Montag, 9. Januar 2017

Iran verlor eine mächtige Stimme der Vernunft

Der Tod Hashemi Rafsandschanis trifft die Islamische Republik, aber auch die gesamte Region in einem besonders kritischen Zeitpunkt
 
von Birgit Cerha
 
„Die Seele eines großen Mannes der Revolution, eines Symbols der Geduld und der Stärke ist in den Himmel aufgestiegen.“ Mit diesen Worten beschreibt Irans Präsident Rouhani den Tod seines wichtigsten Mentors, Ex-Präsident Hashemi Rafsandschani, der Sonntag im Alter von 82 Jahren einem Herzinfarkt erlag. Mit einer dreitägigen Staatstrauer verabschiedet die „Islamische Republik“ einen Geistlichen, der ihrem Gründer Khomeini nahe gestanden war, ihn wie kaum ein anderer  beeinflusst und mitunter auch gelenkt hatte und der in verschiedensten Funktionen, zweimal auch als Präsident, die Geschicke des Landes als mächtigster Politiker bestimmt hatte. Sein Tod hätte für die gemäßigten Kräfte in der “Islamischen Republik“, ja für Rouhani selbst, aber auch für die gesamte Region zu kaum einem kritischeren Zeitpunkt kommen können.
Im Iran spitzt sich der latente Machtkampf zwischen den dem „Geistlichen Führer“ Khamenei nahestehenden radikalen Revolutionären und den Gemäßigten unter Rouhani, wie den unter massivem Druck stehenden Reformen dramatisch zu. Mit der Machtübernahme Trumps und seines überwiegend extrem iranfeindlichen Teams in den USA  halten die radikalen, von Khamenei angeführten Gegner einer Aussöhnung mit der Supermacht Aufwind. Macht Trump sein Wahlversprechen wahr und beginnt mit der Zerschlagung des von seinem Vorgänger Obama so intensiv betriebenen Atomabkommens mit dem Iran, dann droht eine Radikalisierung der Außen- und Regionalpolitik Teherans. Es bedürfte dringend Rafsandschanis Stimme der Mäßigung und der Vernunft.  Dasselbe gilt für den die Stabilität der ganzen Region so sehr gefährdenden Krieg zwischen Schiiten und Sunniten, der jahrelang durch die Rivalitäten zwischen Iran und Saudi-Arabien aufgeheizt wird. Rafsandschani hatte sich wie kein anderer iranischer Politiker vor ihm lange und intensiv um eine Aussöhnung mit den USA und dem Westen insgesamt bemüht, teilweise allerdings vergeblich. Auf weniger Widerstand der Gegenseite stieß er in den 1990er Jahren bei seinen Bemühungen um Annäherung an Saudi-Arabien und hätte auch jetzt vermittelnd wirken können.
Rafsandschanis politische Karriere lässt sich in zwei völlig unterschiedliche Phasen einteilen: jene des Pragmatikers und skrupellosen Machtpolitikers, der sich als Meister des Ränkespiels zum zweitmächtigsten Mann des „Gottesstaates“ katapultierte und entscheidenden Einfluss selbst auf Khomeini gewann. Intime Kenntnisse über Hintergründe der Massenmorde an politischen Gegnern in den ersten Revolutionsjahren, wie auch spätere Repressionen und eine Mordserie an Oppositionellen, Repräsentanten der Kurden und liberalen Intellektuellen im In- und Ausland dürfte er nun mit sich ins Grab genommen haben. In den Augen vieler sich nach Freiheit sehnenden Iraner aber gewann dieser islamische Revolutionär der ersten Stunde ab der zweiten Hälfte der 1990er Jahre Sympathie, als er entscheidend zum Wahlsieg des Reformer-Präsidenten Khatami beitrug und sich offen 2009 hinter die massive Protestbewegung gegen die Manipulation der Wiederwahl Präsident Ahmadinejads stellte. Viele Reformer sehen Rafsandschani als den „Paten“ ihrer Bewegung, ihren größten Förderer und Befürworter hinter den Kulissen des Machtapparats. In dieser Rolle ist er unersetzlich. Rouhani verdankt ihm seine Wahl zum Präsidenten und das Fehlen dieser starken Stimme könnte seine Wiederwahl im Mai 2017 ernsthaft gefährden.  Noch einschneidender aber könnte sich Rafsandschanis Tod auf die Zukunft der „Islamischen Republik“ auswirken, wenn der kränkliche „Geistliche Führer“ stirbt. In der „Expertenversammlung“, die den Nachfolger zu wählen hat, saß Rafsandschani als wichtigste und wahrscheinlich unersetzliche  Kraft der Mäßigung. Sein Tod erfüllt deshalb viele reformhungrige Iraner mit tiefer Sorge.

1 Kommentar:

  1. Pierer Friederike2. Februar 2017 um 22:00

    wie wahr und keiner weiß wie es in der Region weiter geht, die armen Betroffenen!

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