Saudi-Arabien, tief besorgt über eine Verständigung zwischen Washington und Teheran, versucht eine anti-iranische Allianz zu schmieden
Im Mittleren Osten beginnen sich alte Allianzen zu verschieben. „Die Guten werden die Bösen und die Bösen die Guten“, kommentiert die israelische Tageszeitung „Haaretz“ eine hektische Diplomatie, die die arabische Welt seit der Machtübernahme Barack Obamas in den USA in Atem hält. Hauptinitiator ist Saudi-Arabien, Washingtons traditioneller Freund und Verbündete, den der neue Nahost-Kurs Obamas in höchste Unruhe versetzt. Bis zum Arabischen Gipfel am 30. Mäerz in Katar hofft Riad zumindest einen großen Teil der 22 Mitgliedsstaaten der Arabischen Liga zu einer neuen strategischen Allianz zu vergattern. Sie richtet sich nicht gegen den traditionellen Feind der Araber, Israel, sondern gegen die „Islamische Republik“ Iran und deren rasanten Aufstieg zur regionalen Großmacht.
In den vergangenen acht Jahren hatte sich Riad – wiewohl widerwillig – auf die aggressive Mittel-Ost-Politik George Bushs eingestellt, die Iran und auch Syrien als Teil einer „Achse des Bösen“ brandmarkte und vollends zu isolieren suchte. Auch das Haus Saud brach mit Syrien und stellte sich im Libanon-Konflikt mit voller Kraft auf die Seite des anti-syrischen, pro-westlichen Regierungslagers. Doch die Erfolge solcher Strategie der Konfrontation und der Härte blieben aus. Obama begann deshalb Bushs „Bösewichte“ in den diplomatischen Prozeß einzubinden, in der Hoffnung, durch Dialog den Boden zu einer friedlichen Lösung der schwersten Konflikte in der Region zu finden. Auch im Libanon will die neue US-Administration eine neutralere Position einnehmen und das Abkommen von Doha zur Machtteilung zwischen den pro- und anti-syrischen Kräften akzeptieren.
So sah sich Riad gezwungen, Präsident Assad wieder die Hand zu reichen und den Einfluß Syriens im Libanon hinzunehmen. Auch ist längst klar, dass die von den Saudis, wie den Ägyptern und andere gemäßigten Arabern erstrebte Aussöhnung zwischen der palästinensischen Fatah und der Hamas gegen den Willen des syrischen Verbündeten von Hamas nicht möglich ist.
Nichts aber irritiert arabische Herrscher, insbesondere das saudische und ägyptische Regime so sehr, wie der jüngste, wiewohl erst zaghafte, Flirt zwischen Teheran und Washington. Arabische Medien sprechen offen von iranischem, schiitischem Expansionismus, den die USA nun belohnen und damit indirekt verstärken könnten. Für dieses expansionistische Streben meinen Kommentatoren in der Region viele Beispiele zu erkennen. So klagt etwa der Satellitensender „Al Arabiya“, der Iran habe in diversen arabischen Staaten eine Offensive gegen die von ihm als traditionalistisch kritisierten offiziellen religiösen Institutionen begonnen. Das ferne Marokko brach deshalb sogar die diplomatischen Beziehungen mit der „Islamischen Republik“ ab. „Mit dem Iran verbündete Gruppen sind in Europa, Afrika und Australien aktiv. Sie verbreiten politische und religiöse Botschaften und glorifizieren den Iran als Führer der islamischen Welt. Sie tun alles, damit diese Botschaft vor allem in die Herzen der arabischen Gesellschaften dringen“, analysiert „Al Arabiya“. Irans „Größenwahn“ lasse sich aus den wiederholten Reden der Teheraner Führung erkennen.
Vor allem ist es auch – Ironie der Geschichte – der allmähliche US-Rückzug aus dem Irak, der die – sunnitischen – Herrscher der arabischen Welt tief beunruhigt. Mit Bagdad weitgehend unter Kontrolle der Schiiten, könnte der Iran seinen und den schiitischen Einfluß in der gesamten Region aufkosten der sunnitischen Gemeinschaft ausweiten. Die jüngsten Ereignisse im israelischen Gaza-Krieg haben etwa auch Ägyptens Ängste genährt, denn Irans verstärkte Bande mit Hamas traten dabei deutlich zutage. Ebenso hat Teheran mit Ägyptens größter Oppositionsbewegung, den Moslembrüdern, Kontakte geknüpft.
Als Beweis für die „strategischen Bedrohungen“, die vom „Gottesstaat ausgehen, werten arabische Führer die Erklärungen des ehemaligen iranischen Parlamentssprechers Natek Nouri, der den arabischen Golfstaat Bahrain, in dem eine sunnitische Minderheit über eine schiitische Mehrheit regiert, als 14. Provinz des Irans bezeichnete. Für zusätzliche Nervosität sorgen jüngste Unruhen unter Schiiten nicht nur in Bahrain, sondern auch in den saudischen Ölprovinzen, wiewohl es zunächst keine Hinweise auf iranische Verwicklung gibt.
Was Saudi-Arabiens Dilemma noch vergrößert, ist die Erkenntnis, dass sein historisch wichtigster Verbündeter, die USA, heute in seiner Mittelost-Politik dringend des Irans bedarf. Um Afghanistan und den Irak zu stabilisieren, braucht Obama dringend die Unterstützung Teherans, das in beiden Ländern beträchtlichen Einfluß ausübt. Die arabischen Golfstaaten befürchten deshalb, Obama könnte sich zu einem „historischen Abkommen“ mit dem Iran gedrängt fühlen, in dem sie den Preis bezahlen müßten. Für einen Stopp des Atomprogramms würden – so der Verdacht – die Amerikaner Irans dominierende Rolle in der Region akzeptieren, ein Ziel, das schon der Schah erstrebt hatte. Und die geistlichen Herrscher im „Gottesstaat“ stehen dem verhaßten „König der Könige“ in ihrem Nationalismus heute um nichts mehr nach.
Die „arabische Straße“ aber teilt die Ängste ihrer Führer vor einem expansiven Iran weitgehend nicht. Hier stößt die „Islamische Republik“ gerade auch unter den verbal so aggressiven Präsidenten Ahmadinedschad auf Sympathie und Bewunderung, das ihr Führer israelischer und amerikanischer Politik in einer Weise entgegentritt, wie es seine arabischen Amtskollegen nicht wagen.