„Konstruktive“ Gespräche hoher US-Diplomaten in Damaskus wecken neue Hoffnungen für Nahost – Lässt sich Damaskus aus der „Allianz der Radikalen“ locken?
Eine Alternative zu Sanktionen und Drohungen: „Das Tempo der Veränderungen amerikanischer Politik, das Barack Obama angeschlagen hat, ist eindrucksvoll“, preist der libanesische Kommentator Rami Khouri eine Serie diplomatischer Initiativen der neuen US-Administration. Tatsächlich setzt Washington Signale, aus denen eine durch den Krieg in Gaza und den Wahlsieg der Rechten in Israel verängstigte arabische Welt neue Hoffnung schöpft, dass Obama in der Region vielleicht doch einen Wandel einleiten könnte.
Da führten zwei hohe US-Diplomaten zum ersten Mal seit vier Jahren einen „konstruktiven“ Dialog mit der Führung in Damaskus, während US-Außenministerin Hillary Clinton in Ankara erklärte, die syrisch-israelischen Beziehungen seien gar nicht hoch genug zu bewerten. Kurz zuvor verkündete Clinton, sie wolle den Iran zu einer Konferenz über Afghanistans einladen. In London gab die Regierung bekannt, sie werde Kontakte mit dem politischen Flügel der im Westen als Terrororganisation gebrandmarkten libanesischen Hisbollah beginnen.
Einzelheiten der Gespräche in Damaskus blieben geheim. Während Washington klarstellt, durch den neu geknüpften Kontakt wolle man testen, ob Syrien auf der Suche nach Frieden eine „kooperative“ Rolle spielen werde oder nicht, schwelgt die offizielle syrische Presse in Siegesgefühlen. Assads Strategie erweise sich als erfolgreich. Durch den spektakulären Mord am libanesischen Ex-Präsidenten Hariri vor vier Jahren geriet Syrien in fast totale Isolation. Damals zogen die USA ihren Botschafter aus Damaskus ab. UN-Ermittlungen verdächtigen den syrischen Geheimdienst als Täter. Damaskus bestreitet dies vehement.
Assad, auf dem Tiefpunkt seiner politischen Karriere angelangt, schlug die Strategie des Wartens ein. Nachdem einer seiner schärfsten internationalen Kritiker, der französische Präsident Chirac, aus dem Amt geschieden war, leitete dessen Nachfolger Sarkozy eine Wiederannäherungs-Kampagne der EU ein. Und Obama kritisierte im Wahlkampf scharf den diplomatischen Boykott Syriens durch George Bush. Heute hat der Westen wieder zu der alten nahöstlichen Weisheit zurückgefunden, dass Syrien das Tor zum Frieden ist. Eine Verständigung mit Assad ist auf der Suche nach Frieden heute so unverzichtbar, wie dies unter dem klugen Strategen Hafez, Bashars Vater, so lange der Fall gewesen war.
Syrien lässt nach den Worten eines hohen Diplomaten keinerlei Zweifel daran, dass seine „Hand voll zum Frieden“ ausgestreckt sei. „Wir haben nie eine Fast gemacht. Selbst während des jüngsten Gaza-Krieges haben wir über Frieden gesprochen“, betonte Assad im britischen Guardian, und bekräftigte die dringende Notwendigkeit eines direkten Engagements der USA in Verhandlungen mit Israel, das Bush stets abgelehnt hatte.
Beide Seiten hegen großes Interesse an einer Annäherung. Assads Streben nach Ausbruch aus der internationalen Isolation erhielt durch die drückende Wirtschaftskrise, die sein Land nicht zuletzt wegen der US-Sanktionen quält, neue Dringlichkeit. Beide Seiten haben nun eine Reihe von versöhnlichen Zeichen gesetzt. Syrische Medien meiden jegliche Hinweise auf „gravierende Fehler“ der Bush-Administration. Washington verschloss die Augen gegenüber dem „Syria Accountability Act“, der US-Regierung und US-Firmen Geschäfte mit Syrien verbietet und stimmte der Sanierung zweier Boeing 747 Maschinen der syrischen Flotte zu.
Während Assad nicht nur auf aktives US-Engagement auf der Suche nach Frieden mit Israel hofft, erwartet er als ersten Schritt zur Wiederherstellung Washingtons die erneute Entsendung eines US-Botschafters, aber auch Hilfe für die 1,5 Millionen irakischen Flüchtlinge in Syrien und Unterstützung des syrischen Ansuchens um Mitgliedschaft in der World Trade Organisation.
Washington hingegen will Syrien aus seiner „Allianz der Radikalen“ (Iran, Hisbollah, Hamas) in die westliche Sphäre locken, in der Hoffnung, damit die Region zu stabilisieren. So sehr sich Assad nach Rückgabe des von Israel besetzten Golans sehnt, zeigt er aber keine Bereitschaft, die Fronten zu wechseln, zumindest nicht als Vorleistung für effiziente Friedensverhandlungen. Zu tief sitzt die Sorge, die USA könnten – wie im Jahr 2000 unter US-Präsident Clinton – Syrien in Friedensverhandlungen im letzten Moment im Stich lassen. Dann stünde Damaskus da ohne Frieden, ohne Golan, ohne Freunde und ohne jegliches Druckmittel. Eine erfolgversprechendere westliche Diplomatie wäre deshalb nicht der Versuch, Syrien vom Iran zu spalten, sondern beide in die Suche nach Stabilität und Frieden einzubinden.