Kann ein russisch-amerikanischer Dialog der blutig-turbulenten Region neue Hoffnung geben?
von Birgit Cerha
Mit einer Mischung aus Erleichterung, schwacher Hoffnung und
quälenden Zukunftsängsten blicken die Herrscher des Mittleren Ostens dem
Wechsel im Weißen Haus in Washington entgegen. Erleichtert sind vor
allem die Autokraten am Persischen Golf oder der ägyptische Diktator
Sisi darüber, dass Obama nun endgültig die Weltbühne verlässt. Der
scheidende US-Präsident hinterlässt in der Region eine Schar von
enttäuschten, ja verbitterten Führern, hatte er doch seiner
Versöhnungsrede an die arabische Welt, mit der er 2009 in Kairo die
durch die aggressive Politik seines Vorgängers George Bush
aufgerissenen Gräben zuschütten wollte, nicht die erhofften Taten folgen
lassen. Das ausgeprägte Bemühen, sich (mit Ausnahme des Libyen-Fiaskos)
nicht militärisch in die mit dem „arabischen Frühling“ 2011
ausgebrochenen Turbulenzen einzumischen, erzürnte vor allem die
jahrzehntelangen Verbündeten, die sich von der Supermacht im Stich
gelassen fühlten, allen voran die arabischen Autokraten am Persischen
Golf.
Die Entscheidung, 2011 den ägyptischen Diktator Mubarak, lange
wichtigster Verbündeter der USA in der Region, einfach fallen zu lassen,
zerstörte am Golf das Vertrauen zu den USA als Schutzmacht. Wenn Trump
nun von neuer Größe der amerikanischen Weltmacht schwärmt, verstehen die
Öl-Monarchen dies als Versprechen neuen Rückhalts durch Washington. Die
Lobpreisungen des designierten Präsidenten für den im Westen, auch von
Obama, gemiedenen ägyptischen Diktator Sisi und dessen brutalen Kampf
gegen die islamistischen Strömungen am Nil bestärken sie in dieser
Hoffnung. Auch Israels Premier Netanyahu freut sich über das erhoffte
Ende der Eiszeit mit Washington, verspricht Trump doch , was kein
US-Präsident zuvor gewagt hatte: die Verlegung der US-Botschaft nach
Jerusalem, die heilige Stadt, die Juden, wie Palästinenser für sich
beanspruchen. Schon interpretieren Palästinenserführer diesen Plan als
„Kriegserklärung“. Tatsächlich könnten damit zuletzt etwas beruhigte
Kriegsfronten erneut blutig aufbrechen. Als hätte der Mittlere Osten
nicht genug gefährliche Konflikte.
Doch es ist neben der militärischen Zurückhaltung der USA eine
andere strategische Priorität Obamas, die den Interessen seiner
arabischen Verbündeten zutiefst widersprach: das Atomabkommen mit
Teheran. Die Angst vor dem Hegemoniestreben des schiitischen
„Gottesstaates“ dominiert das Denken der sunnitischen Herrscher. Trumps
Wahlversprechen, so rasch wie möglich dieses „katastrophale“ Abkommen“
zu „zerreißen“, klingt wohl in den Ohren der regionalen Feinde des
Irans, die die große Zahl anti-iranischer Hardliner in Trumps
Regierungsteam befriedigen dürfte. Dennoch, Trumps wilde Rhetorik weckt
neues Unbehagen. Was könnte eine neuausgebrochene, vielleicht offene
Konfrontation mit dem Iran für die ohnedies so turbulente Region
bedeuten? So erheben sich selbst unter den entschiedensten Gegnern
dieses Abkommens in Israel und in den Golfmonarchien immer mehr mahnende
Stimmen, die vor einer Aufkündigung des so mühselig mit den Weltmächten
ausgehandelten Pakts warnen.
Als zweite Priorität seiner Nahostpolitik nennt Trump die totale
Vernichtung der Terrormiliz des „Islamischen Staates“ (IS). Hier, wie
auch in anderen Fragen gerät er in seiner vorerst unausgegorenen
Mittelost-Strategie in gravierende Widersprüche. Für einen erfolgreichen
Kampf gegen den IS, ist nicht nur eine intensive Koordination mit
Russland, das heute in Syrien den Ton angibt, unerlässlich, sondern auch
mit dem Iran, dessen von ihm trainierte und geführte schiitische
Kämpfer aus dem Irak, dem Libanon und Afghanistan neben den Kurden die
schlagkräftigsten Bodentruppen stellen. Konfrontation mit dem Iran würde
dies, wie auch eine gemeinsame Syrienstrategie mit dem Kreml
ausschließen, der sich zunehmend dem Iran angenähert hatte.
Die Kurden, engste Kampfgefährten der westlichen Allianz gegen den
IS, quält nun die Frage, ob sie erneut geostrategischen Interessen der
Weltmächte geopfert werden. Schon hat Russland seinen Sieg gegen die
Rebellen im syrischen Aleppo durch eine neue Allianz mit dem Iran und
der Türkei untermauert, die Syrien und anschließend wohl auch den Irak
in ihre Interessensgebiete aufteilen wollen. Putin beugte sich dabei
willig türkischer Weigerung, den Kurden in Syrien auch nur den kleinsten
politischen Freiraum zuzugestehen. Wird Trump die treuesten
militärischen Verbündeten der USA lassen, um sich das Mitspracherecht
bei der Neugestaltung der Region zu sichern? Die alte Ordnung des
Mittleren Ostens bricht zusammen, die Systeme sind zerrüttet. Einen
Ausweg aus dem Chaos zu finden, dürfte sich für den neuen US-Präsidenten
allzu rasch als unmögliche Mission erweisen.
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