Zurückhaltend und vorsichtig reagiert Teheran auf Barack Obamas Charmeoffensive – Aus dem Volk dringen Stimmen der Begeisterung
„Es ist phantastisch. Das ist genau der richtige Moment für einen derartige Botschaft“, reagiert euphorisch ein iranischer Journalist auf die über Video an das iranische Volk gerichtete Glückwunschbotschaft US-Präsident Barack Obamas zu Nowruz. Das Neujahrsfest am 21. März besitzt im iranischen Kalender höchsten Stellenwert. Nach uralter Tradition schütteln die Menschen zu diesem Zeitpunkt allen Ballast, allen Schmutz – im wörtlichen, wie im übertragenen Sinn – ab und setzen einen Neubeginn, voll von Hoffnung auf die Zukunft. In diese Stimmung stößt Obamas Botschaft, die der US-Präsident – mit Untertiteln in Farsi versehen – direkt an das iranische Volk richtet. Vor allem unter der gebildeten Schichte wird sie ohne Zweifel bei vielen auf offene Herzen stoßen. Längst weiß auch Irans Führung, das ein hoher Prozentsatz der Bevölkerung sich nach Aussöhnung mit der vor drei Jahrzehnten von Revolutionsführer Khomeini als „großen Satan“ gebrandmarkten Supermacht sehnt.
Es sind vor allem Obamas milder, versöhnlicher Ton, aber auch seine Wortwahl, die einen radikalen Kurswechsel gegenüber der plump aggressiven Rhetorik seines Vorgängers George Bush markieren, der den Iran als Teil einer „Achse des Übels“ verteufelt hatte. Dennoch dürften den Iranern auch die versteckten Warnungen Obamas nicht entgangen sein, wenn der US-Präsident von einer Phase der Diplomatie spricht und hinzufügt: „Dieser Prozess wird nicht von Drohungen begleitet.“ Dies lässt sich klar als ein Ende der Gefahr einer militärischen Aktion gegen iranische Atomanlagen interpretieren, zugleich aber auch als ein amerikanisches Eingeständnis, dass sich die jahrelangen Drohungen der Bush-Administration als gefährlich kontraproduktiv erwiesen hätten. Anderseits versteht man in Teheran dennoch, dass die militärische Option wieder aktuell werden könnte, sollte der diplomatische Weg scheitern.
Viele Iraner müssen Obamas Botschaft vor allem aber wie ein heilsames Pflaster auf einer blutenden Wunde empfinden. Denn er verstand es, jenen Punkt in wunderbarer Deutlichkeit anzusprechen, der die iranische Seele seit Generationen besonders schmerzt: das Gefühl der Geringschätzung durch die westliche Welt, insbesondere die USA. Welch hohen Stellenwert diese Empfindungen in den Beziehungen zwischen Teheran und Washington einehmen, lässt sich aus der steten Betonung des notwendigen „gegenseitigen Respekts“, der „Gleichwertigkeit in den Beziehungen“ erkennen, die das iranische Regime zur Hauptbedingung für Gespräche erhob. So müssen die Iraner Obamas Worte von der „großen“ iranischen Zivilisation und ihren einzigartigen Kulturleistungen für die gesamte Menschheit, als langersehnten Balsam empfinden. Ebenso verstand es Obama den „gegenseitigen Respekt“ in den von ihm angebotenen „ehrlichen“ Engagement zwischen beiden Staaten hervorzuheben. „Gegenseitiger Respekt“ bedeutet, die Bereitschaft Washingtons, endlich auch den Iran anzuhören. Doch die Iraner wollen mehr. Die Herrscher des „Gottesstaates“ wollen vor allem ein klares Bekenntnis der neuen US-Administration, dass sie nicht mehr – wie ihr Vorgänger – einen Sturz des Regimes in Teheran erstreben.
Trotz dieser hoffnungsvollen Botschaft reagierte das offizielle Teheran zunächst sorgfältig abwartend, lässt erkennen, dass immer noch unvermindert tiefes Misstrauen die Beziehungen zur Supermacht belastet. Entschuldigen für die Unterstützung des vom Regime so verhassten Schahs müssten sich die Amerikaner und nicht auf Worte beschränken, sondern den radikalen Wandel in ihrer Politik durch Taten dokumentieren, stellte ein ranghoher Berater Präsident Ahmadinedschads rasch einmal klar. In Teheran hält man die „Taten“ der Obama-Administration bisher für äußerst mager. Das stellte auch der „Geistliche Führer“ Khamenei erst vor wenigen Tagen klar, als er feststellte, dass die USA auch unter Obama den selben Kurs gegenüber dem „Gottesstaat“ steuerten, kein Zeichen einer Kompensationsbereitschaft für „vergangene Fehler“ ließen sich erkennen. Besonders vergrämt hatte die iranische Führung die erst vor wenigen Tagen von Obama verkündete Verlängerung der US-Sanktionen gegen den Iran, durch die Washington hofft, Teheran zu einem Stopp seines Atomprogramms zu zwingen.
So lässt sich vorerst nicht erkennen, dass die „Islamische Republik“ die „Faust“ öffnet, damit – wie Obama es anbot – die USA ihr die Hand reichen könnten. Das Regime wird seine Reaktion sorgfältig abwägen. Immerhin hat der Iran durch seinen aggressiven Anti-Amerikanismus seine regionale Stellung in jüngster Zeit wesentlich stärken können. Weite Kreise der arabischen Welt, die Bushs Nahostpolitik und die blinde Unterstützung israelischer Militäraktionen gegen Palästinenser und Libanesen der vergangenen Jahre zutiefst empört, sympathisieren mit Ahamdinedschad, der es als einziger Führer der Region wagt, offen seine Empörung über die amerikanische Doppelmoral und Israels Aktionen auszusprechen wiewohl er auch in den Augen vieler Araber dabei oft zu weit geht. Aber auch intern könnte Ahmadinedschad durch eine all zu versöhnliche Geste gegenüber Washington an Boden verlieren. Viele seiner mächtigen Verbündeten sind fanatische Feinde der USA und der Verlust dieser Alliierten könnte dem höchst unpopulär gewordenen Präsidenten die Wiederwahl im Juni kosten. Auch diente der Verbalkonflikt mit den USA und Israel in den vergangenen vier Jahren Ahmadinedschad hervorragend als Ablenkungsmittel von den eigentlichen Problemen des Landes, der Wirtschafts- und Sozialkrise, die heute die Iraner quält, wie nichts sonst.
Deshalb auch hat Teheran bisher nicht eindeutig positiv auf die von Washington gesetzten kleinen diplomatischen Schritte reagiert, die allmählich das tiefe Misstrauen abbauen und zu einem Dialog über die eigentlichen schwerwiegenden Streitpunkte – Atomprogramm, Unterstützung radikaler Palästinenser und Libanesen, Verwicklung im Irak etc - führen sollen.
Noch haben die Iraner Washingtons Einladung zur Teilnahme an einer internationalen Afghanistan-Konferenz Ende März nicht angenommen.
Drei Jahrzehnte erbitterster Feindschaft zu einem Ende zu führen, ist ein äußerst mühseliger Prozess. Obamas neuer Stil aber eröffnet eine große Chance.