Donnerstag, 12. Januar 2017

Was der Mittlere Osten von Trump erwartet


Kann ein russisch-amerikanischer Dialog  der blutig-turbulenten Region neue Hoffnung geben?

von Birgit Cerha
Mit einer  Mischung aus Erleichterung, schwacher Hoffnung und quälenden Zukunftsängsten blicken die Herrscher des Mittleren Ostens dem Wechsel im Weißen Haus in Washington entgegen. Erleichtert sind vor allem die Autokraten am Persischen Golf oder der ägyptische Diktator Sisi darüber, dass Obama nun endgültig die Weltbühne verlässt. Der scheidende US-Präsident hinterlässt in der Region eine Schar von enttäuschten, ja verbitterten Führern, hatte er doch seiner Versöhnungsrede an die arabische Welt, mit der er 2009 in Kairo die durch die aggressive Politik  seines Vorgängers George Bush aufgerissenen Gräben zuschütten wollte, nicht die erhofften Taten folgen lassen. Das ausgeprägte Bemühen, sich (mit Ausnahme des Libyen-Fiaskos) nicht militärisch in die mit dem „arabischen Frühling“ 2011 ausgebrochenen Turbulenzen einzumischen, erzürnte vor allem die jahrzehntelangen Verbündeten, die sich von der Supermacht im Stich gelassen fühlten, allen voran die arabischen Autokraten am Persischen Golf.
Die Entscheidung, 2011 den ägyptischen Diktator Mubarak, lange wichtigster Verbündeter der USA in der Region, einfach fallen zu lassen, zerstörte am Golf das Vertrauen zu den USA als Schutzmacht. Wenn Trump nun von neuer Größe der amerikanischen Weltmacht schwärmt, verstehen die Öl-Monarchen dies als Versprechen neuen Rückhalts durch Washington. Die Lobpreisungen des designierten Präsidenten für den im Westen, auch von Obama, gemiedenen ägyptischen Diktator Sisi und dessen brutalen Kampf gegen die islamistischen Strömungen am Nil bestärken sie in dieser Hoffnung. Auch Israels Premier Netanyahu freut sich über das erhoffte Ende der Eiszeit mit Washington, verspricht Trump doch , was kein US-Präsident zuvor gewagt hatte: die Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem, die heilige Stadt, die Juden, wie Palästinenser für sich beanspruchen. Schon interpretieren Palästinenserführer diesen Plan als „Kriegserklärung“. Tatsächlich könnten damit zuletzt etwas beruhigte Kriegsfronten erneut blutig aufbrechen. Als hätte der Mittlere Osten nicht genug gefährliche Konflikte.
Doch es ist neben der militärischen Zurückhaltung der USA eine andere strategische Priorität Obamas, die den Interessen seiner arabischen Verbündeten zutiefst widersprach: das Atomabkommen mit Teheran. Die Angst vor dem Hegemoniestreben des schiitischen „Gottesstaates“ dominiert das Denken der sunnitischen Herrscher. Trumps Wahlversprechen, so rasch wie möglich dieses „katastrophale“ Abkommen“ zu „zerreißen“, klingt wohl in den Ohren der regionalen Feinde des Irans, die die große Zahl anti-iranischer Hardliner in Trumps Regierungsteam befriedigen dürfte. Dennoch, Trumps wilde Rhetorik weckt neues Unbehagen. Was könnte eine neuausgebrochene, vielleicht offene Konfrontation mit dem Iran für die ohnedies so turbulente Region bedeuten? So erheben sich selbst unter den entschiedensten Gegnern dieses Abkommens in Israel und in den Golfmonarchien immer mehr mahnende Stimmen, die vor einer Aufkündigung des so mühselig mit den Weltmächten ausgehandelten Pakts warnen.
Als zweite Priorität seiner Nahostpolitik nennt Trump die totale Vernichtung der Terrormiliz des „Islamischen Staates“ (IS). Hier, wie auch in anderen Fragen gerät er in seiner vorerst unausgegorenen Mittelost-Strategie in gravierende Widersprüche. Für einen erfolgreichen Kampf gegen den IS, ist nicht nur eine intensive Koordination mit Russland, das heute in Syrien den Ton angibt, unerlässlich, sondern auch mit dem Iran, dessen von ihm trainierte und geführte schiitische Kämpfer aus dem Irak, dem Libanon und Afghanistan neben den Kurden die schlagkräftigsten Bodentruppen stellen. Konfrontation mit dem Iran würde dies, wie auch eine gemeinsame Syrienstrategie mit dem Kreml ausschließen, der sich zunehmend dem Iran angenähert hatte.
Die Kurden, engste Kampfgefährten der westlichen Allianz gegen den IS, quält nun die Frage, ob sie erneut geostrategischen Interessen der Weltmächte geopfert werden. Schon hat Russland seinen Sieg gegen die Rebellen im syrischen Aleppo durch eine neue Allianz mit dem Iran und der Türkei untermauert, die Syrien und anschließend wohl auch den Irak in ihre Interessensgebiete aufteilen wollen.  Putin beugte sich dabei willig türkischer Weigerung, den Kurden in Syrien auch nur den kleinsten politischen Freiraum zuzugestehen. Wird Trump die treuesten militärischen Verbündeten der USA lassen, um sich das Mitspracherecht bei der Neugestaltung der Region zu sichern? Die alte Ordnung des Mittleren Ostens bricht zusammen, die Systeme sind zerrüttet. Einen Ausweg aus dem Chaos zu finden, dürfte sich für den neuen US-Präsidenten allzu rasch als unmögliche Mission erweisen.

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