Iraks Kurden verstärken ihre Bande mit Ankara – Internationale Pläne zur „Lösung“ des PKK-Problems
„Wenn wir klug gemeinsam handeln, dann werden wir gemeinsam glücklich sein. Wenn nicht, dann werden wir die Schmerzen gemeinsam ertragen müssen.“, mahnte der türkische Präsident Abdullah Gül seinen irakischen (kurdischen) Amtskollegen Jalal Talabani. Seinen historischen Besuch am Tigris, den ersten eines türkischen Präsidenten seit 33 Jahren, stellt Gül ganz unter das Motto verstärkter Bande nicht nur mit der irakischen Republik, sondern auch mit den rund vier Millionen, sich autonom regierenden Kurden im Norden des Nachbarstaates. Deren autonome Bestrebungen einzudämmen, zählt zu den zentralen Fragen, die Gül mit den Herrschern des Zweistromlandes diskutiert. Und dabei geht es vor allem auch um die türkisch-kurdische Guerillaorganisation PKK, die im entlegenen nord-irakischen Kandil-Gebirge seit Jahren Stützpunkte unterhält und von dort aus Ziele in der Türkei attackiert.
Wenn sich Türken und die arabischen Führer in Bagdad, aber auch die Nachbarn in einer Frage einig sind, dann ist es die Schwächung der nord-irakischen Kurden. Gül und Iraks Premier Maliki sind sich einige, dass eine Eingliederung der heftig umstrittenen Ölstadt Kirkuk in das autonome Gebiet der Regionalregierung Kurdistans (RRK) unter allen Umständen verhindert werden muss. Die neue US-Administration, die bereits eifrig an ihren Rückzugsplänen aus dem Irak bastelt, hegt größtes Interesse an guten Beziehungen zwischen der Türkei, Bagdad und der RGK. Sie sieht in einer Freundschaft und engen Kooperation zwischen Türken und nord-irakischen Kurden die beste Garantie dafür, auch längerfristig dem iranischen Expansionsstreben im Irak Einhalt zu gebieten. Hier treffen sich türkische und amerikanische Interessen voll. So wird auch eine Lösung der Kurdenfrage in der Region, insbesondere aber in der Türkei einer der wichtigsten Gesprächsthemen in Ankara sein, wenn US-Präsident Obama Anfang April den Türken die Ehre seines ersten Staatsbesuchs gibt.
Fast jedes Monat bombardieren die Türken Ziele im Nord-Irak im vergeblichen Bemühen, die PKK-Guerillas von dort zu verjagen. Bis heute verweigerte RRK-Präsident Massoud Barzani den Türken dabei die Zusammenarbeit. Doch die Präsenz der PKK, die regelmäßigen türkischen Militäraktionen und Stationierung von mindestens 2000 türkischen Soldaten im Nord-Irak sind ein potentiell explosiver Destabilisierungsfaktor. Deshalb zeigen sich Iraks Kurden nun kooperationsbereit, wie nie zuvor. Vor wenigen Tagen bekräftigte Talabani ungewöhnlich deutlich, dass die Sehnsucht nach einem unabhängigen Staat für die Kurden nichts als „ein Traum“ sei und die Türken gar nichts zu fürchten hätten. Zugleich versprach er, für eine Entwaffnung der PKK in Kandil zu sorgen, ein Unterfangen, das sich angesichts des wilden Gebirgsterrains nicht militärisch durchsetzen lässt.
Aber auch Barzani, den die Türkei seit dem Sturz des Iraks vor sechs Jahren boykottiert hatte, zeigt großes Interesse an Aussöhnung mit dem Nachbarn, der den Kurden das Tor zum Westen offen halten kann. Von Geheimverhandlungen mit Ankara ist die Rede, in denen Iraks Kurden – so scheint es – die Türken überredeten, den PKK-Guerillas durch eine Amnestie die Rückkehr in die Heimat zu ermöglichen. Güls jüngste Prophezeiung von „guten Dingen“, die sich schon bald in der Kurdenfragen ereignen würden, lässt sich in diesem Sinne interpretieren. Zugleich sollen PKK-Führer die Chance auf Asyl in Europa erhalten. Erklärungen hoher türkischer Offiziere, dass sich das Kurdenproblem nicht nur mit militärischen Mitteln lösen ließe, geben neue Hoffnung. „Wir haben keine ökonomischen Schritte (in der türkischen Kurdenregion) gesetzt, wir waren nicht in der Lage die Kurden vom kulturellen Gesichtspunkt gesehen im Land zu integrieren, wir versuchten hingegen, sie zu assimilieren“, klagte jüngst der einstige Chef der türkischen Marine, General Salim Dervisoglu. Für türkisches Entgegenkommen würde – so Barzanis Plan – Bagdad und die RRK die PKK für illegal erklären.
Um diesen so lange schwelenden Konflikt endlich zu lösen, planen Iraks Kurden in ihrer Hauptstadt Erbil im April eine internationale Konferenz, die erstmals kurdische Vertreter aus allen Ländern – neben dem Irak, Türkei, Iran, Syrien und Europa – an einen Tisch bringen soll. Hauptziel ist die Entwaffnung und Auflösung der PKK. Welche Gegenleistung Ankara dafür erbringen will, bleibt ebenso offen, wie die Frage, ob Vertreter dieser unter Kurden in der Türkei immer noch populären Bewegung überhaupt eingeladen werden sollen.
Die Türken könnten auf diese Weise zwei wichtige Ziele miteinander verbinden. Eine Lösung des PKK-Problems würde es ihnen die Eröffnung eines Konsulats in Erbil ermöglichen, um ihren politischen und wirtschaftlichen Einfluss entscheidend zu verstärken. Schon heute leben etwa 50.000 Türken in der RRK-Region und 1.200 türkische Firmen sind dort stationiert. Der bilaterale Handel erreicht sieben Mrd. Dollar im Jahr. Und die Kurden sind für den Export ihres Öls aus neu zu erschließenden Quellen auf den Transitweg durch die Türkei angewiesen.
So bleiben Iraks Kurden kaum noch andere Optionen. Insbesondere quält sie zunehmend die Frage, wer ihnen die autonomen Errungenschaften der vergangenen Jahre sichert, wenn die Amerikaner abgezogen sind? Dass die arabischen Führer in Bagdad nur darauf warten, endlich ihre Macht so zu stärken, dass sie jene der Kurden wieder beschneiden können, lässt sich bereits durch diverse Aktionen Malikis erkennen. Den Kurden mag angesichts neuer Bedrohungen aus Bagdad und der Aussicht auf den Verlust der US-Schutzmacht eine Kooperation und Art von Freundschaft mit Ankara noch als das geringere Übel erscheinen, auch wenn so manche ihrer Brüder in der Türkei dies als „Verrat“ empfinden mögen.
Nicht überraschend will die PKK von den Plänen zu ihrer Auflösung nichts wissen. Sie spricht von einem Komplott und ihr Sprecher Ahmed Dezin droht unmißverständlich, „solche Erklärungen“ wie sie Talabani abgegeben hatte, „werden schwere Konsequenzen nach sich ziehen und viele Errungenschaften der (irakischen) Kurden könnten verloren gehen“.