Dienstag, 29. November 2016

Wendepunkt im Syrienkrieg

von Birgit Cerha
 
Verzweiflung, Zorn, aber auch tiefe Resignation hat die Menschen im eingeschlossenen Ost-Aleppo erfasst, während Milizen des Assad-Regimes ihren größten militärischen Erfolg seit 2012 absichern.  Seit Assads bewaffnete Gegner vor vier Jahren den Ost-Teil der Stadt erobert hatten, gelang es den Regierungskräften trotz heftiger Bombardements und gnadenloser Blockade nicht, Syriens wichtigste Metropole wieder unter ihre Kontrolle zu zwingen. Das Kriegsverbrechen der Aushungerung und massive Bombardements haben nun urch den Fall des Nordens von Ost-Aleppo die Situation dramatisch verändert. Den durch konstante Bombardements terrorisierten Menschen (mehr als 200.000) im Rest des Rebellengebietes bleibt nur die Wahl, auszuharren und sich ihrem Schicksal zu ergeben oder die Flucht in vielleicht noch größere Gefahren zu riskieren.
In Aleppo entscheidet sich Syriens Schicksal. Auch wenn der Widerstand in dem noch von Rebellen kontrollierten Südteil größer sein dürfte im Norden, der Sieg der Regierungskräfte ist nur eine Frage kurzer Zeit. Fällt die gesamte Metropole wieder in seine Hände, dann kontrolliert der Diktator mit Damaskus, Hama, Homs und Latakia die fünf wichtigsten Städte, das „nutzbringende Syrien“, wie es in Regimekreisen heißt, in dem die Mittel- und Oberschicht lebt, das „Herz der syrischen Nation“. Die Rebellen und die gegnerische Zivilbevölkerung werden in die ärmlichen ländlichen Regionen vertrieben und das Regime kann den Krieg als einen der Reichen gegen die Armen, der Städte gegen die Dörfer präsentieren. Den Wandel in seinem Kriegsglück verdankt der Diktator wichtigen Entwicklungen des vergangenen Jahres: Es war im Oktober 2015, dass der strategische Freund Russland mit seiner Militärintervention den schwerbedrängten Assad vor dem Untergang rettete. Russlands Engagement löste einen Rückzug der USA aus, als Präsident Obama verkündete, er werde keinen „Stellvertreterkrieg“ führen. Diese Entwicklung verschärft durch die Radikalisierung der „gemäßigten“ Rebellen, bewogen Obama zu seiner Zurückhaltung. Hinzu kam das Chaos in der Türkei nach dem gescheiterten Putschversuch gegen Präsident Erdogan im Juli und der anschließenden Repressionswelle. Um das Land vor einer Katastrophe zu bewahren, muss Erdogan die Auswirkungen  des Syrienkrieges, seine Hilfe an die islamistischen Rebellen, den Niedergang der Wirtschaft stoppen und eine Konfrontation mit Russland vermeiden. So hat der Türke seine intensive Unterstützung von Assads Gegnern vor allem in Aleppo gestoppt und sich jeder Kritik an Russland enthalten. Dafür lässt ihm der Kreml im Kampf gegen die Kurden in Nord-Syrien freie Hand.
Unter den Rebellen breiten sich Resignation und Orientierungslosigkeit aus. Gelingt Assad die totale Eroberung Aleppos, rückt ihm der End-Triumph in greifbare Nähe, zumal der designierte US-Präsident Trump nun noch weniger als zuvor zu einem Engagement im Syrienkrieg motiviert sein wird. Doch der Weg Syriens zu Frieden und Stabilität ist damit noch lange nicht beschritten.
 

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