von Birgit Cerha
Die Bewohner der Region nannten es einst das „Goldene Tal“ wegen seiner außergewöhnlichen Pflanzenwelt und dem Reichtum an Bodenschätzen, wie u.a. Gold, Öl und Kupfer. Seit langem ist es die strategisch wichtigste und dichtest besiedelte Region Zentralasiens. Nirgendwo sonst in der Region erreichen wirtschaftliche Tätigkeiten und die Landwirtschaft eine derart hohe Produktivität.
Und dennoch zählt das Ferganatal zu einer potentiell explosivsten Krisenregion Zentralasiens. Eine der Ursachen dafür hatte einst der sowjetische Diktator Stalin geschaffen, als er dieses reiche Tal auf drei Länder – Usbekistan, Tadschikistan und Kirgistan – aufteilte, um sicherzustellen, dass nicht ein Machthaber diese Region beherrscht und damit dem russischen Kernland zur Gefahr werden könnte. Stalin berücksichtigte bei seiner Grenzziehung nicht die ethnische Verteilung der lokalen Bevölkerung und säte somit die Saat ethnischer Konflikte und gewalttätiger Auseinandersetzungen um Gebietsansprüche.
In dem 350 km langen und etwa 100 km breuten Ferganatal leben etwa 15 Millionen Menschen, die meisten sind ethnische Usbeken. Im kirgisischen Teil des Tals stellen die Usbeken etwa ein Drittel bis die Hälfte der Bevölkerung. Usbekistan kontrolliert rund 60 Prozent des Tals, das entspricht 4,3 Prozent seines Staatsgebietes, Tadschikistan 25 Prozent oder 18,2 Prozent seines Staatsgebietes und Kirgistan 15 Prozent oder 42 Prozent seines Staatesgebietes.
Ungeachtet der reichen Bodenschätzen und des fruchtbaren Landes, brodeln im Ferganatal die sozialen Spannungen. Jeder zweite der etwa 15 Millionen Bewohner ist unter 18 Jahre alt. Insbesondere im usbekischen Teil quälen die etwa acht Millionen Bewohner Arbeitslosigkeit und Massenarmut. Viele treibt es deshalb zu Drogenhandel und Kriminalität. Ein unüberschaubares Berggebiet, die kaum kontrollierbaren Grenzen und die Bestechlichkeit der Polizei und Grenzposten erleichtern den Drogenhandel aus Afghanistan. Das Ferganatal besitzt für die Drogenmafia und organisierte Kriminalität große strategische Bedeutung, da hier die wichtigsten Verbindungswege zwischen Nord-Tadschikistan, dem Nordosten Usbekistans und Süd-Kirgistan liegen. Ein wichtiger Teil der Drogen aus Afghanistan wird über diese Route bis nach Westeuropa transportiert.
Im Ferganatal ist traditionell der Islam tiefer verwurzelt, als in anderen Gebieten Zentralasiens. Selbst die Sowjetmacht konnte hier seiner nicht Herr werden. Deshalb sprangen nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion gerade hier als erstes radikale Islamistenorganisationen aus dem Boden. Militanten Gruppen bieten die das Tal einschließende Bergwelt ideale Rückzugsgebiete, von denen aus sie den Regimes der drei das Tal kontrollierenden Staaten beträchtliche Sicherheitsprobleme bereiten können.
Die geostrategische Bedeutung des Ferganatals ist nicht zu unterschätzen. Es erstreckt sich zwischen Russland im Norden und China im Osten und im Süden zieht sich die geopolitische Bruchlinie Afghanistan, wo die USA und die NATO einen verlustreichen Krieg führen.
Donnerstag, 25. November 2010
LEXIKON: Fergana Tal
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