem aus, das heute mehr als 1,7 Millionen Menschen, überwiegend frustrierte Jugendliche erfasst. Iran hofft deshalb auf aktive vor allem militärische Unterstützung westlicher Länder, aber auch aus der Golfregion, die zunehmend Ziel der Schmuggler wird, um die Grenzen besser abzusichern.

Weiterlesen ...

Sonntag, 29. März 2009

Birgit Cerha: Irans Schlüsselrolle in Afghanistan

Teheran hegt großes Interesse an einem „gemanagten Chaos“ in „zunehmend gefährlichen“ Nachbarstaat
US-Präsident Obamas „Offensive des Lächelns“ gegenüber der „Islamischen Republik“ trägt die ersten Früchte. Der Iran wird sich in der Person des Vizeaußenministers Mehdi Akhundzadeh am Dienstag in Den Haag an einen Tisch mit hohen amerikanischen und anderen westlichen Diplomaten setzen, um eine Strategie für die Stabilisierung des „zunehmend gefährlichen“ (so Obama) Afghanistan zu erarbeiten. US-Diplomaten werten Irans Teilnahme als Signal für seine Bereitschaft, Washington im Kampf gegen die Taleban und Al-Kaida im Nachbarstaat beizustehen. Afghanistan könnte – so die Hoffnung – damit auch als Brücke dienen für einen Dialog über die explosivsten Streitpunkte zwischen beiden Staaten – vor allem über Irans Atomprogramm. Noch im Dezember hatte Teheran eine Afghanistan-Konferenz in Paris unter Obamas Vorgänger Bush boykottiert.

Der Iran teilt Washingtons Interesse daran, dass die Sicherheitslage im Nachbarstaat nicht vollends außer Kontrolle gerät. Der „Gottesstaat“ ist Hauptleidtragender des boomenden Opiumhandels aus Afghanistan (etwa 1,7 Millionen Iraner sind heute opiumsüchtig) und erstes Ziel afghanischer Flüchtlinge. Vor allem beunruhigt das schiitische Regime in Teheran der rapide anwachsende sunnitische Extremismus im Nachbarstaat Pakistan. Ein Wiederaufstieg der von den USA 2001 gestürzten sunnitisch-fundamentalistischen Taliban in Afghanistan würde die wachsende Zahl der Gesinnungsgenossen in Pakistan noch weiter stärken. Teheran fürchtet, Pakistans Regierung könnte Afghanistans Präsidenten Karzai stürzen, um die Taliban wieder an die Macht zu bringen und damit Afghanistan kontrollieren.

Iran hat enge historische, linguistische und kulturelle Bindungen in Afghanistans, insbesondere mit den persisch-sprechenden Tadschiken in der Provinz Herat und der schiitischen Minderheit der Hazara im Nord- und Zentral-Afghanistan. Wiewohl sich so manche fanatisch auf ihre Unabhängigkeit bedachte Stämme traditionell energisch gegen iranisches Einfluss-Streben wehren, setzen die Iraner intensive kulturelle und ökonomische Aktionen. Iranische Radiosendungen dominieren die Ätherwellen, zahlreiche Bauprojekte, wichtige Straßenverbindungen wurden jüngst in Angriff genommen. In Kabul will Teheran ein Lehrerausbildungszentrum bauen. Eine neue Bahnlinie soll Iran und Afghanistan auch über die Schiene verbinden. Seit 2001 unterstützt Teheran Kabul mit humanitärer Hilfe im Wert von 500 Mio. Dollar.

Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den USA hatte Teheran mit den Amerikanern gegen die Taliban und Al-Kaida kooperiert, die Beziehungen zum Regime Karzai aufgenommen und Hunderte in den Iran geflüchtete Taliban- und Al-Kaida-Führer deportiert. Doch die Hoffnung, dass diese Zusammenarbeit schließlich das dicke Eis zwischen Washington und der „Islamischen Republik“ brechen würde, erwies sich als Trugschluss. Seither ist das Misstrauen zwischen den beiden Erzfeinden nur noch gewachsen.

Dennoch begrüßt Irans Führung die Priorität, die Obama dem Afghanistanproblem einräumt. Doch Washingtons Differenzierung zwischen „guten und bösen“ Taliban, die Bereitschaft, mit „Gemäßigten“ einen Dialog zu beginnen, hält man in Teheraner Regierungskreisen für „allzu simpel“, ja für gefährlich. So liebäugeln die Iraner mit einer Wiederbelebung der Nord-Allianz, einer Koalition afghanischer Minderheiten, die in den 90er Jahren die Taliban bekämpft hatte. Auch Russland, zentralasiatische Staaten und Pakistans Rivale Indien befürworten diese Idee, die jedoch in völligem Widerspruch zu Washingtons engen Verbündeten Saudi-Arabien steht, das seinen alten Taliban-Freunden gerne wieder zur Macht verhelfen möchte. Solch gegensätzliche internationale Interessen erschweren Washingtons Strategie beträchtlich.

Iran könnte sich u.a. allerdings bereit erklären, der NATO den Transport von Gütern aus Europa durch sein Territorium nach Afghanistan zu gestatten, eine wichtige Entscheidung, da ein Transitweg durch Russland nicht gesichert erscheint. Die Iraner würden sich damit allerdings zum Ziel des Terrors der Taliban machen und könnten von der NATO die Absicherung ihrer außerst porösen Grenzen im Osten fordern.

Noch aber ist Teherans Kooperation keineswegs garantiert. Das iranische Regime betrachtet das Afghanistan-Problem heute nicht mehr primär als ein ideologisches, der tiefen Feindschaft zwischen den sunnitischen Fundamentalisten der Taliban, die die Schiiten als Häretiker verteufeln und eine Gruppe iranischer Diplomaten Ende der 90er Jahre ermordet hatten, sondern ein strategisches. Besonders irritiert Teheran die Gefahr, dass die USA im Falle einer Stabilisierung Afghanistans ihre Militärstützpunkte im Nachbarland zu Attacken gegen den Iran nutzen könnten, um einen Stopp des iranischen Atomprogramms zu erzwingen. Deshalb wollen die geistlichen Herrscher die starke Karte Afghanistan nicht aus der Hand geben. „Kontrolliertes Chaos“, in dem sie mitmischen, erscheint ihnen attraktiver als die Stabilisierung des Landes unter US-Dominanz am, zumindest so lange es nicht gelingt, das tiefsitzende Misstrauen zwischen dem „großen Satan“ und dem Pariah Iran zu überwinden.

Weiterlesen ...

Birgit Cerha: Neue Fronten spalten die Araber

Einzig in der Frage des internationalen Haftbefehls gegen Sudans Präsidenten finden sich arabische Führer beim Gipfel in Katar auf einer Es sollte ein arabischer Gipfel der Versöhnung werden, der eine neue Ära in der arabischen Welt einleitet. Wochenlang hatten vor allem die Führer Ägyptens und Saudi-Arabiens in hektischer Diplomatie um ein Ende der Streitereien zwischen Mitgliedern der Arabischen Liga gerungen, um in einer Zeit größter Herausforderungen und Krisen bei ihrem jährlichen Gipfel eine gemeinsame Strategie zu finden. Wenn die zweitägige Konferenz heute, Montag, in Katar beginnt, wird allein der Boykott durch Ägyptens Präsidenten Mubarak das klägliche Scheitern dieser Bemühungen dokumentieren. Auch sein saudischer und jordanischer Amtsbruder dürften dem Treffen fernbleiben, bei dem diese drei pro-westlichen Araber eine neue Front zur Abwehr des wachsenden iranischen Einflusses bilden wollten. Zwar gelang ihnen eine Aussöhnung mit dem seit Jahren zerstrittenen Syrien. Doch die feste strategische Allianz zwischen Damaskus und Teheran vermochten sie nicht zu sprengen.

Vielmehr dürfte sich der Gipfel von Doha als Schlachtfeld zwischen einer sich neu formierenden Allianz Katars, Syriens und des Irans auf der einen und den Saudis, Ägyptern und Jordaniern auf der anderen Seite erweisen. Ägypten ist tief verärgert über Katars vermutete Nähe zum Iran.

Auch wollten die Staatschefs in Doha eine palästinensische Regierung (zwischen Hamas und Fatah) der „nationalen Einheit“ absegnen und den längst verstaubten saudischen Friedensplan von 2002, der die Anerkennung Israels für den Rückzug aus allen 1967 besetzten Gebieten vorsieht, aus der Schublade holen. Versöhnungsbemühungen zwischen Hamas und Fatah sind bisher gescheitert und damit ist auch jede Diskussion über einen weitreichenderen Friedensplan hinfällig. Syriens Präsident Assad zeigt keinerlei Bereitschaft, seine Unterstützung für radikale Gruppen, wie die libanesische Hisbollah und Hamas zu reduzieren und drängt vielmehr Ägypter und Saudis zu größerer Sympathie gegenüber diesen Widerstandsgruppen.

Seit der Ermordung des stellvertretender Fatah-Führers im Libanon, Kamal Medhat, Mitte März haben sich die Spannungen zwischen Hamas und Fatah eher noch weiter verschärft. Zwar herrscht immer noch Unklarheit über die Täter, doch Medhat war ein wichtiger Aktionist in den Palästinenserlagern im Libanon gewesen und sein Tod stärkt zweifellos die Position von Hamas unter den rund 400.000 palästinensischen Flüchtlingen im Levantestaat.

In einem Punkt aber dürften sich die arabischen Staatschefs in Katar zusammenfinden: in ihrer Solidarität für Sudans Präsidenten Omar al Bashir, gegen den der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und der äußerst brutalen Unterdrückung der Rebellion in der sudanesischen Region Darfur einen Haftbefehl erlassen hat. Ungeachtet dessen ist Bashir, der sich offen dem Haager Gericht widersetzt, bereits Sonntag in Doha eingetroffen. Schon zuvor war er in Kairo von Mubarak und einen Tag später vom libyschen Staatschef Gadafi in Tripoli empfangen worden. Liga-Chef Amr Moussa stellte bereits die Position der Organisation klar: „Wir lehnen ihn (den Haftbefehl) total ab.“ Die Entscheidung des Gerichts sei höchst „fragwürdig“ und gründe auf „Doppelmoral“, eine Ansicht, der sich alle Liga-Mitglieder anschließen dürften. Marwan Bishara, führender politischer Analyst von „Al Jezira“ bemerkt dazu: „Der Westen unterschätzt, wie stark sich seine Einmischung in Angelegenheiten der arabischen Welt als kontraproduktiv erweist und jenen Führern nützt, die solche Aktionen zur Aufwiegelung populistischer nationaler Gefühle nützen, um ihre eigene Position zu stärken.“ Deshalb werde es auch im Sudan keinesfalls zu einem Volksaufstand gegen das Regime kommen, so wenig beliebt es auch sein möge.

Weiterlesen ...

Donnerstag, 26. März 2009

Kirkuk, Past and Present

written by Dr. Nouri Talabany *
Much has been said about the ethnic identity of Kirkuk but, to understand its present situation, we need to study the ethnic composition of the city in the past and to compare it with that of the present. The changes that have taken place there are the result of the policies of the previous Iraqi regime – policies that were against international law and which were responsible for the serious situation in which the citizens of Kirkuk now find themselves. If we appear to be concentrating on Kirkuk and using it as a model for the comparison of past with present, it is because it was the main focus of the previous Iraqi regime’s racist policy.The principal source of livelihood on the vast, fertile plains of the Kirkuk region was agriculture, so most of the city’s inhabitants were craftsmen practising related skills, though there were also commercial enterprises. Others worked in administration or were freelance professionals. The people grew their crops and engaged in animal husbandry according to the seasons but often used out-dated methods. It was natural for there to be a higher concentration of people in the villages close to the rivers and other water sources in the northern and eastern parts of the Kirkuk region, and fewer inhabitants in the part where water was scarcer. Simply by studying their customs an observer would very easily have understood the social structure of the society. However, the discovery of oil brought a great many people from elsewhere in Iraq to the city and changed the way of life completely. This is why we can say with confidence that the development of the oil industry provided the impetus for thousands of Arab families and others, such as Assyrians and Armenians, to settle in Kirkuk.[1]

The majority of the population of the city of Kirkuk was Kurdish and Turkman. The Turkmans could trace their families back to the Ottoman era. Later, Arabs settled there. Writing of the ethnic composition of the city, Shamsadin Sami, author of the celebrated Encyclopaedia “Qamusl Al-A’alam” stated that, “Three quarters of the inhabitants of Kirkuk are Kurds and the rest are Turkmans, Arabs and others. 760 Jews and 460 Chaldeans also reside in the city”.[2]

The Kurds lived, and still live, mainly in the eastern and northern districts of the city but they also reside in other districts alongside Turkmans and other ethnic groups. They are the oldest population of the city and region, followed by the Turkmans. The author of the famous “Guide to the History of Famous People in the Iraqi Liwas (Governorates),” Vol.2, compiled by Arab researchers and published in 1947 in Baghdad, dealt mainly with Kirkuk. It states that the Turkmans were the more recent members of the population of Kirkuk and that their ancestors arrived there in the mid seventeenth century with the invasion forces of the Ottoman Sultan Murad the Fourth who conquered Iraq and expelled the Saffawids from the land. The Guide also states that, before returning to Constantinople after his conquest of Baghdad, Sultan Murad left army units in position to control the strategic route linking Baghdad and Anatolia and that the present day Turkmans are descended from those troops.[3]

The heads of Turkman families in Kirkuk, such as the families Nafetchi and Aochi, have confirmed that their ancestors came with Sultan Murad. Mr. Nazem Nafetchi stated, in 1947, that their ancestor, Kahraman Agha, came from Anatolia with Sultan Murad and that he appropriated land called Baba Gurgur, near Kirkuk city, from which he extracted oil by primitive methods.[4] Abdullah Beg Aochi also confirmed that his family has its roots in Konya and that his grandfather, Emir Khan, accompanied Sultan Murad and settled in Kirkuk.[5]

The Guide gives the religion of the inhabitants of Kirkuk as Islam and stresses their strong adherence to their faith. It points out that the region boasted many mosques and takias. There were also Christian, Subbi and Jewish citizens. The Jews (who were forced to leave Iraq for Israel at the beginning of the 1950s) engaged in commerce, finance and jewellery. The Christians were involved in all the professions. Each ethnic group lived in harmony with the others. Mostly Kurdish tribal people who also had an important presence inside the city populated the districts, sub-districts and villages.

The mayors of Kirkuk were almost always Kurds, notably from the Talabany family. During the Ottoman era and the monarchical period some Turkmans became mayor, but there was never an Arab mayor until 1969 when an Arab from the Tikriti family was nominated by the Baathist regime.

The city of Kirkuk was the centre of the Wilayet of Sharazur until 1879 when it became a “sanjak” and was annexed to the Wilayet of Mosul. In 1918, when the British army occupied the Wilayet of Mosul, the British administration created a new Governorate under the name of Arbil, which was made up of the districts of Arbil, Rawanduz and Koysinjaq. In 1921, the British estimated the population of Kirkuk to be 75,000 Kurds, 35,000 Turks, 10,000 Arabs, 1,400 Jews and 600 Chaldeans. A Committee of the League of Nations, which visited the Wilayet of Mosul in 1925 to determine its future, estimated that the Kurds in Kirkuk made up 63% of the population, the Turkmans 19% and the Arabs 18%. As no census was taken in Iraq until 1947, most population figures were estimates. An official estimate, published in 1936, gave the population figure as 180,000. The author of the aforementioned Guide estimated the population of Kirkuk to be half a million but that did not include nomadic tribes. It says that the Arabs lived mainly in the southwest of the region of Kirkuk whilst the Kurds were mainly in the northeast. Kurds, Turkmans and Arabs inhabited the centre of the region.

Most of the members representing Kirkuk in the Iraqi parliament during the monarchical period were Kurds and some Turkmans. There was seldom an Arab representative until after the Arab tribes had been settled on the plain of Hawija from 1935 onwards.

The 1947 Census gave no precise details of the ethnic composition of the population. However, the 1957 Census, in column 6, gave details of the ethnic composition of Iraq according to mother tongue. According to this Census the ethnic composition of Kirkuk was as follows: 48.3% Kurd, 28.2% Arab, 21.4% Turkman, the remainder being Chaldo-Assyrian and others. The 1957 Census is the only one accepted as valid since later ones were organized after the Iraqi regime had begun its policy of ethnic cleansing by which thousands of Arab families from central and southern Iraq were settled in the city and region of Kirkuk. Thousands of Kurdish families were expelled.

There were only two Arab families resident in the city of Kirkuk, the Tikriti and the
Hadidi. In addition, there were some Arabs working as civil servants or serving as officers and soldiers in the 2nd Division of the Iraqi army, most of which was stationed in Kirkuk. Until 1955, there was just one high school in the region of Kirkuk, where I was a student. The majority of the students were Kurds and Turkmans with a number of Arabs, Assyrians, Chaldeans and Armenians. Most of the Arab students were the children of the civil servants and military personnel or of those working for the Iraqi Petroleum Company (IPC).

By long-standing tradition, the Kurds, Turkmans, Chaldeans and Jews have had their own cemeteries. The Arabs, being a minority, buried their dead in the Turkman cemeteries. Since 1991, however, the Iraqi regime has created special cemeteries for Arab settlers and has banned Arab Shi’ite settlers from taking their dead back to Al-Najaf for burial. Later, the regime even began to change the inscriptions on Kurdish tombstones to Arabic in an attempt to prove that there have been Arabs in Kirkuk for many, many years!

According to the Guide, the Tikriti family is the main Arab family of Kirkuk. The head of the family, Mr.Mazher Al-Tikriti, tells how their great grandfather, Shebib, came from Syria in 1048 Hejri with the Ottoman Sultan Murad the Fourth, as did the ancestors of the Turkmans. As a reward for their help, the Sultan gave the Al-Tikriti family villages and lands in the south-west of Kirkuk and in the small city of Tikrit.[6]

Other Arab tribes who settled in Kirkuk during the monarchical period are the Al-Ubaid and the Al-Jiburi. The Al-Ubaid came from the north-west of Mosul when they were forced out of that area by the Arab Al-Shamar tribe. They settled on the plain of Dialah where they were in continuous conflict with the Arabs of the Al-Aza tribe.[7] To resolve the disputes between them, the cabinet of Yasin Al-Hashimi decided, in 1935, to settle them in the Hawija district after water from the Lower Zab River was used to irrigate the land. The settlement of the Al-Ubaid and Al-Jiburi tribes was the first Arab settlement in the Kirkuk region. Previously, the area was semi-desert and was used by the Kurds only in springtime as grazing ground for their sheep. Generally, relations between Kurds, Turkmans and even the new Arabs of Hawija and other ethnic minority groups were good until the Baath party seized power in 1963.

The new regime used the militia of the “Popular Guard”, who were mainly Arab Baathists and Turkmans, to attack the Kurds. They concentrated their efforts on the poor areas where they destroyed all the homes. In June 1963, the Baathist regime was responsible for the destruction of 13 Kurdish villages around Kirkuk. The populations of a further 34 Kurdish villages in the Dubz district near Kirkuk were forced to leave and Arabs from central and southern Iraq were brought in and settled in their place. Between 1963 and 1988, the Baathist regime destroyed a total of 779 Kurdish villages in the Kirkuk region and obliterated their cemeteries. There had been 493 primary schools, 598 mosques and 40 small medical centres in these villages.[8] Orchards and farms were burnt, cattle confiscated and wells blown up. The obvious purpose of this destruction was the eradication of all evidence of any habitation. In all, 37,726 Kurdish families were forced out of their villages and, at a conservative estimate; there were at least 5 to 7 people in the average Kurdish rural family.

During the Iraq/Iran war, the Iraqi Regime also destroyed about ten Shi’ite Turkman villages in the south of Kirkuk.

Inside the city of Kirkuk, the Iraqi regime has taken many measures to force the Kurds to leave. Oil company employees, civil servants and even teachers have been transferred to southern and central Iraq. City streets and schools have been renamed in Arabic and businesses forced to adopt Arab names. Kurds are not allowed to sell their properties to anyone other than Arabs and are forbidden to buy other property. Thousands of residential units have been built for new Arabs and given Arabic names. The historic citadel, with its mosques and ancient church has been demolished. Tens of thousands of Arab families have been brought in to the city and given housing and employment.

These measures were intensified after the Gulf War of 1991. The regime has prevented most of the Kurds who fled their homes during the uprising of that year from returning. In 1996, before the preparation of the 1997 Census, a so-called “Identity Law” was passed, by which Kurds and other non-Arabs were required to register themselves as Arab. Anyone refusing to do so was expelled to the liberated part of Iraqi Kurdistan or to southern Iraq. In its 2003 Report, Human Rights Watch estimated that, since 1991, between 120,000 and 200,000 non-Arabs have been forcibly expelled from the Kirkuk region.[9]

That situation continued until the fall of the Baathist regime in April 2003, when the city of Kirkuk was liberated. Those who were forcibly expelled wanted to return to their homes and land, but many obstacles have prevented this. However, thousands of families have returned to Kirkuk, but continue to live in tents in a very bad situation.

When the Transitional Administrative Law was approved, article 58 aimed to resolve the problem of Kirkuk by creating mechanisms to normalise the situation in the city. However, both the governments of Dr. Allawi and Dr. Jaafari have done nothing to implement Article 58. This has created suspicion amongst the Kurds against the central Iraqi government. Article 140 of the new Iraqi constitution has adopted Article 58 of the TAL, and set a deadline for its implementation for 2007. If the new government of Iraq is not going to implement the article within this deadline, it means that the issue of Kirkuk is not going to be resolved, with dangerous consequences for the future of Iraq.
----------------------------------------

Prof. Dr. Nouri Talabany is an expert of international law and an independent member of the Parlament of Kurdistan and the Kurdish Academy of Science in Erbil. He has published extensive research among others on the Kirkuk question.


* This paper was presented to a conference concerning the Kirkuk issue, organized in London in July, 2005.
----------------------------------------

[1]. Abdul Majid Fahmi Hassan, “Daleel Taarihk Mashaheer Al Alwiat Al Iraqiah / A Guide to the History of Famous People of the Iraqi Liwas”, Vol. II, Liwa Kirkuk, Dijla Press, Baghdad 1947, p. 55.
[2] Shamsadin Sami, Qamus Al-A’alam, Istanbul, Mihran Press, 1315 Hi/1896.
3 Abdulmajid F. Hassan, ibid. P.58.
4 Ibid. p 284.
[5]Ibid. P.301
[6] Ibid. p. 289.
[7] Ibid. p. 339.
[8] Nouri Talabany, Arabization of the Kirkuk Region, First edi. Kurdistan Studies Press, Uppsala, Sweden 2001, p. 94.
[9] Appeal from the Federation of the Kurdish Organizations against Ethnic Cleansing based in London addressed to Mr. Kofi Annan and others, dated 3rd February 2003.


 
Weiterlesen ...

Birgit Cerha: Wachsende Ängste der Araber vor „iranischem Größenwahn“

Saudi-Arabien, tief besorgt über eine Verständigung zwischen Washington und Teheran, versucht eine anti-iranische Allianz zu schmieden
Im Mittleren Osten beginnen sich alte Allianzen zu verschieben. „Die Guten werden die Bösen und die Bösen die Guten“, kommentiert die israelische Tageszeitung „Haaretz“ eine hektische Diplomatie, die die arabische Welt seit der Machtübernahme Barack Obamas in den USA in Atem hält. Hauptinitiator ist Saudi-Arabien, Washingtons traditioneller Freund und Verbündete, den der neue Nahost-Kurs Obamas in höchste Unruhe versetzt. Bis zum Arabischen Gipfel am 30. Mäerz in Katar hofft Riad zumindest einen großen Teil der 22 Mitgliedsstaaten der Arabischen Liga zu einer neuen strategischen Allianz zu vergattern. Sie richtet sich nicht gegen den traditionellen Feind der Araber, Israel, sondern gegen die „Islamische Republik“ Iran und deren rasanten Aufstieg zur regionalen Großmacht.

In den vergangenen acht Jahren hatte sich Riad – wiewohl widerwillig – auf die aggressive Mittel-Ost-Politik George Bushs eingestellt, die Iran und auch Syrien als Teil einer „Achse des Bösen“ brandmarkte und vollends zu isolieren suchte. Auch das Haus Saud brach mit Syrien und stellte sich im Libanon-Konflikt mit voller Kraft auf die Seite des anti-syrischen, pro-westlichen Regierungslagers. Doch die Erfolge solcher Strategie der Konfrontation und der Härte blieben aus. Obama begann deshalb Bushs „Bösewichte“ in den diplomatischen Prozeß einzubinden, in der Hoffnung, durch Dialog den Boden zu einer friedlichen Lösung der schwersten Konflikte in der Region zu finden. Auch im Libanon will die neue US-Administration eine neutralere Position einnehmen und das Abkommen von Doha zur Machtteilung zwischen den pro- und anti-syrischen Kräften akzeptieren.

So sah sich Riad gezwungen, Präsident Assad wieder die Hand zu reichen und den Einfluß Syriens im Libanon hinzunehmen. Auch ist längst klar, dass die von den Saudis, wie den Ägyptern und andere gemäßigten Arabern erstrebte Aussöhnung zwischen der palästinensischen Fatah und der Hamas gegen den Willen des syrischen Verbündeten von Hamas nicht möglich ist.

Nichts aber irritiert arabische Herrscher, insbesondere das saudische und ägyptische Regime so sehr, wie der jüngste, wiewohl erst zaghafte, Flirt zwischen Teheran und Washington. Arabische Medien sprechen offen von iranischem, schiitischem Expansionismus, den die USA nun belohnen und damit indirekt verstärken könnten. Für dieses expansionistische Streben meinen Kommentatoren in der Region viele Beispiele zu erkennen. So klagt etwa der Satellitensender „Al Arabiya“, der Iran habe in diversen arabischen Staaten eine Offensive gegen die von ihm als traditionalistisch kritisierten offiziellen religiösen Institutionen begonnen. Das ferne Marokko brach deshalb sogar die diplomatischen Beziehungen mit der „Islamischen Republik“ ab. „Mit dem Iran verbündete Gruppen sind in Europa, Afrika und Australien aktiv. Sie verbreiten politische und religiöse Botschaften und glorifizieren den Iran als Führer der islamischen Welt. Sie tun alles, damit diese Botschaft vor allem in die Herzen der arabischen Gesellschaften dringen“, analysiert „Al Arabiya“. Irans „Größenwahn“ lasse sich aus den wiederholten Reden der Teheraner Führung erkennen.

Vor allem ist es auch – Ironie der Geschichte – der allmähliche US-Rückzug aus dem Irak, der die – sunnitischen – Herrscher der arabischen Welt tief beunruhigt. Mit Bagdad weitgehend unter Kontrolle der Schiiten, könnte der Iran seinen und den schiitischen Einfluß in der gesamten Region aufkosten der sunnitischen Gemeinschaft ausweiten. Die jüngsten Ereignisse im israelischen Gaza-Krieg haben etwa auch Ägyptens Ängste genährt, denn Irans verstärkte Bande mit Hamas traten dabei deutlich zutage. Ebenso hat Teheran mit Ägyptens größter Oppositionsbewegung, den Moslembrüdern, Kontakte geknüpft.

Als Beweis für die „strategischen Bedrohungen“, die vom „Gottesstaat ausgehen, werten arabische Führer die Erklärungen des ehemaligen iranischen Parlamentssprechers Natek Nouri, der den arabischen Golfstaat Bahrain, in dem eine sunnitische Minderheit über eine schiitische Mehrheit regiert, als 14. Provinz des Irans bezeichnete. Für zusätzliche Nervosität sorgen jüngste Unruhen unter Schiiten nicht nur in Bahrain, sondern auch in den saudischen Ölprovinzen, wiewohl es zunächst keine Hinweise auf iranische Verwicklung gibt.

Was Saudi-Arabiens Dilemma noch vergrößert, ist die Erkenntnis, dass sein historisch wichtigster Verbündeter, die USA, heute in seiner Mittelost-Politik dringend des Irans bedarf. Um Afghanistan und den Irak zu stabilisieren, braucht Obama dringend die Unterstützung Teherans, das in beiden Ländern beträchtlichen Einfluß ausübt. Die arabischen Golfstaaten befürchten deshalb, Obama könnte sich zu einem „historischen Abkommen“ mit dem Iran gedrängt fühlen, in dem sie den Preis bezahlen müßten. Für einen Stopp des Atomprogramms würden – so der Verdacht – die Amerikaner Irans dominierende Rolle in der Region akzeptieren, ein Ziel, das schon der Schah erstrebt hatte. Und die geistlichen Herrscher im „Gottesstaat“ stehen dem verhaßten „König der Könige“ in ihrem Nationalismus heute um nichts mehr nach.

Die „arabische Straße“ aber teilt die Ängste ihrer Führer vor einem expansiven Iran weitgehend nicht. Hier stößt die „Islamische Republik“ gerade auch unter den verbal so aggressiven Präsidenten Ahmadinedschad auf Sympathie und Bewunderung, das ihr Führer israelischer und amerikanischer Politik in einer Weise entgegentritt, wie es seine arabischen Amtskollegen nicht wagen.

Weiterlesen ...

Dienstag, 24. März 2009

Birgit Cerha: Eine ungewöhnliche neue Freundschaft

Iraks Kurden verstärken ihre Bande mit Ankara – Internationale Pläne zur „Lösung“ des PKK-Problems
„Wenn wir klug gemeinsam handeln, dann werden wir gemeinsam glücklich sein. Wenn nicht, dann werden wir die Schmerzen gemeinsam ertragen müssen.“, mahnte der türkische Präsident Abdullah Gül seinen irakischen (kurdischen) Amtskollegen Jalal Talabani. Seinen historischen Besuch am Tigris, den ersten eines türkischen Präsidenten seit 33 Jahren, stellt Gül ganz unter das Motto verstärkter Bande nicht nur mit der irakischen Republik, sondern auch mit den rund vier Millionen, sich autonom regierenden Kurden im Norden des Nachbarstaates. Deren autonome Bestrebungen einzudämmen, zählt zu den zentralen Fragen, die Gül mit den Herrschern des Zweistromlandes diskutiert. Und dabei geht es vor allem auch um die türkisch-kurdische Guerillaorganisation PKK, die im entlegenen nord-irakischen Kandil-Gebirge seit Jahren Stützpunkte unterhält und von dort aus Ziele in der Türkei attackiert.

Wenn sich Türken und die arabischen Führer in Bagdad, aber auch die Nachbarn in einer Frage einig sind, dann ist es die Schwächung der nord-irakischen Kurden. Gül und Iraks Premier Maliki sind sich einige, dass eine Eingliederung der heftig umstrittenen Ölstadt Kirkuk in das autonome Gebiet der Regionalregierung Kurdistans (RRK) unter allen Umständen verhindert werden muss. Die neue US-Administration, die bereits eifrig an ihren Rückzugsplänen aus dem Irak bastelt, hegt größtes Interesse an guten Beziehungen zwischen der Türkei, Bagdad und der RGK. Sie sieht in einer Freundschaft und engen Kooperation zwischen Türken und nord-irakischen Kurden die beste Garantie dafür, auch längerfristig dem iranischen Expansionsstreben im Irak Einhalt zu gebieten. Hier treffen sich türkische und amerikanische Interessen voll. So wird auch eine Lösung der Kurdenfrage in der Region, insbesondere aber in der Türkei einer der wichtigsten Gesprächsthemen in Ankara sein, wenn US-Präsident Obama Anfang April den Türken die Ehre seines ersten Staatsbesuchs gibt.

Fast jedes Monat bombardieren die Türken Ziele im Nord-Irak im vergeblichen Bemühen, die PKK-Guerillas von dort zu verjagen. Bis heute verweigerte RRK-Präsident Massoud Barzani den Türken dabei die Zusammenarbeit. Doch die Präsenz der PKK, die regelmäßigen türkischen Militäraktionen und Stationierung von mindestens 2000 türkischen Soldaten im Nord-Irak sind ein potentiell explosiver Destabilisierungsfaktor. Deshalb zeigen sich Iraks Kurden nun kooperationsbereit, wie nie zuvor. Vor wenigen Tagen bekräftigte Talabani ungewöhnlich deutlich, dass die Sehnsucht nach einem unabhängigen Staat für die Kurden nichts als „ein Traum“ sei und die Türken gar nichts zu fürchten hätten. Zugleich versprach er, für eine Entwaffnung der PKK in Kandil zu sorgen, ein Unterfangen, das sich angesichts des wilden Gebirgsterrains nicht militärisch durchsetzen lässt.

Aber auch Barzani, den die Türkei seit dem Sturz des Iraks vor sechs Jahren boykottiert hatte, zeigt großes Interesse an Aussöhnung mit dem Nachbarn, der den Kurden das Tor zum Westen offen halten kann. Von Geheimverhandlungen mit Ankara ist die Rede, in denen Iraks Kurden – so scheint es – die Türken überredeten, den PKK-Guerillas durch eine Amnestie die Rückkehr in die Heimat zu ermöglichen. Güls jüngste Prophezeiung von „guten Dingen“, die sich schon bald in der Kurdenfragen ereignen würden, lässt sich in diesem Sinne interpretieren. Zugleich sollen PKK-Führer die Chance auf Asyl in Europa erhalten. Erklärungen hoher türkischer Offiziere, dass sich das Kurdenproblem nicht nur mit militärischen Mitteln lösen ließe, geben neue Hoffnung. „Wir haben keine ökonomischen Schritte (in der türkischen Kurdenregion) gesetzt, wir waren nicht in der Lage die Kurden vom kulturellen Gesichtspunkt gesehen im Land zu integrieren, wir versuchten hingegen, sie zu assimilieren“, klagte jüngst der einstige Chef der türkischen Marine, General Salim Dervisoglu. Für türkisches Entgegenkommen würde – so Barzanis Plan – Bagdad und die RRK die PKK für illegal erklären.

Um diesen so lange schwelenden Konflikt endlich zu lösen, planen Iraks Kurden in ihrer Hauptstadt Erbil im April eine internationale Konferenz, die erstmals kurdische Vertreter aus allen Ländern – neben dem Irak, Türkei, Iran, Syrien und Europa – an einen Tisch bringen soll. Hauptziel ist die Entwaffnung und Auflösung der PKK. Welche Gegenleistung Ankara dafür erbringen will, bleibt ebenso offen, wie die Frage, ob Vertreter dieser unter Kurden in der Türkei immer noch populären Bewegung überhaupt eingeladen werden sollen.

Die Türken könnten auf diese Weise zwei wichtige Ziele miteinander verbinden. Eine Lösung des PKK-Problems würde es ihnen die Eröffnung eines Konsulats in Erbil ermöglichen, um ihren politischen und wirtschaftlichen Einfluss entscheidend zu verstärken. Schon heute leben etwa 50.000 Türken in der RRK-Region und 1.200 türkische Firmen sind dort stationiert. Der bilaterale Handel erreicht sieben Mrd. Dollar im Jahr. Und die Kurden sind für den Export ihres Öls aus neu zu erschließenden Quellen auf den Transitweg durch die Türkei angewiesen.

So bleiben Iraks Kurden kaum noch andere Optionen. Insbesondere quält sie zunehmend die Frage, wer ihnen die autonomen Errungenschaften der vergangenen Jahre sichert, wenn die Amerikaner abgezogen sind? Dass die arabischen Führer in Bagdad nur darauf warten, endlich ihre Macht so zu stärken, dass sie jene der Kurden wieder beschneiden können, lässt sich bereits durch diverse Aktionen Malikis erkennen. Den Kurden mag angesichts neuer Bedrohungen aus Bagdad und der Aussicht auf den Verlust der US-Schutzmacht eine Kooperation und Art von Freundschaft mit Ankara noch als das geringere Übel erscheinen, auch wenn so manche ihrer Brüder in der Türkei dies als „Verrat“ empfinden mögen.

Nicht überraschend will die PKK von den Plänen zu ihrer Auflösung nichts wissen. Sie spricht von einem Komplott und ihr Sprecher Ahmed Dezin droht unmißverständlich, „solche Erklärungen“ wie sie Talabani abgegeben hatte, „werden schwere Konsequenzen nach sich ziehen und viele Errungenschaften der (irakischen) Kurden könnten verloren gehen“.

Weiterlesen ...

Freitag, 20. März 2009

Birgit Cerha: Iran-USA: Hoffnung auf einen Neubeginn

Zurückhaltend und vorsichtig reagiert Teheran auf Barack Obamas Charmeoffensive – Aus dem Volk dringen Stimmen der Begeisterung
„Es ist phantastisch. Das ist genau der richtige Moment für einen derartige Botschaft“, reagiert euphorisch ein iranischer Journalist auf die über Video an das iranische Volk gerichtete Glückwunschbotschaft US-Präsident Barack Obamas zu Nowruz. Das Neujahrsfest am 21. März besitzt im iranischen Kalender höchsten Stellenwert. Nach uralter Tradition schütteln die Menschen zu diesem Zeitpunkt allen Ballast, allen Schmutz – im wörtlichen, wie im übertragenen Sinn – ab und setzen einen Neubeginn, voll von Hoffnung auf die Zukunft. In diese Stimmung stößt Obamas Botschaft, die der US-Präsident – mit Untertiteln in Farsi versehen – direkt an das iranische Volk richtet. Vor allem unter der gebildeten Schichte wird sie ohne Zweifel bei vielen auf offene Herzen stoßen. Längst weiß auch Irans Führung, das ein hoher Prozentsatz der Bevölkerung sich nach Aussöhnung mit der vor drei Jahrzehnten von Revolutionsführer Khomeini als „großen Satan“ gebrandmarkten Supermacht sehnt.

Es sind vor allem Obamas milder, versöhnlicher Ton, aber auch seine Wortwahl, die einen radikalen Kurswechsel gegenüber der plump aggressiven Rhetorik seines Vorgängers George Bush markieren, der den Iran als Teil einer „Achse des Übels“ verteufelt hatte. Dennoch dürften den Iranern auch die versteckten Warnungen Obamas nicht entgangen sein, wenn der US-Präsident von einer Phase der Diplomatie spricht und hinzufügt: „Dieser Prozess wird nicht von Drohungen begleitet.“ Dies lässt sich klar als ein Ende der Gefahr einer militärischen Aktion gegen iranische Atomanlagen interpretieren, zugleich aber auch als ein amerikanisches Eingeständnis, dass sich die jahrelangen Drohungen der Bush-Administration als gefährlich kontraproduktiv erwiesen hätten. Anderseits versteht man in Teheran dennoch, dass die militärische Option wieder aktuell werden könnte, sollte der diplomatische Weg scheitern.

Viele Iraner müssen Obamas Botschaft vor allem aber wie ein heilsames Pflaster auf einer blutenden Wunde empfinden. Denn er verstand es, jenen Punkt in wunderbarer Deutlichkeit anzusprechen, der die iranische Seele seit Generationen besonders schmerzt: das Gefühl der Geringschätzung durch die westliche Welt, insbesondere die USA. Welch hohen Stellenwert diese Empfindungen in den Beziehungen zwischen Teheran und Washington einehmen, lässt sich aus der steten Betonung des notwendigen „gegenseitigen Respekts“, der „Gleichwertigkeit in den Beziehungen“ erkennen, die das iranische Regime zur Hauptbedingung für Gespräche erhob. So müssen die Iraner Obamas Worte von der „großen“ iranischen Zivilisation und ihren einzigartigen Kulturleistungen für die gesamte Menschheit, als langersehnten Balsam empfinden. Ebenso verstand es Obama den „gegenseitigen Respekt“ in den von ihm angebotenen „ehrlichen“ Engagement zwischen beiden Staaten hervorzuheben. „Gegenseitiger Respekt“ bedeutet, die Bereitschaft Washingtons, endlich auch den Iran anzuhören. Doch die Iraner wollen mehr. Die Herrscher des „Gottesstaates“ wollen vor allem ein klares Bekenntnis der neuen US-Administration, dass sie nicht mehr – wie ihr Vorgänger – einen Sturz des Regimes in Teheran erstreben.

Trotz dieser hoffnungsvollen Botschaft reagierte das offizielle Teheran zunächst sorgfältig abwartend, lässt erkennen, dass immer noch unvermindert tiefes Misstrauen die Beziehungen zur Supermacht belastet. Entschuldigen für die Unterstützung des vom Regime so verhassten Schahs müssten sich die Amerikaner und nicht auf Worte beschränken, sondern den radikalen Wandel in ihrer Politik durch Taten dokumentieren, stellte ein ranghoher Berater Präsident Ahmadinedschads rasch einmal klar. In Teheran hält man die „Taten“ der Obama-Administration bisher für äußerst mager. Das stellte auch der „Geistliche Führer“ Khamenei erst vor wenigen Tagen klar, als er feststellte, dass die USA auch unter Obama den selben Kurs gegenüber dem „Gottesstaat“ steuerten, kein Zeichen einer Kompensationsbereitschaft für „vergangene Fehler“ ließen sich erkennen. Besonders vergrämt hatte die iranische Führung die erst vor wenigen Tagen von Obama verkündete Verlängerung der US-Sanktionen gegen den Iran, durch die Washington hofft, Teheran zu einem Stopp seines Atomprogramms zu zwingen.

So lässt sich vorerst nicht erkennen, dass die „Islamische Republik“ die „Faust“ öffnet, damit – wie Obama es anbot – die USA ihr die Hand reichen könnten. Das Regime wird seine Reaktion sorgfältig abwägen. Immerhin hat der Iran durch seinen aggressiven Anti-Amerikanismus seine regionale Stellung in jüngster Zeit wesentlich stärken können. Weite Kreise der arabischen Welt, die Bushs Nahostpolitik und die blinde Unterstützung israelischer Militäraktionen gegen Palästinenser und Libanesen der vergangenen Jahre zutiefst empört, sympathisieren mit Ahamdinedschad, der es als einziger Führer der Region wagt, offen seine Empörung über die amerikanische Doppelmoral und Israels Aktionen auszusprechen wiewohl er auch in den Augen vieler Araber dabei oft zu weit geht. Aber auch intern könnte Ahmadinedschad durch eine all zu versöhnliche Geste gegenüber Washington an Boden verlieren. Viele seiner mächtigen Verbündeten sind fanatische Feinde der USA und der Verlust dieser Alliierten könnte dem höchst unpopulär gewordenen Präsidenten die Wiederwahl im Juni kosten. Auch diente der Verbalkonflikt mit den USA und Israel in den vergangenen vier Jahren Ahmadinedschad hervorragend als Ablenkungsmittel von den eigentlichen Problemen des Landes, der Wirtschafts- und Sozialkrise, die heute die Iraner quält, wie nichts sonst.

Deshalb auch hat Teheran bisher nicht eindeutig positiv auf die von Washington gesetzten kleinen diplomatischen Schritte reagiert, die allmählich das tiefe Misstrauen abbauen und zu einem Dialog über die eigentlichen schwerwiegenden Streitpunkte – Atomprogramm, Unterstützung radikaler Palästinenser und Libanesen, Verwicklung im Irak etc - führen sollen.

Noch haben die Iraner Washingtons Einladung zur Teilnahme an einer internationalen Afghanistan-Konferenz Ende März nicht angenommen.

Drei Jahrzehnte erbitterster Feindschaft zu einem Ende zu führen, ist ein äußerst mühseliger Prozess. Obamas neuer Stil aber eröffnet eine große Chance.

Weiterlesen ...

Dienstag, 17. März 2009

Birgit Cerha: Das Comeback des Krisen-Managers

Warum Mohammed Khatami in der Kampagne um Irans Präsidentschaft dem einstigen linken „Jünger Khomeinis“ Mir Hossein Mousavi Platz macht
Zwei Jahrzehnte lang hatte Mir Hossein Mousavi geschwiegen, sich aus der Politik der „Islamischen Republik“ herausgehalten. Doch nun kehrt der pragmatische Technokrat zurück auf die politische Bühne, in der Hoffnung, das Land vom Absturz ins Chaos zu retten, der turbulenten Epoche unter Präsident Ahmadinedschad ein Ende zu setzen. Und seine Chancen bei den Wahlen am 12. Juni stehen gar nicht schlecht.

Wenige Tage, nachdem Mousavi seine Kandidatur angemeldet hatte, kündigte der einst so populäre Reformpräsident Mohammed Khatami seinen Rückzug aus der Wahlkampagne an und stellt sich voll hinter den neuen Kandidaten, der ihm zuvor seine Unterstützung zugesagt hatte. „Seid gewiss, er wird einen beträchtlichen Anteil von Stimmen aus dem ‚anderen Lager’ anziehen. Ich habe Informationen, dass einige Konservative weder mich, noch diesen Typen (Ahmadinedschad) wählen werden, sondern Mousavi“, erläuterte Khatami seinen Anhängern seine Entscheidung. Zudem löse Mousavi weniger Spannungen im Regime aus, als er. Mousavi würde auf weit weniger Hindernisse stoßen als er (Khatami) und seine politischen Überzeugungen seien mehr identisch mit jenen des Regimes. Schließlich, so betonte Khatami, setze die Bevölkerung weit geringere und realistischere Erwartungen in den ehemaligen Premier.

Khatami hatte nur zögernd, ja fast widerwillig vor wenigen Wochen seine Kandidatur angemeldet, von seinen Anhängern davon überzeugt, dass es im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht darum gehe, Reformen durchzusetzen, sondern „das gegenwärtige Ausbluten des Landes“ durch Ahmadinedschad zu stoppen. Khatami war in zwei Amtsperioden (1997 bis 2005) mit seinem Reformkurs am Widerstand des erzkonservativen Establishments kläglich gescheitert. In den vergangenen Tagen hatte er nach Berichten aus Reformkreisen, scharfe Kritik und gar offene Drohungen aus dem erzkonservativen Lager erhalten. Zudem versagte ihm einer seiner einst engsten Mitstreiter, der einflussreiche Ex-Bürgermeister von Teheran, Gholamhossein Karbaschi, die Unterstützung.

Viele Iraner sind, wie Khatami, davon überzeugt, dass Mousavi weit größere Chancen besitzt, eine Wiederwahl des selbst unter vielen Konservativen unterdessen höchst unpopulären Ahmadinedschad zu verhindern. Zahlreiche konservative Abgeordnete bekundeten bereits ihre Unterstützung für Mousavi, der – weit mehr als Khatami – als „treuer Jünger Khomeinis“, des Revolutionsführers, gilt, als ein kluger Taktiker, der länger als die meisten seiner Mitstreiter an den Grundsätzen der Revolution festhielt und von Wirtschaftsmanagement weit mehr verstehe.

Der 68-jährige Architekt wird bis heute von vielen Iranern als Held verehrt. Premierminister von 1981 bis 1989, hatte er das Land mit einem strikten Rationalisierungsprogramm über den Krieg (gegen den Irak 1980-88) gebracht. Der einflussreiche Bruder des „Geistlichen Führers“, Hadi Khamenei, preist Mousavis hohe Kapazitäten, politische Erfahrung und Effizienz als Staatsführer. Diese Qualitäten sind von einem dringend gesuchten Krisenmanager heute wieder besonders gefragt. Nur wenige trauen sie Khatami zu. Deshalb besitzt Mousavi in einer Zeit der Wirtschaftskrise und der Sehnsucht weiter Bevölkerungskreise nach Ruhe und einem besseren Leben beträchtliche Chancen. Er kann mit breiter Unterstützung akademischer Kreise rechnen, zu denen er dank seiner Frau und seiner eigenen Aktivitäten enge Kontakte pflegt. Auch die Kriegsveteranen und ein großer Teil des Basars dürften für diesen Mann stimmen, der ein wenig von seinen einstigen radikalen Ideen abgekehrt ist. Betont bekennt er sich heute zur freien Marktwirtschaft und – trotz der ideologischen Nähe zu der Gruppe um Ahmadinedschad – auch zu politischen Reformen. Immerhin hatte ihn Khatami in seinen beiden Amtsperioden zu einem seiner Berater ernannt, eine Funktion, die Mousavi allerdings kaum ausgeübt hatte.

Im Gegensatz zu Khatami lässt Mousavi bereits einige Grundzüge seines Programms erkennen: Ausmerzung der Korruption, rasche Privatisierungen und eine Abkehr von der von Ahmadinedschad praktizierten „Almosen-Ökonomie“, der massiven Geldverteilungen, mit krassen Folgen auf die Inflation. An seiner unbedingten Loyalität zum islamischen System herrscht ebenso wenig Zweifel, wie an seinen anti-amerikanischen Gefühlen und der Entschlossenheit, am gegenwärtigen Atomkurs festzuhalten.

Unklar ist vorerst allerdings, ob Mousavi die wahlentscheidende Unterstützung Khameneis gewinnen kann, der sich bisher für Ahmadinedschad stark machte. Die beiden Politiker hatten einst einen harten Rivaltitätskampf um Macht und Einfluß geführt – Mousavi als Premier und Khamenei als Präsident. Das Problem wurde schließlich durch eine Verfassungsreform gelöst, die das Amt des Ministerpräsidenten abschaffte.

Weiterlesen ...

Sonntag, 15. März 2009

Birgit Cerha: Ist Osama Bin Laden noch relevant?

Der meistgesuchte Terrorchef aller Zeiten scheint unverwundbar, doch interne Spaltung, Finanzprobleme und schwindende Attraktivität setzen Al Kaida zu
Osama Bin Laden hat sich zurück gemeldet. Mit scharfen Worten geißelte er in einer vom Al-Jezira Sender in Katar verbreiteten Audio-Botschaft „gewisse arabische Führer“, die sich als Mithelfer des Krieges „gegen unser Volk“ (die Palästinenser in Gaza) betätigt hätten. Er warf ihnen vor, mit der „Koalition aus Zionisten und Kreuzzüglern“ (die USA) zusammengearbeitet zu haben und damit Mitverantwortung am Tod von 1.200 Palästinensern zu tragen. Und er rief die islamische Welt zu „ernsthaften Vorbereitungen für einen Jihad (heiligen Krieg) auf, um „Gerechtigkeit durchzusetzen und das Übel zu besiegen“.

Doch nicht nur zeigte sich der Chef des Al-Kaida-Terrornetzwerkes nicht in einem Videofilm, seine Botschaft lässt Einfallsreichtum und Originalität vermissen. Bin Laden versucht lediglich bereits zum zweiten Mal den Gaza-Krieg auszubeuten.

Zwar ist der meistgesuchte Terrorist aller Zeiten nun schon seit Jahren dem mächtigsten Geheimdienstapparat der Welt entschlüpft. Doch die Tatsache, dass Al-Sahab – al-Kaidas Informationsarm – seit Jahresbeginn bereits 18 Tonbandaufnahmen verbreitete, lässt nach Ansicht von Experten darauf schließen, dass Bin Laden um seine Relevanz in der internationalen Terrorszene bangt. Die Serie der Botschaften soll seinen Anhängern und der westlichen Welt zeigen, dass er immer noch „relevant“ ist, dass er für den Westen eine Bedrohung bleibt.

Seit dem 11.September 2001 vermochten die USA selbst mit der gigantischen Summe von 50 Millionen Dollar, die auf Osamas Kopf steht, keinen Verräter anzulocken. Terrorexperten sind längst von der Unmöglichkeit überzeugt, Bin Laden zu fangen oder zu töten. Dennoch räumt US-Präsident Obama der Fahndung nach diesem Erzfeind des Westens allerhöchste Priorität ein.

Die größte und bisher erfolgloseste Verbrecherjagd in der Geschichte ist umhüllt von einem Schleier des Geheimnisses. Doch vor kurzem drang neues Beweismaterial an die Öffentlichkeit, dass sich Obama und sein engstes Team in der Gegend der kleinen nordwest-pakistanischen Stadt Chitral aufhalten dürfte, die auf einer kaum zugänglichen Hochgebirgsebene im Hindukush liegt. US-Drohnen und Armee-Helikopter haben Aufklärungsflüge über dem schneebedeckten Hindukush-Gebirge, insbesondere über Chitral verstärkt.

Niemand im Westen weiß einigermaßen Bescheid über Bin Laden und den tatsächlichen Zustand der Al-Kaida. Wiewohl das Terrornetzwerk heute auf dezentralisierter Basis operieren dürfte, taucht Bin Ladens Name wieder häufiger auf und zugleich verstärken sich Anzeichen auf eine koordinierte Planung von Aktionen gegen „weiche Ziele“ im Westen. Gemeint ist damit nach US-Militärberichten die dahinsiechende amerikanische Wirtschaft, sowohl in den USA, als auch im Ausland, um damit die verhaßte Supermacht an ihrer Achillesferse zu treffen – ein „Krieg“, den Amerika nach Ansicht der Al-Kaida-Führung nicht gewinnen könne.

Zugleich jedoch gibt es auch Anzeichen, dass Al-Kaida selbst in einer Krise steckt. Im Gegensatz zur ihrem pakistanischen Verbündeten, den Taleban, verfügt das Terrornetz nicht über die schier endlose sprudelnde Finanzquelle des Drogenhandels. Aus wiederholten Botschaften geht hervor, dass sich – dank der internationalen Finanzkrise und der damit auch schwindenden Spenderfreudigkeit die Finanzierung ihrer Aktionen als wachsendes Problem erweist. Zwar brachten Dezentralisierungsbemühungen einige Erfolge: Jemen wandelte sich wieder zum „Jihadi-Schlachtfeld“ und in Nord- und Ostafrika wachsen die Terrorgruppen. Doch eine Reihe von Problemen dürfte die Schlagkraft des Netzwerkes empfindlich schwächen. Eine massive Anti-Terrorkampagne der saudischen Regierung haben Operationen in diesem wichtigsten Rekrutierungsgebiet äußerst schwierig gemacht. Bin Laden kann offenbar getötete Al-Kaida Führer kaum noch ersetzen.

Zudem ist das Netzwerk in Strategie- und Prioritätsfragen tief gespalten. Eine Gruppe sieht als Hauptziel ihres Kampfes Israel und die gemäßigten arabischen Regime, während andere im Irakkrieg die Schiiten zu ihrem größten Feind erhoben. Auch der blutige Kampf gegen „Apostaten“ (vom wahren Glauben Abgefallene) ist heftig umstritten. Die schweren Verluste im Irak-Krieg setzen Al-Kaida besonders zu. Und insgesamt verlieren Bin Laden und sein Team selbst unter radikalsten Islamisten in der islamischen Welt an Sympathie. Zahlreiche Geistliche und Theologen in Ägypten, Saudi-Arabien und anderswo, die sich zuvor hinter Al-Kaida gestellt hatten, sprechen seit einiger Zeit offene Kritik aus. Besonders schmerzt die scharfe Kritik des einstigen Führers des ägyptischen „Islamischen Jihad“, dem unter Dr. Fadl bekannten Theologen, der Al-Kaida schwere „ideologische Fehler“ vorwirft, darunter insbesondere Terrorkampagnen, die Unschuldige mit ihrem Leben bezahlen.

Trotz dieser Krisen und Schwächen sind sich Experten einig, dass Al-Kaida und Bin Laden weiterhin eine beträchtliche Gefahr darstellen.

Weiterlesen ...

Sonntag, 8. März 2009

Birgit Cerha: Syriens Hand „zum Frieden ausgestreckt“

„Konstruktive“ Gespräche hoher US-Diplomaten in Damaskus wecken neue Hoffnungen für Nahost – Lässt sich Damaskus aus der „Allianz der Radikalen“ locken?
Eine Alternative zu Sanktionen und Drohungen: „Das Tempo der Veränderungen amerikanischer Politik, das Barack Obama angeschlagen hat, ist eindrucksvoll“, preist der libanesische Kommentator Rami Khouri eine Serie diplomatischer Initiativen der neuen US-Administration. Tatsächlich setzt Washington Signale, aus denen eine durch den Krieg in Gaza und den Wahlsieg der Rechten in Israel verängstigte arabische Welt neue Hoffnung schöpft, dass Obama in der Region vielleicht doch einen Wandel einleiten könnte.

Da führten zwei hohe US-Diplomaten zum ersten Mal seit vier Jahren einen „konstruktiven“ Dialog mit der Führung in Damaskus, während US-Außenministerin Hillary Clinton in Ankara erklärte, die syrisch-israelischen Beziehungen seien gar nicht hoch genug zu bewerten. Kurz zuvor verkündete Clinton, sie wolle den Iran zu einer Konferenz über Afghanistans einladen. In London gab die Regierung bekannt, sie werde Kontakte mit dem politischen Flügel der im Westen als Terrororganisation gebrandmarkten libanesischen Hisbollah beginnen.

Einzelheiten der Gespräche in Damaskus blieben geheim. Während Washington klarstellt, durch den neu geknüpften Kontakt wolle man testen, ob Syrien auf der Suche nach Frieden eine „kooperative“ Rolle spielen werde oder nicht, schwelgt die offizielle syrische Presse in Siegesgefühlen. Assads Strategie erweise sich als erfolgreich. Durch den spektakulären Mord am libanesischen Ex-Präsidenten Hariri vor vier Jahren geriet Syrien in fast totale Isolation. Damals zogen die USA ihren Botschafter aus Damaskus ab. UN-Ermittlungen verdächtigen den syrischen Geheimdienst als Täter. Damaskus bestreitet dies vehement.

Assad, auf dem Tiefpunkt seiner politischen Karriere angelangt, schlug die Strategie des Wartens ein. Nachdem einer seiner schärfsten internationalen Kritiker, der französische Präsident Chirac, aus dem Amt geschieden war, leitete dessen Nachfolger Sarkozy eine Wiederannäherungs-Kampagne der EU ein. Und Obama kritisierte im Wahlkampf scharf den diplomatischen Boykott Syriens durch George Bush. Heute hat der Westen wieder zu der alten nahöstlichen Weisheit zurückgefunden, dass Syrien das Tor zum Frieden ist. Eine Verständigung mit Assad ist auf der Suche nach Frieden heute so unverzichtbar, wie dies unter dem klugen Strategen Hafez, Bashars Vater, so lange der Fall gewesen war.

Syrien lässt nach den Worten eines hohen Diplomaten keinerlei Zweifel daran, dass seine „Hand voll zum Frieden“ ausgestreckt sei. „Wir haben nie eine Fast gemacht. Selbst während des jüngsten Gaza-Krieges haben wir über Frieden gesprochen“, betonte Assad im britischen Guardian, und bekräftigte die dringende Notwendigkeit eines direkten Engagements der USA in Verhandlungen mit Israel, das Bush stets abgelehnt hatte.

Beide Seiten hegen großes Interesse an einer Annäherung. Assads Streben nach Ausbruch aus der internationalen Isolation erhielt durch die drückende Wirtschaftskrise, die sein Land nicht zuletzt wegen der US-Sanktionen quält, neue Dringlichkeit. Beide Seiten haben nun eine Reihe von versöhnlichen Zeichen gesetzt. Syrische Medien meiden jegliche Hinweise auf „gravierende Fehler“ der Bush-Administration. Washington verschloss die Augen gegenüber dem „Syria Accountability Act“, der US-Regierung und US-Firmen Geschäfte mit Syrien verbietet und stimmte der Sanierung zweier Boeing 747 Maschinen der syrischen Flotte zu.

Während Assad nicht nur auf aktives US-Engagement auf der Suche nach Frieden mit Israel hofft, erwartet er als ersten Schritt zur Wiederherstellung Washingtons die erneute Entsendung eines US-Botschafters, aber auch Hilfe für die 1,5 Millionen irakischen Flüchtlinge in Syrien und Unterstützung des syrischen Ansuchens um Mitgliedschaft in der World Trade Organisation.

Washington hingegen will Syrien aus seiner „Allianz der Radikalen“ (Iran, Hisbollah, Hamas) in die westliche Sphäre locken, in der Hoffnung, damit die Region zu stabilisieren. So sehr sich Assad nach Rückgabe des von Israel besetzten Golans sehnt, zeigt er aber keine Bereitschaft, die Fronten zu wechseln, zumindest nicht als Vorleistung für effiziente Friedensverhandlungen. Zu tief sitzt die Sorge, die USA könnten – wie im Jahr 2000 unter US-Präsident Clinton – Syrien in Friedensverhandlungen im letzten Moment im Stich lassen. Dann stünde Damaskus da ohne Frieden, ohne Golan, ohne Freunde und ohne jegliches Druckmittel. Eine erfolgversprechendere westliche Diplomatie wäre deshalb nicht der Versuch, Syrien vom Iran zu spalten, sondern beide in die Suche nach Stabilität und Frieden einzubinden.

Weiterlesen ...

Sonntag, 1. März 2009

Birgit Cerha: Hariri-Tribunal „ein Meilenstein“ für den Libanon

Doch viele Libanesen fürchten, eine „regionale Entente“ könnte die Suche nach Wahrheit im Mord am Ex-Premier blockieren
„Wir stehen auf des Messers Schneide. Sie können die wachsende Anspannung überall in den Straßen spüren“, fasst der libanesische Politologieproffesor Hilal Khashan die Stimmung im Levantestaat zur Eröffnung des Hariri-Tribunals Sonntag bei Den Hag zusammen. „Je nachdem, welche Richtung das Tribunal einschlägt, könnte es den Weg zu einer Phase der Gewalt“ im Libanon bereiten.

Vier Jahre nach einem der spektakulärsten politischen Attentate des Mittleren Ostens, dem Terroranschlag auf den libanesischen Ex-Premier Rafiq Hariri, der auch 22 andere Personen in den Tod gerissen hatte, begann Sonntag ein UN-Tribunal zur Klärung dieses schicksalhaften Gewaltaktes.

Der Mord an „Mr.Lebanon“, wie viele diesen Multimilliardär nannten, der in spektakulärer Weise das von 15-jährigem Bürgerkrieg (1975 bis 1990) zerstörte Beirut wiederaufgebaut und es gewagt hatte, der syrischen Hegemonialmacht zu trotzen, löste eine Massenbewegung aus, die den Abzug der syrischen Besatzungsmacht nach fast 30 Jahren erzwang, den Libanon aber noch stärker zwischen pro- und anti-syrischen Kräften spaltete. Die einen, geführt von der schiitischen Hisbollah, die anderen von Hariris politischem Erben Saad und vom Westen unterstützt. Der Streit um die Eröffnung des Tribunals, der sich die pro-syrischen Kräfte massiv widersetzten, lähmte jahrelang die Politik des Landes.

Dem Gericht gehören sieben internationale und vier libanesische Richter an, deren Namen aus Sicherheitsgründen geheim bleiben. Für sie gilt das libanesische Recht. Sie können jedoch nicht, wie im Libanon, die Todesstrafe verhängen.

Das Tribunal ist in mehrfacher Hinsicht einzigartig. Noch nie gab es ein internationales Tribunal in einem Mordfall. Trotz fast vierjähriger Untersuchungen ist nicht einmal klar, gegen wen Anklage erhoben werden soll. Der Arbeit der Richter zugrunde liegen zwei Untersuchungsberichte des von der UNO beauftragten deutschen Staatsanwaltes Detlev Mehlis und dessen Nachfolgers und Vorsitzenden des Tribunals, dem Kanadier Daniel Bellemare. Während Mehlis höchste Vertreter des syrischen Regimes, darunter den Bruder und Schwager Präsident Assads, als Drahtzieher des Mordes verdächtigte, verhält sich Bellemare bedeckt, spricht lediglich vage von Beweisen, die zu einem „kriminellen Netzwerk“ führten.

Als ersten Schritt dürfte das Gericht vier hohe libanesische Generäle vorladen, ehemalige Chefs der Polizei, der Geheimdienste und einer Elite-Armee-Einheit mit engsten Verbindungen zu Syrien, die seit dreieinhalb Jahren auf Anordnung von Mehlis – ohne Anklage – in Beiruter Haft sitzen. Über deren Anklage oder Freilassung soll befunden werden. Drei verdächtige Libanesen wurden vor wenigen Tagen in Beirut aus der Haft entlassen. Ob noch andere Personen in diesem Fall im Gefängnis sitzen, ist ebenso unklar, wie die wichtigsten Fakten der Mordaffäre. Die politisch explosivste Frage ist jene, ob das Tribunal auch hohe syrische Regimevertreter vorladen werde und ob diese einem solchen Ruf Folge leisten würden.

Viele Libanesen hegen keine Zweifel, dass die Urheber der Mordtat und acht weiterer tödlicher Attentate auf prominente libanesische Gegner Syriens in Damaskus sitzen. Doch der Libanon kann auf eine jahrzehntelange grausige Geschichte unaufgeklärter Mordanschläge zurückblicken, deren Urheber zweifellos nicht immer in Syrien zu finden wären. Dass nun aber – in Form eines internationalen Tribunals – „die ganze Welt“ gegen diese Mordserien einschreite und die Täter zur Rechenschaft ziehen wolle, „ist von enormer Bedeutung. Es ist ein Meilenstein“ in der Geschichte des Libanons, meint der prominente politische Kommentator Rami Khouri.

Doch die Libanesen sitzen in der Zwickmühle. Führen die Spuren all zu deutlich nach Syrien und versucht das Tribunal, hohe Repräsentanten des Regimes zur Rechenschaft zu ziehen, könnte der Libanon in eine neue Spirale der Gewalt gerissen werden. Diese Sorge könnte die Richter davon abhalten, all zu tief nach der Wahrheit zu forschen. Auch die geopolitische Szene könnte der Wahrheitsfindung im Wege stehen. Seit der Wahl US-Präsident Obamas schmilzt das Eis zwischen Washington und Damaskus. Syriens Kooperation ist dringend bei der von Obama versprochenen Suche nach regionalem Frieden benötigt. Das Tribunal kann Washington dabei als Druckmittel gegen Assad dienen. Zeigt sich der Syrer aber friedensbereit, wie er dies seit langem zu erkennen gibt, dann könnte es als weit zweckmäßiger erscheinen, die Morde im Libanon der endlosen Serie der Unaufgeklärten hinzu zu fügen.

Weiterlesen ...