von Birgit Cerha
Verzweiflung, Zorn, aber auch tiefe Resignation hat die Menschen im
eingeschlossenen Ost-Aleppo erfasst, während Milizen des Assad-Regimes
ihren größten militärischen Erfolg seit 2012 absichern. Seit Assads
bewaffnete Gegner vor vier Jahren den Ost-Teil der Stadt erobert hatten,
gelang es den Regierungskräften trotz heftiger Bombardements und
gnadenloser Blockade nicht, Syriens wichtigste Metropole wieder unter
ihre Kontrolle zu zwingen. Das Kriegsverbrechen der Aushungerung und
massive Bombardements haben nun urch den Fall des Nordens von Ost-Aleppo
die Situation dramatisch verändert. Den durch konstante Bombardements
terrorisierten Menschen (mehr als 200.000) im Rest des Rebellengebietes
bleibt nur die Wahl, auszuharren und sich ihrem Schicksal zu ergeben
oder die Flucht in vielleicht noch größere Gefahren zu riskieren.
In Aleppo entscheidet sich Syriens Schicksal. Auch wenn der
Widerstand in dem noch von Rebellen kontrollierten Südteil größer sein
dürfte im Norden, der Sieg der Regierungskräfte ist nur eine Frage
kurzer Zeit. Fällt die gesamte Metropole wieder in seine Hände, dann
kontrolliert der Diktator mit Damaskus, Hama, Homs und Latakia die fünf
wichtigsten Städte, das „nutzbringende Syrien“, wie es in Regimekreisen
heißt, in dem die Mittel- und Oberschicht lebt, das „Herz der syrischen
Nation“. Die Rebellen und die gegnerische Zivilbevölkerung werden in die
ärmlichen ländlichen Regionen vertrieben und das Regime kann den Krieg
als einen der Reichen gegen die Armen, der Städte gegen die Dörfer
präsentieren. Den Wandel in seinem Kriegsglück verdankt der Diktator
wichtigen Entwicklungen des vergangenen Jahres: Es war im Oktober 2015,
dass der strategische Freund Russland mit seiner Militärintervention den
schwerbedrängten Assad vor dem Untergang rettete. Russlands Engagement
löste einen Rückzug der USA aus, als Präsident Obama verkündete, er
werde keinen „Stellvertreterkrieg“ führen. Diese Entwicklung verschärft
durch die Radikalisierung der „gemäßigten“ Rebellen, bewogen Obama zu
seiner Zurückhaltung. Hinzu kam das Chaos in der Türkei nach dem
gescheiterten Putschversuch gegen Präsident Erdogan im Juli und der
anschließenden Repressionswelle. Um das Land vor einer Katastrophe zu
bewahren, muss Erdogan die Auswirkungen des Syrienkrieges, seine Hilfe
an die islamistischen Rebellen, den Niedergang der Wirtschaft stoppen
und eine Konfrontation mit Russland vermeiden. So hat der Türke seine
intensive Unterstützung von Assads Gegnern vor allem in Aleppo gestoppt
und sich jeder Kritik an Russland enthalten. Dafür lässt ihm der Kreml
im Kampf gegen die Kurden in Nord-Syrien freie Hand.
Unter den Rebellen breiten sich Resignation und
Orientierungslosigkeit aus. Gelingt Assad die totale Eroberung Aleppos,
rückt ihm der End-Triumph in greifbare Nähe, zumal der designierte
US-Präsident Trump nun noch weniger als zuvor zu einem Engagement im
Syrienkrieg motiviert sein wird. Doch der Weg Syriens zu Frieden und
Stabilität ist damit noch lange nicht beschritten.
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