von Birgit Cerha
Syrien erlebt nicht nur einen Krieg, der sich in die Reihe der
grausamsten der Neuzeit einordnet. Es ist ein Krieg, der trotz
modernster Kommunikationsmittel die Außenwelt weitgehend ratlos lässt.
Was dort an Verbrechen und Barbareien tatsächlich geschah und geschieht,
von wem verübt, bleibt bisher weitgehend im Dunkeln. Wenn Assad
beklagt, dass der Westen das Leid der in Ost-Aleppo eingeschlossenen
Zivilisten beweint und jenes in den von ihm kontrollierten Gebieten
ignoriert, so betreibt er nach alter Manier Propaganda. Und dennoch
enthält die Kritik so manche Wahrheit.
Die Informanten westlicher Medien in Ost-Aleppo und anderswo in
Syrien stammen vielfach aus den Reihen der Gegner Assads oder von diesen
kontrollierten Zivilisten. Selbst unabhängige Hilfsorganisationen
haben, wenn überhaupt, nur spärlichen Zugang zu den Kampfregionen. Schon
die Zahl der monatelang in Ost-Aleppo eingeschlossenen Menschen –
250.000 – ist fraglich. Möglicherweise waren es viel weniger. In den
nächsten Tagen und Wochen werden wohl die anderen Wahrheiten zutage
treten. Fest steht schon jetzt, dass es nicht „die Guten“ (in
Ost-Aleppo) waren, die gelitten und gegen die „Bösen“ (im Westen der
Stadt) gekämpft hatten. Auch die Zivilbevölkerung West-Aleppos stand
monatelang unter wiederholten Beschuss aus dem Osten. Und es gibt erste
Hinweise darauf, dass tatsächlich Teile der Bevölkerung Ost-Aleppos von
den Rebellen an der Flucht, die etwa russische Sicherheitskorridore
wiederholt ermöglicht hatten, hinderten, weil der Kampf für „Freiheit“
und gegen den Diktator immer wieder Vorrang vor dem Schutz unschuldigen
Menschenlebens besaß und offenbar weiterhin besitzt. So wehren sich nun
auch Rebellen in Nord-Syrien, gefangene pro-iranische Milizionäre, wie
Teheran fordert, freizugeben und verhindern damit die so dringende Hilfe
an Schwerverwundete und Sterbende in Ost-Aleppo.
Beide Seiten in diesem Krieg haben sich schwere Verstöße gegen die
Menschlichkeit vorzuwerfen. Ganz abgesehen davon, dass die Rebellen in
Aleppo und vor allem auch in Idlib von radikalen mit den brutalsten
Terroristen der Al-Kaida und des „Islamischen Staates“ verbündeten
Islamisten kontrolliert werden, oder mit diesen gemeinsame Sache
machen.
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