Usbekische Jihadis erfüllen besondere Aufgaben – Sie versuchen verstärkt auch Türken in die die Al-Kaida zu ziehen und umwerben besonders deutsche Extremisten
von Birgit Cerha
In Waziristan, dem heißumkämpften pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet, wird das Dasein immer ungemütlicher. Verschärfte Attacken der USA und ihrer NATO-Verbündeten, sowie der pakistanischen Luftwaffe haben der dort verschanzten Al-Kaida Führung und deren radikalen Gesinnungsgenossen, darunter auch einigen Deutschen, offenbar quälende Existenzängste eingejagt. Dass zumindest einige von ihnen wieder heimkehren wollen, machte unterdessen in den Medien die Runde. Zu welchem Zweck sie kommen wollen, bleibt Spekulation.
Umworben werden deutsche Islamisten aber offenbar seit einiger Zeit insbesondere von usbekischen Jihadi-Gruppen. In einem über Internet verbreiteten Video forderte die „Islamische Bewegung Usbekistans“ (IBU) zuletzt Anfang Oktober deutsche Muslime eindringlich zum „heiligen Krieg“auf. Teil einer Angstkampagne?An die 200 deutsche Staatsbürger wurden nach Aussagen deutscher Behörden seit Anfang der 90er Jahre in Terrorcamps in Pakistan ausgebildet, vermutlich meist von usbekischen Kämpfern. Der Verbleib von vielen von ihnen und die wahren Zahlen bleiben im dunkeln.
Welche Rolle spielen die Usbeken in dem von dem Saudi jemenitischer Herkunft, Osama bin Laden, gegründeten Al-Kaida Terrornetz?
Neben der IBU nennen manche westliche Geheimdienstkreise noch eine zweite mit Taliban und Al-Kaida liierte usbekische Terrororganisation: die „Islamische Jihad Union“ (IJU) Doch widersprüchliche und verwirrende Informationen konnten bisher ernste Zweifel an ihrer wahren Existenz nicht zerstreuen. IJU wurde von den deutschen Behörden mit der „Sauerland-Gruppe“ in Verbindung gebracht (Terroristen, die 2007 angeblich Anschläge auf Flughäfen und US-Einrichtungen in Deutschland geplant hatten und in ihrem Versteck in Schlehdorn festgenommen wurden). Bei ihrem Prozeß im Führjahr 2010 sagten sie jedoch aus, noch nie etwas von IJU gehört zu haben. Einige Experten halten IJU für eine Interneterfindung und nach Hinweisen eines nach London geflüchteten usbekischen Geheimdienstoffiziers, sowie einer usbekischen Journalistin wurde IJU vom usbekischen Diktator Islam Karimov aus innen- und außenpolitischen Zweckmäßigkeiten gegründet – eine Behauptung, die der ehemalige britische Botschafter in Usbekistan, Craig Murray, für wahrscheinlich hält und dies auch ausführlich in einem Buch, „Murder in Samarkand“, begründet.
Welche Rolle der enge Verbündete der Amerikaner und Deutschen im Anti-Terrorkrieg Karimov in dieser zwielichtigen Welt von Machtmissbrauch, Korruption, Drogen und Terror auch spielen mag, an der Existenz von IBU besteht kein Zweifel. Ihre Ursprünge reichen zurück in die frühen 1990er Jahre zurück, als auch in dem einst sowjetischen Zentralasien das Interesse am Islam zu neuem Leben erwachte und die staatliche Kontrolle zusammenbrach. In der Provinz Namangan bildeten sich kleine informelle islamische Gruppen aus jungen, in Kampftechniken erprobten Männern, die versuchten, das Sicherheitsvakuum zu füllen. Unter ihnen war die „Adolat“, von dem 24-jährigen Imam Tahir Yuldaschew und dem 22-jährigen Afghanistan-Veteran der Sowjetarmee, Juma Namangoni gegründet. Beide stammten aus dem usbekischen Ferganatal (siehe Lexikon). „Adolat“ setzte sich den Sturz des Regimes Karimow und die Gründung eines islamischen Staates in Usbekistan zum Ziel. Sie besetzte 1991 die Provinzhauptstadt Namangan und versuchte, der Bevölkerung puritanische islamische Lebensregeln aufzuzwingen..
Karimow gelang es mit seinen Streitkräften schließlich, die Bewegung niederzuschlagen. Namangoni und Yuldaschew flüchteten mit ihren Kämpfern ins benachbarte Tadschikistan und schlossen sich den dortigen usbekischen Gruppen im tobenden Bürgerkrieg gegen die Tadschiken an. Von einem 1996 geschlossenen Waffenstillstand wollten die beiden nichts wissen, setzten sich mit ihren Anhängern nach Afghanistan ab und knüpfte Kontakte zu Bin Laden. Mit dessen Unterstützung riefen sie die IBU ins Leben, um von Afghanistan aus weiter gewaltsam ihr Ziel eines islamischen Staates in Usbekistan zu verfolgen Für dieses Vorhaben fanden sie nicht nur tatkräftige und auch finanzielle Hilfe bei Bin Laden, den mit ihm verbündeten Taliban und dem pakistanischen Geheimdienst, sondern auch aus saudischen Quellen, darunter Geheimdienst-Chef Prinz Turki al Faisal persönlich.
Nachdem die Taliban Ende September 1996 die afghanische Hauptstadt Kabul erobert hatten, konnte IBU im Ferganatal aktiv werden, einer Region, in der der islamische Traditionalismus besonders stark ausgeprägt ist. Sie fand in Kooperation mit Al-Kaida im afghanischen Mazar-i Sharif und Kunduz ein sicheres Hinterland und ungehinderten Zugang zu Tadschikistan. Die Taliban sollen bis zu 3000 Kämpfern der IBU, darunter auch Tschetschenen und Uiguren (siehe Lexikon), Zuflucht gewährt haben. Namangoni und Yuldaschew gelang es, mit ihren islamistischen Verheißungen Scharen von bitterarmen, orientierungslosen und von massiver staatlicher Repression gequälten Jugendlichen aus dem Ferganatal anzuziehen.
Karimov machte 1999 IBU für eine Serie von Explosionen und einen Attentatsversuch auf ihn verantwortlich, eine Behauptung, die nie bewiesen wurde, ihn aber den Vorwand bot, die Schraube der Repression, insbesondere im sozial brodelnden Ferganatal, noch schärfer zuzuziehen. Kosten für Training und Waffen finanzierte Namangoni durch eine Serie von Geiselnahmen für Lösegelderpressungen auch im südlichen Kirgistan und vor allem durch intensiven Drogenhandel. Nachdem seine Kämpfer 2000 eine Gruppe amerikanischer Alpinisten entführt hatte, setzte Washington die IBU auf die Liste ausländischer Terrororganisationen.
IBU, Al-Kaida und Taliban rückten immer näher aneinander. Während die Taliban den erprobten Krieger Namangoni zu ihrem stellvertretenden Verteidigungsminister ernannten, nahm Bin Laden Yuldaschew in seinen engsten Führungskreis auf und Aussagen des usbekischen Imams ließen erkennen, dass er im voraus von den Terrorakten des 11. Septembers in den USA gewusst haben dürfte.
In dem darauffolgenden Krieg der USA wurde die auf der Seite der Taliban kämpfende IBU stark dezimiert und Namangoni getötet. Yuldaschew übernahm die Führung und die Organisation verlegte ihre Stützpunkte und Trainingslager nach Waziristan. Von dort aus verübten sie wiederholt auch Anschläge in Pakistan und vor allem gegen die in Afghanistan kämpfenden NATO-Truppen. Neben dem Sturz der pakistanischen und usbekischen Regimes, der Rückkehr der Taliban an die Macht in Afghanistan sind IBUs Ziele, wie jene der Al-Kaida vage.“Ihr Hauptinteresse ist die Durchsetzung der Scharia“, analysiert der pakistanische Journalist Ahmed Rashid. Es ginge ihnen nicht darum, eine „gerechte Gesellschaft“ herzustellen, „sondern sie sehen in der Scharia bloß eine Mittel“, den Menschen persönliche Lebensregeln aufzuzwingen – „eine Vorstellung, die jahrhundertealte Traditionen, die Kultur, Geschichte, ja die Religion des Islams selbst verfälscht“. Wie Al-Kaida sehen sich die IBU-Kämpfer als „Fußsoldaten in einem globalen Jihad und können sich heute auf finanzielle Hilfe von Gönnern aus der gesamten islamischen Welt stützen. Dies ermöglicht ihnen, ihre Mitglieder mit modernen Waffen auszustatten.
In den vergangenen Jahren bekundete Yuldaschew auch wiederholt die Absicht, sich stärker der großen usbekischen Minderheit in Süd-Kasachstan und der uigurischen Gemeinde West-Chinas (siehe Lexikon) anzunehmen. Die uigurische Sprache ist der usbekischen nahe und beide Völker bekennen sich zur Hanafi (siehe Lexikon) Richtung des sunnitischen Islam und pflegen sufistische Traditionen. Als Ziel wird jüngst auch die Errichtung eines islamischen Kaliphats in Turkistan genannt, einem Gebiet, das sich vom Kaspischen Meer bis zur chinesischen Xinjiang-Provinz erstreckt und die zentralasiatischen Staaten miteinschließt.
Für die Al-Kaida, wie für die Taliban ist die IBU ein höchst wichtiger Bündnispartner, der ihnen in ihrem Krieg gegen das Regime Karsai und die NATO-Truppen militärisch-beratend zur Seite steht. Usbekischen Kämpfern haftet seit langem der Ruf grausamer Härte an und sie sind berüchtigt für ihren Fanatismus, zeichnen sich aber auch durch große Disziplin aus. Taliban und Al-Kaida schätzen sie als Elite-Training-Kader, denen sie häufig die Ausbildung junger Jihadis, insbesondere auch aus Europa überlassen, nicht zuletzt, weil sie meist motivierter und erfahrener sind als ihre Gesinnungsgenossen der Taliban und Al-Kaida. Nach Einschätzung von Terrorexperten lässt sich ihr Einfluss in weiten Gebieten Süd-Afghanistans erkennen..
Angehörige der US-Spezialeinheiten rühmten jüngst gar auch ihre taktischen Fähigkeiten, die weit über jenen der durchschnittlichen Taliban-Soldaten lägen und diese Usbeken zu besonders gefährlichen Gegnern mache. In der direkten Konfrontation mit Koalitions-Truppen übernähmen sie meist eine Beratungs- und Befehlsfunktion und verstünden es, die ihnen unterstellten Kämpfer zu inspirieren und ihnen damit eine weit effizientere militärische Schlagkraft zu verleihen.
Nach Aussagen westlicher Geheimdienstkreise hat IBU jüngst in Nord-Afghanistan stark an Boden gewonnen, in Gebieten, in denen sich in den vergangenen zwei Jahren der Aufstand neu belebt hat. Gemeinsam mit Taliban-Kämpfern attackieren die Usbeken einen neuen Nachschub-Korridor der NATO, der von Tadschikistan durch die Nord-Provinzen von Kunduz und Baghlan führt und kontrollieren dort bereits zahlreiche Gebiete.
Verlässliche Schätzungen über die Zahl der IBU-Jihadis gibt es nicht. Es könnten mehr als 4.000 Mann sein Doch IBU erlitt immer wieder schwer militärische Rückschläge. Fast ein Jahr lang war die Organisation führerlos. Erst im August gab die Gruppe in ihrer Website „Furqon“ bekannt, dass Yuldaschew am 27. August 2009 bei einem amerikanischen Militärschlag in Süd-Waziristan ums Leben gekommen war. Als neuer IBU-Chef wurde Yuldaschews Stellvertreter, Abu Usman Adil genannt. Experten halten diesen jungen Führer für weit aggressiver und expansiver als den verstorbenen Imam, der sich in den vergangenen Jahren weitgehend Terroraktionen in Afghanistan und Pakistan zur Unterstützung der Taliban und Al-Kaida begnügt hatte.
Doch auch Yuldaschew stellte in einer seiner letzten Videobotschaften klar: „unser Ziel ist nicht nur die Eroberung Afghanistans und Usbekistans, sondern der ganzen Welt….. . Wir führen einen Jihad und für uns gibt es keine Grenzen.“ Ein Auftrag, ganz im Sinne Bin Ladens. Die Al-Kaida schätzt aber ihre Usbeken aber nicht nur wegen ihrer militärischen Kapazitäten. IBU soll dem bis heute von Arabern dominierten Terror-Netzwerk zu größerer Internationalität verhelfen. Türken fehlen auffallend in ihren Reihen. Türkeitürken und Usbeken sind miteinander verwandte Turkvölker, die ähnliche Sprachen sprechen. So soll IBU, in deren Reihen auch Tschtschenen und Uiguren kämpfen nun auch verstärkt Türken aus der Türkei – und vorzugsweise – türkstämmige Deutsche - anlocken, um den globalen Charakter der Al-Kaida zu stärken und ihr zu größerer Schlagkraft in Europa zu verhelfen.
Donnerstag, 25. November 2010
TERROR: Die Elite in Bin Ladens Terrornetzwerk
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