Von Birgit Cerha
Teilabzug der russischen Truppen – Doch der Krieg ist noch lange nicht zu Ende
Als „Teilerfüllung“ seiner militärischen Mission in Syrien will Russlands Präsident Putin die Freitag begonnene Reduzierung der russischen Militärkraft am Mittelmeer verstanden wissen. Der gigantische Flugzeugträger Kuznetsov, der vom russischen Marinestützpunkt Tartus aus ab November entscheidend zur Niederlage der Rebellen in Ost-Aleppo beigetragen hatte, trat seine Heimreise an. Wieviele russische Militärkräfte ihm folgen werden, bleibt offen und gibt Anlass zu Mutmaßungen, dass dieser groß angekündigte Rückzug mehr symbolisch/politische als strategisch/militärische Bedeutung haben könnte. Seit Beginn der russischen Militärintervention im September 2015 hatte Putin bereits einmal, im März des Vorjahres, einen Rückzug seiner Truppen angekündigt, nur, um diese in kürzester Zeit wieder aufzustocken, als sich der militärische Druck der Rebellen auf Diktator Assad verstärkt hatte. Nun sitzt Assad so fest im Sattel wie lange nicht mehr. Zwar sind seine Streitkräfte ausgeblutet, doch die intensive und so erfolgreiche Hilfe der verbündeten Iraner und der schiitischen Milizen aus dem Libanon und dem Irak ist ihm weiterhin ebenso sicher wie es die russischen S-300 und S-400 Luftabwehrsysteme sind. Den Marinestützpunkt in Tartus und die Luftwaffenbasis in Latakia wird Putin keinesfalls aufgeben, war deren Erhaltung doch eine der wichtigsten Motivationen für seine militärische Intervention in dem einzigen verbliebenen Verbündeten Russlands in der arabischen Welt.
Der Sieg in Aleppo untermauerte Moskaus dominante Stellung in Syrien und drängte die USA vollends an den Rand. Neun Monate lang hatten die USA und Russland über Feuerpausen verhandelt – stets erfolglos. Nun hält ein zwischen dem Kreml, Teheran und Ankara ausgehandelter Waffenstillstand wenigstens halbwegs. Er soll den Boden für Friedensverhandlungen bereiten, zu denen weder Saudi-Arabien (entscheidender Förderer der radikalen Rebellen), noch die Obama-Administration geladen sind und die weder in Genf, noch in Wien, sondern im Kasachischen Astana stattfinden sollen. Später könnte sich ihnen nach Putins Vorstellung auch der neue US-Präsident Trump anschließen, der daran bereits sein Interesse bekundet hat. Putin diktiert das Geschehen.
Friedensverhandlungen - ein Hoffnungsschimmer für Syrien? Doch selbst die größten Optimisten fürchten, dass der Krieg längst nicht zuende ist, auch wenn die Rebellen dem Untergang geweiht erscheinen. Gemäßigtere Oppositionsgruppen wurden zwar nach Astana geladen und können auf Amnestie im Gegenzug zur Unterstützung einer politischen Lösung hoffen, die Assad für die unmittelbare Zukunft die Macht sichert. Doch die stärksten Rebellenverbände – die mit al-Kaida verbündete „Jabhat al Fatah al Sham“(JFS), die so erfolgreich gegen die Terrormiliz des „Islamischen Staates“( IS) kämpfenden Kurden und der IS selbst bleiben ausgeschlossen. JFS kündigte bereits die Fortsetzung des Kampfes von der von ihr kontrollierten Nordwestprovinz Idlib aus an. Ein militärischer Sieg über Assad ist aber unmöglich geworden, bleibt nur Guerilla und Terror. Zudem droht zunehmende Isolation. Ankara wird gemeinsam mit Russland den Vorsitz über die Konferenz in Astana führen – ein wesentliches Zugeständnis Putins für eine entscheidende Gegenleistung Präsident Erdogan: die totale Blockade der Grenze zu Syrien, Einstellung jeglicher - lange so wichtiger – Unterstützung radikaler Rebellen. Zugleich verliert auch der finanzkräftige Förderer der Radikalen, das Emirat Katar, seine Motivation als Kriegstreiber, nachdem es sich jüngst mit 11,5 Mrd. Dollar an ‚“Rosneft“, Russlands größtem Ölproduzenten, beteiligt hat. Und die Saudis, die lange keine materiellen Opfer scheuten, um Assad zu Fall zu bringen, sind durch ihren hoffnungslosen und zerstörerischen Krieg im Armenhaus Jemen zunehmend erschöpft.
Doch nun, da er seine Macht nach der erbarmungslosen Schlacht um Aleppo gerettet sieht, ist Assad entschlossen, das ganze Land mit Gewalt unter seine Kontrolle zu zwingen. Idlib, wohin Zehntausende radikale Rebellen geflüchtet sind, ist sein nächstes Ziel, das „nächste Aleppo“, wie manche fürchten.
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