Ist die „Islamische Republik“ wirklich ein so mächtiger „Förderer des Terrors“ wie die Trump-Administration behauptet?
von Birgit Cerha
„Wenn wir den kleinsten Fehltritt der Feinde bemerken, werden
unsere dröhnenden Raketen auf ihre Köpfe fallen.“ Mit diese Drohung
begleitete Brigardegeneral Amir Ali Hadschizadeh am Wochenende
Militärmanöver der mächtigen Revolutionsgarden, die den USA
demonstrieren sollen, dass sie die „Islamische Republik“ nicht
einschüchtern können. Auch verbal eskaliert Teheran die Kraftprobe mit
der neuen US-Administration, der sie Dilettantismus vorwirft, nachdem
sie als Reaktion auf einen iranischen Raketentest Sanktionen gegen den
Iran verhängt hatte. Die neuaufgeflammten Spannungen zwischen dem Iran
und den USA lösen tiefe Beunruhigung unter der iranischen Bevölkerung
aus, die nach Abschluss eines Atomabkommens mit den Weltmächten 2015
endlich aus jahrzehntelanger Isolation ausgebrochen waren und nun
erstmals selbst einen Krieg unter der Führung des so unberechenbar
erscheinenden US-Präsidenten fürchten.
Unabhängige Analysten sind sich weitgehend einig, dass der
Hauptgrund für die rasche und scharfe Eskalation der Spannungen zwischen
den beiden uralten Erzfeinden nicht das von Trump verteufelte
Atomabkommen und dessen angebliche Verletzung durch Teheran ist, sondern
vielmehr Irans wachsende geostrategische Macht im Mittleren Osten.
Wiewohl unabhängige Experten seit Jahren den vom sunnitischen Salafismus
Saudi-Arabiens und anderer Golfstaaten inspirierten und geförderten
Terror des „Islamischen Staates“ (IS) und der Al-Kaida u.a. als die
größte Bedrohung nicht nur für die Stabilität in der Region, sondern
auch für den Westen insgesamt erkennen und eine von den USA angeführte
internationale Allianz gegen diese mörderischen Netzwerke seit Jahren
Krieg führt, obwohl schiitische Milizen unter Anleitung und mit
Unterstützung der iranischen Revolutionsgarden dabei auf dem Boden
insbesondere im Irak, aber auch in Syrien wichtige militärische Hilfe
leisten und beträchtliche Opfer zu beklagen haben, identifiziert die
neue US-Administration den Iran als den „größten staatlichen
Terror-Sponsor“ (so US-Verteidigungsminister Mattis) und er wirft
Teheran „destablisierendes Verhalten im Nahen Osten“ vor, während der
republikanische Senator McCain warnt, dass der Iran weiterhin „die
Region, von Syrien, Irak bis zum Jemen nach seinem Image neu
modelliert“.
Wiewohl die Hardliner in der „Islamischen Republik“ an solcher
Überschätzung ihrer Errungenschaften großen Gefallen finden, sich zudem
im internen Machtkampf damit erneut gestärkt fühlen, zeigt eine Studie
iranischer Aktivitäten in der Region doch ein ganz anderes Bild. Danach
ist der Iran keineswegs der militärische oder ideologische Gigant, als
den ihn derzeit führende Kreise in den USA, inspiriert durch israelische
Hardliner vom Schlage Premierminister Netanyahus, darstellen. Nicht nur
liegen die militärischen Kapazitäten des Irans, wie auch sein
Rüstungsbudget weit unter jenen seiner wichtigsten regionalpolitischen
Rivalen, allen voran Saudi-Arabiens. Auch politisch entsprechen
Behauptungen, die schiitischen Bevölkerungsgruppen der Region ließen
sich von Teheran manipulieren,bzw. kooperierten, um den Iran als
stärkste Macht der Region aufzubauen, keineswegs der Realität.
Selbst im Lande des Erzrivalen am Golf, Saudi-Arabien pflegt die
diskriminierte schiitische Minderheit, wiewohl seit langem vom
Königshaus als „fünfte Kolonne“ des Irans denunziert, zum großen
schiitischen Nachbarn lediglich symbolische Beziehungen. Im Irak, wo
Teheran eben den führenden General der Revolutionsgarden, Iraj Masjedi,
zum Botschafter ernannte, haben die Garden zwar schiitische Milizen zu
schlagkräftigen Militäreinheiten aufgebaut, die eine wichtige Rolle im
Kampf gegen den IS spielen. Doch die Tatsache, dass sie mehr als nur
formell der irakischen Militärführung unterstehen und religiös, wie
mitunter auch politisch auf den im irakischen Nadschaf residierenden
Großayatollah Sistani hören, schränkt Teherans Spielraum durchaus ein.
In Syrien haben sich der Iran und die von ihm unterstützte
libanesische Schiitenmiliz Hisbollah (von den USA als Terrororganisation
eingestufter Erzfeind Israels) in den vergangenen Jahren zweifellos an
Kriegsverbrechen des Assad-Regimes beteiligt. Dennoch lassen sich Irans
Aktionen in Syrien nicht einfach als aggressives Expansionsstreben
interpretieren. Für Teheran besitzt Syrien enorme strategische Bedeutung
in der gesamten Region und es geht darum, diese alte Allianz, die auf
chemische Attacken des Iraks im Iran-Irak-Krieg in den 80er Jahren
zurückgeht, zu retten.
Hisbollah ist Irans schlagkräftigster und wohl seit Jahrzehnten
auch treuester Verbündeter, der durch seine Präsenz an der Grenze zu
Israel der „Islamischen Republik“ wichtigen geopolitischen Einfluss
sichert und sich von Israel auch in den brutalsten Feldzügen bis heute,
dank iranischer Hilfe, nicht militärisch besiegen ließ. Dennoch ist
Hisbollah nicht ein willenloser Handlanger Teherans. Die Organisation
läßt sich nicht vom Iran gegen ihre internen Interessen einsetzen. Sie
spielt eine wichtige Rolle bei der politischen Stabilisierung des Landes
und gewann deshalb auch die Unterstützung sogar von vielen Mitgliedern
der einflussreichen christlichen Minderheit.
Völlig inkorrekt ist auch der weitverbreitete Vorwurf, die
jemenitischen Houthi-Rebellen, gegen die eine arabische Allianz unter
Führung Saudi-Arabiens seit zwei? Jahren einen brutalten Krieg mit
katastrophalen Folgen für die Zivilbevölkerung führt, seien „Handlanger
des Irans“. Zwar bekennen sich die Houthis zu einer schiitischen
Glaubensrichtung, dem Zaidismus. Doch dieser unterscheidet sich stark
von dem Zwölfer-Schiismus des Irans. Traditionell pflegten die Zaiditen
keine engen Beziehungen mit Teheran. Militärisch dramatisch in die Enge
getrieben, haben sie jüngst zwar kleinere Hilfslieferungen angenommen,
doch die Behauptung Michael Flynns, des US-Sicherheitsberaters, die
Houthis seien eine „Terrorgruppe“ im Dienste des Irans entspricht
keineswegs der Realität eines Krieges, der zudem primär lokale Ursachen
hat. Dennoch lassen die Hinweise, Trump könnte sich in diesem von der
Welt vergessenen Katastrophe voll auf die Seite des saudischen
Aggressors schlagen nicht nur für das fast völlig zerstörte Armenhaus
der Region das Schlimmste befürchten, sondern den Nahen Osten noch
tiefer ins Schlamassel stürzen.