Donnerstag, 10. November 2016

Nahost: Zwischen Schock und Frustration

 
Kommentatoren im Nahen Osten reagieren mit einer Mischung aus Entsetzen, Gleichgültigkeit und Ratlosigkeit auf die Wahl Donald Trumps. Nach jüngste Umfragen hatte eine Mehrheit der Menschen in der Region Hillary Clinton favorisiert, denn nach Trumps anti-muslimischen Äußerungen zu Jahresbeginn hat sich in der arabischen Welt der Eindruck verstärkt, dass die USA eine rassistische, imperialistische Nation sei, die den Nahen Osten ausbeuten und unterjochen wolle. Trump zeige nur das wahre Gesicht der Supermacht. Zugleich hat US-Präsident Obamas zunehmender Rückzug aus der Region viele davon überzeugt, dass US-Präsidentschaftswahlen für ihr Leben und ihre Zukunft die Relevanz verloren hätten. Trumps bis heute völlig fehlendes Nahost-Konzept spricht dabei für sich.
Dennoch befürchten liberale Kreise der Region, Trumps rassistische und autokratische Tendenzen würden Diktatoren, wie etwa den Ägypter Sisi, stärken, zugleich aber auch die einst engen Beziehungen der USA zu arabischen Ländern weiter verschlechtern. Schon gibt es erste Anzeichen, dass sich arabische Staaten stärker zu Russland und China hinwenden, da sie Washington nicht mehr als verlässlichen Verbündeten schätzen. Diese Tendenz könnte sich nun verstärken.
Optimistische Analysten hoffen dennoch, der erfolgreiche Geschäftsmann Trump werde sich von realpolitischen Erwägungen leiten lassen und – im Gegensatz zu Clinton - eine Eskalation der Gewalt insbesondere in Syrien verhindern. Verschärften Kampf gegen die Terrormiliz des „Islamischen Staates“  nennt Trump als seine Priorität, für die er Kooperation – und nicht Konfrontation – mit Russland sucht und Diktator Assad schonen will. Er könnte zu den großen Gewinnern dieser Wahl zählen. Während die arabischen Golfstaaten, allen voran Saudi-Arabien und Katar, mit großzügigen Gaben Clinton unterstützt hatten, zeigen radikale Kreise in Teheran, allen voran der „Geistliche Führer“, größere Sympathie für Trump (er sei „ehrlicher“) – dies obwohl der neugewählte Präsident den so mühselig zwischen den Weltmächten und dem Iran ausgehandelten Atomdeal für „schlecht“ hält und  neu aushandeln will. Trump spielt damit den Gegnern des gemäßigten Präsidenten Rouhani und seines Atomdeals in die Hände, die unter allen Umständen eine Stärkung der reformorientierten Kräfte zu verhindern suchen.
Doch was will Trump wirklich? Auf diese Frage fehlt bisher jede Antwort.
 

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