Donnerstag, 25. November 2010

LEXIKON: Die Uiguren

von Birgit Cerha


Die Uiguren, ein altes Turkvolk, sind die Ureinwohner Ostturkestans, heute die autonome, westchinesische Region Xinjiang, ein Gebiet von der Größe Westeuropas. Hier leben laut offiziellen chinesischen Angaben ca. acht Millionen Uiguren, weitere 500.000 leben in den zentralasiatischen Republiken Kasachstan, Usbekistan, Krigistan, Tadschikistan und Turkmenistan und fast 50.000 im Vorderen Orient, in Europa und in den USA.

Die Uiguren spielten durch den Aufbau unabhängiger Staaten zwischen 745 und 1944 auch eine wichtige Rolle im politischen, kulturellen und sozialen Leben Zentralasiens. Entlang der Seidenstraße beheimatet profitierten sie über Jahrhunderte vom kommerziellen, kulturellen und religiösen Austausch der Völker. Alle Turkvölker betrachten diese Hochkultur als ihr klassisches Erbe, zu dem auch die einzigartige friedliche Verschmelzung zwischen religiösen Strömungen des frühen Buddhismus, des persischen Zoroastrismus, des Christentums und des Islams zählt.
Wiewohl die Welt der Uiguren im Westebis heute weitgehend unbekannt blieb, stieß ihr hoher kultureller Stand doch bei einigen Gelehrten auf große Bewunderung. So stellte etwa Ferdinand de Sassure fest: „Es waren die Uiguren, die in Zentralasien die Kultur in Wort und Schrift bewahrten.

Die uigurische Kultur erfuhr einen rapiden Niedergang nach der Besetzung Ostturkestans durch die chinesische Mandschu-Dynastie 1876. 1884 wurde Ostturkestan offiziell dem Mandschu-Reich eingegliedert und erhielt den Namen Xinjiang. Zu dieser Zeit begann eines systematische Assimilierung durch die Chinesen, die sich insbesondere gegen die Kultur und die islamische Religion der Uiguren richtete. Diese Politik hält bis heute an und wird noch verschärft durch eine systematische Ansiedlung von Han-Chinesen im uigurischen Kernland. Das Gebiet gleicht seit langem einem Pulverfaß. Demonstrationen, Aufstände, Repressionen und Hinrichtungen lösen einander ab. Religionsausübung wird laut Amnesty International sabotiert, die Moscheen werden willkürlich geschlossen, religiöse Feste verboten, die Sprache der Uiguren ist aus Schulen verbannt. Nach Einschätzung der „Gesellschaft für bedrohte Völker“ in Göttingen etwa „gibt es keine andere ethnische Gruppe in China, die so stark einer Verfolgung ausgesetzt ist“.

Die Repression hat vor allem wirtschaftliche Motive. Xinjiang ist Chinas wichtigstes Erdöl- und Erdgaszentrum und zudem von territorial-strategischer Bedeutung. Die Provinz grenzt an die unabhängigen ehemaligen Sowjetrepubliken Kirgistan, Turkmenistan und Kasachstan, in denen ebenfalls Turkvölker leben und Peking befürchtet, auch die Uiguren würden eines Tages nach Unabhängigkeit streben.

Das Schicksal der Uiguren wird – im Gegensatz zu jenem der Tibeter – in Europa fast völlig ignoriert.

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